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Unsere Zeit in Kratholm

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Man dankte uns für unser Entgegenkommen und wollte uns eine Schule in Kratholm zuweisen, für Wohnraum wäre auch gesorgt. Also packten Marietta und ich ein paar Sachen zusammen, wir würden der Waldstraße für zwei Monate Lebewohl sagen, ich ging zu Kimmo und bat ihn, für zwei Monate die Versorgung der Tiere zu übernehmen, wir verabschiedeten uns von unseren Nachbarn, fuhren aufs Schloss und sagten auch dort Lebewohl, man beglückwünschte uns zu unserem Entschluss, zu den Krat zu gehen und dort zu unterrichten. Ich rief Bortan an, der längst seine Pflichten als Oberkommandierender der Streitkräfte hatte ruhen lassen, weil ja wieder Friedenszeiten herrschten und teilte ihm unseren Entschluss mit, für eine Zeit zu den Krat zu gehen.

Bortan ermutigte uns, in Kratholm unser Bestes zu geben, Seldit und er kämen uns einmal besuchen, um zu sehen wie wir dort zurechtkämen. Am nächsten Tag stiegen wir in unser Auto, die Nachbarn standen alle am Straßenrand und winkten, und wir fuhren los. Bis zur Grenze gab es die ausgezeichneten Straßen, die wir im Goor-Reich gewohnt waren, an der Grenze standen alliierte Soldaten, die uns, nachdem wir das Bestellschreiben des Alliierten Kontrollrates vorgezeigt hatten, gleich durchwinkten. Dann folgten ungefähr zweihundert Kilometer schlechte Straßen durch das Krat-Reich, die Federn des Autos wurden auf das Äußerste strapaziert, es reihte sich ein Schlagloch an das nächste. Auf den Straßen herrschte so gut wie kein Verkehr, vermutlich standen die Autos wegen Treibstoffmangels still, Methangaslieferungen aus den Königreichen würden erst noch erfolgen. Man wollte den Krat langfristig zwei Methanhydrat-Förderanlagen an der Küste des Goor- oder des Miska-Reiches überlassen, die sie in Eigenregie betreiben dürften, und mit denen sie ihren Treibstoffbedarf decken könnten. Wir passierten wenige Kleinstädte, in denen wir einige verhärmte Gestalten herumhuschen sahen, wir trauten uns nicht, dort anzuhalten und zu den Krat zu sprechen. Marietta fütterte Klaus-Jarmo in seinem Kindersitz und gab ihm anschließend sein Fläschchen und seinen Schnuller. Auch Klaus-Jarmo merkte, dass etwas anders war in seiner Umgebung und sei es nur, dass er den Geruch des Krat-Reiches in der Nase hatte, es roch wirklich streng wie nach einem starken Desinfektionsmittel, kein Vergleich zu dem süßen Honigduft im Goor-Reich.

Wir erreichten Kratholm am Nachmittag und steuerten sofort die Außenstelle des Alliierten Kontrollrates im Stadtzentrum an, dort zeigten wir unser Bestellschreiben und wurden zur StadtKommandantur im Goor-Sektor verwiesen. Kratholm machte einen tristen Eindruck, es herrschte ein Grau in Grau der Häuser, nichts Fröhliches oder Buntes sprang ins Auge. Schon allein dieser Stadtteil versetzte einen in eine depressive Gemütsverfassung. Lediglich die Reichskanzlei vermochte wegen einiger architektonischer Besonderheiten das triste Stadtbild etwas aufzulockern, ansonsten dominierte ein grauer Einheitsstil. Als wir bei der StadtKommandantur der Goor ankamen, hieß man uns herzlich willkommen und dankte uns schon im Vorfeld für unsere Bereitschaft, die Krat-Kinder zu unterrichten. Man führte uns zu einem Raum, der mit Schulbüchern vollgepackt war, wir sollten unsere Schulkinder vorbeischicken, damit sie sich ihre Bücher abholten. In einigen Fächern war die Weiterbenutzung der alten Bücher völlig unverfänglich, wie in Mathematik, Biologie oder Physik, in anderen Fächern aber mussten die Bücher komplett ausgetauscht werden, Geschichte, Politik, Erdkunde wurden nur in ideologisch verfärbten Buchausgaben unterrichtet, die man unmöglich fortführen konnte.

Für diese Fächer lagen die neuen Bücher im Raum der Kommandantur und sie waren aus den Nachbarkönigreichen geliefert worden, man hatte sie den Krat kostenlos überlassen. Der Goor-Kommandant begrüßte uns höchstpersönlich, wenn irgendwelche Fragen auftauchten oder wir Probleme jedweder Art hätten, sollten wir zu ihm kommen, er würde uns helfen, wo er nur könnte. Dann wies er einen Fahrer an, uns zu unserer Wohnung in Kratholm vorauszufahren. Wir fuhren eine Zeit lang vom Stadtzentrum weg in einen Außenbezirk von Kratholm, wo Wohnblocks neueren Datums standen, der Fahrer steuerte einen solchen Block an, zeigte uns unsere Wohnung und übergab uns die Schlüssel. Die Wohnung lag im Erdgeschoss und hatte drei Zimmer, Küche, Diele, Bad, Balkon und Gartenbenutzung, für unsere in der Waldstraße bestehenden Verhältnisse war das sehr beengt, auf der anderen Seite aber auch groß genug für zwei Erwachsene und ein Kind. Die Wohnung war voll möbliert, die Möbel entsprachen nicht alle unserem Geschmack, es ließ sich aber schon zwei Monate mit ihnen leben. Vor dem Haus gab es einen Parkplatz, auf dem wir unseren Wagen abstellten. Ich lud alles, was wir von Zuhause mitnehmen konnten, in die Wohnung, das waren vor allem Getränke, Baby-„Kum“-Päckchen und Obst. Sofort nach Betreten der Wohnung rief Marietta Seldit an, die Verbindung war sehr schlecht, man verstand sich aber gegenseitig.

Marietta bat Seldit, doch ein paar Pakete Baby-„Kum“ zu schicken, sie wüsste nicht, ob sie die in Kratholm bekäme, Seldit sollte gleich ein paar Dosen Fencheltee-Pulver (ungesüßt) dazulegen. Wie es denn so in Kratholm wäre, fragte Seldit und Marietta log und sagte, alles wäre bestens und wir fühlten uns sehr wohl. Dann legte sie den Hörer wieder auf und wir baten den Fahrer, uns unsere Schule zu zeigen. Er fuhr wieder vor und bog um zwei Ecken, bis wir die Gesamtschule von Kratholm erreichten, das war eine Schule, die alle Kinder schon von der ersten Klasse an besuchten und bis zum Abitur, wenn sie es denn anstrebten, blieben sie auf der Schule. Marietta und ich dankten dem Fahrer und entließen ihn zur Kommandantur zurück. Wir betraten die Schule, es war später Nachmittag und es wurde immer noch Unterricht gegeben, kein Wunder, die Schule war eine Ganztagsschule. Wir ließen uns den Weg zum Lehrerzimmer zeigen und trafen dort auf zukünftige Kollegen und den Schulleiter, der uns dem Kollegium, das noch im Lehrerzimmer saß, vorstellte. Die Goor-Kommandantur hätte ihn schon über unser Erscheinen informiert und ihn angewiesen, uns unseren Stundenplan zu geben und darauf zu achten, dass wir wegen unseres Sohnes keine Stundenüberschneidungen hätten. Er händigte uns unsere Pläne aus, jeder von uns sollte sechs Stunden geben: Marietta hätte zwei Stunden Biologie in einer 8, zwei Stunden Biologie in einer 10 und zwei Stunden Politik in einer 7, ich hätte zwei Stunden Biologie in einer 5, zwei Stunden Biologie in einer 7 und zwei Stunden Politik/Sozialwissenschaften in einer 12.

Unsere Stunden verteilten sich für jeden auf drei Tage, an einem Tag wäre der eine vormittags und der andere nachmittags in der Schule, an dem Tag hätten wir beide die gleiche 7. Klasse. Der Schulleiter war ein sehr netter Krat wie man sich ihn im Goor-Reich gar nicht hätte vorstellen können, sein Hundekopf wirkte nicht aggressiv, im Gegenteil er schaute treu und lieb in die Gegend und machte einen sehr vertrauenerweckenden Eindruck, man hatte das Gefühl, dass er vom Kollegium gemocht wurde. Dann führte er uns durch das Schulgebäude und zeigte uns die Biologiesäle. Plötzlich ertönte der Gong und die Flure wurden von Schülern belebt. Hunderte kleinerer und größerer Krat rannten durch die Gänge und lärmten, als sie den Schulleiter sahen, waren sie leise und liefen langsam. Für die Kinder war die Schule an diesem Tag zu Ende und sie gingen nach Hause. Schulaufgaben sollten sie im Normalfalle nicht mehr machen müssen, die Ganztagsschule verzichtete eigentlich auf Schulaufgaben, nur in Ausnahmefällen wie vor Klassenarbeiten gab es welche auf. Manche Krat-Kinder schauten erstaunt zu uns Menschen auf, wie wir so in ihrer Schule standen, dann liefen sie aber schnell weiter. Der Schulleiter sagte, dass wir am nächsten Tag anfangen sollten, unser Unterricht wäre bis dahin aushilfsweise von Quereinsteigern gegeben worden, er wäre froh, den Unterricht endlich in kompetente Hände übergeben zu können.

Marietta und ich verabschiedeten uns bis zum nächsten Tag und fuhren wieder nach Hause. Ich hatte nach unserer Ankunft in Kratholm den Kühlschrank voll Wein und Bier gestellt und schüttete uns erst einmal etwas ein. Dann sagte Marietta, dass wir uns etwas zu essen besorgen müssten und rief bei der Kommandantur an, die jemanden mit „Kum“ vorbeischickte, ob wir noch mehr brauchten, fragten sie uns und ich orderte noch Bier, Wein und eine Flasche Obstler. Alles wurde wie verlangt geliefert, wir sollten nur immer anrufen, wenn wir etwas brauchten, sagte uns der Fahrer der Kommandantur, Marietta hätte bei Seldit gar nichts zu bestellen brauchen, die Goor-Kommandantur war wie eine Verteilstelle für uns, man bekam dort alles, was auch die Verteilstelle in Ta`amervan für uns bereithielt. In unserem Wohnzimmer stand ein Fernseher, den wir einschalteten, es gab eine Sendung aus dem Goor-Reich, in früheren Zeiten wurde das Fernsehen immer als Propagandamittel benutzt. Wir stellten den Apparat wieder ab und gingen mit Klaus-Jarmo auf den Balkon, wo wir uns an einen Tisch setzten. Wir stellten die Tischwippe auf den Tisch und fütterten unseren Sohn darin, man konnte beobachten, wie er nervös um sich sah, so ganz geheuer war ihm die ganze Umgebung noch nicht. Er aß aber mehr als genug und stopfte das Baby-„Kum“ in sich hinein, dann gaben wir ihm sein Fläschchen und seinen Schnuller und wir legten ihn in seinem Zimmer in sein Bettchen.

Es waren alle Dinge in der Wohnung vorhanden, die wir brauchten, auch ein Kinderbett, eine Wickelkommode und sogar eine Spieluhr über dem Bett, die allerdings eine andere Melodie spielte, als die zu Hause in der Waldstraße und das bemerkte Klaus-Jarmo sofort. Er stutzte einen Moment in seinem Bett, schloss dann aber die Augen und schlief. Marietta und ich saßen in unserem neuen Wohnzimmer und aßen „Kum“, wir tranken Bier und Wein dazu und hatten die Balkontür weit offenstehen, die hereinströmende Luft verbreitete aber einen leichten Gestank, es roch nach einem starken Desinfektionsmittel, das uns schon an der Grenze aufgefallen war. Wir würden uns an den Gestank erst noch gewöhnen müssen. Es stellte sich ein etwas beklommenes Gefühl bei uns ein, wir saßen in unserer Wohnung im Krat-Reich und wusste nicht, ob wir gemocht oder gehasst wurden, wir nahmen unsere Gläser und prosteten uns zu. Plötzlich schellte unsere Wohnungsklingel, wir zuckten unwillkürlich zusammen, wer konnte das sein, wir kannten doch niemanden im Krat-Reich? Ich stand auf und ging zur Tür, um sie zu öffnen.

Paulo bei den Krat (11)

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