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Der Traum vom Glück der Ferne

(1922-1944) Jack Kerouac

I was an American Boy

I read the American Boy Magazine

and became a boy scout

in the suburbs.

I thought I was Tom Sawyer

catching crayfish in the Bronx River

and imagining the Mississippi.

Lawrence Ferlinghetti1

... geboren als drittes Kind seiner Eltern am 12. März 1922 in der Kleinstadt Lowell, dreißig Meilen von Boston im nordöstlichen Massachusetts, Neuengland.

Bestimmend für die innere Landschaft, die im Bewusstsein des Jungen, der hier heranwächst, entsteht, ist das Bild des Merrimack River. Die große dunkle Schlange, die aus den Wäldern herabkommt, die in einem Wasserfall abstürzt.

›Der tosende Schlafbringer unserer Nächte - Ich hörte ihn mit einem Stöhnen von den Felsen erstehen, und wie er mit seinen Wassern heulte, sprulsch, sprulischsch, uum, uum ssuu, die ganze Nacht über suuuu, suuuu, und die Sterne wie Löcher in einem Tintendach. Merrimack, dunkler Name, der mit düsteren Tälern protzt: mein Lowell hatte große Bäume aus alter Zeit im rauen Norden, die über abgebrochenen Pfeilspitzen und Indianerskalps winkten, das Ufergeröll der Schieferküste steckt voller Perlen, barfüßige Indianer liefen darüber hinweg. Der Merrimack saust von einem Norden der Ewigkeiten herab, fällt wie ein Pissestrahl durch Schleusen, Klüfte und Schaumberge auf Felsen, blosch, und rollt grummelnd dem Mammon entgegen, gebändigt durch tausamtene Steinmulden mit scharfen Kanten (wir tauchten ab, zerschnitten unsere Füße, miese Sommernachmittags-Schulschwänzer).‹2

Der Fluss muss sehr stark auf das Kind gewirkt haben, undenkbar sonst, dass der Mann später ein so intensives, magisch-mystisch überhöhtes Bild von ihm hätte entwerfen können.

Zuerst ist der Fluss als reales Bild da.

Später wird sich sein reales Bild in einen Strom von Erinnerungen verwandeln.

Memory Babe wird Jack schon als Schuljunge wegen seines auffälligen Erinnerungsvermögens genannt.

Irgendwann im Laufe des 19. Jahrhunderts hatte jemand den stürmischen Lauf des Flusses mit einem Kanal und einem Damm gebändigt. Am Ufer entstand eine der ersten Industriestädte Amerikas mit einem Dutzend Textil- und Schuhfabriken.

Wie viele Kleinstädte in Neuengland wuchs Lowell aus einer Anzahl von Dörfern zusammen. Während der ersten Jahre der industriellen Revolution galt es als Mustersiedlung. In den Fabriken wurden die Vermögen Bostoner Unternehmerfamilien verdient, Vermögen, die bis heute fortbestehen. Charles Dickens, ein strenger Kritiker des Fabrikwesens in seinem eigenen Land, besuchte den Ort und war beeindruckt vom Straßenbild und von dem selbstsicheren Auftreten der Bauernmädchen, die an den Webstühlen arbeiteten; er fand auch an ihrer Bezahlung, zwei Dollar die Woche, nichts auszusetzen.

Die Fabrikherren bescherten dem Ort ein Textil-Institut am Nordufer des Flusses, aber gegenüber ihren Arbeitern waren sie weniger großzügig. Im späten 19. Jahrhundert sanken die Löhne immer weiter. Die Bauernmädchen zogen es nun vor, als Sekretärinnen und Telefonistinnen nach Boston zu gehen.

Ihre Plätze an den Spinnmaschinen wurden von den Töchtern der Einwanderer aus Irland, Kanada und Polen eingenommen.

Die Webstühle ratterten weiter bis zum Ende des Ersten Weltkrieges, als die Fabriken in den Südstaaten billigere Waren produzierten und eine Spinnerei nach der anderen schließen musste.

in Jacks Kindheit ist die Blütezeit von Lowell schon vorbei. Seine Eltern, Leo und Gabrielle Angée Levesque, wurden in Kanada geboren, waren aber schon südlich der Grenze, in Nashua, einer Kleinstadt in New Hampshire, aufgewachsen.

Gabrielles Vater hatte es dort zu einem kleinen Gasthaus gebracht. Er starb, als die Töchter erst vierzehn Jahre alt war. Seitdem hatte sie in einem Schuhgeschäft gearbeitet. Sie ist eine kurzbeinige, gedrungene Frau mit blauen Augen; roten Äpfelwangen und glänzendem schwarzen Haar. Die schwere Kindheit hat das Bedürfnis nach Sicherheit und Nestwärme und ein Verlangen nach sozialem Aufstieg tief in sie eingesenkt.

Leos Vater, Jean-Baptiste, war in seinen besten Tagen ein einigermaßen wohlhabender Holzkaufmann gewesen, ein Mann, dessen Jähzorn und rebellisches Wesen selbst vor Gott nicht haltmachte. Wenn Gewitterwolken den Tag verdunkelten, soll er mit einer Laterne vor die Tür getreten sein und ausgerufen haben: ›Nur weiter so, wenn du mächtiger bist als ich, dann schlag jetzt zu und lösch dieses Licht auch noch aus!‹ Es waren die großen Mengen selbstgebrannten Schnapses, die ihn schließlich unter die Erde brachten.

Seinem Sohn Leo, der 1889 noch in Kanada geboren wurde, hatte er eine gute Schulbildung zuteil werden lassen. Leo besuchte eine Privatschule in Rhode Island. Als Schriftsetzer, Reporter und Übersetzer kam er zum Etoile, einer kleinen Zeitung für die französischsprachige Bevölkerungsgruppe in Lowell.

Er trug sich mit dem Gedanken, nach Kalifornien zu gehen, aber dann lernte er in Nashua Gabrielle Levesque kennen, ein ordentliches Mädchen, das sich für die Ehe rein hielt, streng katholisch, mit einem Hang zum Mystischen, bereit, sich anzupassen, voller Sehnsucht nach einem kleinbürgerlichen Familienidyll. Der lebenslustige, früh zu Korpulenz neigende Leo, ein Mann, der sich für Sport interessierte, in der Lokalpolitik mitmischte, einer, der empfänglich war für Erklärungen, warum die Reichen immer reicher werden, die Armen aber ewig arm bleiben, mag gefunden haben, dass mit dieser Frau ein stabilisierendes Element in sein Leben kommen werde. Sie heiraten 1915. 1916 kommt ihr erstes Kind Francis Gerard zur Welt, zwei Jahre später wird eine Tochter, Caroline, genannt Ti Nin, geboren. Die Umgangssprache in der Familie ist Joual, das Patois der Frankokanadier, der Canucks, wie sie in den USA genannt werden.

Die Einwanderer aus Kanada, die aus den steinigen Abhängen zu beiden Seiten des St. Lawrence in die breiten sanft rollenden Wiesen von Vermont und New Hampshire und die üppigen Täler von Massachusetts kommen, sind dort alles andere als beliebt. Man nennt sie verächtlich ›weiße Nigger‹. Sie sind bereit, in den Fabriken zu niedrigen Löhnen härter zu arbeiten als die Einheimischen, und sie sind geschäftstüchtiger als diese. Sie halten eisern zusammen, bleiben in ihren katholischen Pfarrgemeinden unter sich, dringen darauf, dass ihre Kinder französisch sprechen.

Die alteingesessenen Puritaner halten sie für großsprecherisch, mit Illusionen und nostalgischen Träumen von illustren Vorfahren. Solche Erinnerungen leben auch bei den Kerouacs fort. Für Jack wird es später wichtig sein, angeblich von einem gewissen Baron Alexandre Louis Lebris de Kerouac abzustammen, einem bretonischen Adligen, der Landrechte in Kanada verliehen bekommen hatte und dessen Nachkommen angeblich Mohawk- und Caughnawaga-Indianer heirateten.

Tatsächlich gibt es in den Vierteln der Canucks meist mehr Debile, Verrückte als anderswo, aber auch mehr Originale. Ins Abseits und in die Isolation gedrängt, entwickeln die Frankokanadier in den USA, ähnlich wie die Iren in den Jahrhunderten englischer Okkupation, ein ausgeprägtes Innenleben, oft erfüllt von bizarren Phantasien.

Jean-Louis - erst später wird daraus Jack - Kerouac ist das letzte Kind, das Gabrielle zur Welt bringt.

Sie gebiert es daheim, in einem großen Messingbett unter einem Kruzifix, an einem Tag, an dem es gerade Frühling zu werden beginnt.

Es ist bezeichnend für Kerouacs Hang zu mystifizierenden Phantasmagorien, dass er in Doctor Sax seine Geburt beschreibt, als habe er ihr als Beobachter zugesehen:

›Über den weiten Kessel zum Hügel hin - in der Lupine Road im März 1922 um fünf Uhr am Nachmittag einer völlig in Rot getauchten Abendessenszeit, als schläfrig in den Kneipen der Moody und Lakeview Biere gezapft wurden und der Fluss mit seiner Eisfracht über gerötete verschlickte Steine hinwegrauschte, und an den Ufern das Röhricht zwischen Matratzen und alten weggeworfenen Stiefeln wogte und nasse Schneefladen träge von tiefgebeugten Zweigen schwarzer, dorniger, taugeölter Kiefern rutschten, und darunter der schwere Schnee an den Hängen, auf denen verirrte Sonnenstrahlen blitzten und die Schmelze des Winters sich vermischte mit den Fluten des Merrimack - wurde ich geboren.. [...] Ganz Auge war ich, kam und hörte die Flussröte; ich erinnere mich an diesen Nachmittag, schaute ihn durch die Perlenschnüre, die als Vorhang in der Tür hingen und durch Glas von einer universellen traurigen Röte tödlicher Verdammnis... der Schnee schmolz. Die Schlange hatte sich im Hügel eingerollt, nicht in meinem Herzen.‹3

Urbane und kosmische Verbundenheit evoziert dieser Text, und wieder wird der Fluss erwähnt. Aber auch eine Traurigkeit, ja tödliche Verdammnis klingen an, und die Schlange, die ja eine Metapher für den Fluss ist, rollt sich im Hügel ein, nicht im Herzen des Neugeborenen. Das heißt: Trennung von der kosmischen Geborgenheit. Aber die Schlange des Flusses meinte auch die Schlange aus dem Paradies, die Versucherin des Menschen, Symbol des Bösen und der Sünde. Und ob ihm das bewusst sein mag oder nicht: Kerouac gibt in diesem Text über seine Geburt einen Hinweis auf ein fundamentales Problem seines Lebens: die Frage nach Gut und Böse, die Ängste über seine Sündhaftigkeit, sein Bedürfnis nach Erlösung.

Bis auf gewisse Meinungsverschiedenheiten in religiösen Fragen zwischen Leo und Gabrielle ist es eine harmonische Familie, in die der Junge hineingeboren wird. Eine Familie mit Eltern und Geschwistern, die Geborgenheit und Sicherheit geben, in der man Späße kennt, Geselligkeit liebt, gutes deftiges Essen auf den Tisch kommt. Freilich lebt Leo vorwiegend in seiner Männerwelt: in der Werkstatt, vor dem Tresen im Wirtshaus, auf dem Sportfeld. Zu dieser Zeit ist er noch voller Vitalität, gut gelaunt, von einer Großzügigkeit, die Gabrielle abgeht. Sie fühlt sich dafür zuständig, das Geld zusammenzuhalten und für das Seelenheil ihrer Lieben zu beten. Sie füllt das Haus mit Bildern der heiligen Thérèse von Lisieux, einer Karmeliterin, die mit vierundzwanzig Jahren an Tuberkulose starb. Gabrielle bringt ihren Kindern Gebete an diese Heilige bei, und viele Jahre später wird Jack Kerouac auf dem Höhepunkt seines literarischen Erfolges gegenüber dem Lyriker Philip Whalen bekennen, welchen Trost und Zuflucht für ihn die Gebete zu Thérèse und dem ›kleinen Lämmchen Jesus‹ bedeuten. Gewiss liegt in der von der Mutter zelebrierten Heiligenverehrung eine Wurzel für Kerouacs intensives Bedürfnis nach religiöser Erlösung.

Seit September 1938 geht Jean-Louis in eine von Ordensschwestern geleitete Pfarrschule. Seine Lehrerin erscheint dem nervösen kleinen Jungen als ›ein großer schwarzer Engel mit gewaltigen flatternden Schwingen‹.4

Gabrielle ist immer bereit, sich für die Familie zu opfern, kann aber ihre Opfer auch eiskalt vorrechnen und mit Herrschaftsanspruch einklagen. Als Widerpart zu ihr, dem Gefühlsseligkeit und Stallwärme verbreitenden Muttertier, verkörpert der Vater in dieser Familie das Element des Gewagten-Unangepassten. Aber auch etwas Unseriöses haftet Leo an. Ein Besserwisser, ein Schwadroneur, ein Hansdampf in allen Gassen. Man zieht häufig um, und die verschiedenen Wohngegenden kennzeichnen einen allmählichen sozialen Abstieg. Die längsten Zeitabschnitte seiner Kindheit verbringt Jean-Louis oder Jack in dem eher etwas schäbigen Viertel der Canucks, in Pawtucketville. Über das Familienidyll, wie es sich Gabrielle, die nun zeit ihres Lebens Mémère genannt wird, wünschen würde, fallen immer bedrohlichere Schatten. Nicht nur aus Adelsstolz hat Jack später auf das Motto im Familienwappen der Keroaucs verwiesen, das lautet ›Aimer, Travailler et Souffrir‹.5

Tatsächlich treffen die Stichworte ›Lieben, Arbeiten, Leiden‹ auf die Generation seiner Eltern und auf sein eigenes Leben zu.

Bezeichnenderweise sind seine frühesten Kindheitserinnerungen die an einen hungrigen Gassenjungen, der Plourdes hieß und den der Bruder mit heimbrachte, um ihn mit Mémères Butterbroten zu füttern. - Plourdes: Jack wird diesen Namen nie vergessen, weil er für ihn alle Verzweiflung, die offen zutage liegende schmerzende Hoffnungslosigkeit und den kalten, entmutigenden Kummer von Lowell enthält.

Eine andere frühe Erinnerung ist die an das (traurig braune Haus in der Beaulieu Street, an Erde, Zeit und Gräber).6

Angeblich steht das Haus auf einem alten Friedhof, und der Dreijährige hört Geistergeschichten über das Gebäude von seinem Bruder Gerard. Kein Wunder, wenn Nins Puppen manchmal plötzlich wackeln oder das Geschirr in der Küche scheppert. Gerard erklärt dies mit der Tätigkeit der Totengeister, die unter dem Haus wohnen. Auch die frühe Erfahrung des Magisch-Unheimlichen führt zur Frage nach der Macht von Gut und Böse. Offenbar hat sich der kleine Jack, dazu angeleitet von seinem älteren Bruder, daran gewöhnt, solche spiritistischen Phänomene als die sich in der Realität manifestierenden Kundgebungen böser Mächte aufzufassen.

In der Grundschule liest Jack die populären Kinderbücher seiner Zeit, alle von geringem literarischen Wert, aber von Lehrern und Eltern als Unterstützung ihrer moralischen Vorhaltungen sehr geschätzt.

Bald aber fühlt er sich weit mehr von den Groschenheften angezogen, die Street & Smith und andere Verleger wöchentlich herausbringen. Man bekommt sie am Zeitungskiosk, aber auch in Lebensmittelgeschäften, in Lowell spas genannt, zu kaufen. Der Romanheld, der Jack am meisten imponiert, ist Lamont Cranston, The Shadow, der darum weiß, wie viel Böses im Bewusstsein der Menschen verführerisch sein Unwesen treibt. Er hat die Macht, die Gedanken der Menschen mit einem Nebel zu überziehen, um dann den Kampf gegen das Böse besser führen zu können.

An Frühlings- und Sommertagen erstrecken sich Jacks von den ›Shadow‹-Geschichten inspirierte Tagträume von den Sandbänken des Merrimack zu den Wäldern von Dracut, von den Villen in der Wannalancet Street bis zum Waisenhaus auf dem Hügel, das er in ein Schloss verwandelt, bevölkert von Vampiren und den Erzfeinden seines Shadow-Helden, des Doctor Sax.

Diese Phantasien kehren später bei ihm unter dem Einfluss von Peyote wieder und werden für den einunddreißigjährigen Kerouac, als er 1952 in Mexico City William Burroughs besucht, zum Ausgangspunkt für seinen einzigen phantastischen Roman, der zugleich ein poetischer Bericht über seine Kindheit in Lowell ist. Die Geräusche, Gerüche, das Aroma einer Kindheit in Massachusetts gehen in dieses Buch ein, dessen Fabel einen titanischen Kampf zwischen Gut und Böse imaginiert, der sich vor den davon ahnungslosen Kleinbürgern und Proletariern von Lowell abspielt. Allein Jacky kann Doctor Sax sehen, mit ihm sprechen, während die anderen Jungen in seiner Umgebung nicht merken, wie dabei das Böse die Herzen der Menschen durchweht.

Gut in besonderem Maße ist Gerard, der ältere Bruder Jean-Louis’. Er entwickelt beispielsweise eine geradezu persönliche Beziehung zu den Vögeln, die ans Fensterbrett kommen. Für Jack ist Gerard eine Gestalt in der Nachfolge des heiligen Franz von Assisi.

Gerard leidet über Jahre an Rheuma. Bis zu seinem neunten Lebensjahr hat sich die Krankheit derart verschlimmert, dass er nicht mehr zur Schule gehen kann.

Gerard wird Jean-Louis’ erstes Idol. Aber es ist eine Sache, sterbenskrank im Bett zu liegen und von aller Welt bemitleidet zu werden, und eine andere, ein gesunder, vitaler, mit einer intensiven Einbildungskraft begabter Junge zu sein. Im Vergleich zu Gerard und dieser Vergleich wird vor allem von der Mutter häufig gezogen - muss Jean, Ti Jean oder Jacky immer schlecht abschneiden. Erst recht, als Gerard im Juli 1926 stirbt. Da gesellen sich Schuldgefühle zu dem Wunsch, so heilig und besonders so gütig wie der ältere Bruder zu werden.

Die naive Gewissheit, dass der Bruder bestimmt im Himmel sei, währt nicht lange. Zu tiefgreifend sind die Veränderungen, die Gerards Tod in der Familie hervorrufen. Der ältere Bruder fehlt dem Jüngeren als Spielkamerad und unermüdlicher Geschichtenerzähler. Die Schwester bringt ihre Freundinnen und Freunde nicht mehr mit heim. Leo, der Vater, ist von Gott so enttäuscht, dass er nicht mehr zur Messe geht, ja geradezu provozierend nur an Freitagen Hamburger isst. Die Mutter verliert ihre Zähne, und der Kult, der um den toten Gerard in der Familie und bei den Nonnen aufblüht, lässt Jean keinen Zweifel, dass seine Mutter Gerard immer mehr geliebt hat als ihn. Häufig findet der Junge keinen Schlaf, und die Mutter muss ihn zu sich ins Bett holen.

Für Leo, den Vater, sind es die Jahre seiner größten beruflichen Erfolge. Er betreibt nun eine eigene kleine Druckerei und gibt eine Art Anzeigenblatt, das Lowell Spotlight, heraus, in dem Themen der Lokalpolitik, die am Ort laufenden Filme und Sportereignisse besprochen werden.

Leo stellt auf seiner Presse auch die Billetts für das größte Kino im Ort her. Die gesamte Familie hat freien Eintritt bei allen Filmen, die im Royal-Film-Palast laufen.

Von seinem fünften Lebensjahr an sitzt Ti Jean jeden Samstagmittag auf der Galerie, starrt auf die vergoldeten Engel an der Decke des Kinosaals und wartet auf den herrlichen Moment, da es dunkel wird und man hinein gesogen wird in eine andere Welt.

Nicht weit von dem Kinobau im neomaurischen Stil liegt das Keith-Vaudevilletheater, wo Leo häufig hinter der Bühne pokert, und mit den Schauspielern schwarzgebrannten Whiskey trinkt.

Das Kino, das Theater und schließlich die zwischen beiden Häusern gelegene Bücherei werden zu den für die innere Entwicklung Ti Jeans wichtigsten Örtlichkeiten.

Die ersten Filme, die Ti Jean sieht, sind Western mit Tom Mix, ›der durch ein erstaunlich schmutziges Filmkalifornien reitet mit einem Hut, so weiß, dass er aussieht wie ein Glühwürmchen‹.7

1932 - es sind schlechte Zeiten, die Arbeitslosigkeit nimmt zu - ziehen die Kerouacs wieder einmal um, diesmal in das frankoamerikanische Viertel Pawtucketville.

Jacks Noten in der Schule sind nun so gut, dass er es sich leisten kann, ab und an den Unterricht zu schwänzen und solche Vormittage schmökernd in der Bücherei zu verbringen. Am Ende des Schuljahres kann er die sechste Klasse überspringen.

Die Erinnerungen an den toten Bruder behalten ihre Bedeutung. Immer wieder laufen Jacks Gedanken zu Gerard zurück, oder er versucht, in Menschen, denen er begegnet, Züge von ihm wiederzuentdecken.

Seine Sexualität erwacht. Von Kindern aus der Nachbarschaft dazu angeleitet, beginnt er zu onanieren.

Bei den Jesuiten fungiert Jean als Ministrant, und sie fordern ihn auf, sich zu prüfen, ob er sich zum Priester berufen fühle. Gegenüber William Burroughs beschreibt Kerouac den Abschluss der Periode seines naiven Kinderglaubens so: ›Als ich vierzehn war, ging ich zu diesem Priester und beichtete ihm, ich hätte die Sünde der Unkeuschheit begangen, und er fragte: Mit dir selbst, mein Sohn, und ich sagte: Ja... und mit anderen Jungen auch. Und wie lang war der Penis des anderen Jungen, mein Sohn? fragte der Priester. Und dieses Ereignis war es, bei dem ich meinen Glauben verlor.‹8

Mit dem Übertritt in die Junior High-School wird aus Jean-Louis Jack. ln der neuen Schule ist die Umgangssprache Englisch. Um diese Zeit beginnt Jack damit, jeden Tag eine kleine Zeitung mit Familienereignissen herauszugeben, und plant seinen ersten Roman. Von der Lektüre des Huckleberry Finn stark beeindruckt, schreibt er die Geschichte eines Waisenjungen, der von daheim fortläuft und in einem Boot den Fluss hinabtreibt. Natürlich ist der Fluss der Merrimack, der durch Lowell fließt, und Jack schreibt sein erstes Werk sorgfältig in ein Notizbuch für 5 Cent. Es trägt den Titel Mike erkundet den Merrimack.

Das Original ist verlorengegangen, aber eine Erinnerung daran findet sich in Kerouacs vielleicht formal kühnstem Buch, Visions of Cody. Dort wird erzählt, wie der Held seine Reise irgendwo in den Sümpfen des Merrimack beginnt, wie er ›weiter und weiter einen kleinen Fluss in Indiana hinabtreibt, in lichtere, merkwürdigere, grünere und immer umfänglichere Abenteuer, die dich endlich in das flache Marschland am Meer bringen, große Kolben Mais in einem sich wiegenden Grasfeld, Gerüche, Rauch einer Stadt, etwas Verrücktes, Wildes und weit, weit fort von dem Platz-unter wilden Weinranken, wo du aufbrachst, als der Traum begann‹.9

Wir stoßen hier gewissermaßen auf Jacks Urszene, auf seinen großen, nie ganz aufgegebenen Traum vom Glück, auf die Geschichte von jener verführerischen Macht, die den Helden wie mit Zauber aus der einförmigen Existenz seines Alltags losreißt und ihn auf eine Reise führt; auf der er neue Erfahrungen macht, die ihn in einen Zustand höherer Lebendigkeit versetzen.

In dieser Zeit entwickelt der Vater eine besondere Leidenschaft für Pferderennen und nimmt den Jungen auf die Rennbahnen in Boston und Rhode Island mit. Jack sieht einen Film über einen Jungen, der Jockey wird und so zu Ruhm und Geld kommt, und sofort konzentriert sich nun seine Phantasietätigkeit auf diesen Sport. Die Steine seines Baukastens verwandeln sich in berühmte Rennpferde, er ist Rennbahnaufseher, Rennstallbesitzer und Jockey in einer Person.

Über die Ereignisse imaginärer Pferderennen berichtet er in den Ausgaben seiner auf einer Handpresse gesetzten Racetrack News.

In das Jahr 1935 fällt der Beginn von Jacks Karriere als Football-Spieler. Eine Sandplatzmannschaft unter dem Namen Dracut Tigers findet sich zusammen. In einer Zeitungsanzeige fordert sie alle örtlichen Mannschaften des American Football mit Spielern zwischen dreizehn und fünfzehn Jahren heraus.

Bei dem Spiel gegen die Rosemont Tigers, das in den Fichtenwäldern nördlich von Lowell stattfindet, erzielt er, der jüngste, aber auch kraftvollste Spieler bei den Dracuts, nicht weniger als neun Touchdowns. Das Spiel gewinnt seine Mannschaft mit 60:0, selbst ein unter Amateuren ungewöhnliches Ergebnis!

Das nächste Spiel wird dann gegen eine Mannschaft junger Burschen aus dem Pawtucketville Social Club ausgetragen, die Leos Prahlereien über seinen Sohn und dessen Teamkameraden nicht so recht haben glauben wollen.

Schon bei der ersten Konfrontation versetzt ein Siebzehnjähriger aus dem Team des Social Club Jack einen Fausthieb ins Gesicht, um so den besten Mann in den Reihen des Gegners auszuschalten. Aber Jack, recht selbstbewusst unterdessen, rammt den um vier Jahre älteren so hart, dass dieser aus dem Spiel genommen werden muss.

Was folgt, sind ›blutspritzende Schlachten... homerischen Ausmaßes‹10 gegen Mannschaften aus dem Viertel der Griechen, bei denen die ethnischen Unterschiede die Leidenschaften noch mehr anstacheln.

Während sich Jacks unaufhaltsamer Aufstieg zum Sporthelden vollzieht - später wird er diese Rolle unter dem Stichwort ›Eitelkeiten‹ abbuchen -, ereignet sich in Lowell eine Naturkatastrophe, die für die Kerouacs nicht ohne Folgen bleibt. Im März 1936 tritt nach der Schneeschmelze der Fluss über die Ufer.

Die Brücken drohen weggeschwemmt zu werden, die Uferdämme, mit Sandsäcken verstärkt, stehen in Gefahr zu bersten. Die Schulen werden vorübergehend geschlossen. Die Jungen schwelgen in Katastrophenphantasien: ›Wir bohrten mit unsren Fingern in den Säcken-wollten, dass die Flut hindurch strömt und die ganze Welt ersäuft, diese verdammte schreckliche Routinewelt der Erwachsenen.‹11

Als die Flut nach einer Woche zurückgeht, ist Leo Kerouac ein ruinierter Mann. Seine Werkstatt hat ebenfalls unter Wasser gestanden, seine Maschinen sind unbrauchbar geworden, versichert ist er nicht. Seine Wettleidenschaft und seine querulantenhaften politischen Ansichten tun ein übriges. Mitte 1937 hat er mehrere tausend Dollar Schulden und kann seine Angestellten, mit denen zusammen er das Spotlight gedruckt und herausgebracht hat, nicht mehr bezahlen. Er macht die Liberalen und jüdische Betrüger für seinen Niedergang verantwortlich. Schließlich bleibt ihm nichts anderes übrig, als sich bei einer Druckerei in einer anderen Stadt zu verdingen. Wieder einmal zieht die Familie innerhalb von Lowell um, diesmal in eine Mietwohnung im vierten Stock eines weißgestrichenen Holzbaus im Herzen des meist von Fabrikarbeitern französischer Herkunft bewohnten Slums.

Gabrielle hat einen Job als Lederzuschneiderin in einer Schuhfabrik angenommen, weil Leos Einkünfte allein für den Lebensunterhalt und die Rückzahlung der Schulden nicht ausreichen.

Jack ist unglücklich. Es bedrückt ihn nicht nur der allzu offensichtliche soziale Niedergang in der Familie! Seit Herbst 1936 geht er auf die Lowell High-School; hat es aber nicht geschafft, in das American-Football-Team der Schule aufgenommen zu werden, weil er körperlich zu schwach ist.

Im Winter dieses Jahres sitzt er viel in der Bücherei und liest sich durch die Bände in der Abteilung für Erwachsene. Er freundet sich mit einem griechischen Jungen an, dem idealistisch gesinnten Sammy Sampas, der ihm aufgefallen ist, als er einmal auf offener Straße vor anderen Jungen Lord Byron gegen den Vorwurf in Schutz genommen hat, ein Frauenheld gewesen zu sein. Sammy liest Jack seine Gedichte vor und empfiehlt ihm, Thomas Wolfes Romane zu lesen.

In dieser Zeit keimt in Jack zum ersten Malder Wunsch auf, Schriftsteller zu werden, ein Gedanke, auf den sein Vater, der eben als selbständiger Unternehmer gescheitert ist, mit Hohn und Sarkasmus reagiert. Aber er schafft es in der Saison des Jahres 1935, als Halfback in die Football-Mannschaft aufgenommen zu werden. Bei einem besonders wichtigen Spiel am Thanksgiving Day gegen die Mannschaft aus Lawrence fängt er einen Pass, rennt los und schafft den einzigen Touchdown an diesem Tag.

Danach beginnen sich die Trainer von zwei Mannschaften aus der großen Welt um ihn zu bemühen.

Im Universitätsfußball ist die Aufnahme in ein Team mit einem Stipendium an der entsprechenden Hochschule verbunden.

Die Mutter möchte, dass ihr Sohn an die Columbia University in New York geht. Der Vater hat sich für das Boston College ausgesprochen. Leo Kerouac arbeitet als Setzer bei einer Firma in Lowell, deren größter Kunde dieses College ist, und sein Chef hat von seinem Kunden einen Wink bekommen: ›Sorgen Sie dafür, dass Kerouac auf jeden Fall ans Boston College kommt.‹

In der Küche der Kerouacs wird Abend für Abend diskutiert. Gabrielle setzt sich schließlich durch, aber auch Jack selbst will lieber nach New York. Er träumt davon, dort eine Karriere als Sportjournalist zu beginnen.

Für den Vater hat die Entscheidung zugunsten von Columbia schlimme Folgen. Sein Arbeitgeber entlässt ihn. Ein weiterer schwerer Schlag gegen sein ohnehin schon stark lädiertes Selbstvertrauen. Bisher ist immer er es gewesen, der gekündigt hat. Nun muss er erleben, dass man ihn vor die Tür setzt.

Jacks letztes Jahr auf der High-School ist zugleich die Zeit seiner ersten engeren Beziehung zu einem Mädchen.

Mary Camey ist siebzehn und stammt aus einer irischen Familie. Sie lernen sich auf dem Silvesterball kennen. Es ist Liebe auf den ersten Blick. Mary fasst ihn bei der Hand, zieht ihn in ein nervöses Gespräch. Sie lässt sich über seine Frisur und über seinen Schlips aus und fragt ihn geradewegs, ob er schon eine Freundin habe. Er ist immerhin schlagfertig genug, um mit ›ja‹ zu antworten. Tatsächlich hat er sich schon ein paarmal mit einer gewissen Peggy Coffey getroffen, aber er spürt: mit Mary ist es etwas anderes.

Sie gehen tanzen, er lädt sie ins Kino ein. Sie haben Geheimnisse. Aber da ist eben noch die große, lockere, rothaarige Peggy Coffey. Tambourmajorin und Bandsängerin. Ein Mädchen, mit dem man mehr hermachen kann als mit Mary. Immerhin ist er als Footballheld auch eine prestigeträchtige Gestalt. Außerdem hat Peggy, was Sex angeht, recht freizügige Ansichten. Jacks Schüchternheit amüsiert sie. Als sie bei einem Sportbankett miteinander tanzen, spricht sie ganz unbekümmert mit ihm über den thrill beim Küssen, und bei Spaziergängen, zu denen sie sich dann verabreden, ist sie es, die ihn küsst. Bei ihr gibt es da keine Ziererei, sie ist quirlig spontan, ein Mädchen, das das Leben von der leichten Seite nimmt. Bei Mary hingegen sind Küsse selten wie ›Napoléon-Cognac‹12, und sie lässt ihn wissen, dass sie ganz gestrichen würden, wenn nicht bald ein Verlobungsring an ihrem Finger funkele.

Der einzige Ausweg aus dem Dilemma zwischen den Forderungen der damals gültigen Moral und ihren Wünschen wäre eine Heirat gewesen. Aber als er ihr einen Antrag macht, lehnt sie ab. Er hat keinen Beruf, seine Zukunft liegt nicht in Lowell. Als Mary sich darauf besinnt, doch ja zu sagen, ist für Jack der Traum schon ausgeträumt.

Ende Juni 1939 feiern Jack und seine Klassenkameraden ihre Graduationsfeier in der Stadthalle und erhalten aus der Hand des Bürgermeisters ihre Zeugnisse.

Im September bricht Jack nach New York auf. Von der Columbia University hat man ihn wissen lassen, dass er zunächst für ein Jahr die Horace Mann Prep School, eine Art Vorkurs zur Universität, besuchen muss. Weder entsprechen seine Noten in Mathematik und Französisch den Anforderungen, die Columbia stellt, noch ist sein Gewicht derart, dass man ihm zutraut, in der Universitätsmannschaft erfolgreich zu spielen, und wer die Universität mit einem Sportstipendium besucht, muss sich solchen Anweisungen wohl oder übel fügen.

Jack wohnt bei Gabrielles Stiefmutter in Brooklyn. Die Horace Mann School liegt in der nördlichen Bronx. Das bedeutet, rechnet man die Hin- und Rückfahrt zusammen, dass er fünf Stunden täglich mit der Subway unterwegs ist. Abfahrt um 6 Uhr morgens von der Fulton Street IRT Station. An der 34th Street in Manhattan werden gewöhnlich Sitzplätze frei, und er erledigt seine letzten Hausaufgaben zum Geratter der Räder und Gleisstränge der D-Linie.

In den Tagebucheintragungen der ersten Tage in der großen Stadt werden noch große Pläne entworfen. Jack will sich weiterbilden. Latein, Mythologie, spanische Literatur und Geschichte. Mit der Ausführung solcher guten Vorsätze ist es bald vorbei. Das anstrengende Football-Training beginnt. Nach dem ersten Spiel ist er völlig deprimiert. In Lowell hat er es schließlich zum Star gebracht. Aber hier in der neuen Mannschaft scheinen ihm alle himmelhoch überlegen. Luigi Piccolo, genannt Lou Little, ist einer der ersten modernen Trainer des American Football, die so etwas wie eine psychologische Strategie zu entwickeln versuchen. Jack erfüllt seine Aufgabe, die linke Seite der gegnerischen Verteidigung aufzureißen, gut und trägt entscheidend zum Gewinn vieler Spiele und somit auch dazu bei, dass Horace Mann die inoffizielle Prep-School-Meisterschaft erringt.

Die meisten von Jacks Klassenkameraden kommen aus ausgesprochen reichen, häufig jüdischen Familien. Jack schreibt für einige von ihnen die Englischaufsätze und kassiert dafür pro Arbeit zwei Dollar. Häufig versorgen sie ihn, dessen Schulbrote meist nur mit Erdnussbutter beschmiert sind, mit Truthahnbrust-Sandwiches, mit teurem Gebäck oder mit Milchschokolade.

Mit manchen Jungen aus diesen Kreisen freundet er sich an.

Da ist Pete Gordon, der Sohn eines Börsenmaklers in der Wall Street. Zu ihm wird Jack häufig übers Wochenende eingeladen. Beim Frühstück legt einem in diesem Haus ein Butler die Grapefruit vor. Mr. Gordon macht Jack das Kompliment, er sehe aus wie ein griechischer Athlet. Wichtiger ist es für ihn, dass Pete etwas für seine literarische Bildung tut und ihm erklärt, seinen Prosastil könne er gewiss verbessern, wenn er sich zukünftig die Kurzgeschichten von Hemingway und nicht Conan Doyles Romane zum Vorbild nähme. Pete lädt ihn auch in moderne Filme ein, und bei ihm hört er zum ersten MalDixieland-Jazz.

Ein anderer Studienfreund aus diesen Tagen ist Eddy Gilbert, Sohn einer reichen Familie, die comme il faut auf Long Island wohnt. Die beiden Klassenkameraden sind die besten Spieler im Schachklub der Schule. Auch bei Eddys Eltern ist Jack mehrmals an Wochenenden zu Gast. Eddys Vater ist Holzhändler und pflegt ein ganzes Bündel von Hundert-Dollar-Noten in der Hosentasche bei sich zu tragen. Für Jack ist es das erste Mal, dass er überhaupt so große Geldscheine zu sehen bekommt. Nach solchen Wochenenden fühlt er sich - auch ohne dass die reichen Leute es darauf anlegen würden, ihn zu demütigen, im Gegenteil, sie sind freundlich und akzeptieren ihn als ihres gleichen - deprimiert und sehnt sich nach Lowell zurück.

Eine andere Welt ist midtown, das Viertel um den Times Square mit seinen Kinos, in denen französische Filme gezeigt werden... mit den schmutzigen Bars, in denen sich Huren, Rauschgiftsüchtige und Homosexuelle herumtreiben... mit den Stundenhotels.

Immer wieder streift sein neugierig-begehrlicher Blick die Frauen, denen er auf diesen Straßen begegnet.

Schließlich, als er sich etwas Geld von verkauften Englischaufsätzen erspart hat, fasst er sich ein Herz und spricht eine Rothaarige, die ihm schon die ganze Zeit in die Augen gestochen hat, an. Auf ihrem Zimmer verliert er seine Unschuld. Er behält durchaus angenehme Erinnerungen an dieses Ereignis.

Im Horace Mann Quarterly erscheint seine erste Kurzgeschichte ›Die Brüder‹. Es ist eine Detektivgeschichte, im Stil abgeschaut bei Henry James, die Handlung konstruiert unter starken Anleihen bei Sherlock Holmes. Doch schon die zweite Geschichte ›Une Veille de Noel‹, Studenten am Weihnachtsabend in einer Bar im Village, verrät sein musikalisches Gespür, seine Begabung, die Melodie von Gesprächen, die er gehört hat, in seine Texte zu übernehmen, die Sprechmusik des amerikanischen Alltags in Literatur zu übersetzen.

Gefördert wird diese Fähigkeit gewiss auch dadurch, dass er den Jazz entdeckt. Es ist einer seiner Klassenkameraden, Seymour Wyse, ein Engländer mit exotischen Interessen, der ihn nach Harlem mitnimmt. Im Apollo-Theater, im Herzen des schwarzen New York, hört Jack zum ersten Maleinen Schwarzen Musiker: Jimmy Lunceford.

Dazu ist die damals durchaus noch bestehende Rassenschranke zu überwinden. Vorurteile müssen aufgegeben werden, die Jack von seiner Familie übernommen hat. Denn Leo Kerouac, der die Liberalen und Juden für das Unglück Amerikas und sein persönliches Versagen verantwortlich macht, hat auch für Schwarze keine Sympathien.

Wer sich für Jazz interessiert, sieht sich veranlasst, in der Rassenfrage Stellung zu nehmen. Wer Jazz hören geht, bewegt sich außerhalb der bürgerlichen Ordnung in einem halbkriminellen Milieu.

Es ist nicht zuletzt seine wachsende Vorliebe für guten Jazz, die bewirkt, dass Jack Kerouac langsam die Eierschalen eines braven strebsamen Jungen und Football-Heroen aus der Provinz ablegt und sich immer mehr zu den Außenseitern der Gesellschaft hingezogen fühlt.

Er begreift - und das ist erstaunlich für einen Jungen seines Alters und spricht, wie die Auswahl seiner Lieblingsmusiker auch, für seine Musikalität, dass guter Jazz nicht zur Unterhaltung und zum Tanzen gemacht wird. Jack definiert ihn vielmehr in seinem Artikel für die Studentenzeitung als eine Musik, ›die nicht vorarrangiert ist, sondern frei für alle und alles ad lib. Sie stellt den Ausbruch passionierter Musiker dar, die all ihre Energie in ihre Instrumente einbringen, bei der Suche nach seelenvollem Ausdruck und Superimprovisation‹13.

Als beste Band zu dieser Zeit nennt er nicht Glenn Miller, Benny Goodman oder die Gruppen von Harry James, sondern die schwarze Band von Count Basie, und in ihr ist es Lester Young, dessen Sound ihm richtungweisend erscheint.

Lester Young, von Billie Holiday als ›Prez‹ (Präsident) apostrophiert, bringt bei seinen Solos einen lakonisch-expressiven Ton.

Schwermütig-reflektiv greift Prez auf die Wurzeln des Jazz und zu seiner Seele, dem Blues, zurück.

›Die Wahrheit des Blues‹, lesen wir bei einem Musikkritiker, ›läuft dem geradezu hysterischen Vertrauen in Fortschritt, Maschinen und menschliche Kraft entgegen. Es ist eine dunklere, schicksalsträchtigere, aber im Letzten dann auch mehr entspannte und humorvolle Wahrheit, die ihr ganz eigenes, nüchternes und sinnliches Vergnügen hat.‹

Einer der Großen des Blues, Memphis Slim, hat einmal gesagt: ›Wenn alles einstürzt, musst du zurückgehen zur Mutter Erde.‹

In dieser Musik, die Kerouac in diesen Jahren hört und analysiert, liegen nicht nur die Wurzeln seines Prosastils, sie entspricht voll und ganz dem Lebensgefühl der sich erst später bildenden Beat generation. Kerouac hat sich später ausdrücklich dazu bekannt, den Satzbau seiner Texte der Phrase im Jazz nachgestaltet zu haben. Er hat seine spezifische Schreibweise mit dem musikalischen Vortrag eines Bläsers verglichen und erklärt, die Länge der Atemzüge sei für beide die rhythmische Maßeinheit.

›Jazz und Bop in dem Sinn, wie ein Tenorsaxophonist Atem schöpft und eine Phrase auf seinem Saxophon bläst, bis ihm der Atem ausgeht, und bis das geschehen ist, muss die Verlautbarung erfolgt sein... Genauso teile ich meine Sätze. Sie trennen sich voneinander im Bewusstsein der Notwendigkeit, dazwischen zu atmen... ich formuliere die Theorie des Atmens als Maß in Prosa und Lyrik... so kommt es zu einer Sprache, die die rassige Schärfe, die Freiheit und den Humor des Jazz hat.‹14

Vorerst schreiben wir noch das Jahr 1939/40. Die Ereignisse des eben in Europa ausgebrochenen Weltkriegs sind für die Menschen in den USA noch fern. Jack besucht in der großen Stadt seinen Vorkurs zur Universität, hat in jeder Beziehung viel zu lernen und träumt immer noch davon, ein Starspieler im American Football zu werden.

Zu dem großen Frühlingsball im April 1939 lädt er Mary Carney ein, zu der der Kontakt nicht ganz abgebrochen ist. Der Smoking, den Jack trägt, stammt vom Onkel eines seiner Klassenkameraden, ein anderer borgt ihm die Schlüssel zu einer Wohnung in der West End Avenue, wo Mary wohnen wird. Einkünfte aus seinem Aufsatzhandel investiert Jack in einen Besuch beim Friseur und im Bräunungsstudio des Hotels Pennsylvania, mit dem Erfolg, dass er, als ihn sein Mädchen in der Wohnung seiner Tante trifft, einen schmerzhaften Sonnenbrand hat. Mary trägt ein rosa Kleid und eine Rose im Haar. Der Besuch in New York wird kein Erfolg. Die Freundinnen der reichen Jungen schneiden die Landpomeranze. Mary ist todunglücklich. Sie sagt ihm eindeutig - und man kann ziemlich sicher sein, hier ist kein Unterschied zwischen Fiktion und Wirklichkeit: ›...ich werde niemals in dieses New York kommen und hier leben, du musst mich zu Hause nehmen und so wie ich bin... Du gehst hier vollkommen verloren, ich kann dich gerade noch erkennen - Du hättest nie von zu Hause weggehen sollen, um hierherzukommen, mir ist es egal, was alle anderen über Erfolg und Karriere reden - es wird dir nichts Gutes bringen...‹15

Damit ist es entschieden. Er wird sie noch einmal wiedersehen, als er während der Ferien nach Lowell kommt. Endlich wird er sich ein Herz fassen und versuchen, sie zu verführen, aber mehr als eine Rangelei in einem Auto wird nicht daraus.

In diesen Sommerferien lesen Jack und sein Freund Sammy Sampas Thomas Hardy, Emily Dickinson, David Thoreau, daneben aber auch Jack London, in dessen Geschichten Jack das Lebensgefühl der Hobos und Bums anspricht. Vor allem aber berauschen sich die beiden Freunde in Lowell an dem ›krachenden Donner von Walt Whitmans visionären Prophezeiungen‹16

Dennis MacNally schreibt über diesen Einfluss: ›...Walt war für sie mehr als ein metaphysischer Dichter, er war ein Amerikaner, er war ein Barde, der von der Seele eines großen Landes sang, der die einfachen arbeitenden Menschen in diesem Land feierte und eine Prostituierte, die um ihr Recht klagte, nicht ausschloss. Der wildentschlossene, nun patriotisch eingemeindete Amerikaner, zu dem sich Jack entwickelt hatte, nickte dazu, wenn bei Walt stand: Wer bist du denn, der du reden oder singen willst von Amerika/Hast du dieses Land studiert, seine Idiome, seine Menschen?‹17

Der Krieg kommt nun näher. Als Jack zu seinem Freshman-Jahr an der Columbia University nach New York zurückfährt, kreiert Kate Smith gerade die patriotische Schnulze God Bless America. Überall in den Straßen New Yorks sieht man Plakate, die zu Hilfsaktionen für Holland, Polen und England aufrufen.

Vorerst ist Jack damit beschäftigt, sich an der Universität einzugewöhnen. Er lebt in einem Studentenheim und nicht mehr bei seinen Verwandten. Er hört die moralisierende Einführungsrede des Präsidenten von Columbia. Von den Vorlesungen beeindruckt ihn vor allem der Kurs von Professor Mark Van Doren über Shakespeare. Abends versucht er die riesige Leseliste, die die Universität vorschreibt, zu verkürzen, hört das klassische Musikprogramm der Station WXT und saugt an der Pfeife, die er sich als Zeichen seines Studentenstatus zugelegt hat.

Der 16. Oktober 1940 schon ist vorlesungsfrei, und die Mehrzahl der Studenten begibt sich zur ersten Musterung in Friedenszeiten in der Geschichte der USA.

In New York interessiert man sich lebhaft für die sensationellen Bilder von der Luftschlacht über England. Könnte einem das hier auch blühen, wenn es mit den Erfolgen Hitlers so weiterginge?

Angesichts der allgemeinen Kriegsbegeisterung unter den jungen Leuten ist es wenig erstaunlich, dass sich auch Jack für den Fall eines Kriegsausbruchs für die Streitkräfte registrieren lässt. In Columbia spielt er mit gutem Erfolg in der American-Football-Mannschaft. Aber nach dem fünften Saisonspiel bricht er sich den Fuß.

Jack genießt das erzwungene Faulenzerleben. Statt Teller zu waschen, geht er jeden Abend in das Universitätsrestaurant Lion’s Den und bestellt dort auf Kosten der Sportabteilung große Steaks und Eisportionen. Auf seinem Zimmer verschlingt er die Romane von Thomas Wolfe, von dem er später sagen wird: ›Er ließ mich Amerika als ein Gedicht statt als Ort begreifen, an dem man sich abrackern und schwitzen muss.‹18

Noch ehe er die Krücken beiseite gelegt hat, macht er die Bekanntschaft von Frankie Edith Parker. Die Neunzehnjährige aus Grosse Pointe, Michigan, lebt in Manhattan bei ihrer Großmutter. Sie ist nach New York gekommen, um bei George Grosz Kunst zu studieren, aber mehr noch, weil sie das aufregende Leben der großen Stadt verlockt. Aufgewachsen ist sie in einem konservativen Vorort von Detroit unter Millionären. Sie ist entschlossen, alles zu sehen und zu erleben, was es in Grosse Pointe nicht gibt. In Manhattan hat sie den Franzosen Henri Cru kennen gelemt und sich sofort in den lustigen und lebensfrohen jungen Mann verliebt. Sogar von Heirat ist schon die Rede gewesen.

Dann geht Kerouac mit dem Paar aus. Jack flirtet mit ihr, und es geschieht das, was Nicosia, einer von Jacks Biographen, einen Wettkampf zwischen einem Pfau und einem Landstreicher nennt. Cru ist in seiner Marineuniform erschienen, Jack trägt einen alten Pullover. Frankie weiß Crus perfekte Umgangsformen zu schätzen, aber sie weiß auch, dass Cru noch andere Freundinnen hat. Außerdem schmeicheln ihr Jacks Komplimente.

Die Sommerferien verbringt Jack wieder in Lowell. Manchmal trampt er nach Boston, wo sein Freund Sammy Sampas im Park antifaschistische Reden hält. In diesem Sommer überfällt Hitler die Sowjetunion. In Amerika laufen die Kriegsvorbereitungen an. In Hollywood beschäftigen sich die Walt-Disney-Studios damit, militärische Insignien zu entwerfen.

Jacks Vater Leo, der lange Zeit als Drucker mal hier und mal dort gearbeitet hat, bekommt endlich eine feste Stelle als Linotypesetzer in New York, und die Eltern mieten ein Haus am Sund von Long Island, nahe New Haven.

In Columbia werden brauchbare Footballspieler rar. Lou Littles Quarterback hat sich freiwillig zur Marine gemeldet. Aber dann füllt Little das Hinterfeld mit älteren Semestern auf, und Jack sieht wieder einmal eine Saison vor sich, die er vorwiegend auf der Bank verbringen wird. Aus den Spannungen zwischen dem Trainer und ihm ist eine mehr oder minder offene Feindschaft geworden. Jack nimmt es Little übel, dass dieser seine italienische Abstammung verleugnet. Außerdem will der Trainer nicht mehr von seinem Versprechen wissen, Leo Kerouac einen Job in New York zu besorgen. Zu allem kommt, dass Jack genug vom American Football gesehen hat, um ernüchtert zu sein. Sport hat lange für ihn etwas mit bestimmten Idealen wie Fairness, Tapferkeit, Mut zu tun gehabt. Damit ist es vorbei. Das Schreiben wird immer wichtiger für ihn. Immerhin lädt er Frankie noch dazu ein, ihm beim Training auf Baker Field zuzuschauen. Als er sie nachts in der Wohnung ihrer schwerhörigen Großmutter besucht, vertraut er ihr seinen Frust über die -wie er findet - ungerechte Behandlung durch Lou Little an, und als der Trainer einige Tage später wieder an seiner Statur herummäkelt, hat sich sein Zorn so gesteigert, dass er von einem Augenblick zum andern alles hinwirft und die Universität fluchtartig verlässt.

In Brooklyn stellt er bei seinen Verwandten seine wenigen Habseligkeiten ab, dann fährt er zur Greyhound Station, kauft sich eine Fahrkarte und taucht ein in die amerikanische Nacht. Angeregt von der Lektüre Thomas Wolfes, hat Jack beschlossen, ehe er anfangen könne zu schreiben, müsse er Amerika erkunden. Das Geld geht ihm aus. Er fährt zu seinen Eltern nach New Haven. Vor allem Leo ist bitter enttäuscht, dass sein Sohn das Studium aufgegeben hat. Ein Bekannter besorgt Jack eine Stelle als Sportjournalist bei der Sun. Da er sich aber herzlich wenig um die Sportereignisse kümmert, über die er berichten soll, und sich statt dessen ausführlich mit den Romanen und der Erzähltechnik des inneren Monologs bei James Joyce beschäftigt, steht er bald wieder auf der Straße.

Dann kommt im Dezember die Nachricht vom japanischen Überfall auf Pearl Harbor. Jack ist an diesem Abend gerade im Kino gewesen und hat sich Citizen Kane von und mit Orson Welles angesehen.

Während sich die USA rasch in eine gewaltige Kriegsmaschinerie verwandeln, tritt Jack den Rückzug nach innen an. Stundenlang schmökert er in der öffentlichen Bücherei in Goethes Faust und in den Romanen Dostojewskis.

Das Werk des russischen Autors bleibt seine bevorzugte Lektüre während der nächsten Jahre. Jack imponiert der Gedanke, Leiden sei eine Voraussetzung für ein geschärftes Bewusstsein.

In einer Zeit, in der die meisten Amerikaner ihr neues Selbstvertrauen aus einem Krieg beziehen, legt Dostojewskij ihm nahe, dass der zivilisatorische Fortschritt nicht das A und O menschlicher Existenz sein könne. Wünsche, so liest Kerouac bei dem russischen Wahrheitssucher, seien stärker als die Einsichten des Verstandes. Wenn wir unseren Wünschen folgten, könnten wir unter Umständen in die Hölle geraten, aber immerhin würden wir dabei unsere Lebendigkeit spüren, spüren, dass wir leben. Der freie Wille des Individuums sei das vielleicht einzige Prinzip, das das Leben in einer blutrünstigen, nur angeblich zivilisierten, tatsächlich aber absurden Gesellschaft noch lebenswert mache.

Bis März 1941 ist Jack die ewigen Streitigkeiten mit Leo so leid, dass er nach Washington trampt, wo ein anderer Jugendfreund, G. J. Apostolakis, auf der Baustelle des Pentagon arbeitet. Er hat vorgeschlagen, Jack dort unterzubringen.

Für die Tätigkeit bei einer Firma für Stahlverkleidungen besitzt Jack keinerlei Erfahrungen. Häufig ist er während der Arbeitszeit betrunken. Manchmal verschwindet er für Stunden: das eine Mal, um zu schlafen, ein andermal, um Schwarzen beim Singen zuzuhören. Nach einigen dubiosen Abenteuern mit Frauen, von denen er sich aushalten lässt, kehrt er wieder nach Lowell zurück, deprimiert und entschlossen, sich in den Krieg zu stürzen. Seinem Freund Sammy Sampas muss er versprechen, keine Dummheiten zu machen. Aber dann trampen sie beide nach Boston, zechen, und Jack, der darüber vergisst, dass er sich schön zur Kriegsmarine gemeldet hat, lässt sich bei der Küstenwache einschreiben.

Bei einer Sauftour trifft er auf eine Gruppe von Matrosen der Handelsmarine, und am nächsten Morgen findet er sich als Küchenhilfe auf der S. S. Dorchester wieder.

Für diese Tätigkeit werden bei einem Acht-Stunden-Arbeitstag hundert Dollar im Monat bezahlt. Weitere hundert Dollar kommen als Kriegs- und Gefahrenbonus dazu.

Am 22. Juli 1942 läuft die Dorchester mit Geleitschutz nach Grönland aus. Sie bringt fünfhundert Bauarbeiter des Verteidigungsministeriums in die Arktis, hat aber auch größere Mengen Sprengstoff an Bord.

In Briefen an Freunde gibt Jack vor, das Leben auf hoher See wecke in ihm den von seinen bretonischen Vorfahren ererbten Seefahrerinstinkt. In Wahrheit lehren ihn die Torpedoangriffe deutscher U-Boote das Fürchten.

Ein andermal wird ein deutsches U-Boot mit Wasserbomben versenkt, und Jack versucht, sich in die Rolle des Küchenjungen auf dem Schiff des Feindes zu versetzen.

Natürlich ist er auch auf der Dorchester ein Außenseiter, zumal er viel liest und schreibt.

Messerstechereien unter der Besatzung jagen ihm Schrecken ein. Später wird er schreiben, auf der Dorchester sei er zum Pazifisten geworden. Kriege seien Wahnsinn, würden nur ausgetragen, damit einige wenige daran verdienten.

Im einzelnen sind die Erlebnisse auf dieser Fahrt in seinem letzten Roman Die Verblendung des Duluoz nachzulesen. Dort heißt es auch, er habe sich während der ganzen Fahrt äußerst elend gefühlt, wie ein Sklave auf einem Gefängnisschiff. Und im Traumtagebuch räumt er ein, ›dass die rauen Seeleute meine Kinderseele in dem Körper eines Erwachsenen sahen und meinen Geist brachen.‹19

In Kneipengesprächen wird er später erzählen, er sei von einem brutalen Maat sexuell missbraucht worden.

Als das Schiff seinen Bestimmungsort erreicht hat, dauert es lange, bis die Geräte, die zum Bau eines Flugplatzes bestimmt sind, ausgeladen sind.

Zusammen mit einem anderen Matrosen ersteigt Jack einen 3.000 Meter hohen Berg. Beim Abstieg lösen die beiden einen Erdrutsch aus. Sie können sich nur mit knapper Not davor retten, von den Geröllmassen in die Tiefe mitgerissen zu werden.

Ehe sie die Rückreise antreten, kommt die Nachricht, dass ein Schwesterschiff von den Deutschen versenkt worden ist.

Die Herbststürme lassen die unbeladene Dorchester wie einen Korken auf den Wellen tanzen.

Im Oktober 1942 läuft das Schiff wieder in den Hafen von Boston ein. Zwei Freunde - G.J. Apostolakis, der bei der Küstenwache untergekommen ist, und Sammy Sampas - warten auf Jack am Kai.

In Lowell findet er ein Telegramm von Lou Little vor. Es lautet: ›Du kannst in die Mannschaft zurückkommen, falls Du bereit bist, den Bullen bei den Hörnern zu packen.‹20

Kaum drei Tage von Bord, ist Jack schon wieder in Columbia, verdient sich sein Taschengeld mit Tellerwaschen, liest Hamlet und bereitet sich auf das große Spiel der Saison gegen Westpoint vor.

Mit einem Spieler der gegnerischen Mannschaft hat Jack noch eine private Rechnung zu begleichen. Auch deswegen liegt ihm viel daran, für dieses Spiel aufgestellt zu werden. Aber schon erhebt Little wieder Einwände: ›Du hast zu viel Gewicht verloren bei der Marine.‹

Zähneknirschend muss Jack sich das große Spiel von der Bank aus ansehen. Einige Tage später sitzt er in Gedanken versunken in seiner Studentenbude. Im Radio wird ein Beethoven-Konzert übertragen. Draußen schneit es. Von einem Augenblick zum anderen fasst er einen Entschluss. ›Unsinn‹, ruft er sich selbst zu, ›ich bin gar kein Football-Spieler. Ich bin ein Künstler.‹ Er wird danach nie mehr Football spielen.

Im Februar 1943 wird er zur Marine einberufen. Die Grundausbildung in Newport, Rhode Island, erscheint ihm als eine Zeit in der Hölle. Er macht sich über sinnlose Befehle lustig. Wache zu schieben findet er stupide, das Rauchverbot erscheint ihm als reine Schikane. Einmal, als seine nicht hinreichend auf Hochglanz polierten Stiefel beim Appell beanstandet werden, ruft er: ›Wer ist dieser Gentleman, der es wagt, mir zu befehlen, einen Fleck von meiner Schuhspitze abzuwischen? Ich bin von uraltem Adel. Meine Vorfahren haben am Hofe König Arthurs gesessen, und niemand hat gewagt, sie wegen mangelnder Sauberkeit zu rügen.‹21

Bald landet er in der Abteilung für Geisteskranke des Marinekrankenhauses Bethesda. Ein Offizier der Abwehr kommt zu seiner Vernehmung. Psychiater rätseln unterdessen über dem Manuskript seines Romans Die See ist mein Bruder und versuchen, anhand dessen seinen Geisteszustand zu analysieren.

Leo kommt seinen Sohn besuchen und ergeht sich vor den Ärzten in Tiraden über eine jüdisch-marxistische Weltverschwörung. ›Die Deutschen sind nicht unsere Feinde, sondern unsere Verbündeten,‹22 gibt er zum besten, eine Bemerkung, die gewiss nicht dazu beiträgt, die Ärzte davon zu überzeugen, dass die Äußerungen und Aktionen seines Sohnes nichts als die practical jokes eines harmlosen Spinners sind.

Jack behauptet inzwischen, er sei ab und zu der Engländer Samuel Johnson, er habe zu viel Verstand für einen Soldaten... sei zu sehr der Typ des Gelehrten, um es bei der Marine auszuhalten.

Im Mai 1943 erhält er endlich seinen ehrenvollen Abschied, nachdem sich die Psychiater darauf geeinigt haben, ihm Dementia praecox zu bescheinigen. Noch lange plagen ihn die Angstträume, in denen er sich im Irrenhaus eingesperrt sieht.

Daheim bei den Eltern ist die Lage im Frühsommer 1943 alles andere als rosig. Leo hat zwar Arbeit in einer Druckerei in der Canal Street in Manhattan gefunden, frönt aber wieder glücklos seiner Leidenschaft für Pferdewetten. Gabrielle kann froh sein, dass sie ihren Job als Lederzuschneiderin in einer Schuhfabrik hat.

Jacks neuen Freunden und Bekannten aus der New Yorker Boheme stehen die Eltern misstrauisch bis schroff ablehnend gegenüber. Leo lässt seinen Vorurteilen gegenüber Juden immer ungezwungener freien Lauf. Einmal, bei einem Spaziergang mit Gabrielle durch die Bowery, schlägt er auf einen Rabbiner ein und stößt ihn in den Rinnstein.

Jack spürt Frankie Parker, die sich neuerdings Edie (von Edith) nennt, auf dem Sommersitz ihrer Familie, einer vierstöckigen Villa in New Jersey, auf. Er macht einen guten Eindruck auf ihre Großmutter. Edie hat Sonnenbrand. Aber sie freut sich, ihn zu sehen. Bei einem Spaziergang auf der Uferpromenade geht Jack in einen Drugstore und kauft eine Hautcreme und Kondome. Edie geht mit ihm zum Strand, wo sie sich lieben. Sie wird wütend, als sie hört, dass er in einer Woche zur See fahren will.

Er verspricht ihr, nach seiner Rückkehr sofort zu ihr in ihre Wohnung nach New York zu kommen, die sie zusammen mit einer Freundin, der achtzehnjährigen Joan Vollmer Adams, gemietet hat.

Jack geht an Bord der S. S. George Weems, die mit einer roten Flagge am Mast nach Liverpool in See sticht. Während der Fahrt ist es ihm gestattet, die Schreibmaschine des Zahlmeisters zu benutzen. Er arbeitet weiter an dem Manuskript Die See ist mein Bruder.

Die Lektüre von Galsworthys Forsyte Saga hat ihn auf die Idee gebracht, eine Serie von Romanen zu schreiben, die sein gesamtes Leben erzählen sollen.

Der Stil scheint ihm dabei eher nebensächlich zu sein. Wichtig ist es ihm, die Ereignisse und Gedanken, die sich seinem Bewusstsein eingeprägt haben, mit absoluter Ehrlichkeit wiederzugeben. Das Eingeständnis aller Wünsche, Träume und Vorstellungen - auch der von der Gesellschaft tabuisierten - ist ein weiteres Stichwort, das auf das erst viel später ausformulierte Programm der Beat Generation hinweist.

Im Vorwort zu seinem Roman Big Sur schreibt Kerouac über den auf dieser Reise entwickelten Plan: ›Mein Werk umfasst eine immens lange Geschichte wie die von Proust. Der Unterschied besteht nur darin, dass meine Erinnerungen fortlaufend niedergeschrieben wurden und nicht im nachhinein auf einem Krankenbett. Da die Verleger meiner früheren Bücher Einwände erhoben haben, war es mir nicht gestattet, in allen Büchern dieselben Namen für die Romanfiguren zu verwenden.‹23 Er selbst hingegen, fährt Kerouac fort, betrachte die einzelnen Bücher als Kapitel des gesamten Werkes, das er The Duluoz Legend nennen werde. ›Ich beabsichtige, im Alter meine gesamte Arbeit durchzusehen und mein Pantheon an einheitlichen Namen wieder einzusetzen und glücklich zu sterben. Das Ganze fügt sich zu einer großen Komödie zusammen, die durch die Augen des armen Ti (ich) gesehen wird, im übrigen auch als Jack Duluoz bekannt. Die Komödie dreht sich um die Welt rasender Aktion, um die Verrücktheiten und auch um die zarte Süße, wie sie durch das Schlüsselloch meines Auges gesehen wird.‹24

An rasanten Aktionen mangelt es auch auf dieser Reise nicht. Kerouac ist nicht länger Küchenhelfer, sondern regulärer Matrose. Einmal sichtet er auf Wache eine Treibmine, aber man will ihm seine Beobachtung zunächst nicht glauben, weil man ihn für einen Spinner, hält. Er macht sich den Ersten Maat zum Feind. Der schikaniert ihn, wo er kann, scheucht ihn bei Sturm ins Krähennest oder befiehlt ihm ein andermal, in eines der ausgeschwenkten Rettungsboote zu springen. Auch einen Angriff deutscher Unterseeboote erlebt Jack während dieser Fahrt nach England. Er ist inzwischen gegenüber solchen Gefahren ziemlich stoisch geworden, da er weiß, dass ein Torpedo das Schiff mit seiner Bombenladung wie ein Feuerwerk hochgehen lassen würde.

Bei der Einfahrt in den Hafen von Liverpool ist der Kapitän betrunken, und das Schiff rammt ein Schwimmdock.

Zwei Tage Landurlaub nutzt Kerouac zu einer Fahrt nach London. Er trägt eine schwarze Lederjacke und einen Helm der Handelsmarine und dürfte in diesem Aufzug bei den Engländern einige Verwunderung, hervorgerufen haben. Angesichts des Hyde Parks fällt ihm Dr. Jekyll ein. In der Royal Albert Hall hört er ein Tschaikowsky-Konzert mit Barbirolli als Dirigenten.

Nach dem Konzert stolpert er in das verdunkelte London davon, auf der Suche nach einer Bar in Soho, und bandelt mit einer Prostituierten im Pelzmantel an, die ihn, während sie ihn bedient, gleich noch um seine Brieftasche erleichtert, so dass er sich das Geld für die Rückreise nach Liverpool leihen muss. Dort sucht er sich abermals eine Prostituierte und nimmt sie unter freiem Himmel, an ein Denkmal gelehnt.

In der Stadt hat er erzählen gehört, dass die Engländer sich unter anderem von Würsten ernährten, die aus Sägemehl und Kohlenstaub in der Badewanne hergestellt würden.

Nach einer stürmischen Rückreise über den Atlantik überkommt ihn ein Freudentaumel, als er die Skyline von Manhattan vor sich sieht. Mit der Lohntüte in der einen Hand und einem Bierglas in der anderen setzt er seine Kameraden noch mit einer feurigen Rede in Erstaunen.

Von einer U-Bahn-Station am Broadway läuft er bei strömendem Regen über den Campus von Columbia bis zu dem Haus an der 118th Street West, in dem Edie Parker und Joan Vollmer das Apartment 15 bewohnen.

Edie ist erstaunt, Jack wiederzusehen. So ganz hatte sie seinem Schwur vor der Abfahrt nicht getraut. Nun bereitet sie ihm seinen Lieblingssnack, Spargel mit Oliven in Mayonnaise. Danach lassen die beiden die Jalousien vor dem Fenster herunter und springen ins Bett.

Den Winter 1943 und 1944 lebt Jack fast ständig in der Wohnung von Edie Parker. Sie erinnert sich später: ›Wir nahmen die Hexenprozesse von Salem in unseren Gesprächen miteinander durch. Wir lasen Finnegans Wake zusammen. Jack versuchte ständig, in der Zeitung gewinnträchtige Pferde auszumachen. Er tat das fast jeden Tag - eines seiner vielen Spiele. Nie setzte er Geld auf Pferde, im Unterschied zu seinem Vater Leo, der immer verlor. Jacks Pferde gewannen, aber das wusste Leo nicht.‹25

Nur Liebesidylle eines abgemusterten Seemanns und einer Kunststudentin ist das Leben in diesen Monaten nun auch nicht. Von Henry Cru erfährt Jack, dass Edie in seiner Abwesenheit eine Abtreibung hat vornehmen lassen. Sie wusste nicht, ob Cru oder Jack der Vater des Kindes war, und als sie im vierten Monat war, hat sie schließlich mit ihrer Großmutter gesprochen, die ihr das Geld gegeben hat. Bei dem fortgeschrittenem Stadium der Schwangerschaft war es eine schwierige Operation. Man hat Edie gesagt, dass es der Fötus eines männlichen Kindes gewesen ist.

Jack ist entsetzt und wütend, als er von der Abtreibung erfährt. Er sagt, er hätte sich über ein Kind gefreut. Edie hält ihm vor, er habe ihr von unterwegs nicht einmal geschrieben. Außerdem schätze er die Schwierigkeiten, ein Kind großzuziehen, nicht realistisch ein. Als ob sie nicht genügend Geld von ihren Eltern erben würde, mault Jack, worauf sie seinen Wunsch nach einem Kind als das Verlangen nach narzisstischer Selbstbestätigung diagnostiziert.

Anfang 1944 erfährt Kerouac, dass Sammy Sampas in Enzio an der italienischen Front verwundet worden und kurz darauf in einem Lazarett in Nordafrika gestorben ist - derjenige unter seinen Jugendfreunden, der ihm in seinem unschuldigen Idealismus am nächsten gestanden und der am meisten zu seiner Entwicklung beigetragen hat.

Während Jacks Abwesenheit hat Edie Lucien Carr in einer Bar im West End kennengelernt. Ein blonder, wunderschöner Junge, der wie Rimbaud redet, schwärmt sie Jack vor. Carr hat eine schöne und ebenfalls auffällig blonde Freundin, Celine Young. Die beiden treffen sich häufig in Edies Apartment: zu einem Liebesstündchen. Edie erzählt Jack auch von Carrs sonderbarer Beziehung zu dem rotbärtigen David Kammerer. Sie vermutet, dass Carr mit seiner Freundin deshalb zu ihr kommt, um nicht Kammerers Eifersucht zu erregen. Jacks erster Eindruck, nachdem er Carr getroffen hat: ›Eine bösartige kleine Giftspritze.‹26

Über Carr lernt Jack William Burroughs und Allen Ginsberg kennen.

Wie Jack ist Edie an ungewöhnlichen Menschen interessiert und teilt Jacks Begeisterung für Musik. In einem Club in Harlem hören sie Billie Holiday und unterhalten sich auch ein paarmal mit der Sängerin. Ins Minton oder in den Cotton Club begleitet sie Jacks Klassenkamerad aus dem Vorkurs.

Jack fährt inzwischen voll und ganz auf Bebop ab. Im Three Deuces hören sie Parker, Gillespie und Slam Steward. Jack schlägt zur Musik einen unsichtbaren Bass und dudelt manchmal in einem Scat-Gesang mit. Er macht Edie auf den Pianisten Art Tatum aufmerksam, aber sie hören auch Leadbelly mit seinen ländlichen Blues und seinen Worksongs.

Immer intensiver werden Jacks Beziehungen zur Jazzmusik und sein Wunsch, so zu schreiben, wie diese Musiker, spielen, wird wohl in diesen Monaten entstanden sein. Gerard Nicosia schreibt dazu: ›Obwohl Bop ein Herzschrei war, konnte er nur von Musikern mit großer technischer Virtuosität gespielt werden. Mit Wyses Hilfe lernte Jack die Feinheiten dessen begreifen, was diese Musiker ausdrücken wollten. Das Ergebnis war, dass er ein eigenes Bop-Gehör für die einzigartigen Töne in seinem Kopf entwickelte. Es sollte noch Jahre dauern, ehe er lernte, seine ganz persönliche Musik zu spielen - das heißt, sie zu Papier zu bringen, so dass auch andere sie hören konnten.‹27

Edie würde Jack gern heiraten, aber immer, wenn sie auf dieses Thema zu sprechen kommt, stellt er sich taub. Hin und wieder fährt er zu seinen Eltern, bei denen er es aber nie lange aushält, und kommt jedesmal in Edies Wohnung nach New York zurück.

Mit Edie besucht er schließlich ihren verwitweten Vater und ihre Tante in Grosse Pointe. Zum ersten Malunter die Superreichen versetzt, stellt er fest, dass sie keineswegs ein Leben führen, wie er es sich wünscht. Im Mai kehrt er allein in den Osten zurück. Unterwegs legt er in Ashville, dem Geburtsort von Thomas Wolfe, einen Aufenthalt ein und trinkt einen Abend lang mit dessen älterem Bruder. Der Plan, in New Orleans ein Schiff zu finden und als Matrose anzu heuem, zerschlägt sich. Als er nach Manhattan in die 118th Street zu Edie kommt, wird er mit offenen Armen aufgenommen.

Edie ist gerade dabei, sich von ihrer reichen Verwandtschaft abzunabeln. Sie arbeitet im Hafen von New York, fährt dort einen Gabelstapler.

Unter den Männern, die Jack durch Lucien Carr kennenlernt und die er als ›vorsätzlich pervers‹28 bezeichnet - Männer die ihn verstandesmäßig abstoßen, emotional aber faszinieren, kommt die Angewohnheit auf, sich in literarischen Anspielungen zu unterhalten und sich die Namen von Gestalten aus Gedichten und Romanen zu geben. Lucien Carr nennen sie ›das Kind des Regenbogens‹, einen zweiten Rimbaud; seine Freundin wird zu Hans Castorps russischer Geliebter aus dem Zauberberg, der katzenäugigen Madame Chauchat, Edie zu Nastasja aus Dostojewskijs Idiot, jener Kurtisane, über deren Untreue Fürst Myschkin dem Wahnsinn verfällt. Voller Misstrauen, wie es in jedem Canuck steckt, fragt sich Kerouac, was dieser Burroughs, was Carr und Kammerer und der junge Ginsberg, ›diese böse und intelligente Handvoll Bastarde und Scheiße‹29, wie er sie später einmal wütend nennen wird, in ihm sehen. Die Antwort ist einfacher und schmeichelhafter, als er denkt: Sie wittern seine literarische Begabung. Außerdem sind sie wohl wissend um ihre eigene Gebrochenheit - von seiner lebensoffenen Naivität und seiner Neugier angetan. Und da die meisten homosexuell sind, ist nicht selten eine gewisse erotische Schwärmerei für den gutaussehenden und wagemutigen jungen Mann im Spiel.

Edie leidet unter Jacks Rastlosigkeit. Überhaupt ist ihre Beziehung nicht so glücklich, wie sie sich selbst und andere glauben zu machen versuchen. Wenn sie Musik hören gehen, trinkt Jack zu viel und raucht neuerdings Marihuana. Er hat immer noch Zweifel, ob er sich fest binden soll... und dann auch noch ein Mädchen aus einer Familie mit so viel Geld. Es ist ihm unangenehm, dass er sich von Edie aushalten lassen muss. Jobs hat er bestenfalls auf kurze Zeit. Die Beziehungen zwischen seinen Eltern und Edie sind spannungsreich. Leo beleidigt Edie, nennt sie eine Schlampe, Gabrielle beklagt sich über Edies unkeusche Ausdrucksweise und hält ihrem Sohn vor, das Mädchen sei zu wild, um ihm je eine treue Ehefrau zu sein. Jack geht das alles auf die Nerven.

Noch immer steht er der Welt seiner Boheme-Freunde mit einer gewissen Skepsis und abwartender Distanz gegenüber. Äußere Ereignisse werden ihm schließlich die Entscheidung abnehmen. Im schwülen Sommer des Jahres 1944 wird er endgültig zu einem Teil jener Gruppe der ›Unterirdischen‹, die sich in Manhattan zwischen Columbia und dem Times Square zusammengefunden hat.

On the Road

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