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Handel der Oberdeutschen und Niederdeutschen

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Bis zur Gegenwart hat der deutsche Handel – das Kulturverhältnis der Zeiten gerechnet – die Höhe, zu der er im letzten Jahrhundert vor der Reformation erblüht war, nicht wieder erreicht; fast der gesamte Landhandel nach der Welt des Ostens und beide Nordmeere bis über die holländische Küste standen damals unter Herrschaft des deutschen Kaufmanns, der in den großen Marktstädten Mitteldeutschlands, in Magdeburg und Erfurt, in Halle und Leipzig, die Waren des Nordens und Südens tauschte.

Aber auf keinem Gebiet irdischer Interessen wird der Unterschied zwischen Oberdeutschen und Niederdeutschen so bemerkbar als in der Tätigkeit, welche nationale Schranken mehr als jede andere durchbricht. Mittelmeer und Nordmeer, Landhandel und Seehandel, Fabrikant und Kaufmann, Goldwährung und Silberwährung stehn im Verkehr der Ober- und Niederdeutschen gegeneinander. Die großen Binnenmärkte Ulm, Augsburg, Nürnberg, Basel, Straßburg, Mainz, Regensburg, Frankfurt kaufen zumeist von Gegenden, in welchen der Himmel milder, der Verkehr reicher entwickelt, die Kultur älter ist, bei ihnen gewinnt der Handel zuerst fast moderne Formen in fester Verbindung mit großen fremdländischen Geschäften. Dort zieht mit Waren und zierlicher Arbeit des Südens auch Kunstgeschmack, einige Wissenschaft und verfeinerter Lebensgenuß in das Land. Der süddeutsche Kaufmann läßt einen Sohn oder Verwandten in Italien oder Frankreich Recht und Medizin studieren, und der gelehrte Jurist, der Arzt und Apotheker werden zu den Patriziern [vornehme Bürger] der Stadt gerechnet; der Kaufmann ist oft selbst Weber, und auf der Fabrikation der verschiedenen Stoffe, welche die Innungen seiner Stadt in besonderer Güte verfertigen, beruht die Größe seines Geschäfts. Ein Nürnberger Geschlechter [vornehme Bürger] richtet 1390 die erste Papierfabrik in Deutschland ein, ein anderer zu Mainz erfindet fünfzig Jahre später die Kunst, dies Papier zu bedrucken. Durch viele geschäftliche Verbindungen sind die hochdeutschen Kaufleute mit großen Fürsten oder dem Königshofe vertraut und erhalten ein persönliches und Parteiinteresse bei den inneren Händeln des Reiches. Die französischen Moden, welche schon damals den feinen Mann beherrschen, werden zuerst von den Geschlechtern aufgenommen, und ebenso wie das Rittertum in Süddeutschland sich höfischer entwickelt hat, so zeigen auch die reichen Stadtbürger ein modisches und zuweilen fremdländisches Wesen. Jede Stadt im Süden hat ferner so eigentümliche Handelsinteressen, daß sie denen ihrer Nachbarn fast immer abgeneigt oder gefährlich sind; die Städte vereinigen sich einmal zu Bünden, weil die Unsicherheit der Landstraßen als gemeinsames Leiden gefühlt wird; aber es sind Verteidigungsbedürfnisse gegen Fürsten und Vasallen, nicht Verträge zu gemeinsamem Handel, und sie haben geringe Dauer; jede Stadt erstarkt für sich allein, in bewußtem Gegensatz zu den andern.

Weit anders da, wo die niederdeutsche Sprache altheimisch oder durch sächsische Kolonisten eingebürgert ist. Dort bleibt bis tief in das Land in der Altmark, Westfalen, in dem großen Köln das Interesse vorzugsweise nach den Nordmeeren gerichtet, der lohnendste Handel wird zu Schiffe geführten, auch die Kaufleute kleinerer Landstädte beteiligen sich als Reeder und Befrachtende an der Seefahrt. Der Kaufmann und seine Diener sind lange Zeit selbst die Reisenden, sie sind vorzugsweise die Städtegründer, bewaffnete Kämpfer vom Schiffsbord, oft wagelustige Abenteurer, welche Haus und Heimat leicht mit der Fremde vertauschen. Viel altertümliche und rauhe Sitte erhält sich im Verkehr mit Nordmannen und Heiden. Auch der niederdeutsche Kaufmann ist Fabrikant, zumal am Unterrhein wurzelt das früheste Gedeihen des Seehandels auf der Ausfuhr heimischer Arbeiten; aber in den größten Städten der Sachsen ist die Fabrikation weit weniger wichtig als die Lebensmittel, Rohstoffe und Waren der Fremde. Und der Gewinn dieser Waren ist mit Wagnis und Gefahr verbunden, welche die stärkste Manneskraft in Anspruch nehmen und einen trotzigen, herrischen und ehern Willen aufziehen. Die große Verbindung der Hansa reicht fast genau so weit als die niederdeutsche Sprache, sie ist eine Verbindung vieler Städte, zu gemeinsamem Handel in der Fremde, nicht zur Verteidigung, sondern zur Eroberung. –

Die Geschichte der Hanse

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