Читать книгу Der Gürtel der Astarte - Hanna Perlmann - Страница 4

1. Kapitel

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Fieberhafte Suche nach dem Gürtel der Astarte versetzt jetzt

auch Bremen und Oldenburg in Aufregung. Jüngste Gerüchte….

Fassungslos las Silke Moormann den Artikel zu Ende, den ihre Bremer Freundin zu ihrem Brief mitgeschickt hatte. Kopfschüttelnd begann sie, die Tastatur ihres Laptops zu bearbeiten und schrieb der Freundin eine Email:

Liebe Inge,

hab vielen Dank für deinen Brief. Erschüttert habe ich darin gelesen, dass inzwischen auch Bremen und Oldenburg von dem unglückseligen Fieber ergriffen ist, den sagenumwobenen Gürtel der Astarte zu finden. Du fragst, wie es dazu kam. Diese Frage hat mich jetzt dazu bewogen, die unglaublichen Ereignisse der letzten zwei Jahre zu rekapitulieren. Ich sitze gerade auf meinem Meditationskissen, vor mir mein Laptop, blicke auf das Foto von Margit – mein Gott, meine Tränen fließen immer, wenn ich darauf sehe – und lasse vor meinem inneren Auge das Vergangene aufsteigen. Ich werde es aufzeichnen, als Tatsachenbericht in Romanform. Den werde ich dann in meinem Esoterikladen vertreiben. Ich kenne zwar nicht alle Hintergründe, aber zur Not halte ich mich an James Hillman und seiner Theorie „Die Heilung erfinden“. Vielleicht hilft mir das Niederschreiben der Geschichte, die ja noch nicht abgeschlossen ist, selbst wieder zur Normalität zurückzufinden. Die einzelnen Sequenzen schicke ich dir per Mail. Wie du schnell herausfinden wirst, bin ich in der Geschichte Elke Klanz und Margit heißt dort Margot Dachstein.

Sei einstweilen ganz herzlich gegrüßt

Von Deiner Freundin Silke

Sie erhob sich, suchte verschiedene ätherische Öle zusammen und goss sie in ihre selbstgetöpferte Aromalampe. Tief atmete sie die Düfte von Orange, Zimt und Rosenholz ein. Sie versenkte sich geschlossenen Auges gute zwanzig Minuten in ihre Erinnerungen und wandte sich dann konzentriert ihrem Laptop zu:

Schwalben schossen blitzschnell unter dem wolkenverhangenen Himmel umher. Der Herbst prankte in voller Farbenpracht und die letzten Vogelschwärme waren wieder auf dem Weg nach Süden.

Wohin gehe ich wohl? dachte Marlene Rosner wehmütig. Sie stand mit anderen Frauen vor dem Grab ihrer ehemaligen Lehrerin, der weithin bekannten Bauchtänzerin Soraya, die vor wenigen Wochen in Damaskus überraschend einer Viruserkrankung zum Opfer gefallen war und auf dem Münzberger Friedhof ihre letzte Ruhe fand. Verstohlen betrachtete Marlene die Umstehenden; alle waren sie ergebene Anhängerinnen ihrer Lehrerin gewesen und alle warteten insgeheim gespannt darauf, was der Notar nach dem anschließenden Leichenschmaus verkünden würde.

Soraya, mit bürgerlichem Namen Sonja Müller, hatte in 25jähriger zäher Arbeit in Münzberg ein Bauchtanzzentrum beachtlichen Ausmaßes aufgebaut. Sie hatte sich nicht damit begnügt, billigen Orientflitter in das süddeutsche Städtchen zu importieren, nein, sie war selbst regelmäßig in den Nahen Osten, vor allem nach Syrien, gefahren und hatte dabei auf einer ihrer abenteuerlichen Reisen ein Stück von unschätzbarem Wert mitgebracht - den legendären Gürtel der Astarte. Bei ausgesuchten Vorstellungen brachte sie mit einem unglaublichen, nicht endenwollenden Schimmy regelmäßig ihr Publikum zum Rasen. Es hieß, in diesem Gürtel seien geheime Zauberkräfte am Wirken, die die Hüften der Tänzerin regelrecht elektrisierten und die Zuschauer in einen dionysischen Rausch katapultieren.....

Elektrisierend schallte die Musik der ägyptischen Gruppe über den Friedhof, die einer Sondergenehmigung des evangelischen Pfarrers bedurft hatte und auf Wunsch der Verstorbenen die Stücke nach einem genau aufgeschriebnen Ablauf aufführte: Zwei Nays, untermalt von Zimbeln und einer Trommel, bildeten einen rhythmisch getragenen Klangteppich, währenddessen die schwarze Marmorurne in Form einer Lotosblume in die Erde gelassen wurde. Soraya hatte testamentarisch verfügt, verbrannt zu werden; sie hätte es nicht ertragen, dass ihr gepflegter Revuekörper von Würmern und Erde zersetzt werden würde. Kinder hatte sie, ungeachtet ihrer zahlreichen Liebhaber, nicht - lachend meinte sie immer, mit ihren Schülerinnen und Männern habe sie Kinder genug.

Marlene wurde aus ihren melancholischen Gedanken gerissen, als Münzberger Bürger an dem Begräbnis vorbeigingen und eine ältere Frau gehässig raunzte: „Endlich isch des ordinäre Weib gschtorbe. Des Gfred um diese schamlose Dänz, des hat uns grad no gfehlt!“

Marlene schnappte nach Luft - das war ja nicht zu glauben! Alles, was nicht ins biedere Bild passte, löst bei den meisten Münzbergern immer noch Aggressionen aus. Wenn die könnten, würden sie glatt wieder Hexenverfolgungen einführen!

Sie folgte den zahlreichen Versammelten zum anschließenden Leichenschmaus. Es gab eine gemischte Platte syrischer Vorspeisen, dazu Tee und Wein. Die anwesenden Frauen schweigen meist oder sprachen mit leiser Stimme. Nur Nagib, Besitzer der Bauchtanzboutique, versuchte, eine heitere Stimmung in die Runde zu birngen: Tod nicht traurig sein! Ihr musst denken an Soraya. Sie jetzt ist glücklich!“o Eine Stunde später tauchte Dr. Eberle auf, der ortsansässige Notar, der ein begeisterter Bauchtanzanhänger war. Er hatte jede Vorstellung von Soraya besucht und ihr wertvolle juristische Tipps gegeben. Seine eifersüchtige Kanzleisekretärin Monika Dimpflhuber, die sich seit seiner Scheidung ebenso zäh wie vergeblich um ihn bemühte, hatte durchblicken lassen, dass dies kostenlos erfolgt war; mit vielsagendem Blick mutmaßte sie gezielt des öfteren Münzberger Spießbürgerinnen gegenüber, dass Sorayas Bezahlung aus etwas anderem bestanden hätte als aus finanzieller Gegenleistung. „Frau Dachstein, Frau Hersberg, Frau Rosner, Frau von Krems, dürft i Sie bitte, im Nebezimmer Platz zu nehme. Des Teschtament wird jetzt verlese.“ Ottilie von Krems und Dunja Hersberg schritten gelassen in das dunkel getäfelte Nebenzimmer, die beiden anderen - vor allem Margot Dachstein - setzten sich unsicher und nervös auf die bereitgestellten Stühle. Marlene nahm wahr, wie Margot alle Anwesenden misstrauisch beäugte, und dachte besorgt Mein Gott, die hat nur den Gürtel im Kopf! Hoffentlich hat Soraya daran gedacht, eventuellen Streitigkeiten vorzubeugen. Notar Dr. Eberle richtete sich feierlich auf und trug seine Ansprache im schönsten Honoratiorenschwäbisch vor. „Meine verehrte Damen, wie Sie alle wisset, isch mir die Aufgab übertrage worde, den letschten Willen der Verschtorbenen kundzutun...Also, als erschtes: Die Bauchtanzschul mit dem Auftrag, weitere Kurse und Workschops in Münzberg anzubiete, geht an Frau von Krems und Frau Hersberg. Beide send au scho vor dem Ablebe der Verschtorbene darüber informiert worde.“ Ottilie von Krems stand elegant lächelnd auf und sprach im druckreifen Hochdeutsch:

Liebe Anwesenden, um es kurz zu machen - ihr wisst ja, dass ich und Dunja schon seit langem befreundet sind - : Mir als Buchhalterin und Dunja als menschlich und fachlich kompetenter Leiterin hat Soraya schon vor einem Jahr nahe gelegt. ihre Nachfolge gemeinsam anzutreten. Wir haben uns gerne dazu bereiterklärt. Dr. Eberle, machen Sie bitte weiter!“ Klaus Peter Eberle trug gelassen den Inhalt des Testaments vor. Erstaunlicherweise hatte Soraya wenig Barvermögen. Viel Geld war in vergangenen Jahren in Ausgrabungsexpeditionen geflossen; was verblieben war, stand als Kapitaleinlage der Schule zur Verfügung. Erst am Schluss horchten alle auf. „Meine verehrten Anwesenden,“ las Dr. Eberle schon fast hochdeutsch vor, „ihr werdet alle gespannt sein zu erfahren, wer mein Hauptvermächtnis - den Gürtel der Astarte - erben wird. Diejenige, die ihn findet, wird ihn erhalten. Soraya, Münzberg, am 12.10.2000.“ Die angespannte Stille durchbrach schließlich Margots schneidende Stimme.

Was soll das heißen? Ist er irgendwo versteckt? fragte sie irritiert. Herr Dr. Eberle, können Sie das etwas verdeutlichen, bitteschön!“ „Leider net, Frau Dachstein. Die Soraya het mir des genau so diktiert.“ Energisch stand Margot auf und verließ den Raum. Draußen stieß sie mit Nagib zusammen.

Hey, Margot, du siehst nix gut aus. Was gibt´s? Kann ich dich helfen?“ „Lass mich in Ruhe!“ zischte sie und stieg in ihren schwarzen Porsche. Hektisch wählte sie eine Nummer auf dem Handy. „Elke, hörst du mich? Was? ... Ja, die Feier ist zu Ende, das Testament wurde verlesen. Der Gürtel? ... Das erzähl ich dir, wenn ich zurück bin. Ich bin verdammt geladen.... was, Bachblüten? Die kannst du dir sparen.... Lass in der Zwischenzeit lieber das Badewasser einlaufen...am besten Kneipp Melissenöl. Und vergiss bloß nicht, einen guten Rotwein aufzumachen“ Sie ließ den Motor aufheulen und brauste in die einsetzende Dämmerung davon.

Der Gürtel der Astarte

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