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Kapitel 1

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Das Zimmer war noch dunkel, als Marianne Solicz wach wurde. Das Fenster war schon hell und langsam kroch das Grau in den Raum. Ihr ganzer Körper fühlte sich auch so dunkelgrau an, nur der Kopf war hellwach. Sie hatte schlecht geschlafen, außerdem hatte Morgenstund noch nie Gold im Mund. Ihr konnten Sonnenaufgänge schon immer gestohlen bleiben. Missmutig schwang sie ihre Beine aus dem Bett, schlüpfte in den Badmantel und schlurfte Richtung Küche. Sie drückte sich einen Kaffee runter, gemahlen nicht gekapselt, und steckte sich Tschik und Feuerzeug ein. Das Geräusch des Mahlwerkes verursachte so etwas wie Sodbrennen im Hirn. Sie gab einen festen Schuss Milch in das schwarze Gesöff und dachte sich:„Wenigstens eine helle Erscheinung!“

Über den Balkon schlapfte sie auf die Dachterrasse und lehnte sich ans Geländer. Der erste Schluck Kaffee, der erste Tschik und der Blick über das schlafende Vöslau versöhnten sie etwas mit dem Tag. Langsam wurde das Grau im Osten rosarot, der Harzberg hinter ihr hob sich wie ein Scherenschnitt gegen den immer heller werdenden Himmel ab.

Der heutige Tag war ihr letzter Arbeitstag, ab morgen war Frau Major Solicz, Landespolizeikommando Niederösterreich, einfach Frau Solicz, aus Pasta, kein Schwein wird sie mehr brauchen und mit Wichtigmachen war auch Schluss. Schöne Scheiße! Und Schuld war die Luxuswohnung, auf deren Dachterrasse sie gerade ihren Kaffee schlürfte. Ihre langjährige Freundin Ruth hatte sich vor zwei Jahren scheiden lassen und so beschlossen sie, sich etwas Gutes gemeinsam zu gönnen, legten ihr Erspartes zusammen und kauften sich die Traumwohnung in Bad Vöslau. So weit, so gut! Zwei alte Schachteln, die wenigstens auf 140 Quadratmeter noch etwas schöner wohnen wollten.

Nur der verlassen Ehegespons von Ruth, seines Zeichens Hofrat im Innenministerium, konnte es nicht verkiefeln, dass seine Frau von seinem ewigen Fremdgehen genug hatte und mit einer Frau in eine Wohngemeinschaft zog. Lesben, geile alte Weiber und Wechseltruschen - das war das Harmloseste, was sie zu hören bekamen. Nachdem Ruth als Polizeipsychologin unantastbar war, begann er sich auf Marianne einzuschießen. Mit Erfolg! Beamtin, 56 Jahre - ab in die Pension, weil kein unmittelbarer Bedarf ist, das hatte geklappt, und heute war, wie gesagt, ihr letzter Arbeitstag.

Sie sah noch lange in die Sonne und sinnierte über ihr eigenes Leben. Matura, Jusstudium ihren Mann kennengelernt, Betriebsmaurer in der Maschinenfabrik, erste Wohnung im Leobersdorfer Gebei in der Arbeitergasse, erstes Möbelstück – ein Kind! Ihr Mann hatte sie unterstützt, wo es nur ging, sie konnte ihr Studium fertigmachen, Dank zweier toller Omas, dann ist sie draufgekommen, dass nur Papier nicht ihre Welt ist. Polizeischule und zur Kriminalpolizei, für sie ein Traumjob.

Ihr Mann hatte Tag und Nacht gepfuscht, sie hatte alle Dienste gemacht, die möglich waren, Häuschen in Hirtenberg, Sohn erwachsen, auseinander gelebt. Nein, eigentlich kannten sie einander nicht mehr als zwei Freunde aus Kindertagen, die sich auf einmal nach Jahren wieder trafen - und so sind sie auch auseinander gegangen. Still und leise. Sie bekam das Ersparte, er das Haus - und das war’s.

Sie wollte die Zigarette ausdrücken, doch dann schnippte sie sie im hohen Bogen auf die Straße, Tschick und Hundstrümmerln, die Leut brauchten was, worüber sie sich aufregen konnten.

Als sie hinunter kam, war Ruth schon in der Küche und hatte ein Frühstück gerichtet: „Ich hab mir gedacht, wir brauchen beide eine ordentliche Unterlage für den heutigen Tag!“ Sie konnte nicht ahnen, wie recht sie da hatte, denn dieser Tag drehte ihr ganzes Leben ziemlich heftig um.

Als Marianne auf der schnurgeraden Straße Richtung Wiener Neustadt fuhr, begann sie sich mit dem Tag und dem Gedanken an Ruhestand zu versöhnen und war eigentlich - na sagen wir fast - gut aufgelegt, als sie ihr Büro in Wiener Neustadt betrat.

Ihr junger Kollege war eben hektisch am Telefonieren, sie winkte ihm und er fuchtelte mit der rechten Hand herum. Oje, das war was Wichtiges. Als sie an ihrem Schreibtisch saß, fiel ihr das Blatt Papier auf: DU WIRST MIR FEHLEN stand da in großen Buchstaben, und unter dem Papier war eine Schachtel Schokomaroni – jetzt war der Tag gerettet. Genüsslich schob sie sich eine zwischen die Lippen – mmmh! - in ihrem Alter schöner als Sex.

Ihr junger Kollege war mit dem Telefonat fertig: „ Servus Marianne und…. Wie heißt´s so schön: Mir hätten a Leich, eigentlich zwei. An der Kanusperre des Bundesheers in Großmittel, am Neustädter Kanal, ist eine männliche Leiche hängengeblieben, nackt mit einem Einschussloch im Kopf. Kannst dir vorstellen wie sich die Militärschädeln wichtig machen. Zuerst hab ich geglaubt, die Russen sind einmarschiert! Und auf der Hohen Wand, na ja in Mayerhofen auf der Drachenflieger-Wiese, liegt ein Abgestürzter. Das schaut ned koscher aus! Der Kollege Steindl und die Gemeindeärztin sind beide der Meinung, da stimmt was nicht. Ich hab aber jetzt schon alle verfügbaren Leut an den Kanal geschickt und bin eigentlich auch schon am aufbrechen, kannst du nach Mayerhofen fahren?“

Marianne lächelte: „ Fahr nur, ich werd mit dem Steindl ein Bier trinken und an dich denken.“ Wunderschönes Wetter, Außendienst auf der Hohen Wand - na das geht doch! Und beschwingt fuhr sie durch die wunderschöne Landschaft Richtung Mayerhofen . Der Steindl wartete schon beim Weidezaun auf sie.

„Servus Mariann, du ned bös sein, ich glaub da stimmt was nicht. Wir haben einen Abgestürzten, Karl Bauer, Gewerkschaftsfunktionär, derzeit im Heim oben auf der Wand. Er hat ein Eisenstück mitten in der Brust stecken und er hatte ein paar Mal heftigen Kontakt mit der Wand, also er könnt sich das Trum auch beim Sturz eingefangen haben. Ist ein Stück Baustahl, auf einer Seite zugespitzt, auf einer Seite stumpf. Aber durch die vielen Kletterer kann so was durchaus in der Wand rumkugeln und er ist einfach draufgefallen. Aber Suizid ist das keiner, wenn, dann ein Unfall unter reichlich Alkohol aber ich glaub´s nicht .Der Jäger, der den Toten gefunden hat, war mit mir oben auf der Wand, sein Schweißhund hat sofort die Absturzstelle verwiesen. Also muss dort Blut sein, auch wenn man nach dem Gewitter in der Nacht nix mehr sieht. Ich weiß, war nicht ganz nach Vorschrift, aber den Technischen Dienst zur Spurensicherung werd ich heute nicht da rauf kriegen, die sind ja alle in Großmittel. Ja, und der Tod ist nach 22 Uhr eingetreten, aber nicht sehr lang danach, meint unsere Frau Doktor, aber das ist eine Gemeindeärztin und keine Gerichtsmedizinerin.“

Inzwischen waren sie bei dem Toten eingetroffen. Der sah nicht schön aus, beim Sturz muss er einige Male den Fels berührt haben, und aus seiner Brust ragte ein Stück Thorsionsstahl, wie ihr der Steindl erklärte: „Das ist eher was Altes, heute wird das anders verformt und nicht mehr nur gedreht.“ Geld, Ausweis, Autoschlüssel - alles da.

Marianne zuckte mit den Schultern: „ Du hast Recht, den müssen wir in die Gerichtsmedizin schicken. Hände gesichert hast eh schon. Lass ihn abholen und wir schauen noch mal rauf auf die Wand. Horchen wir uns die Leute vom Gewerkschaftsheim gemeinsam an.“ „Übrigens“, sagte ihr Kollege, „ der Herr war bei uns aktenkundig, da war was mit Schmuggel-Zigaretten. Mangels an Beweisen eingestellt.“

„Steindl, ich bin ja wirklich unnötig, gute Arbeit, sauber gemacht.“, freute sich Marianne.

Er wurde ganz verlegen: „ Mariann, das ist doch dein letzter Tag, so darfst das nicht sehn.“ Sie lachte ihn an: „Komm, jetzt trink ma ein Bier, horchen uns die vom Heim nochmals an, du zeigst mir die Absturzstelle, kopierst mir deine Unterlagen und Fotos , ich schreib den Bericht und die sollen damit machen, was sie wollen. Du hast unter den heutigen Umständen das Beste gemacht.“

Die Befragung hat nichts mehr ergeben. An der vermeintlichen Absturzstelle war nichts mehr zu sehen, und ein Seiterl Bier auf der Terrasse des Kohlröserlhaues mit Kaiserwetter und Sicht bis zu Neusiedlersee war durch nichts zu toppen.


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