Читать книгу Elijah - Blossom - Hannah Rose - Страница 4

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Kapitel 2

Ein stämmiger kräftiger Typ stand vor der geöffneten Tür. »Nummer neun sechs neun!«, rief er in den Flur.

Scheiße!, schoss es Elijah durch den Kopf. Das ist ja direkt meine Nummer!

Er hatte in seinem ganzen Leben noch nie für etwas vorgesprochen, und war in diesem Moment so nervös wie selten zuvor – insbesondere, als ihm wieder bewusstwurde, wie verrückt es war, die ganze Sache auch nur ansatzweise ernst zu nehmen. Immerhin war es doch absoluter Irrsinn, auch wenn Marwin und Samantha anderer Meinung waren. Und selbst, wenn die mich nehmen würden … Was dann? Will ich überhaupt an so einer abgefahrenen Sissy-Show teilnehmen?

Aber er hatte keine Zeit mehr, sich mit seinen widersprüchlichen Gedanken zu befassen, da er bereits durch die Tür und in ein kleines dunkles Studio mit einem Schreibtisch am hinteren Ende trat, an dem zwei Juroren saßen. Eine auffällige ältere Frau mit langen schwarzen Haaren und einem verführerischen Make-up, das ihn sofort an einen glamourösen ›Vamp‹ erinnerte, und ein Mann Anfang dreißig Jahre – attraktiv und dunkelhäutig.

»Name?!«, rief die Frau kühl, mit einem angenehmen, aber auffällig osteuropäischem Akzent.

»Elijah Anderson«, antwortete er und vernahm deutlich die in seiner Stimme mitschwingende Nervosität.

»Warum denkst du, dass du der nächste ›My New Gender‹-Star sein solltest, Elijah?«, fragte der Dunkelhäutige mit einer tiefen, kraftvollen Stimme.

»Ich, … ähm, … ich … weiß es nicht«, stammelte er und fragte sich unwillkürlich, ob er damit nicht bereits ausgeschieden und direkt über die erste Hürde gestolpert war. »Aber ich lerne schnell«, fügte er hoffnungsvoll hinzu.

»Nun, Elijah«, fuhr die Frau in einem frechen, neckenden Ton fort, »die ›Audition Challenge‹ ist leicht. Hinter dir findest du eine Perückenauswahl und eine Reihe Kostüme. Du hast genau fünf Minuten Zeit, um dir etwas davon hinter dem Vorhang anzuziehen. Brauchst du länger, ist die ›Audition‹ beendet und du wirst direkt disqualifiziert. Verstanden?!«

Er nickte und fühlte, wie ihm das Herz raste. Mann, ich hasse sowas!, schrie es in ihm auf. Er wusste, wie schlecht er darin war, schnelle und klare Entscheidungen zu treffen.

»Drei, zwei, eins, … los!«, gab sie den Countdown.

Obwohl ihm das Ganze ziemlich blöd vorkam, drehte er sich sekundenschnell auf dem Absatz um und lief zur anderen Seite des Raumes, wo es, wie sie gesagt hatte, eine reichhaltige Auswahl an Kostümen auf einer fahrbaren Kleiderstange und unzählige Perücken auf Styroporköpfen gab. Das Outfit war ihm ziemlich egal. Er streckte die Hand einfach nach dem erstbesten aus, das ihm ins Auge fiel – ein leuchtend rosafarbenes Trikot – und stürzte damit sofort hinter den Vorhang.

»Noch vier Minuten vierzig!«, gab sie ihm die noch verbleibende Zeit an.

Hektisch begann er sich auszuziehen und staunte über sich selbst, als er bereits nach weiteren zwanzig Sekunden bis auf seine Boxershorts nackt hinter dem Sichtschutz stand und sich mit dem ausgewählten Outfit abmühte, von dem er nicht genau wusste, ob es nur einfaches Sporttrikot war oder von Mädchen beim Ballettunterricht getragen wurde.

»Noch vier Minuten zehn!«

Er schlüpfte hinein und zog sich die Träger über die Schultern. Dann starrte er an sich herunter und bemerkte, dass es mit seinen Boxershorts mehr als nur dämlich aussah - so wie sie im Schritt unterm Röckchen herausschauten. Also fing er an, es noch einmal auszuziehen, um sich seiner Shorts zu entledigen.

»Noch drei Minuten dreißig! Du solltest langsam fertig werden, Elijah!«

Boah, wie fies sie ist!, dachte er still, weil ihr Ton andeutete, wie sehr sie es genoss, ihn nervös zu machen.

Kaum hatte er sich seiner Shorts entledigt, stieg er wieder in das Trikot. Erst jetzt fiel ihm auf, dass es unten herum im Tangastil geschnitten war, und er zuckte etwas zusammen, als er spürte, wie sich der Steg zwischen seine Pobacken schob, während er die Träger über seine Schultern zog. Unwillkürlich ärgerte er sich über seine unüberlegte Wahl. Aber er wusste auch, dass die Zeit ausreichend war, sich noch anders zu entscheiden.

»Du hast noch zwei Minuten zwanzig!«

Er eilte zu den Köpfen mit den Perücken, griff wieder nach der ersten, die ihm auffiel und lief zurück, weil er dort einen Spiegel gesehen hatte. Es war eine blonde mit einem gerade geschnittenen Pony, und es brauchte etwas, bis er sie aufgesetzt bekam.

»Eine Minute dreißig, Elijah!«, zählte sie die verbleibende Zeit weiter herunter.

So gut er konnte, richtete er vor dem Spiegel seine neue Haarpracht und trat hinter dem Paravent hervor, als sie gerade »Noch eine Minute!« rief.

In dem kleinen Raum wurde es still, und er hörte sein Herz höherschlagen, als er langsam vor den Tisch der zweiköpfigen Jury schritt. Dabei spürte er plötzlich das seltsame, einschneidende Gefühl des Tangas, der sich bei jedem seiner Schritte bemerkbar machte. Kurz vor den beiden blieb er stehen, hielt die Luft ein und fühlte, wie sie ihn musternd bewerteten – wobei sie ihn von Kopf bis Fuß ansahen, ehe sie sich einander zuwandten und tuschelten.

»Wirklich, sehr gut. Ich bin beeindruckt«, meinte die Frau schließlich. »Was meinst du, Shawn?«

»Sie ist ohne jeden Zweifel schon ohne ein Make-up ausgesprochen hübsch«, antwortete er.

Elijah zuckte unwillkürlich zusammen. Ein Gefühl des Unbehagens hatte ihn gepackt, denn noch nie hatte ihn jemand als eine ›Sie‹ bezeichnet. Es fühlte sich für ihn komisch an – so, als wäre er nicht mehr er selbst.

»Dreh dich mal um!«, befahl sie ihm. »Einfach ein paar süße, schnuckelige Umdrehungen, okay?«

Ohne auch nur eine Sekunde darüber nachdenken zu müssen, drehte er sich vor ihnen langsam um seine Achse und verspürte eine Hitzewelle im Gesicht, als ihm dämmerte, dass die beiden ihm gleich auf seinen fast nackten Hintern starren würden.

»Also, ich kann nichts erkennen, wessen sich unsere Süße schämen müsste«, stellte die Jurorin in sanftem Ton fest, als er sich ihnen nach zwei weiteren Umdrehungen wieder zuwandte. »Nun«, sie warf ihrem Kollegen einen vielsagenden Blick zu, »meine Stimme ist der Kleinen sicher!«

Es entstand eine kleine Pause. Dann lächelte der Dunkelhäutige und nickte zustimmend. »Meine auch. Ja, unbedingt. Ich denke, wir haben wirklich einen ausgesprochen hübschen Neuling für diese Staffel gefunden ... Ja, sie ist wirklich ein ausgesprochen niedliches Ding, mit extrem viel Potenzial!«

Wartet mal! Wie bitte?!, schoss es ihm durch den Kopf. Süß, klein, niedlich, mit extrem viel Potenzial?! Er glaubte seinen Ohren nicht zu trauen.

»Herzlichen Glückwunsch, Elijah«, gratulierte ihm die Schwarzhaarige. »Du bist dabei … Gib bitte deine Kontaktdaten auf dem Weg nach draußen beim Assistenten ab. Und dann sehen wir nächste Woche weiter.«

»Ähm, … danke«, murmelte er und konnte es immer noch nicht fassen. In seinem Kopf schwirrte alles wie verrückt.

»Nimm dir Zeit, dir wieder deine normalen Sachen anzuziehen«, fügte sie mit einem süffisanten Lächeln hinzu. »Ich verspreche auch keine weiteren Zeitangaben zu machen!«

Als er wieder hinter dem Paravent verschwand und anfing, die Perücke abzunehmen und sich das Trikot auszuziehen, fühlte er sich wie in einem seltsamen Traum. Was gerade geschehen war, kam ihm absurd, ja völlig surreal vor – und so, als hätte es irgendjemand anders erlebt, aber nicht er. Als er wieder seine eigenen Sachen trug und sich auf den Weg nach draußen machen wollte, rief ihm die Schwarzhaarige zu:

»Ich bin mir absolut sicher, dass du wirst eine brillante Sissy abgeben wirst!«

Und genau in dieser Sekunde realisierte Elijah, dass das alles kein wirrer Traum und es die nackte Realität war, die ihn gerade zwickte …


Elijah - Blossom

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