Читать книгу Wille wider Wille - aus den Indianerhütten Arizonas - Band 115 in der gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski - Gustav Haders - Страница 5
Van Augustus Sims, der Schulsuperintendent
ОглавлениеAm Abend dieses Tages saß ich mit dem Superintendenten die indianerschule, meinem Freude van Augustus Sims, auf der Veranda seines Hauses. Ich war seit etlichen Tagen sein Gast, hatte bis zu diesem Tage die Absicht gehabt, noch etwa eine Woche zu bleiben, wurde aber beständig von meinem Freunde gedrängt, nicht nur noch länger zu bleiben, sondern ihm die letzten Monate meiner Erholungszeit , die ich im Westen Nordamerikas zubrachte, zu schenken. Während ich mich in San Franzisco aufhielt, hatte ich einen Brief von Augustus erhalten. Er musste irgendwo von meinem zeitweiligen Aufenthalt in Kalifornien gehört haben. Seit unserer Knabenzeit her wechselten er und ich so alle Jahre ein oder zweimal einen Brief. Er stand in Regierungsdiensten und hatte es bis zum Superintendenten einer großen Indianerschule in Arizona gebracht. Ich bekleidete eine bescheidene Stellung in der städtischen Verwaltung meines Heimatortes in Pennsylvanien. Wir hatten auf derselben Schulbank gesessen und waren gute Kameraden gewesen und geblieben. Das Verlangen, einmal wieder über die längst verflossene Schulzeit zu plaudern und Jugenderinnerungen auszutauschen, hatte ohne Zweifel den Anlass zu der an mich ergangenen Einladung gegeben. Ich nahm dieselbe dankbar an, besonders auch darum, weil ich den Gedanken mit Freuden begrüßte, bei einem Aufenthalt in einer Regierungsschule sowohl diese und die Art ihrer Führung, wie auch ganz besonders die mir seit meinem Aufenthalt im Westen lieb gewordenen Indianer näher kennen zu lernen.
Auch heute Abend kam Sims wieder darauf zu sprechen, da ich noch nicht ans Fortgehen denken, sondern bei ihm bleiben solle, wenigstens noch für einige Wochen. Ich dachte an Dohaschtida und sagte zu. Sims war so erfreut darüber, dass es ihm gar nicht in den Sinn kam, zu fragen, was mich zu diesem Entschluss getrieben hätte. Seine Freude wäre vielleicht etwas getrübt worden, wenn ich ihm hätte gestehen müssen, dass ein Indianer die Hauptveranlassung sei, weshalb ich mich entschlossen habe, seinem Wunsche nachzukommen.
Gleich bei meiner Ankunft hatte Sims mich gebeten, am Sonntagmorgen bei den Andachtsübungen zu den Indianerkindern und den Angestellten zu reden. Ich hatte ihm erwidert, ich sei kein Prediger; aber er entgegnete, er sei auch keiner und müsse doch jeden Sonntag reden. Bis vor einem Jahre hätten sie Missionare hier gehabt, die seien aber fort, und so müsse er predigen. „Du weißt“, fuhr er fort, „ich war nie sehr fromm. Es ist mir jeden Sonntag eine Qual, wenn ich reden muss und Dinge sagen, die ich selbst nicht so recht glaube; Geschichten erzählen muss, die ich für halbe Märchen halte. Aber die in Washington herausgegebenen Schulordnungen verpflichten den Schulsuperintendenten zu einer christlichen Religionsausübung mit den Kindern am Sonntag, wenn kein Prediger oder Missionar zu haben ist, der bereit ist, der Schule seinen Dienst zu erweisen. Aber du warst immer fromm“, schloss er, „du gingst jeden Sonntag zur Kirche und sogar zur Sonntagsschule und Christenlehre.“
Als ich Sims hierauf erwiderte, dass ich das heute noch tue, sogar schon seit Jahren daheim Superintendent unserer Sonntagsschule sei, da war es um allen meinen Widerstand geschehen. Ich hatte Sims das Versprechen geben müssen, solange ich auf der Reservation weile, sonntags zu den Indianerkindern zu reden.
An diesem Abend kam ich auf Sims‘ Bemerkung zurück, dass sie keine Missionare mehr hätten, und fragte ihn, wie das zuginge.
Sims antwortete: „Die Leute sind bei ihren Bekehrungsversuchen müde geworden.“
„Wer? Welche Leute? Die Missionare?“
„O nein, die nicht, aber die Leute, die die Missionare hierher geschickt haben, die sie bezahlten.“
„Warum sind sie denn müde geworden?“
Sie waren zu der Ansicht gekommen, dass die Indianermission ‚sich nicht bezahle‘. Nachdem sie einige zwanzig Jahre die Gehälter der Missionare und der Lehrer bezahlt hatten, meinten sie, die Indianer müssten nun endlich einmal anfangen, dies selber zu tun. Die Missionare erhielten Auftrag, dass ein energischer Anfang damit gemacht werde. Als aber die Missionare berichteten, an so etwas sei nicht zu denken, es könnten noch hundert Jahre oder mehr darüber hingehen, bis so etwas möglich sei, da wurden die Leute missmutig. Die Missionare berichteten, sie könnten jetzt nur die Vorarbeit für spätere Geschlechter tun, was freilich eine Arbeit sei, die getan werden müsse, ohne die ein Aufbau des Reiches Gottes nicht zustande kommen könne. Sie sagten ferner, sie könnten wohl hier und dort einzelne Indianer bekehren, aber an den Aufbau eines Gemeinwesens sei noch lange nicht zu denken; ihre Hoffnung beruhe, was das anbelange, erst auf Kindeskindern. Solche Aussichten genügten den Leuten im Osten, die diese Mission hier durch ihre Missionare betrieben, durchaus nicht. Sie erklärten die Arbeit der Missionare für erfolglos und die Indianermission in Bausch und Bogen für aussichtslos und darum für zwecklos. Die gesamten Missionsarbeiter wurden einer nach dem anderen abberufen, und so gehört die Indianermission unter diesem Stamme zu den gewesenen Dingen.“
„Hatten die Missionare nicht treu gearbeitet“ fragte ich.
„Sie hatten mit aller Treue gearbeitet. Jedermann gibt ihnen das Zeugnis!“ erklärte Sims sehr entschieden.
„Und hatten sie wirklich keine Erfolge?“ fragte ich weiter.
„Keine Erfolge?“ wiederholte Sims. „Großartige Erfolge hatten sie! Sie hatten in jeder Hinsicht das Vertrauen der Indianer. Wir Regierungsangestellten haben das nicht. Sie hatten Schule. Sie hatten wohl nur wenige Kinder, aber diejenigen, die sie hatten, hatten sie auf Wunsch und aus dem freien Willen ihrer Eltern. Du stelltest dies gestern Abend als das Ideal und das einzig Wertvolle hin, als wir davon sprachen, dass die Kinder mit Polizeigewalt in die Regierungsschulen gebracht werden müssen, wenn wir Kinder haben wollen. Die Missionare hatten sogar schon etliche Indianer, die am Sonntag zur Kirche kamen.“
„Waren dies ihre einzigen Erfolge, die sie zu verzeichnen hatten?“ fragte ich.
„Ja!“ sagte Sims.
„Viel war das freilich nicht.“
„Du irrst. Es war viel. Man muss den Indianer und seine Stellung zu weißen Mann kennen. Man muss die Verhältnisse hier und vieles andere kennen, um richtig abwägen, um ein Urteil über den Wert dessen haben zu können, das erreicht war, wie über das Maß des in den Möglichkeitsgrenzen Liegenden, das erreicht werden konnte. Wer hierfür Verständnis hat, der muss sagen, dass die Missionare viel erreicht hatten, und dass nur sehr treue und anhaltende Arbeit zu solchen Resultaten verhelfen konnte.“ Sims hielt inne und fuhr nach kurzem Sinnen fort: „Wir Arbeiter in Regierungsdiensten vermissen die Missionare sehr. Wir empfanden im Verkehr und Handel mit den Indianern etwas von dem besseren Geist, der auf diese von den Missionaren ausging. Jetzt, wo die Missionare fort sind, verschwindet das wieder. Es war alles noch zu sehr im Werden und von der Gegenwart und ständiger Weiterarbeit der Männer abhängig. Aber es war ein Zeichen von dem Wert und der Frucht der Arbeit der Missionare. Es galt nur weiterzuarbeiten und zu warten. Aber das wollten die Leute nicht. Sie hätten kein Geld dazu, hieß es; man könne das Geld anderswo besser anwenden, wurde gesagt. Mir hat das nie einleuchten wollen. Wenn ich an die großen, prunkvollen Kirchengebäude denke, die die Christen ihrem Gott bauen, so will mich dünken, dass da reichlich Geld sein muss. Auch glaube ich, dass die lieben Leute ihren Gott nicht recht kennen, wenn sie meinen, er habe mehr Freude an solchen Gebäuden als an der Arbeit, so ein verkommenes Volk, wie die Indianer es sind, aus dem Schmutz und Elend, aus Nacht und Tod zu ziehen. Das eine tun und das andere nicht lassen, das würde mir recht scheinen. Aber das eine tun und das andere lassen, nein, David, das will mir nicht in den Sinn.“
Sims schwieg und schien auf eine Antwort von mir zu warten. Was sollte ich viel dazu sagen? Es war ja richtig, was Sims sagte, aber es war nun einmal so und ließ sich nicht ändern, und war nicht dadurch zu bessern, dass wir darüber miteinander redeten. So ging ich nicht auf den angeregten Punkt ein.
„Haben die Missionare ihren Leuten im Osten das nicht auseinandergesetzt?“ fragte ich.
„Freilich haben sie das getan. Aber du kennst die Menschen, wie sie sind. Wo findest du einen Menschen, der sich Mühe gibt, dir nur mit seinen Gedanken zu folgen, wenn du ihm etwas auseinandersetzest, es sei denn, dass ein Bekanntwerden mit dem Gesagten ihm einen persönlichen Vorteil bringt? Hast du nicht Klatsch oder Sensationelles oder etwas die Person deines Gegners Betreffendes zu berichten, so hört dich dieser, wenn es hoch kommt, vielleicht mit halben Ohren an. Versuche es, jemandem, der in einer Sache eine Ansicht gefasst hat, über diese Sache deine Ansicht darzulegen, die aus unbestreitbar besseren Quellen geschöpft ist und mit persönlichen Erfahrungen belegt ist. Es hört die aus hundert Leuten höchstens einer mit dem Gedanken zu, du möchtest es vielleicht besser wissen als er, und seine Ansicht könnte verkehrt sein. Die übrigen neunundneunzig haben von vornherein die Absicht, bewusst oder unbewusst, bei ihrer Ansicht zu bleiben. Sie folgen deiner Rede gar nicht, noch erwägen sie deine Argumente. Sie warten nur geduldig oder ungeduldig auf den Moment, wo du deine Rede beendet hast, damit sie dir ihre Ansicht noch einmal wieder vortragen können. So zu sein, gebietet dem Menschen seine ihm angeborene Selbstsucht und sein Selbstgefühl. Es geht uns mit den Regierungskreisen in Washington genauso, wie den Missionaren mit ihren kirchlichen Organisationen im Osten, von denen sie abhängig waren. Sie alle haben die tollsten und hirnverbranntesten Ansichten über Indianer und Indianererziehung; über das, was man tun könnte und tun sollte. Und – sie halten an diesen Ansichten fest. Da helfen keine schriftlichen und da helfen keine mündlichen Auseinandersetzungen. Die schlimmsten sind die Herren Inspektoren, die hin und wieder auf ein paar Tage auf den Indianerreservationen erscheinen. Sie bringen ihre fertigen, festen Ansichten mit, wenn sie kommen, und finden dieselben hier bestätigt, weil sie, wiederum bewusst oder unbewusst, nach nichts weiterem sich umschauen und umhören, als nach solchem Material, mit dem sie ihre Ansichten bestätigen und das Erhärtung derselben ausnützen können. David, es kostet Jahre sorgfältigen Beobachtens, um sich nur ein wenig Verständnis des Indianers und der Art, wie an ihm zu arbeiten ist, anzueignen. Es kann bei dem verschlossenen Charakter des Indianers und seiner steten Wachsamkeit, dem weißen Manne sein Inneres zu verbergen, nicht anders sein. Aber wie gesagt: Selbstsucht, Selbstbewusstsein, Selbstgefühl. Der Mensch ist ‚all I‘, sagt der Amerikaner, ‚lauter Ich‘.“
„Dein Urteil über die Menschen ist hart!“ sagte ich. „Doch es gibt Ausnahmen. Die wahren Christen, die sind anders.“
Deren gibt es wohl nicht sehr viele!“ meinte Sims, und etwas wie ein ironisches Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen.
„Vielleicht mehr, als du denkst.“
„Mir sind sie nicht begegnet.“
„So hast du Augen und Ohren nicht offen gehalten.“
„Es ist meine Gewohnheit, wenn ich unter Menschen komme, dieselben zu beobachten und zu studieren.“
„So stellst du dir unter einem rechten Christen etwas anderes vor, als du solltest.“
„Das mag sein. Ich glaube aber, in einem Stück recht zu stehen. In jeder Rede Christi, in jedem Kapitel der apostolischen Briefe, einerlei, welche Lehre behandelt wird, immer zwischenein meine ich Kriegserklärungen an des Menschen Selbstgefühl und Selbstsucht zu finden. Es scheint mir das notwendige Resultat eines erneuerten Menschenwillens, ich könnte auch sagen, ein Erfordernis der Nächstenliebe zu sein, dass der Mensch eine Ansicht, die von seiner eigenen abweicht, nicht nur freundlich neben sich duldet, sondern dass er auch bereit ist, sich dieselbe darlegen zu lassen. Und weiter: hat die andere Ansicht gesunde, klare Gründe für sich, welche die Nichtigkeit der eigenen Ansicht zerstört, so darf der Mensch nicht eigenwillig bei seiner Ansicht verharren, sondern muss die andere fröhlich an Stelle der seinigen annehmen.“
„Was du da eben ausgesprochen hast, ist das Ideal, dem der Christ nachstrebt“, sagte ich, „aber es geht da gerade so wie mit der idealen Auffassung von Schülergewinnung unter den Indianern. Es sind derer nur wenige, die solche Ideale verwirklichen. Das letztere ist aber nicht unmöglich, wie du selbst zugabst, als du zuvor von den Missionsschulen redetest.“
Wir hatten an einem der ersten Abende unseres Zusammenseins eine Unterhaltung über die Polizeigewalt gehabt, die angewandt wurde, um die Indianerkinder in die Schulen zu bringen. Sims vertrat die Ansicht, dass die Indianerkinder in die Schulen zu bringen. Sims vertrat die Ansicht, dass die Indianerkinder unter den obwaltenden Verhältnissen mit Gewalt in die Schulen gebracht werden müssten, weil die Eltern sie sonst einfach nicht schicken würden. Ich hielt daran fest, dass bei solcher Schulung schwerlich etwas Gutes herauskommen werde, man müsse versuchen, den Willen der Eltern zu gewinnen.
Van Augustus verteidigte sich: „Ja“, sagte er, „aber solche Arbeit findet keine Anerkennung, weder in Washington noch bei den Missionsbehörden. Ich würde Knall auf Fall abgesetzt werden, wenn ich nach Eröffnung des Schuljahres nach Washington berichten würde: Ich habe 25 Kinder in der Schule, nicht 250 wie im vergangenen Jahre; aber die 25 haben die Eltern der Kinder mir freiwillig gegeben. Ich habe es aufgegeben, Polizeigewalt zu gebrauchen, und habe nur versucht, die Eltern von dem Wert der Schulerziehung zu überzeugen und sie dafür zu gewinnen, ihre Kinder mir freiwillig anzuvertrauen… Doch an etwas Derartiges wäre ja gar nicht zu denken. Du musst bedenken, dass wir keinen freien Willen haben, zu handeln wie wir wollen, und wie wir es für gut halten. Unsere Arbeit, das Was und das Wie, sind uns bis in die kleinsten Einzelheiten vorgeschrieben. Wir sind nur Werkzeuge, und die Hände, die diese Werkzeuge führen, sind nicht hier, sondern in Washington!“
„Ich weiß das“, sagte ich, „die Menschen sind verschieden. Ich könnte unter solchen Verhältnissen nicht arbeiten.“
„Warum nicht?“
„Wäre es eine Arbeit an Holzklötzen oder Steinblöcken, dann ja. Ich würde daraus zurechthauen, was mein Arbeitgeber verlang. Aber hier handelt es sich um Menschenseelen.“
„Menschenseelen ja. Aber Indianerseelen. Mir ist bislang noch nichts begegnet als boshafter Starrsinn. Gegen den muss man Gewalt gebrauchen. Man kann anders nichts ausrichten.“ Dies stimmte nun eigentlich durchaus nicht mit dem, was Sims von der Arbeit der Missionare gesagt hatte. Ich zog es aber vor, ihm dies nicht vorzuhalten. Ich sah meinen Freund eine Weile schweigend an und sagte dann: „Sims, ich will dir eine Begebenheit erzählen, die sich heute Nachmittag in dem kleinen Hause zutrug, das du mir für die Zeit meines hiesigen Aufenthalts zur Verfügung gestellt hast.“
Ich schilderte Sims ausführlich mein Zusammentreffen mit Dahaschtida.
Als ich geendet, sagte Sims nach kurzem Schweigen: „David, ich möchte heute Abend noch einen Brief an deine Frau schreiben. Darf ich?“
„Es sollte mich freuen, wenn du es tätest.“
„Ich werde ihr schreiben, dass du die vollen drei Monate, die dir noch von deinen Ferien übrig sind, hier bei mir verweilen wirst.“
„Was du sagst!“
„Und dass du während der Zeit jeden Sonntag hier die Andachten halten wirst.“
„Das weiß ich noch nicht.“
„Das weißt du doch. Also abgemacht. Ja?“
Ich zauderte noch. „Abgemacht!“ sagte Sims noch einmal und reichte mir die Hand. Ich nahm sie und sagte: „Abgemacht.“
„Dank dir!“ erwiderte Sims. „Ich gebe mich keinen Illusionen hin. Du bleibst nicht meinetwegen, sondern dieses Dohaschtidas wegen. Aber ich habe die Freude, dich hier zu sehen und deine Gegenwart genießen zu können.“
„Das ist hübsch von dir gesagt“, entgegnete ich, aber ich würde schwerlich dieses Indianers wegen hier bleiben, könnte ich nicht zu gleicher Zeit bei dir sein.“
„Mensch“, sagte hierauf Sims, „glaubst du wirklich, es sei möglich, mit einem Menschen, wie dieser Dohaschtida einer ist –“
Weiter kam Sims nicht. Eine Fensterscheibe klirrte, Glasscherben fielen aufs Fensterbrett und flogen ins Zimmer, und ein handgroßer Stein landete auf der Platte des Tisches, an dem wir saßen, und zertrümmerte einen kleinen Teller, auf den Sims gerade die Asche seiner Zigarre abstreifte. Wir sprangen von unseren Sitzen auf. Da, noch ein Stein, noch einer, vier, sechs, acht und mehr Steine flogen durch die Fenster ins Zimmer. Die sämtlichen Scheiben der vier großen Fenster, die das Zimmer hatte, waren zerbrochen: Scherben, Steine lagen überall auf dem Fußboden, den Stühlen, Tischen usw. Wir flüchteten an die den Fenstern gegenüberliegende Wand des Zimmers, um nicht von einem der Steine oder den Scherben getroffen und verletzt zu werden. Es war nicht mehr nötig; das Werk war getan, das man beabsichtigt hatte. Es folgten keine weiteren Steinwürfe.
Wir sahen einander sprachlos an. Da ermannte sich Sims. Er rief mir zu: „Komm, schnell, komm mit!“ Er lief zur Tür hinaus, und ich folgte ihm. Sims lief zur Vordertür des Hauses hinaus, die zugleich Eingangstür zu seinem Zimmer war, die Front des Hauses entlang, um die eine Seitenwand herum und dann quer über den weiten Rasenplatz, der das Wohnhaus von dem Schlafhause der großen Jungen trennte. Mitten auf dem Rasenplatz holte ich Sims ein.
„Wo willst du hin?“ fragte ich.
„In den Schlafsaal der großen Jungen!“ keuchte er. „Das haben etliche der großen Jungen getan. Wir müssen dort anlangen, ehe sie wieder in ihren Betten liegen, wenn wir sie ertappen wollen. Es wird schon zu spät sein. Hosen sind schnell abgeworfen, und weiter werden die Jungen sich nicht angezogen haben, um uns diesen niederträchtigen Streich zu spielen.“
Ja, wir kamen zu spät. Als wir im Schlafsaal der großen Jungen anlangten, waren die sämtlichen Betten gefüllt, und alle, die darin lagen, schienen fest zu schlafen. Wenn Sims mit seiner Annahme recht hatte, dass etliche der Jungen die Steinewerfer waren, so stellten sie sich schlafend; Zeit, ihre Hosen abzustreifen und unter ihre Decken zu kriechen, hatten sie bis zum Augenblick unseres Eintritts genügend gehabt.
Unverrichteter Sache verließen wir den Schlafsaal und gingen langsam dahin zurück, woher wir gekommen waren.
„Wem galten diese Steinwürfe?“ fragte ich, „dir oder mir?“
„Wie sollten sie dir gelten können?“ meinte Sims.
„Wenn ich an das denken, was Dohaschtida mir gesagt hat, so liegt der Gedanke, dass es so sei, nicht außer dem Bereich der Möglichkeit. Die größeren Jungen, die ihr hier habt, sind ja schon halbe Männer. Es wäre nicht unmöglich, dass meine Worte ähnlichen Eindruck auf sie gemacht hätten, wie auf Dohaschtida, und dass sie gleichen Groll wider mich gefasst hätten, wie er ihn fasste.“
„Mach dir doch nicht solche Gedanken!“ sagte Sims abwehrend. „Die jungen haben sich über irgendetwas geärgert und haben auf diese Weise ihren Ärger gegen uns und die Schule, die sie nun einmal hassen, und von der sie nichts wissen wollen, Luft gemacht. Das ist alles, was dahintersteckt. Es ist gar nicht nötig, die Sache irgendwie tragisch zu nehmen. Wir sind an derartige Ausbrüche des Unwillens der Indianer gewöhnt.“
Es war ja ganz nett von Sims, dass er so redete, und er meinte auch wohl, was er sagte; aber vollständig überzeugen und beruhigen konnten mich seine Worte nicht.
Als wir beim Hause anlangten, sagte ich: „Ich denke, wir trennen uns hier. Es ist Zeit, dass wir uns zur Ruhe begeben.“
Sims erwiderte: „Wir hätten schon noch eine Stunde plaudern können, aber hier draußen ist’s zu kühl, und in meinem Zimmer ist’s jetzt nicht gemütlich.“ Er lachte, reichte mir die Hand, und wir begaben uns zur Ruhe.
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