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Erstes Buch
IX
ОглавлениеAn einem warmen Sommerabend sprach Fink nach dem Schluß des Comtoirs zu Anton: »Wollen Sie mich heut begleiten? Ich will auf dem Fluß ein Boot probiren, das ich hier habe bauen lassen.« Anton war bereit. Die Jünglinge sprangen in einen Wagen und fuhren an den Fluß oberhalb der Stadt, wo eine Colonie von Schiffern und Fischern in ärmlichen Hütten wohnte. Fink wies auf ein rundes Fahrzeug, welches auf dem Wasser schwamm, wie eine große Kürbisschale, und sagte melancholisch: »Da liegt das Gefäß, es ist ein Scheusal! Ich selbst habe dem Kahnbauer das Modell geschnitzt, denn ein Kielboot bauen, ist hier zu Lande etwas Unerhörtes; ich habe dem Strohkopf alle Verhältnisse angegeben, und er hat ein solches Mövenei zur Welt gebracht.«
»Es ist sehr klein,« erwiederte Anton mit trüben Ahnungen.
»Ich sage Euch,« rief Fink strafend dem Kahnbauer zu, welcher herantrat und respectvoll die Mütze abnahm, »daß unsere Seelen auf Euer Gewissen kommen, wir werden in dem Dinge da unfehlbar ertrinken, und Euer Mangel an Witz wird Schuld sein.«
»Herr,« sagte der Kahnbauer kopfschüttelnd, »ich habe das Boot ganz nach Ihrer Anweisung gemacht.«
»Den Teufel habt Ihr,« schalt Fink, »zur Strafe sollt Ihr mitfahren. Ihr werdet einsehen, daß es billig ist, wenn Ihr mit uns ertrinkt.«
»Nein, das thue ich nicht, lieber Herr,« antwortete der Mann entschieden, »bei dem Winde will ich's nicht wagen.«
»So bleibt am Lande und kocht Euren Kindern Brei von Hobelspänen. Gebt Mast und Segel her.« Fink setzte den kleinen Mast ein, sah nach, ob die Schoten der Segel glatt durch die Löcher liefen und ob das Geitau anzog. Sämmtliche nautische Erfindungen erwiesen sich als befriedigend. Dann hob er Mast und Segel wieder aus, legte sie der Länge nach in das Boot, warf einige Eisenstücke als Ballast auf den Boden, hakte das Steuer ein, ergriff zwei lange Streichruder und wies unserm Helden seinen Platz an. Darauf legte er die Ruder aus und fuhr mit der Kraft eines Matrosen im Doppelschlag vom Ufer ab. Er ließ den Kürbis auf der Wasserfläche tanzen zur großen Belustigung des Zimmermanns und sämmtlicher Nachbarn am Ufer, und äußerte seine Zufriedenheit, daß Anton ihm so zuversichtlich gegenüber saß. »Es ist möglich, in einem Kielboot gegen den Strom zu kommen,« sagte er, »das war's, was ich diesen Nachtmützen beweisen wollte.« Darauf setzte er den Mast wieder ein, löste die Segel, gab seinem Schüler die Schote des Klüvers in die Hand und unterrichtete ihn, wie er anziehen und loslassen sollte. Der Wind blies in unregelmäßigen Stößen, bald blähten sich die kleinen Segel und neigten den Rand des Bootes dem Wasser zu, bald schlugen sie unthätig und rathlos an den Mast. »Es ist ein elender Seelenverkäufer,« rief Fink ärgerlich, »wir treiben unvermeidlich ab und werden nächstens umwerfen.«
»Wenn das ist, so schlage ich vor, umzukehren,« sagte Anton mit erheuchelter Leichtigkeit.
»Es thut nichts,« versetzte Fink kaltblütig, »ich werde uns schon wieder an's Land bringen, so oder so. Sie können doch schwimmen?«
»Wie Blei,« antwortete Anton; »wenn wir umwerfen, gehe ich sicher auf den Grund, Sie werden Mühe haben, mich herauszuziehen.«
»Fassen Sie nur in keinem Falle nach meinem Körper, wenn Sie im Wasser liegen,« belehrte ihn Fink, »das wäre das beste Mittel, uns Beide unten festzuhalten; warten Sie ruhig ab, bis ich Sie in die Höhe hebe. Uebrigens wird es nicht schaden, wenn Sie sich Rock und Stiefeln ausziehen, es ist gemüthlicher im Wasser, wenn man im Negligé ist.« Anton that willig, wie ihm befohlen war.