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Sabrina: Tag 0
ОглавлениеSchon lange vor meinem Tod fragte ich mich wie es sein würde zu sterben. Ich fragte mich oft, ob es danach tatsächlich irgendwie weitergehen würde, oder ob der Tod das Ende war. Aus irgendeinem Grund kam ich immer zu dem Schluss, dass er das Ende war. Als ich noch lebte, dachte ich oft über diese Dinge nach. Gab es einen Gott? Wie ist Leben entstanden? Wie würde es sein zu sterben? Ich konnte sehr lange über solche Dinge nachdenken und mir die unterschiedlichsten Antworten vorstellen. Ich stellte mir auch oft vor, wie es sein würde diese Welt zu verlassen. Ich malte mir aus, wie es wohl für meine Familie sein würde. Nein, nicht für meine Mutter oder meinen Vater, geschweige denn für meine Großeltern! In meiner Vorstellung hatte dieser Teil meiner Familie bereits friedlich Abschied genommen. Ich dachte an meine Kinder, von denen ich glaubte sie einmal zu haben. Ich dachte an meine Enkelkinder, von denen ich hoffte sie irgendwann einmal als gutmütige Großmutter verwöhnen zu dürfen. Doch vor meinem Tod, der in meiner Vorstellung weit, weit entfernt lag, hatte ich ein Ziel, einen Wunsch den ich mir erfüllen wollte. Spuren hinterlassen, mir einen Namen machen, etwas erreichen, das für immer da sein würde. Etwas das meine Freunde sagen ließ: „So ist sie gewesen unsere Sabrina
Zenglein. Seht her was sie Einzigartiges vollbracht hat! Wir sind stolz auf sie!“ Vielleicht wollte ich die Welt sogar um ein Stück verbessern. Was genau diesen starken Wunsch in mir auslöste, konnte ich nicht sagen. Lag mir tatsächlich etwas daran das Leid der Welt, mit dem mich meine Mutter als weitgereiste Ärztin oft konfrontierte, zu mindern? Oder war es schlichtweg der Wunsch nach Anerkennung? Das natürliche Verlangen etwas Besonderes zu sein? Der Gedanke, mein Leben wäre nicht mehr als ein bedeutungsloser Wimpernschlag in der schier endlosen Geschichte der Menschheit, war unerträglich. Um zu verhindern einfach in Vergessenheit zu geraten, hatte ich einige Ideen. Ideen, die ich als erwachsene Frau umsetzen wollte. Doch genau hier war das Problem, denn eine „erwachsenen Frau“ sollte ich nicht mehr werden. Und so kam es, dass es noch keine nach mir benannte Straße oder kein von mir in Afrika errichtetes Krankenhaus gab, als ich bereits mit 16 Jahren diese Welt verlassen musste. Ich hatte einfach nicht geahnt, dass die Zeit bereits so sehr drängte!
Es war ein Unfall. Verkehrsunfall. Wohl eine der häufigsten Todesursachen. Wie so oft überquerte ich die Hauptstraße unseres Dorfes, um zu der Bushaltestelle auf der anderen Seite zu gelangen. Wie so oft mit Kopfhörern in den Ohren. Doch irgendetwas war dieses Mal anders. Nein, es war nicht die Ampel. Diese zeigte wie sonst auch grün an. Als ich schließlich erkannte weshalb ich ein solch seltsames Gefühl hatte, war es bereits zu spät. In dem Bruchteil einer Sekunde in dem ich den LKW auf mich zurasen sah, verspürte ich keine Angst. Weder Angst vor den Schmerzen, noch vor dem Tod. Stattdessen verspürte ich die starke Gewissheit jetzt sterben zu müssen und eine seltsame Art von Enttäuschung darüber. Wie ein kleines Kind das jammert, weil es bereits so früh zu Bett gehen soll. Eigenartiger Vergleich, ich weiß. Es ging alles so schnell: der Zusammenstoß, das durch die Luft fliegen und schließlich der tödliche Aufprall. Es dauerte nicht lange und ein Kreis Schaulustiger hatte sich um mich gebildet. Hätte ich noch etwas zu ihnen sagen können, hätte ich ihnen womöglich mitgeteilt, dass es sicherlich angenehmere Todesarten gab, als nach einigen Metern Flug unsanft im Dreck zu landen! Aber ich konnte nichts mehr sagen. Einer der Schaulustigen war auch Peter Winterberg. Peter, der LKW- Fahrer. Peter, mein Mörder? Nein, einfach Peter der untröstliche Verursacher eines unglücklichen Unfalls. Zu Peters Verteidigung – seltsamer Weise hatte ich das Gefühl ihn verteidigen zu müssen – musste ich sagen, dass es Peter zur Zeit nicht einfach hatte. Sein Scheidungsprozess mit seiner Frau lief im Moment überhaupt nicht gut. So wie es aussah, war es seiner Frau wichtiger möglichst viel Profit aus der Situation zu schlagen, als zu einer friedlichen Einigung zu gelangen. Auch in der Arbeit hätte es besser laufen können. Einmal ganz davon abgesehen, dass Peter sich schönere Berufe als LKW-Fahrer vorstellen konnte, hatte er gerade einige Differenzen mit seinem Chef. Dieser übte ganz schön viel Druck zwecks der fristgerechten Lieferungen, die Peter in letzter Zeit nicht immer einhalten konnte, auf den Armen aus. Vielleicht lag es an diesem Zeitdruck, oder an dem kurz vorhergehenden Anruf des Anwalts, der mitteilte, dass es inzwischen nicht nur schlecht um das Geld, sondern auch um das Sorgerecht für die Kinder stand, dass Peter so geistesabwesend war.
Eine bessere Erklärung konnte ich nicht finden. Denn Peter hatte zwar einige Probleme, aber eine rotgrün-Schwäche zählte meines Wissens nicht dazu!
Wie es der Zufall so wollte, war in der gaffenden Menschenmenge auch ein angehender Arzt. Natürlich tat er sein Bestes, so schnell wie möglich zu mir zu gelangen, um so wie er es gelernt hatte Erste Hilfe zu leisten. Als er jedoch bei mir eintraf, war keine Erste Hilfe mehr nötig und der junge Mann konnte bedauernswerter Weise nur noch meinen Tod feststellen.
Bedauernswert denn zum einen, naja, ich war tot! Zum anderen war es auch für den jungen Mann äußerst bedauernswert. Ein Artikel über ihn als Lebensretter in der Zeitung, hätte sich sicherlich gut gemacht und dem angehenden Arzt vielleicht sogar etwas für seine Karriere gebracht. Doch dazu sollte es einfach nicht kommen.
Meine Eltern sollten von meinem Tod durch zwei Polizisten erfahren. Es musste grausam sein so etwas mitgeteilt zu bekommen.
Für die Polizisten war es wohl ein Leichtes gewesen mich zu identifizieren und meine Adresse herauszufinden. Ich trug wie gewöhnlich meinen Geldbeutel bei mir und sowohl Personalausweis, als auch Bankkarte, Schülerausweis und Krankenversicherungskarte gaben Hinweise zu meinen Personalien. Es war also fast schon zu leicht!
Zurück zu meinen Eltern. Hätten meine Eltern an diesem Nachmittag Radio gehört, hätten sie von einem schweren Unfall, der für ein jugendliches Mädchen tödlich endete, gehört. Ein Unfall, der noch dazu in unserem Ort stattfand. Meine Eltern hätten diesen Unfall nicht zwangsläufig mit mir in Verbindung gebracht, aber zumindest hätten sie beim Anblick der Polizeibeamten vermutlich eine dunkle Vorahnung gehabt. Doch an diesem Nachmittag blieb das Radio stumm.
Nicht im Entferntesten hätten meine Eltern gedacht, die Polizisten könnten sie wegen MIR aufsuchen. Stattdessen gingen sie wie selbstverständlich davon aus, es sei wegen meinem älteren Bruder, der schon öfter unliebsame Begegnungen mit der Polizei hatte. Sei es wegen Trunkenheit am Steuer, Ruhestörung oder sogar wegen Missbrauch der Betäubungsmittelgesetze. Im Nachhinein wäre meinen Eltern all das lieber, als der eigentliche Grund für das Erscheinen der Beamten, aber sie konnten es sich nun mal nicht aussuchen.
Das aufgesetzte Lächeln der Mutter war mit einem Mal versteinert und der Vater, der soeben noch lautstark nach dem Sohn rief, verstummte. Eine Welt in tausend Trümmern.
Für meine Eltern fühlte es sich an, als hätte man ihnen den Boden unter den Füßen weggezogen. Sie stürzten in ein tiefes Loch aus dem es keinen Ausweg mehr zu geben schien. Hilflos und gelähmt wurden sie unter Verzweiflung, Fassungslosigkeit und Trauer begraben. Mein Bruder ließ keines dieser Gefühle zu. Er war unfähig und unwillig zu akzeptieren, dass die Polizisten die Wahrheit gesagt hatten. Es konnte doch nicht wahr sein, dass seine kleine Schwester von einem Moment auf den anderen aufgehört haben soll zu leben! Seine kleine Schwester, die ihn gerne vor seinen Freunden blamierte. Seine kleine Schwester, die ihm andauernd die letzten Schoko-Cookies wegaß. Seine kleine Schwester, die ständig ungefragt in sein Zimmer ging. Jetzt wünschte er sie wäre hier bei ihm in seinem Zimmer. Jetzt wünschte er sich nichts sehnlicher, als seine kleine Schwester fest und schützend in den Armen halten zu können. Einen Wunsch, den er bis jetzt noch nie verspürt hatte. Schade eigentlich.
Laura Müller, meine beste Freundin erfuhr es aus der Zeitung. Besser gesagt Lauras Eltern erfuhren es aus der Zeitung und versuchten es dann Laura schonend beizubringen. Ein Versuch der kläglich scheitern sollte.
„Warum behauptet ihr so etwas?!“, schrie Laura und versuchte die Tränen zurück zu halten. Sie war von dem Stuhl aufgesprungen, auf den sie sich hatte setzen sollen. „Das ist nicht wahr! Das ist ein schlechter Scherz. Findet ihr das etwa witzig?!“ Laura war kurz davor durchzudrehen. Sie wollte die beruhigenden Worte der Eltern nicht hören. Sie wollte den Zeitungsartikel nicht lesen. Viel lieber wollte sie in ihr Zimmer rennen, die Tür zu schlagen und sich auf ihr Bett werfen. Das tat sie dann auch. Irgendwann beschloss Laura bei mir Zuhause anzurufen. Aber die Hoffnung meine vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung zu hören, wurde enttäuscht. Mit jedem Freizeichen wurde Laura nervöser. Normal war ich immer in Sekundenschnelle am Telefon. Und wenn nicht gingen meine Eltern oder mein Bruder ran. Aber heute nicht. Das ungute Gefühl war wie ein schwerer Stein in Lauras Magengrube. Als die Frau vom Anrufbeantworter sie schließlich dazu aufforderte eine Nachricht nach dem Piepton zu hinterlassen, überkam Laura mit einem Mal die traurige Gewissheit, dass ihre Eltern die Wahrheit gesagt hatten. Lauras beste Freundin, ich Sabrina Zenglein, war vor einem Tag verstorben. Es tat weh.
Jetzt war ich hier. Gerne würde ich euch mehr über den Ort, an dem ich mich nun befand, erzählen, aber ich wusste nichts. Weder wo ich war, noch was ich hier machte. War das hier der Himmel? Das Paradies? Existierte dieser Ort hier überhaupt wirklich, oder bildete ich mir das hier nur ein? Ich blickte mich um. Alles war weiß. Ein klares, kaltes Weiß. Es strahlte nicht die Wärme oder den Glanz aus, den man womöglich erwartete, wenn man an den Himmel dachte. Rings um mich herum war nichts! Es erstreckte sich die unendliche Leere. Kalt, weiß, leer – den Himmel hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt, auch wenn ich ja eigentlich nicht an ein Leben nach dem Tod geglaubt hatte. Erst jetzt entdeckte ich ein ganzes Stück von mir entfernt einige Menschen. Ziemlich viele sogar! Waren sie alle tot? Ich kam ein wenig näher. Jetzt erst erkannte ich, dass all diese Menschen in einer Reihe standen. Sie standen an, wie in einer Supermarktschlange. Aber worauf warteten sie? Da ich nicht wusste wie das alles hier weitergehen sollte, stellte ich mich einfach hinten an. Ich konnte nicht einschätzen wie lange ich warten musste. Gab es im Himmel überhaupt Zeit? Oder in der Hölle? Seltsamerweise bereitete mir der Gedanke an die Hölle nicht die geringste Angst. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich eigentlich überhaupt nichts Negatives fühlte, ich war einfach glücklich. Mir war bewusst, dass ich nie wieder in mein Leben zurückkehren würde, dass ich tot war, endgültig! Doch das fühlte sich richtig an. Wurden meine Gefühle von diesem wundersamen Ort manipuliert? Wenn das der Fall war, war die Manipulation nicht gut genug, um die schwere Leere die ich fühlte, wenn ich an meine Familie und Freunde dachte, mit Glück und Zufriedenheit zu füllen. Da war einfach nichts.
Irgendwann, ich kann nicht sagen, ob wenige Minuten oder sogar mehrere Stunden vergangen waren, war ich an der Reihe. Was auch immer das zu bedeuten hatte. Ich stand nun ganz vorne in der Schlange. Schräg vor mir war ein großes Tor. Wohin es führte konnte ich nicht sagen. Doch ich vermutete, dass man, bevor man das Tor passieren durfte, mit der kleinen, etwas älteren Frau, die vor mir etwas erhöht hinter einem hohen Pult saß, reden musste. Ein wenig erinnerte es mich an die Anmeldung in einem Hotel. Checkte ich hier in den Himmel ein? Aber in einem Hotel begegnete man sich für gewöhnlich auf Augenhöhe. Die kleine, etwas ältere, bebrillte Frau schien es zu genießen ihren Gegenübern ein Stück überlegen zu sein. Sie wirkte ziemlich gestresst. Ob sie deshalb so graue Haare hatte? Diese Frage führte mich gleich zur nächsten. Waren graue Haare nicht etwas Menschliches? Was aber war sie? Ein Mensch? Ein Engel? Naja, wie ein Engel sah sie ja nicht gerade aus! Dafür fand ich ihren Namen umso passender: Lucrezia Eisbein. So stand es zumindest auf dem kleinen goldenen Schildchen, das an ihrem Blazer befestigt war. Ich fragte mich, ob der Name wirklich echt war oder ob sie einen neuen, so passenden Namen bekommen hatte.
„Name?“, fragte die kleine, bebrillte Frau schroff. Eigentlich war es viel mehr ein Befehl als eine Frage. Erst jetzt, als ich völlig überrumpelt erst einmal schwieg, blickte die kleine, grauhaarige Frau von der Liste auf, die vor ihr lag.
„Du wirst doch wohl wissen wie du heißt!“, fuhr sie mich unfreundlich an, „Wir haben hier nicht den ganzen Tag Zeit!“ Somit wäre die Frage, ob es an diesem Ort Zeit gab, geklärt.
„Sabrina Zenglein“, stotterte ich verlegen.
Mit einem Stift in der Hand ging die kleine, unfreundliche Frau die Liste von Oben nach Unten durch. Dann wieder von Unten nach Oben, als würde sie vergeblich nach etwas suchen.
„Geburtsdatum?“, fragte sie nicht weniger unfreundlich.
„12.04.1999“, antwortete ich und bemühte mich selbstbewusst zu klingen.
Erneut wanderte Lucrezia Eisbeins Stift von Oben nach Unten, doch dieses Mal stoppte sie plötzlich und ihre Miene hellte sich auf. Kurz schrieb sie etwas hin, vielleicht machte sie auch nur einen Haken oder ein Kreuz, dann wandte sie sich erneut an mich.
„Wunsch?“
„Wunsch?“, fragte ich verwundert zurück.
„Was ist dein Wunsch?“, fragte die kleine, ungeduldige Frau und versuchte noch nicht einmal den genervten Unterton zu verbergen.
„Ich habe einen Wunsch frei?“, fragte ich erstaunt.
Vielleicht war die Frau weder Mensch noch ein Engel, sondern ein Flaschengeist. Äußerlich betrachtet fände ich die Bezeichnung „Geist“ durchaus passend. Dagegen sprach jedoch, dass ich mich nicht daran erinnern konnte, an einer Wunderlampe gerieben zu haben. Außerdem hätte ich dann wohl drei Wünsche und nicht bloß einen verdient!
„Hat David Rottmann noch nicht mit dir geredet?“, fragte die kleine, etwas ältere, bebrillte Frau und zum ersten Mal glaubte ich so etwas wie Mitgefühl in ihrem Gesicht erkennen zu können.
„David Wer?“, fragte ich verwirrt. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung wer das sein sollte und ich hatte auch noch immer nicht die leiseste Ahnung wo ich hier war. Doch eins stand fest: Die Organisation hier war nicht gerade die Beste! Fast wie auf der Erde.
„Das muss an dem ganzen Stress liegen!“, rief die kleine Frau nun fast verzweifelt, „Ein so schweres Zugunglück mit so vielen Toten kommt nicht alle Tage vor, da muss David Rottmann schlichtweg vergessen haben, dass du auch noch da bist.“
Ich hatte zwar immer noch nicht die geringste Ahnung was hier vor sich ging, doch zumindest wusste ich nun, dass das nicht meine Schuld war, sondern die eines gewissen David Rottmanns!
„Ich werde David so schnell wie möglich zu dir schicken!“, versicherte Lucrezia, die nun gar nicht mehr so streng wie eine Lucrezia aussah, „so lange kannst du dort hinten auf ihn warten.“
Lucrezia deutete auf ein etwa fünf Meter entfernt stehendes grünes Sofa. Ich hätte schwören können, dass es zwei Sekunden vorher noch nicht dagestanden hat! Es erinnerte mich an die Sofas, die man in den Leseecken fast jeder Bibliothek finden konnte. Außenherum war jedoch alles weiß und kahl, wie überall hier. Während ich auf diesen David Rottmann oder wie er hieß wartete, versuchte ich meine Gedanken zu ordnen. Warum war ich nicht traurig? Ich war tot, ich würde meine Familie, meine Freunde vielleicht nie wiedersehen und dennoch war ich nicht traurig. Dieser Ort hier war eigenartig. Ich dachte daran wie beruhigend es für die Menschen wäre zu wissen, dass es den Toten hier gut ging. Dass dieser Ort glücklich machte, ob man es wollte oder nicht. Gleichzeitig wurde mir bewusst, dass es auf der Erde nicht so war. Auf der Erde spürte man alle diese negativen Gefühle, die Trauer, die Verzweiflung, Angst, Ungewissheit und Schmerzen. All das fühlten die Menschen. Und ich wollte nicht, dass meine Familie oder Freunde das fühlten. Sie sollten nicht um mich trauern. Sie sollten nicht weinen oder verzweifeln. Ich wünschte sie wüssten, dass es mir gut ging. Dass es in Ordnung war, dass ich gestorben bin. Es war seltsam, dass ich so etwas dachte, wo ich doch immer Angst vor dem Tod hatte. Doch ich fühlte mich einfach gut. Eigenartig gut.
Mit einem Mal stand ein Mann vor mir. Ich vermutete, dass es sich um diesen David Rottmann, von dem Lucrezia Eisbein gesprochen hatte, handeln musste. Und tatsächlich, wie sich herausstellte hatte ich vollkommen Recht.
„Hallo, ich bin David Rottmann“, begrüßte er mich freundlich und schüttelte mir die Hand, „Es tut mir leid, dass ich erst jetzt zu dir komme, da muss ein Fehler passiert sein.“
Aha. Ein Fehler also. Fehler sind menschlich. Aber war David das auch? Ich hatte noch immer nicht die geringste Ahnung was hier vor sich ging. Langsam könnte man mich echt einmal aufklären.
„Du fragst dich sicher wo du hier bist und was als nächstes mit dir passiert“, fuhr David fort, „Du bist hier direkt vor dem Paradies. Paradies, Himmel, Djanna, Jenseits, wie du es nun mal gerne bezeichnen möchtest. Wie du sicherlich schon bemerkt hast, bist du tot. Doch dies ist kein Grund traurig zu sein oder zu verzweifeln! Und selbst wenn du doch der Meinung bist, dass es ein Grund dafür wäre, muss ich dich leider enttäuschen, negative Gefühle gibt es hier nicht. Somit kann ich dich genau genommen doch nicht enttäuschen. Ist das nicht der Wahnsinn?“
Sprachlos starrte ich David an. Er redete wie ein Wasserfall und mit seiner übertrieben fröhlichen Art ging er mir jetzt schon auf die Nerven. Aber zumindest wirkte er freundlicher als die nette Dame von vorhin.
„Wie ich sehe hat es dir die Sprache verschlagen. Daraus schließe ich, dass es tatsächlich der Wahnsinn ist. Ich meine wie sollte es auch anders sein, du bist immerhin kurz vor dem Ort an dem ALLES möglich ist! Außerdem hast du gerade erfahren, dass du nie wieder unglücklich sein wirst! Ach, ist das Leben nicht schön? Oder vielmehr der Tod. Oder das Leben nach dem Tod. Oder der nächste Abschnitt auf einer unendlichen Reise voller Geheimnisse. Das klang ja sogar fast poetisch! Ich habe ja schon immer gesagt, dass an mir ein großer Dichter verloren gegangen ist! Aber meine Eltern hielten nicht viel von meiner Kreativität, stattdessen sollte ich an einer Universität Jura studieren. Welch eine bitterböse Ironie, dass ich ausgerechnet auf dem Weg zu dieser Uni mit dem Auto tödlich verunglückte und dass- “
„Was mache ich hier?“, unterbrach ich David, der gar nicht mehr aufhören wollte zu reden, „Ich meine, was passiert jetzt als nächstes?“
„Oh“, unterbrach David seinen Redefluss und wirkte ein wenig gekränkt darüber, dass ich mich für seine Geschichte nicht sonderlich interessierte, „Wie gesagt, du bist hier direkt vor dem Paradies. Als nächstes kommst du in das Paradies. Und dann bist du glücklich bis in alle Ewigkeit. Wie genau wirst du schon noch merken. Doch zuvor, also bevor du durch dieses riesige Tor ins Paradies schreiten darfst, hast du noch einen Wunsch frei.“
„Einen Wunsch?“, fragte ich noch immer verwundert darüber, dass ich mir tatsächlich etwas wünschen sollte.
„Ja, du hast richtig gehört, einen Wunsch! Wir haben dies vor einigen Jahren eingeführt, um den Menschen den Abschied von ihrer alten Welt zu erleichtern. Schließlich werden sie ihre Familie und all ihre Freunde NIE WIEDER sehen!“
„Nie wieder?“, fragte ich erschrocken.
„Nein, das war bloß ein Scherz“, David begann zu kichern, „Natürlich wirst du sie wiedersehen. Die sind schließlich auch nicht unsterblich. Trotzdem ist es vorerst Zeit Abschied zu nehmen. Und um dir diesen Abschied leichter zu machen und weil wir es nun mal können, erfüllen wir dir einen Wunsch! Um ehrlich zu sein, das mit dem Wunsch war damals meine Idee! Ist das nicht der Wahnsinn?“
David schien ziemlich viele Dinge wahnsinnig toll zu finden. Aber die Sache mit dem Wunsch klang in der Tat nicht schlecht. Doch ich hatte absolut keine Idee was ich mir wünschen sollte. Viel lieber wollte ich sehen wie es meiner Familie und wie es Laura ging.
„Ich möchte, bevor ich sage was ich mir wünsche, sehen was gerade auf der Erde passiert!“
„Du willst sehen was auf der Erde passiert?“, fragte David zögerlich. Mit einem Mal schien seine Heiterkeit verflogen zu sein.
„Ja!“, antwortete ich bestimmt.
„Aber das geht nicht so einfach!“, protestierte David.
„Ich dachte das hier sei der Ort der unbegrenzten Möglichkeiten! Es muss einfach gehen!“, erwiderte ich.
„Erstens befinden wir uns hier VOR dem Ort der unbegrenzten Möglichkeiten und zweitens halte ich das einfach für eine nicht so gute Idee! Bist du dir ganz sicher, dass du das willst?“
„Ja, das bin ich!“, antwortete ich fest überzeugt. Ich musste meine Familie und Laura einfach ein letztes Mal noch sehen können.
„Ich nehme an du willst deine Eltern sehen?“, fragte David. Er klang plötzlich ganz schön ernst. Ich schluckte und nickte. Ich musste einfach!
Mit einem Mal erschien vor mir ein riesiger Bildschirm. Er erinnerte mich an den mega Fernseher, den mein Vater sich immer gewünscht hatte, sich aber nie hatte leisten können.
Ich sah meine Mutter. Oder besser gesagt eine blasse, traurige, kleine Frau die meiner Mutter ähnlich sah. Sie sah so kaputt aus. Erst auf den zweiten Blick, erkannte ich wo sie war. In der Gerichtsmedizin, vermutlich um meine Leiche zu identifizieren. Meine Mutter saß auf einem Stuhl neben dem Tisch auf dem vermutlich eine Leiche lag. Der Tisch war zum Glück abgedeckt. Ich war froh mich dort nicht liegen sehen zu müssen. Aber meine Mutter hatte mich dort liegen sehen. Tot! Jetzt starrte meine Mutter einfach nur noch geradeaus. Ihr Blick war leer. Sie war immer eine hübsche Frau gewesen, wenn sie lachte, dann lachten auch ihre Augen. Jetzt sah sie alt aus. Eine Träne kullerte ihr über ihre Wange, doch ihr Blick blieb ausdruckslos. Dann bemerkte ich meinen Vater. Er stand hinter meiner Mutter und seine Hand lag auf ihrer Schulter. Jetzt reichte er ihr ein Taschentuch. Auf den ersten Blick sah er aus wie immer, dann sah ich, dass seine Augen gerötet waren. Er hatte geweint. Mein Vater weinte nie! Zumindest nicht der Mann, den ich als meinen Vater kannte. Es war schockierend. Vielleicht war es doch keine so gute Idee gewesen mir das hier anzuschauen, aber jetzt war es zu spät.
„Was ist mit meinem Bruder?“, fragte ich unsicher. Wollte ich das wirklich noch sehen? Ja. Ja, das wollte ich.
David sah mich zögerlich an, dann wechselte das Bild auf dem Bildschirm. Mein Bruder war in seinem Zimmer, oder besser gesagt in den Bruchstücken die von seinem Zimmer noch übrig geblieben waren. Das Wort Chaos war maßlos untertrieben, um das zu beschreiben was ich sah. Ich hörte zwar keinen Ton, aber ich konnte sehen, dass die Musikanlage voll aufgedreht war. Die Art und Weise wie mein Bruder wie ein Wahnsinniger durch sein Zimmer tänzelte und dabei mit seinem Baseballschläger immer und immer wieder auf alles Mögliche eindrosch, lies darauf schließen, dass er wohl kaum One Direction hörte. Naja, One Direction hätte wohl ähnliche Aggressionen in ihm hervorgerufen. Dennoch vermutete ich, dass eher Bands wie Morbid Angel oder Cannibal Corpse dahinter steckten. Alles in dem Zimmer meines Bruders war kaputt. Sogar er war kaputt. Nie hätte ich erwartet, dass ihm mein Tod so nahe ginge. Gerne hätte ich ihn jetzt in den Arm genommen, aber es war zu spät.
Noch immer war es mir nicht möglich traurig zu sein, doch mein Verstand wusste, dass ich es jetzt normalerweise wäre.
„Was ist mit Laura?“, wollte ich nun wissen.
„Bist du dir sicher, dass du das auch noch sehen willst?“, fragte David. Er schien nun ernsthaft besorgt um mich.
Ich nickte. Laura und ich kannten uns seit drei Jahren. Wir lernten uns kennen, als ich in der siebten Klasse vom Gymnasium auf die Realschule wechselte und so in ihre Klasse kam. Laura hatte kaum Freunde. Ich hatte nie verstanden warum. Sie war so unglaublich nett, witzig und einfach immer für mich da! Sie war so ein fröhlicher Mensch. Weshalb sie mit den anderen nicht so gut klar kam, hatte sie mir nie erzählt. Jetzt war es zu spät. Ich musste sie einfach noch einmal sehen. Abschied nehmen. Unsere Freundschaft hatte viel zu früh enden müssen. Irgendwie wusste ich, dass mir das was ich jetzt sehen würde nicht gefallen würde und dennoch hoffte ich so sehr, dass es ihr gut ging.
Zunächst einmal sah ich gar nichts. Oder zumindest kaum etwas. Das Bild war annähernd schwarz. Erst bei näherem Hinsehen erkannte ich, dass Laura in ihrem Zimmer zusammengekauert auf ihrem Bett lag. Alles war dunkel, das Licht war aus und nur ein schwacher Lichtschimmer drang durch die zugezogenen Vorhänge. Laura lag da wie ein kleines Baby im Bauch seiner Mutter. Fest in ihren Armen hielt sie einen Pullover. Meinen Pullover. Ich hatte ihn ihr vor mehreren Wochen geliehen und sie hatte ihn bist jetzt behalten. Ich konnte sie nicht hören, aber ich konnte daran wie ihr Körper zuckte sehen, dass sie bitterlich weinte. Sie hörte überhaupt nicht mehr auf zu weinen. Wie lange sie wohl schon so da lag? Laura machte ihre Nachttischlampe an. Es wurde kaum heller aber jetzt erkannte ich, dass überall auf dem Boden verstreut benutzte Taschentücher lagen. Lauras Gesicht war verquollen, ihre Augen und ihre Nase gerötet. Laura griff nach einem Notizbuch und einem Stift, dann schrieb sie etwas auf. Jetzt bin ich wieder alleine. Wieso musste ihr so etwas passieren? Wieso nicht mir? Dann warf sie das Notizbuch gegen die Wand und fing wieder an unkontrolliert zu weinen. Sie machte das Licht aus und zog die Decke über ihren Kopf.
„Stopp!“, rief ich, „Das alles muss aufhören!“ Der Bildschirm verschwand.
„Ich habe doch gesagt, dass das keine gute Idee sei“, sagte David kleinlaut.
„Das mein ich nicht! Ich meine, sie sollen aufhören so traurig zu sein. Sie sollen alle aufhören so durchzudrehen. Ich will das es ihnen gut geht!“, erklärte ich aufgebracht.
„Das liegt nicht in unserer Hand“, antwortete David.
„Wie lange wird es ihnen so gehen?“
„Das kann ich nicht sagen. Niemand kann in die Zukunft sehen. Menschen haben einen freien Willen, das bedeutet, dass sie selbst entscheiden wie es weitergehen wird.“
„Dann wünsche ich mir, dass ich ihnen sagen kann, dass es mir gut geht!“, sagte ich fest überzeugt.
„Das geht auch nicht“ Man merkte wie unangenehm es David war, mir ständig widersprechen zu müssen.
„Aber wieso?“
„Du kannst dir gar nicht vorstellen was das für ein Chaos geben würde! Es gab bereits einmal einen Menschen der zurückgekehrt ist auf die Erde. Ich glaube ihr nennt ihn Jesus oder auch Menschensohn oder so ähnlich. Auf jeden Fall wollte man den Menschen so Hoffnungen schenken, ihnen zeigen, dass der Tod nicht das Ende ist. Doch worauf lief das ganze hinaus? Wie viele Kriege gab es aufgrund von Religion? Wie viele Menschen mussten wegen ihres Glaubens sterben? Glaube mir, es wäre keine gute Idee wenn du zu deiner Familie reden würdest. Was glaubst du würde man von ihnen halten, wenn sie erzählen, dass du von den Toten zurückgekehrt seist? Du weißt doch wie die Menschen sind!“
Ich nickte. Wo er Recht hatte, hatte er Recht. Aber es musste doch irgendetwas geben was ich tun konnte!
„Man kann doch nur traurig über den Verlust von etwas sein, wenn man wusste wie es war es zu besitzen, oder?“, fragte ich nachdenklich.
„Ja schon, aber was willst du mir damit sagen?“, fragte David zögerlich.
„Und wenn ich mir wünsche, dass ich nie gelebt habe? Dass sich niemand daran erinnern kann, dass es mich einmal gegeben hat? Dass es einfach so wäre, als wenn ich nie geboren wäre?“, fragte ich erwartungsvoll.
„Das kann doch nicht dein Ernst sein!“, rief David überrascht.
„Doch! Und ob das mein Ernst ist! Was habe ich schon großartiges auf der Welt geleistet? Nichts! Wenn es mich nie gegeben hätte, wäre niemand schlechter dran. Im Gegenteil! Meinen Eltern würde es gut gehen. Tom würde es gut gehen. Laura würde es auch gut gehen! Niemand müsste um mich trauern“ Der Gedanke daran niemals existiert zu haben, sollte eigentlich traurig sein, doch ich wurde immer begeisterter von der Idee. Ich konnte einfach nicht zulassen, dass man um mich trauerte. „Du hast doch gesagt, dass ich einen Wunsch frei habe! Und das ist es nun mal was ich mir wünsche!“
„Ich glaube du verstehst gar nicht was das bedeutet!“, gab David zu bedenken, „durch diesen Wunsch würdest du das Leben aller Menschen, die du irgendwie beeinflusst hast, verändern! Und das aller Wichtigste: Was auch immer du dir wünschst, es kann nicht so einfach rückgängig gemacht werden! Willst du nicht noch einmal darüber nachdenken?“
Stur schüttelte ich den Kopf. Welche Menschen hatte ich schon groß beeinflusst? Ich hatte niemandem das Leben gerettet, ich hatte keine Wunder vollbracht. Es gab keine nach mir benannte Straße und auch kein von mir in Afrika errichtetes Krankenhaus. Es gab nichts. Mein Leben war doch nur ein bedeutungsloser Wimpernschlag in der schier endlosen Geschichte der Menschheit. Ich machte keinen Unterschied. Das Einzige, was ich jetzt noch tun konnte, war meinen Angehörigen den Abschied zu erleichtern.
„Ich sehe du bist nicht davon abzubringen“, seufzte David, „Mal sehen was Lucrezia zu deinem Wunsch sagt. Du kannst schon einmal zu ihr gehen, ich komme gleich nach.“
„Du wünschst dir WAS?“, fragte Lucrezia entsetzt. Sie glaubte sich verhört zu haben.
„Ich wünsche mir, dass ich niemals auf der Erde existiert habe“, wiederholte ich. Ich versuchte es so selbstverständlich wie möglich zu sagen.
Verblüfft blickte Lucrezia zu David, doch dieser zuckte nur mit den Schultern. Ich hatte es mir nun mal in den Kopf gesetzt und davon war ich auch nicht mehr abzubringen.
„Und du bist dir wirklich ganz sicher?“, fragte Lucrezia zweifelnd.
Ich nickte.
„Gut, dann tritt dein Wunsch mit Betreten des Paradieses sofortig und unwiderruflich in Kraft. Ich wünsche dir eine angenehme Zukunft!“ Mit diesen Worten presste Lucrezia einen Stempel auf eines der unzähligen Papiere die vor ihr lagen und drückte es mir in die Hand.
„Und jetzt muss ich durch das Tor gehen?“, fragte ich unsicher.
„Ja, aber keine Sorge, ich begleite dich“, antwortete David und schob mich sanft in Richtung Tor.
Diesen einen Moment, kurz bevor ich durch das Tor trat, werde ich wohl nie vergessen. Diesen Moment, an dem die Spannung am größten ist, wie an Weihnachten kurz bevor man die Päckchen öffnete. In meinem Kopf schwirrten so viele Gedanken wirr durcheinander. Was würde mich erwarten? Würde es mir gefallen? Wie sah es aus?
In dem Moment in dem sich das Tor öffnete, waren meine Augen geschlossen und vor Aufregung hielt ich die Luft an. Dann war es so weit. Nervös öffnete ich meine Augen.
„So, da sind wir also! Das Paradies, der Ort des ewigen Glückes und der Zufriedenheit, der Ort an dem einfach alles möglich ist! Ist das nicht der Wahnsinn?“, schwärmte David und schon wieder sprühten seine Augen vor Begeisterung.
„Aber es sieht aus wie auf der Erde! Also ich meine, das hier ist doch nur eine gewöhnliche Stadt. Es hat gar nichts Magisches“, stellte ich überrascht fest.
„Nichts Magisches?“, fassungslos schüttelte David den Kopf, „Ich glaube du verstehst nicht! Dieser Ort ist so wie du ihn siehst. Er kann alles sein und nichts. Eben genau so, wie du glaubst dass er ist. Wenn du willst, kann der Ort verdammt magisch sein, wenn du willst kann das alles hier aussehen, als wäre es aus rosa Zuckerwatte! Es ist DEIN Stückchen Himmel. DEINE Vorstellungskraft. Du musst daraus machen was du willst!“
„Aber ich habe mir nie ein Leben nach dem Tod vorgestellt! Und schon gar nicht so eins, das aussieht wie auf der Erde!“, protestierte ich.
„Aber das ist es doch! Du bist nicht bereit für ein Leben nach dem Tod. Also ist es für dich momentan am leichtesten, wenn es so aussieht, wie deine vertraute Umgebung. Wie das, was du kennst! Irgendwann wirst du bereit sein dich von all dem zu lösen und dann kannst du diesen Ort hier zu deinem Paradies machen.“
Sprachlos starrte ich David an. Mein eigenes Paradies? Und hier war wirklich alles möglich? So wie ich das wollte? Das alles war einfach noch viel zu unbegreiflich für mich. Daran würde ich mich wohl erst einmal gewöhnen müssen.
„Dieses Haus hier ist deins!“, David deutete auf ein hellgrünes Haus rechts vor uns, „dort wirst du leben. Komm mit, ich zeig dir was das Besondere in dem Haus ist.“
Ein ganzes Haus für mich alleine? Das nannte ich mal Luxus. Vor allem die Farbe gefiel mir ausgesprochen gut. Hellgrün, meine Lieblingsfarbe. Doch wie ich bereits richtig vermutete, war das kein Zufall. Gemeinsam betraten David und ich das Haus.
„Dieses Haus mag für dich zunächst einmal aussehen wie ein gewöhnliches Haus. So wie du es eben von der Erde kennst. Aber es gibt einige Besonderheiten. Zum einen, wenn dir die Einrichtung hier nicht gefällt, kannst du dir einfach eine andere wünschen. Aber das mit „alles ist hier so wie du es haben möchtest“ habe ich ja bereits versucht zu erklären. Doch stell dir einmal vor, heute magst du ein Himmelbett haben und morgen lieber ein Wasserbett, und Schwupp es ist immer genau so wie du es haben möchtest! Ist das nicht der absolute Wahnsinn? Gut, noch kannst du das Ganze nicht wirklich nachvollziehen, aber glaub mir, es IST der absolute Wahnsinn! Eine weitere Besonderheit ist dieser Raum hier!“ David deutete auf die einzige geschlossene Tür, die ich sehen konnte. Direkt daneben war wohl die Küche und gerade befanden wir uns im Wohnzimmer.
„Was glaubst du wohl, was sich hinter dieser Tür verbirgt?“, fragte David begeistert. Er schien aufgeregter zu sein als ich.
Ahnungslos zuckte ich mit den Schultern. Ich hasste es etwas erraten zu sollen, vor allem wenn ich nicht die geringste Ahnung hatte.
„Dieser Raum ist voll mit Türen, die dich direkt zu deinen bereits verstorbenen Liebsten bringen. Verwandte, Freunde, Bekannte. Sie alle findest du im Himmel ganz schnell wieder, wenn du durch die jeweilige Tür gehst. Natürlich kannst du auch einfach aus deinem Haus rausgehen und irgendwelche Leute treffen. In einer Stadt sind schließlich auch immer Menschen unterwegs. Aber wenn du zu jemandem Bestimmten willst, bist du in diesem Raum genau richtig!“
Verstorbene Verwandte, Freunde oder Bekannte treffen? Daran hatte ich noch gar nicht gedacht. Aber jetzt löste dieser Gedanke eine wohlige Wärme in meinem Herzen aus. Ich würde Oma wiedersehen. Endlich. Eigentlich war „endlich“ übertrieben, schließlich war sie erst vor einem Jahr verstorben. Aber eben deshalb war der Schmerz noch so frisch. Ich hatte sie so sehr vermisst. Und jetzt würde ich sie wiedersehen, dann wäre ich auch nicht so alleine an diesem so sonderbaren Ort. Ich atmete noch einmal durch, dann ging ich einen Schritt nach vorne und öffnete die Tür.
Leer. Der ganze Raum war leer! Es gab keine einzige Tür, außer die mit der man den Raum betreten konnte. Ansonsten war der Raum einfach komplett leer. Es gab nichts! Sollte das ein schlechter Scherz sein? Irritiert blickte ich zu David. Dieser schob sich nun an mir vorbei in den Raum. Verblüfft schaute er sich um. Die Verwirrung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Also sollte es wohl kein Scherz von ihm sein. Aber wieso zur Hölle gab es dann keine einzige Tür? Es gab doch verstorbene Menschen an denen mir etwas lag, Menschen die ich sehr gerne wiedersehen würde!
„Da stimmt anscheinend irgendetwas nicht. Da muss wohl irgendein Fehler vorliegen. Ich meine, das kann doch gar nicht sein!“, stellte David nachdenklich fest, „Ich werde mich am besten sofort bei meinem Vorgesetzten darüber informieren. Warte am besten hier im Haus irgendwo.“ Kopfschüttelnd verlies David den Raum. So etwas hatte er noch nie gesehen.
Ich beschloss ins Wohnzimmer zu gehen und etwas zu fernsehen, um mir die Zeit zu vertreiben. Ich wusste nicht genau was ich erwartet hatte, als ich den Fernseher anschaltete, doch als ich die gleichen Programme sah die es auch auf der Erde gab, war ich doch überrascht. Hier ist alles möglich. Ist das nicht der Wahnsinn? Davids Worte hallten in meinen Ohren wieder. Wann ich mich daran wohl gewöhnen würde? Ich zappte durch die Fernsehprogramme und musste feststellen, dass es doch nicht genauso war wie auf der Erde. Hier liefen genau die Dinge die ich sehen wollte! Ich war so begeistert von dem Fernseher, dass ich gar nicht merkte wie David das Haus betrat. Auf einmal stand er neben mir.
„Und?“, fragte ich erwartungsvoll, doch Davids Anblick ließ mich zögern. Wo war die Begeisterung? Das „Alles-ist-der-absolute-Wahnsinn“ Gefühl?
„Es liegt kein Fehler vor“, antwortete David trocken, „Es ist wegen deinem Wunsch. Wenn du niemals auf der Erde existiert hast, gibt es niemanden den du hast. Es gibt keinen einzigen Toten, der dich kennt oder dem du viel bedeutest, schließlich hast du dir gewünscht, dass es dich niemals gegeben hat. Deshalb bist du türenlos.“
Wortlos starrte ich David an. Ich konnte einfach nicht begreifen was er gerade gesagt hatte. Und dann war da wieder diese Leere. Unfähig traurig zu sein, aber viel zu traurig um fröhlich zu sein, fühlte ich einfach nichts. Nicht einmal weinen konnte ich, auch wenn ich es jetzt gerne getan hätte. Dieses Paradies sollte der glücklichste Ort überhaupt sein, aber selbst hier wollte es mir nicht gelingen glücklich zu sein. Stattdessen fühlte ich nichts.
„Aber das kann doch nicht sein! Ich meine, meine Oma gibt es doch trotzdem. Magdalena Rosenberg. Sie muss doch auch irgendwo hier im Himmel sein. Kann ich sie nicht besuchen?“, fragte ich schließlich.
„Natürlich ist die Frau die du als deine Oma kennst auch irgendwo hier“, antwortete David, „Aber für Magdalena Rosenberg bist du eine völlig Fremde. Du bist nicht mehr ihre Enkelin. Das klingt hart, aber nach deinem Wunsch ist sie auch nicht mehr deine Oma. Es wird das Beste sein, wenn du sie nicht besuchst. Es tut mir leid.“
Oma Leni würde mich also nicht einmal erkennen, wenn ich jetzt vor ihr stünde. Ich war alleine. Mutterseelenalleine, an einem Ort der für mich so eigenartig und neu war. Es war nicht leicht.
„Und jetzt?“, fragte ich David.
„Was du jetzt machst, ist deine Entscheidung. Ich würde einfach rausgehen und neue Leute kennenlernen, das geht hier schließlich genauso wie auf der Erde. Es gibt ein Café, wenn du willst kann ich es dir zeigen, dort treffen sich andere Tote mit wenigen Türen. Türenlose gibt es zwar so gut wie nie, aber wirklich alleine bist du nicht. Kinder die kurz nach der Geburt verstorben sind, bevor sie jemanden kennenlernen konnten. Waisenkinder die ihre Eltern nie kennengelernt haben. Menschen die sich abschotten, Einzelgänger sind und kaum Freundschaften geschlossen haben. Menschen, die wenige Türen haben, suchen hier oft nach neuen Freunden und dann bekommen sie Türen. Eine nach der anderen. Man muss nur bereit sein sich zu öffnen. Wenn du das auch möchtest, kann ich dir dieses Café zeigen, jeder Zeit. Du kannst natürlich auch an anderen Orten versuchen Menschen kennenzulernen. Falls du das möchtest.“
Ich nickte. Das alles war viel zu viel um es verstehen und akzeptieren zu können. Ich war also türenlos. Mein Wunsch hatte dafür gesorgt, dass ich hier im Himmel niemanden mehr hatte. Aber es gab noch andere die kaum jemanden hatten. Aber wollte ich diese Menschen wirklich kennenlernen? Ich könnte auch hierbleiben. In meinem Haus. In meinem eigenen kleinen Paradies. Das erschien mir zunächst als das Einfachste, aber war es auch das Beste? Ich konnte doch nicht für immer alleine bleiben. Ich sollte mir diese anderen Menschen zumindest einmal anschauen. Vielleicht würde es ja ganz nett werden.
„Kannst du mir dieses Café zeigen?“, fragte ich schließlich.
„Aber natürlich!“, antwortete David und man konnte ihm ansehen, dass er erleichtert darüber war, dass ich nicht alleine hierbleiben wollte. Er schien sich um mich zu sorgen und das bereits seit ich sehen wollte, wie es meiner Familie auf der Erde ging. Mein daraus resultierender Wunsch und nun die Tatsache, dass ich keine einzige Tür hatte, schienen seine Sorgen noch mächtig zu verstärken. „Lauf mir einfach nach!“
Wie von ihm empfohlen, lief ich David einfach hinterher. Ich versuchte mir den Weg den wir gingen gut einzuprägen, um wieder zurück zu finden. Aus dem Haus raus, die Straße entlang, rechts, zweimal links, die Kreuzung gerade überqueren und dann noch einmal rechts. Unterwegs betrachtete ich alles neugierig. Doch ich konnte nicht den geringsten Unterschied zu einer gewöhnlichen Stadt auf der Erde feststellen. Alles sah so normal aus. Dann waren wir da. Café Nr.0. Passender Name. David blieb vor der Tür stehen und drehte sich zu mir.
„So, ab hier musst du alleine weiter. Ich kann dich leider nicht mit in das Café begleiten, aber das schaffst du schon! Wenn etwas ist, musst du in deinem Haus nur den Hörer des Telefons abnehmen, dann wirst du automatisch zu mir durchgestellt. Aber ich bin mir sicher du wirst dich ziemlich schnell hier im Himmel zurechtfinden! Früher oder später gefällt es einfach jedem hier! Ist das nicht-“
„-der absolute Wahnsinn!“, vollendete ich grinsend seinen Satz.
David lächelte mich noch einmal an, nickte mir zu, drehte sich um und ging. Dann stand ich alleine da. Wieder einmal vor einer geschlossenen Tür und wieder einmal fragte ich mich was sich wohl dahinter befand. Hoffentlich etwas Besseres als hinter der letzten Tür. Endlich konnte ich mich überwinden das Café zu betreten. Sofort scannten meine Augen den Raum nach einem freien Platz ab. Treffer. Ein kleiner Tisch für zwei Personen, an dem noch niemand saß. Zielstrebig lief ich darauf zu, ohne einen Blick nach rechts oder links zu werfen. Ich fühlte mich so beobachtet und ich hasste dieses Gefühl. Am Platz angekommen, ließ ich mich auf einen der Stühle fallen und atmete erst einmal durch. Na toll, jetzt saß ich ganz alleine an einem Tisch in dem Café, in das ich gegangen war, um Menschen kennenzulernen. Das hab ich ja mal wieder ausgezeichnet hinbekommen. Mir ist es noch nie leicht gefallen auf Menschen zuzugehen, aber jetzt wo ich ganz alleine war, wäre es nicht schlecht, wenn ich ein wenig offener wäre. Wäre ich in meinem neuen Haus gewesen hätte ich vermutlich sofort den Telefonhörer abgenommen und David gesagt, dass er gefälligst wieder zurückkommen soll. Aber ich war nicht in meinem Haus, ich war hier im Café. Da musste ich jetzt einfach alleine durch. Ich ließ meinen Blick durch das Café schweifen. Überwiegend junge Leute, auch einige die aussahen als wären sie in meinem Alter. Ich fragte mich, warum sie hier waren, also warum sie so wenige Verwandte oder Freunde hier im Himmel hatten. Bedeutete das nicht automatisch, dass sie ein trauriges Leben hatten? Eine Frau, die wie ich richtig vermutete Kellnerin dieses Cafés war, kam an meinen Tisch, begrüßte mich und stellte mir eine Tasse Schokomilch hin. Ich staunte nicht schlecht, denn nach genauso einer Schokomilch hatte ich mich gerade gesehnt. Das war also das Paradies. Die Schokomilch schmeckte einfach himmlisch. Ich fühlte mich gleich ein ganzes Stück besser. David hatte sicher Recht wenn er sagte, dass es früher oder später jedem hier gefallen würde.
„Hallo! Ist der Platz noch frei?“
Erschrocken zuckte ich zusammen. So in Gedanken versunken hatte ich das Mädchen das direkt vor mir stand gar nicht bemerkt. Sie sah etwas jünger aus als ich, vielleicht 13 oder 14 Jahre alt. Sie hatte dunkles, kurzes Haar, das ein wenig durcheinander war. Sie hatte grüne, katzenartige Augen und einige Sommersprossen auf der Nasenspitze. Sie sah frech aus, machte aber gleichzeitig einen sehr netten Eindruck. Erst als sie mir fragend zunickte fiel mir auf, dass ich ihr noch keine Antwort gegeben hatte.
„Ja natürlich ist der Stuhl frei. Setz dich doch“, antwortete ich hastig.
„Cool! Ich heiße Lotte und du? Du bist neu hier, oder?“, sprudelte sie hervor.
„Ich heiße Sabrina und ja, ich bin erst seit heute hier“, antwortete ich etwas verlegen.
„Wusste ich doch, dass ich dich hier noch nie gesehen habe!“, grinste Lotte frech, „Und wie findest du es bis jetzt hier? Wahrscheinlich brauchst du ein wenig Zeit, um dich einzugewöhnen, aber du wirst sehen, dass es gar nicht so übel ist wie man erst denkt! Was hast du dir eigentlich gewünscht? Das mit dem Wunsch fand ich am aller Besten! Ich habe mir gewünscht, dass ganz viele Leute auf meine Beerdigung gehen! Sogar Frau Knobloch, die Leiterin des Kinderheims, die mich eigentlich noch nie ab haben konnte ist hingegangen! Und sie hat allen Kindern des Heims erlaubt zu kommen. Ohne den Wunsch wäre wohl kaum jemand gekommen, aber so haben ganz viele Leute an mich gedacht! Also was hast du dir gewünscht?“
Erwartungsvoll haftete Lottes Blick an mir. Sie war mir auf Anhieb sympathisch. Sie hatte von der Leiterin eines Kinderheims erzählt, ob Lotte wohl in einem Heim gelebt hatte? Das würde erklären, warum sie hier im Café Nr.0 war. Warum sie so wenige Türen hatte. Irgendwie tat sie mir ein wenig Leid und gleichzeitig wusste ich, dass es keinen Grund dafür gab, denn man konnte ihr so deutlich ansehen wie glücklich sie nun war.
„Ich habe mir gewünscht, dass es ist, als hätte ich niemals existiert, als wäre ich niemals geboren worden. Ich wollte, dass sich auf der Erde niemand mehr an mich erinnern kann und niemand wegen meines Todes trauern muss“, antwortete ich schließlich.
Lotte starrte mich mit großen Augen an. „Das ist das aller Dümmste was ich je gehört habe!“, entfuhr es ihr plötzlich lachend.
„Wieso denn?“, fragte ich irritiert.
„Deine Familie hat dich sicher über alles geliebt! Und jetzt haben sie nicht nur dich verloren, sondern auch noch alle Erinnerungen an dich!“, erklärte Lotte energisch.
„Aber ich wollte doch nur, dass es ihnen gut geht! Ich wollte ihnen das Leid ersparen. Sie waren so fertig wegen meines Todes!“, entgegnete ich.
„Und jetzt? Weißt du wie es ihnen jetzt geht? Ich meine jeder Mensch hinterlässt doch seine Spuren auf der Erde. Jeder trägt einen kleinen Teil zum Ganzen bei. Woher willst du wissen, dass es jetzt ohne dich besser ist?“, fragte Lotte skeptisch.
„Ich weiß nicht“, gab ich verlegen zu, „Aber, es muss ihnen doch besser gehen! Ich hab nichts Großartiges vollbracht. Ich glaube die Welt kann sehr gut auf meinen Beitrag verzichten und ohne mich auskommen.“
„Wenn du dich da mal nicht täuschst“, bezweifelte Lotte, „vielleicht sollten wir uns mal anschauen, wie es deinen Leuten jetzt so auf der Erde geht? Komm einfach mit zu mir. Das wird bestimmt lustig! Wie ein DVD-Abend von zwei Freundinnen! Was hältst du davon?“
Lotte strahlte. Ihre Augen leuchteten vor Begeisterung.
Ich erinnerte mich an all die lustigen DVD-Abende die ich mit Laura verbracht hatte und dann dachte ich daran wie alleine ich bis gerade eben noch gewesen bin. Außerdem interessierte es mich tatsächlich wie es nun so auf der Erde aussah, so ganz ohne mich. Lottes Vorschlag war also gar keine schlechte Idee und so kam es, dass ich zusagte und wir schon eine Viertelstunde später bei Lotte Zuhause waren. Lottes Haus sah im Grunde genauso aus wie das was David mir gezeigt hatte, nur sehr viel unordentlicher.
„Ich hoffe das kleine Chaos hier stört dich nicht“, sagte Lotte beiläufig während sie in der Küche an der Popcornmaschine hantierte.
„Nö. In meinem Zimmer, auf der Erde, sah es immer genauso aus. Und hier im Himmel wird es bei mir wohl auch nicht anders werden. Ich hasse aufräumen einfach!“, antwortete ich.
„Aber hier im Himmel musst du doch nicht aufräumen!“, rief Lotte belustigt, „Hier im Himmel musst du eigentlich gar nichts. Ich müsste nicht einmal Popcorn machen, sondern könnte uns einfach Popcorn wünschen und *Schwupp* es wäre da. Aber das wäre wohl ziemlich langweilig. Und in einem perfekt aufgeräumten Haus würde ich es wohl kaum einen Tag aushalten! Ich liebe das Chaos einfach. Da fühl ich mich gleich viel wohler. Außerdem sieht man so sofort, dass hier jemand wohnt.“
„Oh. Ja die Sache mit ‚Hier im Himmel ist alles möglich‘ hab ich irgendwie noch nicht so ganz raus“, gab ich verlegen zu, „Daran werde ich mich wohl erst noch gewöhnen müssen.“
„Ist schon in Ordnung. So geht es doch allen, wenn sie neu hier sind und die meisten stellen sich noch viel dümmer an als du!“, kicherte Lotte.
Dann war das Popcorn auch schon fertig und wir machten es uns auf Lottes Sofa gemütlich.
„Ich würde sagen wir fangen erst einmal harmlos an“, schlug Lotte vor, „Wie bist du noch einmal umgekommen? Du wurdest von einem LKW überfahren, oder? Wie wär’s wenn wir uns zuerst einmal anschauen, wie es dem LKW-Fahrer nun geht. Ohne den Unfall kann es ihm ja eigentlich nur besser gehen!“
Ich nickte zustimmend. Ich brannte zwar darauf meine Familie und auch Laura zu sehen, aber irgendwie hatte ich auch ein wenig Bammel davor. Peter der LKW-Fahrer war für den Anfang genau richtig.
Lotte zeigte mir welche Tastenkombinationen sie drücken musste, damit wir genau das sehen konnten, was wir auch wollten und dann ging es auch schon los.