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Einleitung
ОглавлениеBei der Vorbereitung für die Tagung »Gelingende Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen« und die Fertigstellung dieses gleichnamigen Buches habe ich es als meine Aufgabe verstanden, »eine Bühne zu bereiten« und durch die Auswahl der Rednerinnen und Redner, Autorinnen und Autoren eine möglichst spannende, aber auch besonders breite Auseinandersetzung mit der Thematik zusammenzutragen. Mein Anspruch war es, für alle »Beteiligten« ein hilfreiches Buch zur Verfügung zu stellen, das neugierig macht, Fragen aufwirft und zur (Selbst-)Reflexion sowie zur gemeinsamen Reflexion, zum Dialog einlädt.
Im Leben gibt es Situationen (oder Phasen), in denen uns die Kommunikation mit (unseren) Kindern nicht gelingen will – als Eltern, aber auch als Professionelle. Es gibt kaum emotionalere Themen als die Sorge um (unsere) Kinder. Angst, Traurigkeit, Scham, der Wunsch nach Verlässlichkeit und Nähe sind bei uns Erwachsenen oft Stimmen im inneren Team – ebenso, wie das Bedürfnis nach Autonomie, Freiheit und Spontaneität Stimmen im inneren Team der Kinder und Jugendlichen sind. Und vice versa. Nach meiner Erfahrung haben wir immer alle Gefühle und Bedürfnisse in uns. Nach Carl Rogers (1977), dem Begründer des personenzentrierten Ansatzes, gibt es 4 Schritte für die gelingende Kommunikation:
•Empathie, Wertschätzung und Kongruenz sowie die Bewusstwerdung als erster Schritt
•das Verbalisieren als zweiter
•das Verstehen der eigenen Emotionen als dritter und
•das positiv konnotierende bzw. wertschätzende Annehmen dieser Emotionen als vierter Schritt.
Diese Schritte sind die wichtigsten Parameter und unabdingbare Bestandteile gelingender Kommunikation in Beratungssettings. Sind sie dies in gleicher Weise auch für die gelingende Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen?
Abb. 1: Schritte in Anlehnung an Rogers (Rohr 2016b)
Dieses Buch entsteht also im Kontext der Tagung »Gelingende Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen« an der Universität zu Köln. Sie ist Teil der Tagungsreihe »Gelingende Kommunikation mithilfe von systemisch-humanistischen (Beratungs-)Ansätzen«, die wir 2016 mit Friedemann Schulz von Thun begonnen haben und seitdem jährlich durchführen. Das Buch richtet sich an Professionelle aus den Bereichen Pädagogik, Erziehung, Schule, Sozialarbeit, Beratung und Therapie – aber auch an Eltern und Erziehungsberechtigte. Ziel des Buches ist, die allseits bekannten Konzepte von Haim Omer, Maria Aarts und Ben Furman nicht nur vorzustellen, sondern auch einzuordnen und zu vergleichen (s. Kap. 4). Hauptfokus sollen aber die Konzepte selbst sein. Sie werden jeweils anhand eines Einführungstextes, eines Interviews und ausgewählter Forschungs- bzw. Evaluationsergebnisse kurz vorgestellt.
Alle drei Ansätze sind sowohl Beratungs- als auch pädagogische Konzepte – im weitesten Sinne Erziehungsberatungskonzepte. Sie sind mehr oder weniger klar theoretisch basiert und ausdifferenziert, was sie einzigartig und populär macht. Dies soll in Kapitel 4 diskutiert werden. Die Beschränkung auf eben diese drei Konzepte fiel nicht schwer, da sie im Kontext Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen im deutschsprachigen Raum mit Abstand die bekanntesten und verbreitetsten sind.
Das in Kapitel 1 vorgestellte Beratungskonzept ist das von Haim Omer, die Neue Autorität – zum Teil auch bekannt als »Nonviolent Resistance« (NVR). Hierbei handelt es sich um einen Ansatz dazu, wie sich die Präsenz von Eltern erhöhen und Eskalationen in der Familiensituation mit Kindern und Jugendlichen vermeiden lassen. In Form des Gewaltlosen Widerstands ist dies außerdem ein Interventionsansatz, der auch dann noch wirksam wird, wenn die (gewaltfreie) Kommunikation zwischen Eltern und Kind an ihre Grenzen geraten ist. Die Neue Autorität versteht sich dabei sowohl als Gegenhaltung zur »alten«, traditionellen Autorität als auch zu der in der Zwischenzeit populär gewordenen These, dass Erziehung ohne Autorität gelingen könne.
Das in Kapitel 2 beschriebene Beratungskonzept Marte Meo von Maria Aarts ist eine Methode zur Entwicklungsunterstützung. Fachleute können ihr fachspezifisches Wissen mit den Marte Meo-Informationen kombinieren, um die Entwicklungsbedürfnisse ihrer jeweiligen Zielgruppe zu unterstützen. Im Mittelpunkt der Methode stehen einzelne Interaktionen, welche videobasiert analysiert werden. Zeigen sich in der beobachteten Interaktion (z. B. zwischen Eltern und Kind) Schwierigkeiten, werden diese in Entwicklungsmöglichkeiten (des Kindes) übersetzt und im Beratungsgespräch (mit den Eltern) durch das Vermitteln von unterstützenden Kommunikationsfähigkeiten adressiert.
Bei dem in Kapitel 3 behandelten Beratungskonzept Ich schaffs! von Ben Furman ist der Grundgedanke, dass Kinder eigentlich keine Probleme haben, sondern nur Fähigkeiten, die sie noch erlernen müssen. Es ist eine lösungsfokussierte Methode, mit der Kinder ihre Schwierigkeiten positiv und konstruktiv überwinden können, indem sie neue Fähigkeiten erlernen. Dabei werden sie durch ein 15-Schritte-Programm unterstützt, das auch ihr Umfeld mit einbezieht.
In Kapitel 4 werden dann noch mal alle Konzepte aufgegriffen und gegenübergestellt: Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede gibt es.
Sowohl in diesem Buch als auch auf der Tagung können wir Haims, Marias und Bens Konzepte nur kurz »anreißen«. Wir hoffen sehr, Ihre Neugier so weit zu wecken, dass Sie die weiterführenden Veröffentlichungen zu den Konzepten, die wir im Literaturverzeichnis aufführen, nutzen wollen.
Wer sich neben der Lektüre auf unterschiedliche Medien und Formate einlassen möchte, kann sich die Interviews mit Haim Omer, Maria Aarts und Ben Furman auch als Videos anschauen oder anhören.1 Hier finden Sie auch Informationen über aktuelle Weiterbildungen zu den drei Konzepten. Weitere Informationen zur Tagung bzw. zur Tagungsreihe finden Sie unter www.tagungsreihe-gelingendekommunikation.de.
Abschließend möchte ich mich vor allem bei Haim, Maria und Ben ganz herzlich bedanken – für die Bereitschaft zu diesem umfangreichen Projekt (Tagung, Interviews, dieses Buch und gemeinsame Weiterbildungen) und für die unkomplizierte und konstruktive sowie herzlich-freundschaftliche Zusammenarbeit!
Einen außergewöhnlichen Dank möchte ich aussprechen an Isabella Kneuper für ihre Mithilfe bei der Erstellung dieses Buches und an Robert Baum und Bianca Rusch vom Arbeitsbereich Beratungsforschung der Universität zu Köln für ihre Hilfe bei der Organisation und Ausrichtung der Tagung. Als Kooperationspartner sind neben dem Kölner Institut für Beratung und pädagogische Professionalisierung dieses Mal auch die Carl-Auer Akademie und die International Association for Counselling (IAC) beteiligt. Hiermit möchte ich allen herzlich danken.
Und nun wünsche ich Ihnen eine ebenso informative wie auch unterhaltsame und kurzweilige Lektüre.
Köln, im April 2021 Dirk Rohr
1Verfügbar unter www.koelner-institut.de [7.4.2021].