Читать книгу Der Gürtel der Astarte - Hanna Perlmann - Страница 5
2. Kapitel
ОглавлениеBewegungslos saß Margot Dachstein hinter der Thuja Hecke und spähte in den Garten. Die Vögel stimmten gerade ihre abendliche Hymne an, die Nachbarskatze äugte gezielt in die Bäume, ob nicht ein unerfahrener Vogel ihr Opfer werden könnte.
Jetzt wird es langsam ungemütlich, dachte Margot fröstelnd, ob schon irgendwer Sorayas Haus heimlich durchsucht hat? Ausgerechnet jetzt im November den Garten abzugraben war schon blöd. Warum nur hatte Soraya das Haus in die Obhut einer außenstehenden Immobilienfirma gegeben, die es verkaufen sollte, um das Geld einer syrischen Grabungsgesellschaft zu übermitteln? Sie, die erfahrene Immobilienfrau, hätte das doch auch machen können - und zudem dann in Ruhe das Haus nach dem Gürtel durchsuchen können! Aber noch war das Haus nicht verkauft, also carpe diem, Margot!
Die Dämmerung ging in die Nacht über und leise schlich Margot in den Garten. Aufmerksam betrachtete sie die kleinen Baumgruppen, den Rasen und die angelegten Beete. Welcher Platz wäre naheliegend? Der Rasen selbst wirkte unangetastet, keine Erhebung verriet etwas. Margot nahm ein Hügelbeet in Augenschein und setzte dort entschlossen den Spaten an.
Du liebe Zeit, der Boden war völlig hart, der Frost hatte also schon zugeschlagen! Auch das ständige Fitnesstraining, bei dem sie kräftige Armmuskeln entwickelt hatte, konnte da nichts ausrichten. Damit halte ich mich gar nicht erst auf, besser, ich gehe gleich ins Haus!
Sie beschritt den kleinen Steinweg, der hintenrum zu einer Souterrainwohnung führte, in der Soraya ihre internationalen Gäste hatte nächtigen lassen. Margot blieb ruckartig stehen: die Glastür war zerbrochen! Verdammt noch mal, da war jemand vor mir da! Angestrengt horchte sie hinein, kein Laut war zu hören. Vorsichtig trat sie durch die zerbrochene Glastür ins Innere des Hauses und versuchte, keinen Lärm zu machen. Sie wartete, bis sich die Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten und machte dann eine kleine Taschenlampe an. Im Lichtkegel sah sie, dass sämtliche Schrank- und Kommodentüren geöffnet waren, die zahlreichen Perserteppiche lagen aufgerollt umher. Margot musste unwillkürlich schmunzeln - hier musste sie also nicht mehr suchen, aber wo dann ?
Sie ging die Treppe ins Erdgeschoss hoch, durchschritt Küche, Flur und den Wohn-Essraum. Gerade, als sie den ersten Stock hochgehen wollte, traf sie ein Lichtkegel von oben. „Wer verdammt noch mal ist hier eigentlich?“ rief sie unerschrocken. Sie eilte behende die Treppe hoch und schaltete ihre Taschenlampe auf großen Lichtkegel.
„Ach, das gibt´s ja nicht, Osman! Was machst du denn hier?“
Höhnisch lächelnd trat er aus der Ecke heraus. „Das könnte ich dich auch fragen, Margot. Du schleichst hier rum wie eine Diebin der Nacht, macht keinen guten Eindruck. Ich könnte immerhin sagen, dass ich die alten Geschenke suche, die ich Soraya vor Jahren gegeben habe. Die will ich wieder.... und du, du suchst natürlich den Gürtel!“
Margot verschlug es kurz die Sprache. Wie hatte Osman von dem Testament hören können? Seit Jahren bestand kein Kontakt mehr zwischen dem Ägypter und Soraya; die einst heiße, aber kurze Liebesaffäre hatte sich bald in heftige Feindschaft verwandelt. Osman, begabter und noch schönerer Tänzer der Mahmoud Reda Gruppe aus Kairo, hatte kurz nach Beendigung der Beziehung mit Soraya ein eigenes Bauchtanzstudio in Münzberg eröffnet und erwarb bald den Ruhm als berüchtigter Frauenvernascher: Nur die Frau durfte eine Solorolle tanzen, die sich gerade in seinen Federn tummelte. Nachdem sein künstlerisches und technisches Können nachgelassen hatte, schloss er das Studio und eröffnete kurzerhand ein ägyptisches Restaurant, in dem er Tänzerinnen nach demselben Ausleseprinzip auftreten ließ. Margot, überzeugte Feministin und Lesbierin, hasste Osman wie die Pest, der für sie die Ausgeburt des islamischen Patriarchats darstellte. Sie beschloss sofort, ihm gegenüber alles abzustreiten.
„Ich finde, es gibt Wichtigeres als diesen Gürtel. Ich wollte einfach nur schauen, ob das Haus in Ordnung ist.“
„Hahaha, erzähl das deiner Großmutter. Bei Nacht hereinschauen, du hast ja nicht einmal einen Schlüssel. Margot, mach´s gut.“ Er rollte einen Teppich in der Ecke zusammen.
„Den Teppich nehme ich übrigens mit, er fliegt zwar nicht, der Gürtel der Astarte ist auch nicht eingewebt, aber er ist ein schönes Stück, das ich Soraya vor Jahren mal geschenkt habe. Viel Spaß beim Suchen!“
Langsam tänzelte er die Treppe hinunter und entfernte sich vom Haus. Margot fühlte Wut in sich aufsteigen. Dieser verdammte Chauvi, macht sich auch noch über mich lustig! Und er ist sicher nicht der einzige Außenstehende, der über das Testament Bescheid weiß.
Ruhelos durchstreifte Margot alle Räume, deren Inhalt - wie es schien - schon genauestens untersucht worden war. Mutlos ließ sie die Taschenlampe sinken. Es hatte alles keinen Zweck. Sie entschloss sich, nach Hause zu fahren und ihre Lebensgefährtin zu befragen. Vielleicht käme ihr eine gute Idee, wo Soraya den Gürtel versteckt haben könnte.
Elke hatte wie immer liebevoll den Tisch gedeckt. Eine Karaffe Rotwein stand zwischen dem jahreszeitlich passend zusammengestellten Arrangement, einer aus Zweigen und Blättern gebastelten Kleinskulptur. Nachdenklich schlürfte Margot ihren derzeitigen Lieblingsrotwein, einen portugiesischen Dao, nachdem sie Elke ihr Abenteuer erzählt hatte.
„Elke, sag mal, du hast doch eine gute Intuition. Wo könnte Soraya den Gürtel versteckt haben? Ich bin mir ziemlich sicher, im Haus ist er nicht. Außer Osman haben sicher noch andere dort ergebnislos gesucht.´“ „Ach Margot, woher soll ich das wissen. Ehrlich gesagt, interessiert mich das auch nicht. Ich finde, dass es eher bedenklich wird. Jeder sucht auf seine Weise nach diesem Gegenstand, es entstehen gegenseitige Verdächtigungen. Ich meine, du, Ottilie, Dunja und Marlene, ihr solltet gemeinsam vorgehen. Auf diese Weise könnten Anfeindungen vermieden werden.“
„Wie stellst du dir das vor? Soll jede von uns dann den Gürtel eine Zeitlang behalten dürfen? Das wäre doch absurd!“
„Warum nicht? Ich habe eh den Eindruck, dass dieser Wirbel um den Gürtel maßlos übertrieben ist. Wenn die Bauchtanzszene mehr auf den Boden kommt, könnte ihr das nicht schaden. Dieser krampfhafte Nimbus um irgendwelchen Glitzerfummel, das ist doch lächerlich.“
„Das sagst ausgerechnet du mit deiner esoterischen Buchhandlung! Die ganzen Steine und Fläschchen, die du da verkaufst, das ist doch erst recht hohler Nimbus!“
„Oh Margot, lass uns doch nicht streiten. Aber ich sehe regelrecht, wie deine Aura sich verdunkelt. Ich hole am besten gleich ein Aurasoma Elixier. Vielleicht lässt sich deine Besessenheit um den Gürtel wieder ausbalancieren.“
„Schätzchen, das hab ich nicht nötig. Lass uns lieber ins Schlafzimmer gehen, dort balanciere ich mich besser aus.“
Entschieden stand Elke vom Tisch auf. „Nein, ich hab jetzt keine Lust, deine Wut und deinen Frust wegen des Gürtels auch noch körperlich übertragen zu bekommen.“
Sie blickte ihrer Lebensgefährtin fragend in die Augen. „Margot, sei ehrlich, was willst du wirklich mit dem Gürtel? Glaubst du, du könntest deswegen etwa Berufstänzerin werden, sind dir deine Immobiliengeschäfte zu langweilig geworden?“
„Also Elke, diese infame Verdächtigung mir gegenüber ist ungeheuerlich. Mein Standpunkt ist simpel: je eher jemand den Gürtel findet, desto besser. Dann ist nämlich mit den Gerüchten mit einem Mal Schluss.“
„Ach, wie edel! Aber Tatsache bleibt, dass du am liebsten allein den Gürtel haben willst. Und bedenke eines: gesetzt den Fall, du findest ihn, glaubst du etwa, damit wäre Ruhe eingekehrt? Fast jeder in der Bauchtanzszene würde ihn dir neiden, es würden garantiert übelste Intrigen ablaufen. Margot, wie kannst ausgerechnet du - die clevere realistische Geschäftsfrau, so naiv sein und denken, damit wären alles Probelme gelöst?“
„Du nennst mich naiv? Also Elke, jetzt reicht´s aber! Wer war denn hier naiv? Wer hat dir die Augen bezüglich deiner Ehe mit diesem alkoholverseuchten Ausbeuter von Bodo die Augen geöffnet? Wem hast du es zu verdanken, dass du existentiell und seelisch wieder auf die Füße gekommen bist? Ich will hier deine Unterstützung und du fällst mir regelrecht in den Rücken.....“
Wütend stand Margot auf, stöckelte energisch durch das mit Tricia Guild Stoffen ausgelegte Esszimmer und schlug heftig die Türe zu. Im Flur stolperte sie fast über den Stapel der Esotera Zeitschriften, die Elke abonniert hatte. Ihr kam plötzlich eine Idee. Wollen doch sehen, ob die Esos so wirkungsvolle Methoden haben, wie sie immer behaupten.
Sie nahm den gesamten Stapel in ihr Zimmer mit und durchforstete die Kleinanzeigen.
Madame Halamira, weltberühmte Wahrsagerin mit Zertifikat,
berät Sie in allen schwierigen und unmöglichen Lebenslagen,
persönlich oder telefonisch.
Na bitte, vielleicht sieht die ja, wo dieser Gürtel ist!
Entschieden zückte Margot ihr Handy und wählte die Nummer. Eine geheimnisvolle Melodie ertönte aus dem Hörer ...
Elke öffnete währenddessen alle Fenster - die schlechte Energie musste erst mal raus. Sie holte ihr selbstgemischtes Raumspray und atmete erschöpft die Essenzen von Sandelholz, Zitrone und Rosmarin ein. War das möglich? Dass die Suche um einen Gürtel eine seit fünf Jahren bestehende gute Partnerschaft in eine bedrohliche Krise geraten ließ?
Elke und Margot hatten sich bislang sehr gut ergänzt: Sie war die eher Sanfte, Umhegende gewesen, der es oft an Durchsetzung mangelte, Margot hingegen war die temperamentvolle Realistin, die zu kämpfen verstand und die ihr tatsächlich vor fünf Jahren die Augen bezüglich ihrer Ehe geöffnet hatte.
Bodo, ein von Minderwertigkeitskomplexen zersetzter Alkoholiker, der inzwischen von Sozialhilfe lebte, hatte es über zehn Jahre fertiggebracht, sie in dieser schrecklichen Partnerschaft gefangenzuhalten. Ein Eierstockkrebs lenkte Elke dann letztendlich in eine gesunde Richtung: sie las psychologische Bücher und merkte dann, dass Liebe nicht unbedingt mit Selbstaufopferung gleichzusetzen war. Feministische Bücher von Angelika Alitti regten sie dazu an, workshops zu besuchen.
Auf einem Seminar von Luisa Francia lernte sie dann Margot kennen, deren temperamentvolle unverkrampfte Art sie sofort anzog. Sie besuchten mehrere Bauchtanzkurse in Münzberg bei Soraya und innerhalb kurzer Zeit entschieden sie sich, eine Lebensgemeinschaft zu gründen. Elke reichte die Scheidung ein, gegen die sich Bodo bis zuletzt wehrte. Noch lange rief er nachts an und beschimpfte sie oder Margot als lesbische Schlampen. Inzwischen hatten sie eine Geheimnummer, die nicht im Telefonbuch stand.
Elke zog sich gedankenvoll in ihr Zimmer zurück und machte eine wirkungsvolle Bioenergetikübung, die sie wieder zur Besinnung brachte. Sie beschloss, Marlene, Dunja und Ottilie anzurufen, um deren Stand der Dinge zu erfahren. Vielleicht könnten sie Margot dazu bewegen, sich von ihrem unseligen Alleintrip zu entfernen und im gemeinsamen Vorgehen die Suche nach dem Gürtel entspannter anzugehen.
„Dunja, bist du am Apparat? Hier ist Elke. Ich muss dir einiges erzählen...“
Auch Margot hing am Telefonhörer, wenn auch mit deutlich anderer Absicht.
„Madame Halamira, was meinen Sie? ... Wie bitte? Ich muss Ihnen erst 300 Euro überweisen?..... Aber was ist, wenn Ihre Auskunft nicht stimmt?... „