Читать книгу Freche Fee und lustiger böser König. Märchen - Hanns Heinz Ewers - Страница 11
Die Gingsterhexe oder »Wie der Fasching entstand«
ОглавлениеSieben Quellen sprangen den Wald hinab, erzählte die Großmutter.
Die Prinzessin Fanfrilla lag in den gelben Büschen, zwischen der dritten und vierten Quelle. Sie stickte an einem Filetschürzchen, das wollte sie der alten Ginsterhexe schenken, die ihre richtige Urgroßtante war. Denn die Schwester ihrer Urgroßmutter, die Prinzessin Johanna Nepomucena Hubertina hatte damals, als sie noch ein junges Mädchen war, durchaus keinen Prinzen heiraten wollen, und auch keinen Grafen und keinen Fürsten oder Herzog. Die seien ihr alle viel zu dumm, hatte sie gesagt und dann hatte sie den krummbeinigen Zauberer Kakerlak geheiratet. Das hatte natürlich einen großen Skandal im ganzen Lande gegeben, aber darum hatte sich die Prinzessin gar nicht bekümmert. Sie war einfach mit Kakerlaken durchgegangen, war mit ihm durch die ganze Welt gereist und hatte überall herumgezaubert. Der alte Zauberer, der gar nicht mehr erwartet hatte, daß ihn auf seine alten Tage noch ein so hübsches, junges Prinzeßchen heiraten würde, gewann sie sehr lieb und lehrte sie zum Dank alle Zauberkunststücke und Hexengeheimnisse, die es auf der ganzen weiten Welt gab. Für die Prinzessin Johanna Nepomucena Hubertina gab es da so vieles und so schweres zu lernen und zu studieren, daß sie gar nicht einmal merkte, wie die Jahre vergingen, und sich sehr wunderte, als sie auf einmal hundert Jahre alt war.
Da bekam der gute Zauberer eines schönen Tages den Ziegenpeter, eine ganz dumme Krankheit, die man auch Mumps nennt. Erst meinte er, es wäre nichts, aber er wurde immer kränker und kränker. Nun war der alte Kakerlak schon an und für sich recht dick und häßlich, jetzt aber schwollen sein Hals und sein Kopf und seine Backen so sehr an, daß er genau so aussah wie ein Dudelsack. Er hätte sich ja gewiß sehr leicht heilen können, da er für alle Krankheiten, die es gab, die allerbesten Rezepte hatte, aber leider waren alle Rezepte nur lateinisch geschrieben, und der arme Kakerlak hatte gerade das lateinische Wort für Ziegenpeter vergessen und konnte sich durchaus nicht darauf besinnen.
Die Prinzessin, die auf der Mädchenschule kein Latein gelernt hatte, konnte ihm auch nicht helfen und so nutzte den beiden auf einmal alle Hexerei nichts. Als der Zauberer fühlte, daß sein letztes Stündlein herannahte, rief er aus:
»O Hohn der Weltgeschichte! Das Kapitol wurde durch Gänse gerettet, und Kakerlak, der berühmte Kakerlak, stirbt am Ziegenpeter!«
Dann sagte er noch einmal: »Morior«, was auf deutsch »Ich sterbe« heißt, um zu zeigen, daß er doch nicht all sein Latein vergessen hatte; drehte sich herum und war mausetot.
Seine Frau, die Prinzessin Johanna Nepomucena Hubertina, weinte sehr, wie es sich in einem solchen Falle gehört. Als der alte Zauberer begraben war, beschloß sie, in ihr Heimatland zurückzukehren und die nächsten siebzehn Jahre lang ordentlich Latein zu lernen, damit es ihr nicht auch so ergehe, wie dem seligen Kakerlak.
Krökel dem Ersten, dem Vater der Prinzessin Fanfrilla, der zu der Zeit König war, war das zwar anfangs gar nicht angenehm, aber einmal mußte er doch auf die alten Familienbeziehungen Rücksicht nehmen und dann – wenn er es auch nicht sagte – fürchtete er sich doch ein wenig vor der Zauberkunst der Alten. So erließ er denn ein großes Dekretum, daß an allen Anschlagsäulen im ganzen Königreiche aufgeklebt wurde. Jung und alt stand rund herum und las mit weit aufgesperrten Augen:
»W i r, K r ö k e l I.,
K ö n i g v o n u n d ü b e r U l a l u m e,
bestimmen und verordnen hiermit,
daß
die Frau Kakerlak, Witwe des Zauberers Kakerlak
selig, geborene Prinzessin Johanna Nepomucena
Hubertina von Ulalume
frei und ungestört in dem Uns gehörigen Walde von Surresum sich als Hexe niederlassen und soviel zaubern und hexen und Latein lernen darf, als sie Lust hat. Auch soll sie deshalb weder verbrannt noch aufgehängt werden, und jedermann soll sie in Ruhe lassen. – Nur soll sie natürlich nichts unrechtes tun und alle unsere Untertanen auch hübsch in Ruhe lassen.«
Darunter stand an der linken Seite die Unterschrift des Kanzlers:
»von Sanftmut.«
und an der rechten Seite ein großer Schnörkel, der Krökel I. bedeutete:
Die geborene Prinzessin und verwitwete Kakerlak zog also in den Wald und bewohnte eine alte, verfallene Hütte, die in der Nähe der sieben Quellen lag. Jahrein, jahraus studierte sie Latein und nur zwischendurch hexte sie ein bißchen, um nicht ganz aus der Übung zu kommen. Da aber im Sommer rings um ihre Hütte und zwischen den sieben Quellen viele hundert große Büsche gelben Ginsters blühten und da die alte Hexe stets ein gelbes Kleid trug und immer einen blühenden Ginsterzweig in der Hand hatte, so wurde sie von allen nur die Ginsterhexe genannt.
Der König Krökel der Erste dachte bei sich: »Wenn man nun schon einmal eine richtige Hexe im Lande wohnen haben muß, ohne sie verbrennen zu können, weil sie doch eigentlich zur Familie gehört, so will man doch auch was davon haben!«
Und deshalb gab er sein einziges elfjähriges Töchterlein zu der alten Kakerlaken in Pension; denn er meinte, es könne einem jungen Mädchen nie etwas schaden, wenn es ein bißchen hexen lernte.
So kam es also, daß die Prinzessin Fanfrilla in den Ginsterbüschen lag, zwischen der dritten und vierten Quelle, und an einem Filetschürzchen stickte, das sie der alten Ginsterhexe schenken wollte, die ihre richtige Urgroßtante war.
Die Prinzessin Fanfrilla stickte sehr ungern, und nun gar Filetschürzchen – die konnte sie auf den Tod nicht ausstehen! Aber gerade deshalb, meinte sie, müßte ein Filetschürzchen ein ausgezeichnetes Geburtstagsgeschenk für die Tante Hexe sein, denn die feierte im nächsten Winter ihren fünfundzwanzigsten Geburtstag. Sie war nämlich gerade in einem Schaltjahr am neunundzwanzigsten Februar geboren und deshalb hatte sie nur alle vier Jahre Geburtstag. Das fand die Prinzessin Fanfrilla nun sehr traurig für die arme Urgroßtante, denn einen Geburtstag hielt sie für eine ausgezeichnete Einrichtung wegen des Kuchens und all der schönen Sachen, die man dann kriegte. Geradezu empörend aber fand sie es, daß der Schalttag nun aber noch besonders bei jedem vollen Jahrhundert wieder ausfiel, so daß die arme Urgroßtante dadurch nun schon zwei Geburtstage verloren hatte und also jetzt erst vierundzwanzigmal Geburtstagskuchen bekommen hatte, obwohl sie schon hundertundsieben Jahre alt war. – Diese Sache mit dem Kalender und seinen dummen Schalttagen ist sehr schwer zu begreifen; die meisten Leute wissen es überhaupt nicht und die Prinzessin Fanfrilla hätte es auch ganz gewiß nicht gewußt, wenn sie eben nicht selbst solch einen traurigen Fall in ihrer Familie gehabt hätte, nämlich ihre richtige Urgroßtante, die Witwe Kakerlak, die Ginsterhexe. Ihr Vater, König Krökel I., hatte es bis heute noch nicht begriffen, er meinte, das sei bloß so ein dummer Eigensinn von dem Monat Februar, daß er manchmal achtundzwanzig und manchmal neunundzwanzig Tage habe. Er erklärte, wenn sich das nicht bald ändere, dann werde er eines Tages überhaupt den Kalender abschaffen lassen. Aber die Prinzessin Fanfrilla hatte sich von der Tante Hexe die Geschichte sehr lange erklären lassen und hatte es schließlich verstanden. Das heißt, manchmal vergaß sie es auch wieder und dann mußte sie sehr lange grübeln, bis sie sich an das alles wieder erinnerte. Das Grübeln besorgte sie immer, wenn sie zwischen den Quellen saß und an dem Filetschürzchen häkelte.
Plötzlich kriegte die kleine Prinzessin den Kribbel in die Finger.
»Ach!« schrie sie auf, »es ist doch gut, daß die Tante Hexe so selten Geburtstag hat! Sonst müßte ich ja jedes Jahr so ein Filetschürzchen häkeln.«
Sie seufzte dreimal ganz laut, dann nahm sie ihre Arbeit wieder auf. Da merkte sie, daß sie sich verzählt hatte und eine ganze Menge Maschen wieder aufmachen mußte. Das ist immer recht unangenehm; wenn man obendrein aber noch den Kribbel in den Fingern hat, so ist es sehr schlimm. Die Prinzessin Fanfrilla preßte vor Ärger ihre kleinen Fäustchen fest zusammen, da gab es einen Krach und die gute Holznadel zerbrach in zwei Stücke!
»O jeh,« rief sie. »Die dumme Nadel!«
Sie wollte erst weinen, aber sie besann sich. Sie legte die Arbeit zusammen und stand auf.
»Ich will meinem Papa einen Brief schreiben,« sagte sie. »Er soll den dummen Kerl aufhängen lassen, der die Filetschürzchen erfunden hat.«
Sie stand auf und schüttelte ihr loses schwarzes Haar.
»Nein!« fuhr sie nachdenklich fort. »Der Papa soll lieber den Kerl aufhängen lassen, der den Kalender erfunden hat und den greulichen Monat Februar; der hat doch an allem Schuld!«
Sie lief rasch durch die Ginsterbüsche zu der kleinen Hütte hin und riß die Türe auf. Die alte Hexe saß hinten an einem kleinen Fenster und studierte Latein. Um sie herum lagen dreihundertundsiebenundzwanzig ganz dicke Bücher.
Die kleine Prinzessin schlich sich leise herein, um die Tante nicht zu stören. Sie nahm ein Stück Papier und schrieb darauf:
»Lieber Papa König!
Bitte laß doch den Kalendermann aufhängen, weil er mich beim Filetschürzchenhäkeln immer ärgert und weil er den Februar erfunden hat, der nie richtig geht! Du kannst ihm auch noch extra den Kopf abschlagen lassen.
Mit kindlicher Liebe
Deine Prinzessin Fanfrilla.«
»Tante Hexe!« rief sie, »Ich habe einen Brief an den Papa geschrieben, willst du ihn bitte wegschicken!«
»Mensa, der Tisch, Mensae, Mensae, Mensam,« murmelte die Witwe Kakerlak. – »Was willst du? Einen Brief absenden? – Gib mal her!«
Fanfrilla reichte ihr den Brief und die gelbe Hexe nahm den Ginsterzweig, den sie als Zauberstab benutzte, und sang:
»Kleines Brieflein aus Papier
Fliege wie ein Fliegetier!
Flieg zum König hin geschwind
Grüße ihn von seinem Kind!«
Dabei schwang sie den Ginsterstab ein paarmal über den Brief. Da schrumpfte der Brief zusammen, flatterte ein wenig hin und her und flog endlich als eine große weiße Motte aus dem Fenster hinaus.
»Danke sehr, Tante Kakerlak!« sagte die Prinzessin Fanfrilla.
Aber die Ginsterhexe studierte schon wieder in ihren gelehrten Büchern.
»Alauda, die Lerche, Alaudae, der Lerche,« murmelte sie.
Der dicke König Krökel lag in seinem Bett und las vor dem Einschlafen noch die Speisekarte, die der Hofkoch für den nächsten Tag entworfen hatte.
Da huschte eine dicke Motte heran und setzte sich gerade auf seine Nase. Er jagte sie mit der Hand fort und rief:
»Stör mich doch nicht, dumme Motte, siehst du denn nicht, daß ich noch tief in der Nacht Staatsgeschäfte erledigen muß?«
Aber die Motte flog wieder heran und kitzelte ihn mit ihren Beinen vorne am linken Nasenloch. Krökel mußte schrecklich niesen und pustete gerade auf die Motte. Wie sie aber von der königlichen Nase angeblasen wurde, verwandelte sie sich wieder und König Krökel sah zu seinem Erstaunen einen zierlichen kleinen Brief vor sich liegen.
»Aha!« dachte er, »das war wieder so ein schlechter Witz von der Tante Hexe. – Was gibts denn eigentlich?«
Er nahm den Brief und las ihn. Dann ergriff er die große Klingel und klingelte. Sogleich kamen alle sieben Minister herein.
»Der Kalendermann hat meine Nachtruhe gestört,« rief der gekränkte König, »und außerdem mit seinem dummen Februar, den kein Mensch leiden kann, meine geliebte Tochter geärgert! Schickt sofort zum Henker hin, er soll dem Kalendermann erst den Kopf abschlagen und ihn dann aufhängen!«
Die sieben Minister machten jeder sieben tiefe Verbeugungen und gingen hinaus. Krökel gähnte und nahm wieder die Speisekarte in die Hand. Er war aber noch nicht beim Dessert angelangt, als es leise an die Türe klopfte.
»Donnerwetter!« schrie König Krökel. »Was gibts denn nun schon wieder? Herein!«
Die sieben Minister kamen einer nach dem andern ins Zimmer herein und der Kanzler von Sanftmut trat ein wenig vor.
»Verzeihen der Herr König,« sagte er, »aber es geht nicht!«
»Was geht nicht?« fragte der König.
»Der Herr Hofoberhenker hat erklärt, daß es nicht geht,« fuhr der Minister mit trauriger Miene fort.
König Krökel wurde ungeduldig.
»Was nicht geht, will ich wissen!« rief er.
»Mit Eurer königlichen Erlaubnis,« antwortete der Kanzler, »der Herr Oberhofhenker hat erklärt, daß es nicht geht, daß er dem Kalendermann zuerst den Kopf abschlage und ihn dann aufhänge.«
»So?« rief König Krökel entrüstet. »Das geht nicht! Warum geht es denn nicht? Ich habe es doch befohlen?«
»Verzeihen der Herr König,« erwiderte Herr von Sanftmut, »der Oberhofhenker hat gesagt, es ginge nicht, weil dann, wenn er dem Kalendermann erst den Kopf abgeschlagen habe, nachher nichts mehr da sei, um ihn dran aufzuhängen. Darum also ginge es nicht!«
»So!« sagte der König langsam. »Darum also geht es nicht? – – Ja!« fuhr er fort und juckte sich hinter dem Ohr, »wenn es eben durchaus nicht geht, dann geht es nicht! – Aber was melden wir denn da der kleinen Prinzessin Fanfrilla, die sich beim Filetschürzchenhäkeln so sehr über den Kalendermann und seinen dummen Februar geärgert hat?«
»Wenn ich mir erlauben dürfte,« sagte der Kanzler mit einer tiefen Verbeugung, »dem Herrn König einen Rat zu geben, so würde ich vorschlagen, den Kalendermann morgen in den Wald Surresum zu schicken, um die Prinzessin um Verzeihung zu bitten!«
»Sehr gut, lieber Sanftmut!« nickte der König. »Sehr gut! Aber sagen Sie ihm, er soll seinen Sonntagsrock anziehen. – Und nun laßt mich jetzt endlich in Ruhe, ich bin fürchterlich müde.«
Die sieben Minister machten wieder jeder sieben Verbeugungen und gingen ganz leise aus dem Schlafzimmer, da der König Krökel schon so laut und feierlich schnarchte, wie nur ein echter König schnarchen kann.
Am anderen Morgen hatte die kleine Prinzessin schon ganz früh Hexstunde. Die hatte sie sehr gern, weil sie dabei ihr gelbseidenes Hängekleidchen anziehen und Ginster in die Locken stecken und einen großen Ginsterzweig in die Hand nehmen mußte. Sie stand an der zweiten Quelle, spiegelte sich und zupfte noch ein paar Blüten im Haar zurecht.
»Ich bin wirklich eine ganz hübsche kleine Hexe!« lachte sie; und das war sie auch.
Dann machte sie rasch wieder ein sehr ernstes Gesicht, denn die Urgroßtante kam schon am Stock aus der Hütte herausgewackelt, ein paar dicke Bücher unter dem Arm. Die Ginsterhexe setzte sich hin und die Prinzessin Fanfrilla kauerte sich zu ihren Füßen.
»So,« sagte die Alte, »nun sag mal zuerst die Zaubersprüche, die ich dich neulich gelehrt habe.« Die Prinzessin fing an:
»Hokus! Pokus! Holderbusch!
Surre! Surre! Husche! Husch!
Stein zu Stein und Bein zu Bein!
Springe über Stock und Stein!«
»Wozu ist das gut?« fragte die Tante Hexe.
»Wenn einer sein Bein gebrochen hat,« antwortete die Prinzessin.
»Ja,« sagte die Alte. »auch wenn einer den Arm oder sonst was gebrochen hat. – Ein anderes Sprüchlein!«
Das kleine Mädchen sang schnell:
»Bluttröpflein rinnt – Kätzelein spinnt,
Bienelein surrt, Käterlein schnurrt,
Täubelein lacht auf dem Dache und gurrt –
Gu – rrh – rrh – rrh –
– Still soll das Käterlein hocken
Bluttröpflein stehn und stocken!
Uh – uh – uh – –
Das muss man sagen, wenn sich einer in den Finger geschnitten hat!« fügte sie hinzu.
»Ja und überhaupt bei jeder Wunde,« sagte die Alte, »damit sie sich gleich schließt und heilt. Und nun wollen wir zu etwas anderm übergehen!«
Sie rief eine große grüne Eidechse heran, die auf einem glatten Steine in der Sonne lag. Die Eidechse huschte behend daher und ließ sich ruhig von der Alten auf die Hand nehmen. Die Ginsterhexe zeigte der kleinen Prinzessin all die vielen seltsamen Zeichen, die das Tierchen auf dem Rücken trug. Das waren alles merkwürdige Beschwörungsworte, die die Eidechsen von dem alten Zauberkönig Salomon gelernt hatten, dessen Gespielen sie einst waren. Dann zeigte die Tante Hexe der kleinen Prinzessin Fanfrilla einen dicken, gelbroten Salamander, der in einem kleinen Tümpel neben der Quelle wohnte.
»Der Salamander,« sagte sie, »ist noch ein alter Freund meines seligen Mannes, des Zauberers Kakerlak, er ist überall hin mit uns durch die Welt gezogen. Der Salamander kann jedes Feuer löschen, wenn es noch so heiß ist!«
Dann erklärte sie der Kleinen, wie man es anstellen muß, um in den Sommernächten die Elfen zu beschleichen, wie man die berühmte Huzzelpuzzelsuppe kocht, die die Wurzelmännchen so gerne essen, wie man den Besen bindet, den die Hexen zum Reiten benutzen, und dergleichen nützliche Dinge mehr. Die kleine Prinzessin Fanfrilla hörte sehr aufmerksam zu und die alte Hexe war also recht zufrieden mit ihr. Daher nahm sie auch, als der Unterricht zu Ende war, zur Belohnung den großen Hexenbonbon aus der Tasche und gab ihn ihr.
So ein Hexenbonbon ist der allerbeste Bonbon, den es gibt. Er wird aus Schlangeneiern, Tausendfußbeinen und etwas schmutzigem Harz zubereitet, aber er schmeckt gerade so wie Marzipan mit Schokolade. Das schönste aber an so einem Hexenbonbon ist, daß man daran immer lutschen und suckeln kann, ohne daß er kleiner wird. Die kleine Prinzessin bekam den Hexenbonbon immer, wenn sie sehr brav gewesen war, auf eine Stunde zum Lutschen, dann mußte sie ihn der Tante Hexe wieder abliefern.
Die Ginsterhexe watschelte wieder in ihre Hütte zurück, um Latein zu lernen, während sich Prinzeß Fanfrilla zwischen die gelben Büsche setzte.
»Hm! – Nam! Nam!« sagte sie und steckte den großen Hexenbonbon in den Mund. Sie war aber noch gar nicht in den rechten Lutschgenuß gekommen, als sie plötzlich ein klägliches Räuspern vor sich hörte. Sie blickte auf und sah einen seltsam aufgeputzten Mann in einem alten Frack, der überall mit Flicken besetzt war. Er hatte ein richtiges Leichenbittergesicht und schien eine schreckliche Angst zu haben.
»Brr!« sagte die Prinzessin Fanfrilla, »was bist du für ein komischer Kauz! Ich rate dir, mach ein lustiges Gesicht, denn die Tante Hexe kann durchaus keine griesgrämigen Gesichter leiden! Wenn sie dich sieht, hackt sie ein Mus von dir, um ihre Fledermäuse zu füttern!«
Der närrische Mann zitterte von oben bis unten.
»Na, komm mal her,« sagte die Prinzessin, »sie sieht dich ja nicht! – Warum hast du denn so einen alten geflickten Rock an?«
»Das ist doch mein Sonntagsrock!« erwiderte der Mann. »Den Flicken da an der Schulter habe ich von dem berühmten Cäsar geschenkt bekommen und den da am Knie vom Papst Gregor und den da – «
Die Prinzessin dachte, der arme Kerl wäre verrückt geworden.
»So?« sagte sie, »das ist aber mal komisch, Päpste und Kaiser schenken einem doch keine Flicken!«
»Ich habe sie ganz wirklich und wahrhaftig von ihnen geschenkt bekommen,« jammerte das Männchen, »und es steht auch in vielen Büchern drin, daß es so ist!«
»Laß nur gut sein,« antwortete die Prinzessin Fanfrilla, »mir ists ganz egal, von wem du die alten Flicken her hast. Aber sag mal, wer bist du denn eigentlich?«
Das kleine Männchen schlotterte mit den Knien, daß es beinahe hinfiel.
»Ich bin der Kalendermann,« weinte es.
Da fuhr die Prinzessin auf:
»Der Kalendermann? – Der mich mit seinem dummen Kalender und besonders mit dem Februar immer so geärgert hat, wenn ich das Filetschürzchen häkelte? – Warum hat man dir denn nicht den Kopf abgeschlagen und dich dann aufgehängt? – Nun? – Ach, mein Vater hat mich nicht mehr lieb!«
»Es ging nicht!« sagte der Kalendermann zitternd. »Es ging wirklich nicht. Der Henker hat erklärt, wenn er mir den Kopf abschlüge, wäre nichts mehr da zum dran aufhängen! – Deshalb hat mich der König in den Wald geschickt, ich solle dich um Verzeihung bitten. Ich habe alle meine Kinder mitgebracht, die sollen dich auch um Verzeihung bitten.«
»Wo sind denn deine Kinder?« fragte die kleine Prinzessin.
Der Kalendermann zog einen großen Hausschlüssel aus der Rocktasche und begann zu pfeifen. Es kam aber nur ein kläglicher, leise quietschender Ton hervor.
»Gib mal her!« sagte Fanfrilla, »ich kann besser pfeifen wie du!«
Sie nahm den Hausschlüssel und pfiff so laut, daß es durch den ganzen Wald schallte.
Da kamen durch die Ginsterbüsche eine Schar putziger Geschöpfe dahergesprungen, die dem Kalendermann eben bis an die Knie reichten. Kaum wurden sie der Prinzessin ansichtig, so fielen sie zugleich mit dem Kalendermann allesamt auf die Knie nieder und schrien aus Leibeskräften:
»Verzeihung! Verzeihung! Verzeihung!«
»Ist schon gut!« lachte Fanfrilla, der die Kleinen sehr gut gefallen. »Steht nur wieder auf! Wie heißt ihr denn?«
Der Kalendermann zeigte auf den größten der Schar. »Das ist mein einziger Sohn,« sagte er stolz. »Jahr heißt er. Und die hinter ihm sind seine Kinder. Der lustige da mit den blonden Locken, das ist der Mai, und der braune in der Badehose der Juli, der mit dem Pelzmützchen heißt Januar und der mit dem Schnupfen, der immer sein Taschentuch in der Hand hält, November – – «
»Sag mal!« unterbrach ihn die Prinzessin. »Wer ist denn der ganz kleine Magere dahinten, der mit dem Stupsnäschen?«
»Ach Gott!« antwortete der Kalendermann, »Das ist ja das Schmerzenskind, der Februar.«
»Komm mal her, Kleiner,« sagte Fanfrilla.
Der Kleine trippelte heran.
»Er hinkt ja!« rief die Prinzessin und nahm ihn auf den Arm.
»Ja,« sagte der Kalendermann, »sein linkes Bein ist nicht in Ordnung. Bald ist es länger, bald kürzer, es ist ein Jammer mit ihm.«
Die Prinzessin streichelte den Kleinen und sagte:
»Also du bist der Februar, wegen dem ich die ganze Häkelei von vorne wieder anfangen muß!«
»Ich kann nix dafür!« brüllte der Kleine. »Ich kann nix dafür! – Ich bin eine Mißgeburt! Böh! Böh! – – Böh!«
Die Prinzessin setzte den kleinen Schreihals vorsichtig neben sich ins Gras und steckte ihm zur Beruhigung den Hexenbonbon in den Mund. Da fing er natürlich gleich an zu suckeln und hörte auf zu schreien.
»Nun, und die anderen da?« fragte Fanfrilla den Kalendermann. »Wer sind die andern?«
»Die vorne ist die Frau Woche, und hinter ihr stehen ihre sieben Jungens. Der mit dem sichelförmigen Hut ist der Montag und der, der sich die Sonne auf den Bauch gemalt hat, ist der Sonntag. Der Mittwoch ist der mit dem Flügelhütchen und der Dienstag da trägt ein kleines Holzschwert in der Hand, das ihm sein Pate, der alte Kriegsgott Tiu geschenkt hat.«
»Ich hab auch was von meinem Paten geschenkt bekommen!« rief der kleine Donnerstag und zeigte der Prinzessin einen Hammer mit einem ganz kurzen Stiel.
»Wer war denn dein Pate?« fragte ihn die Prinzessin Fanfrilla.
»Donar hieß er,« rief der Kleine, »und war auch ein Gott und noch viel größer und stärker als dem Dienstag sein Pate.«
Da wurde aber der Dienstag fuchtig.
»Nein, mein Pate war stärker,« schrie er, »und mein Schwert ist mir auch viel lieber als dein Hammer!«
Es fehlt nicht viel, dann hätten sich die beiden gerauft.
»Na, zankt euch nur nicht!« rief die Prinzessin. »Kommt alle her, einer nach dem andern darf jetzt ein bißchen an dem großen Hexenbonbon lutschen.«
Die ganze Gesellschaft kam heran und stellte sich um die Prinzessin auf. Die nahm den Hexenbonbon dem kleinen Februar aus dem Mund, der zuerst wieder ein ganz üriges Gesicht machte, dann aber sich doch beruhigte, da ihm Fanfrilla versprach, daß er bald wieder an die Reihe kommen würde.
Und nun machte der Hexenbonbon die Runde. Jeder suckelte, so stark er konnte, aber der gute Bonbon blieb stets so groß wie er vorher war. Der Kalendermann mußte zählen und jeder durfte so lange lutschen, bis er auf fünfzig gekommen war, dann mußte er den Bonbon weitergeben. Das machte nun allen großen Spaß, bloß dem kleinen Februar dauerte es viel zu lange, bis er wieder dran kommen sollte. Er dachte, es sei wohl das beste, wenn er wieder anfinge zu schreien, und begann auch sofort loszubrüllen.
»Böh!« schrie er. »Böh! Ich will den Bonbon haben! Böh! Böh!«
»Da sehen Sie, Prinzessin,« sagte der Kalendermann, »es ist schrecklich mit dem Jungen! Da kann man erziehen, soviel man will, er bessert sich nicht und er bessert sich nicht! Ach, was soll das noch werden!«
Fanfrilla nahm den kleinen Störenfried wieder auf den Schoß, streichelte ihm die struppigen Locken, putzte das Stupsnäschen und wischte ihm die Tränen aus den Augen. Aber es nutzte alles nichts, der kleine Februar schrie und brüllte immer ärger:
»Ich will den Bonbon haben! Böh! Ich will den Bonbon haben! Böh!«
»Du unartiger Junge,« sagte die Prinzessin, »da hast du deinen Willen!«
Sie nahm dem Freitag, der gerade dran war, den Bonbon weg und steckte ihn dem kleinen Februar in den Mund. Sofort war er ganz still, setzte sich bequem zurecht und sog aus Leibeskräften an seinem Bonbon.
»Na, schmeckts?« fragte die Prinzessin.
Der kleine Mann gab aber gar keine Antwort, er lutschte ruhig weiter.
Da plötzlich fühlte die Prinzessin Fanfrilla, wie sie ganz naß wurde. Sie sprang mit einem Ruck auf, setzte den Kleinen ins Gras und rief:
»Pfui! Pfui! – Der häßliche kleine Kerl ist ja nicht einmal stubenrein!«
Alle liefen herbei, um die Prinzessin abzuputzen, die ganz trostlos an ihrem gelben, seidenen Kleidchen heruntersah.
»Ach,« jammerte sie, »mein schönes Kleidchen ist ganz verdorben!«
Der Kalendermann fing an zu klagen:
»Oh, Prinzessin! – Das Elend! – Wenn Sie wüßten, was für Mühe ich mir mit dem Racker gegeben habe! Nur Untugenden, hat er, nur Untugenden!«
»Sei still, dummer Kalendermann!« rief Fanfrilla wütend. »Du bist an allem schuld, du allein! Ich werde es meinem Papa sagen!«
»Ach Gott! Ach Gott!« heulte der Kalendermann. »Die Prinzessin verzeiht mir nicht; sie will es ihrem Papa sagen!! Ach Gott! Dann ist es um uns alle geschehen, wir werden abgeschafft!«
Nun brach die ganze Gesellschaft los.
»Die Prinzessin verzeiht uns nicht!« heulten die Monate.
»Sie will es ihrem Papa sagen!« weinte die Woche.
»Ach Gott! Ach Gott!« schrie der Kalendermann.
»Wir werden abgeschafft!« brüllten die Tage.
»Ach, mein Kleidchen! Mein schönes Kleidchen!« jammerte die Prinzessin.
Nur der kleine Februar saß ganz vergnügt im Gras und lutschte an dem großen Hexenbonbon, was er nur konnte.
Den Lärm aber hatte endlich die alte Ginsterhexe gehört, sie nahm den Stock und humpelte aus ihrer Hütte heraus.
»Wer wagt es, mich beim Lateinlernen zu stören?« rief sie. »Was gibt es denn?«
Alle waren im Augenblick ruhig. Die Prinzessin Fanfrilla trocknete sich die Tränchen und sagte:
»Ach, liebe Tante Hexe, der Kalendermann hat mich immer schon so geärgert und jetzt ist er mit dem kleinen Kerl da, dem Februar, angekommen, der mich ganz naß gemacht hat!«
»Oh, liebe Frau Hexe!« rief der Kalendermann, »glauben Sie mir, ich bin nicht schuld daran! Nur allein der nichtsnutzige Bengel, der Februar!«
Die andern schrien alle durcheinander.
»Der Februar ist schuld daran! Der dumme Februar! Der häßliche Februar!«
Die Ginsterhexe stieß mit dem Stock den kleinen Mann und fragte:
»Kleiner, was hast du denn zu sagen?«
Da guckte der Junge sie mit großen Augen an.
»Ich kann nix dafür!« sagte er. »Ich kann nix dafür, ich bin eine Mißgeburt!«
Und er lutschte ruhig an seinem Bonbon weiter.
»Du mußt abgeschafft werden!« riefen die andern Monate.
»Ja, liebe Frau Hexe,« sagte der Kalendermann, »ich glaube es wäre das allerrichtigste. Es ist doch besser, daß man den kleinen Taugenichts abschafft, als daß uns der König alle zusammen abschafft!«
»Sei still!« fuhr ihn die Ginsterhexe an. Dann wandte sie sich wieder an den Februar.
»Kleiner,« sagte sie, »komm mal mit mir in die Hütte hinein. Ich will dir was schenken!«
»Schenk mir den Bonbon!« sagte der Februar.
»Den sollst du auch haben!« antwortete die Hexe. »Komm nur mit!«
Da sprang der Kleine auf, steckte sich seinen Bonbon noch tiefer in den Mund, ergriff die Hand der Alten und lief neben ihr her, so schnell ihn seine kleinen Füßchen tragen wollten.
Die Ginsterhexe öffnete einen großen Schrank und nahm ein buntes Mützchen heraus mit vielen goldenen Schellchen. Dann nahm sie noch eine kleine hölzerne Pritsche, tat beides zusammen in eine Schachtel und gab sie dem kleinen Februar.
»So, mein Junge!« sagte sie und strich ihm mit dem zauberkräftigen Ginsterzweig leise über die Locken und das Gesicht. »Nun merke wohl auf, was ich dir sage. Jetzt geh schön mit dem Kalendermann nach Hause und warte ruhig deine Zeit ab, bis du wieder ins Land ziehen darfst. Setz dich derweilen in ein Eckchen, sprich kein Wort und suckle nur fleißig an deinem Bonbon!«
»Das will ich gern tun!« sagte der Kleine.
»Dann aber, wenn der Kalendermann dich ruft, dann setz das Mützchen auf, nimm die Pritsche in die Hand und tolle lustig hinaus in die Welt! – Hörst du?«
»Ja, liebe Tante Hexe!« sagte der Februar.
Da nahm die alte Ginsterhexe ihn auf den Arm und trug ihn hinaus.
»So,« sagte sie zu dem Kalendermann und setzte den Kleinen zur Erde nieder, »hier hast du dein Sorgenkind wieder. Hoffentlich wird er dir noch einmal recht viele Freude machen! Laß ihn mir aber ja fein in Ruhe! – Und sage dem König, daß die Prinzessin dir Verzeihung gewährt!«
»Aber mein schönes gelbes Kleidchen ist doch verdorben!« unterbrach sie die Prinzessin.
»Du bekommst ein neues,« sagte die Ginsterhexe.
»Und den guten Hexenbonbon nimmt der Kleine auch mit!« brummte Fanfrilla.
»Du bekommst einen andern,« sagte die Tante Hexe.
»So?« rief die kleine Prinzessin. »Nun, Kalendermann, dann will ich euch meinetwegen allen miteinander verzeihen.«
»Die Prinzessin verzeiht uns!« jubelte der Kalendermann. »Kinder, laßt die Prinzessin hochleben!«
Da riefen alle die Kleinen, so laut sie konnten:
»Lang lebe die gute Prinzessin Fanfrilla!«
Nur der kleine Februar nahm mit der Patschhand den großen Bonbon aus dem Mund und rief mit seinem hellen Stimmchen:
»Es lebe die gute Tante Hexe!«
Dann schob er rasch seinen Bonbon wieder zwischen die Zähne.
Der Kalendermann zog tief seinen Hut vor der alten Ginsterhexe und der jungen Prinzessin und rief seine Schar zusammen.
»Nun schnell nach Hause mit euch, lose Gesellschaft,« sagte er, »daß nur ja niemand merkt, daß ihr heute alle zusammen in der Welt herumlauft!«
Der Herr Jahr holte seine Jungen zusammen und die Frau Woche die ihren.
Nur der Dienstag mit seinem Holzschwert und der Juni mit den Mohnblumen im Haar brauchten nicht mit nach Hause zu gehen, weil die beiden gerade Dienst hatten. Sie faßten sich unter den Arm und sprangen munter in den Wald hinein.
»Daß du mir ja pünktlich um zwölf Uhr zu Hause bist!« rief der Kalendermann dem Dienstag nach.
Die Prinzessin Fanfrilla aber stand zwischen den Ginsterbüschen und warf dem kleinen Volk viele gelbe Blüten nach.
Im Winter, als alle sieben Quellen vereist waren und die Ginsterbüsche schwer unter dem blanken Schnee sich beugten, saß die Prinzessin Fanfrilla eines Abends am Kamin und packte das Filetschürzchen, das gerade fertig geworden war, in schönes rosa Seidenpapier ein.
Da hörte sie, wie die Tante Hexe ihre dicken Bücher zuklappte und aufstand. Sie hatte kaum Zeit, das Filetschürzchen in ein Pappkästchen zu stecken, weil es doch eine Geburtstagsüberraschung sein sollte, als auch die Alte schon auf sie zukam.
»Zieh dich an, Fanfrilla!« rief die Tante Hexe. »Du sollst in die Stadt fahren, den Papa besuchen!«
»Was?« rief die Prinzessin und sperrte Mund und Augen weit auf. – »Wir haben ja keinen Schlitten und keine Pferde! – Wie soll ich denn fahren?«
»Das wirst du schon sehn,« antwortete die Ginsterhexe. »Zieh dich an! Zieh dich an!«
»Was soll ich denn anziehen?« fragte Fanfrilla. »Das rosa Hängerchen oder das grüne Kleidchen mit den Schleifen oder das – – «
»Gar keins von denen!« unterbrach sie die Alte. »Du sollst ein ganz neues Kleidchen anziehen.«
Sie klatschte dreimal in die Hände, da flog die Türe auf und eine große Eule flatterte ins Zimmer. Sie trug im Schnabel eine Schachtel, die legte sie vor die Prinzessin auf den Boden.
Fanfrilla machte schnell die Schachtel auf und fand ein wunderschönes weißseidenes Kleidchen mit kurzen Ärmeln und mit großen weißen Pompons besetzt. Dabei lag eine hohe spitze Mütze und entzückende weiße Seidenschühchen und Strümpfchen.
»Ach, liebste Tante Hexe!« jubelte die Prinzessin. »Ist das für mich?«
»Gewiß! Gewiß!« sagte die Ginsterhexe. »Nun zieh dich nur schnell an!«
Fanfrilla zog sich an, so rasch sie nur konnte. Kaum war sie fertig, als die Alte wieder dreimal in die Hände klatschte. Da erklang draußen ein lustig Schellengeläute. Die Alte warf der kleinen Prinzeß einen dicken Pelzmantel über, dann gingen sie hinaus. Vor der Türe stand ein wunderhübscher Schlitten, der mit zwölf starken Füchsen bespannt war. Auf dem Bock saß ein kleiner Kerl, der die Zügel hielt, man konnte aber gar nichts von ihm erkennen, da er ganz in einen dicken Otterpelz eingemummt war. Die Ginsterhexe hob die Prinzessin Fanfrilla in den Schlitten und deckte sie mit einer großen Decke warm zu.
»Fahr zu!« rief sie dem kleinen Kutscher zu, dann trat sie rasch wieder in ihr Haus zurück.
Der kleine Kutscher ließ die Peitsche lustig knallen und wie der Wind ging es durch die helle Mondnacht. Die silbernen Schlittenschellen läuteten durch den Wald, daß überall die Hirsche und Rehe und Hasen herbeiliefen und neugierig dem fröhlichen Gefährt nachschauten.
»Kling – Kling – Kling – – «
An dem Abende aber saß der dicke König Krökel I. in dem größten Saale seines Schlosses. Er gab ein Fest und hatte viele Leute eingeladen, aber er langweilte sich furchtbar. Und alle andern, die um die große Tafel herumsaßen, langweilten sich ebenso sehr.
Der König Krökel gähnte. Und der Kanzler von Sanftmut gähnte. Und die Minister gähnten und alle Leute, die am Tische saßen, und sie langweilten sich so sehr, daß dem einen ein Hühnerbein und dem andern ein Stück Brot und dem dritten ein Teltower Rübchen im Halse stecken blieb.
Da schallte von draußen ein lustiges Schellengeläute und ein helles Peitschengeknalle in den Saal hinein.
»Sehen Sie doch mal, was da los ist, lieber Sanftmut!« sagte der König zu seinem Kanzler.
Der Kanzler sprang rasch auf und lief ans Fenster.
»Da draußen vor dem Schloßtore steht ein merkwürdiges Gespann!« rief er. »Ein silberner Schlitten mit zwölf Füchsen bespannt. Mit richtigen Füchsen, denken Sie mal, Herr König!«
»Wer sitzt denn in dem Schlitten?« fragte König Krökel.
»Es sitzt etwas drin,« antwortete der Kanzler, »aber das ist so vermummt, daß man gar nicht erkennen kann, was es ist. – Der Kutscher ist ein ganz kleiner Bursch in dickem Pelzmantel, er ist gerade abgesprungen und befestigt kleine silberne Räder unter dem Schlitten.«