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3 Spuren der Vergangenheit

Teuflisches Projekt

Unheimliches hatte sich schon lange Zeit vor dem tödlichen Blitzschlag zusammengebraut. Die Eskalation des Schreckens hatte eine Vorgeschichte. Früh am Morgen im Büro angekommen, hörte Aldo als Erstes die Nachricht „komm sofort in den abhörsicheren Besprechungsraum“. Offensichtlich war sein Boss noch früher als er eingetroffen und hatte eine neue Idee ausgebrütet. Als eng vertrauter Angestellter der Klinik arbeitete er „nebenberuflich“ in einer höchst geheimen Unternehmung. Daher fühlte sich Aldo als Komplize und nannte seinen Vorgesetzten schlichtweg ‚Boss’, all dessen honorige Titel ignorierend.

„Aldo“, begann der Boss vielsagend, „ich habe ein neuartiges Projekt, höchst interessant für unsere Gruppe. Den ersten Teil führt schon mein bester Externer aus, der wegen einer Gehirn-Optimierung bei uns war und seitdem sagenhaft leistungsfähig ist. Er eignet sich auch wegen seiner internationalen Verbindungen, die wir benötigen. Eine tolle Chance für uns. Du bist für die Strategien zuständig, deine Helfer sorgen für die Detailschritte. Schau dir die Unterlagen an.“

Nach kaum einer halben Stunde stürmte Aldo zu seinem Boss: „Phantastisch, dieses Spezialverfahren brauchen wir als Ergänzung zu den Nanos. Damit decken wir alles ab und kommen mit BrainHacking schneller voran.“

Er warf sich in den Sessel und schnaufte erregt: „Bombastisch, eine große Nummer. Obwohl riskant und aufwändig, neue Entwicklungen, Testreihen, Personal, Aufwand für Geheimhaltung und mehr unvermeidliche Spezialeinsätze.“

„Kein Problem“, entgegnete der Boss selbstsicher, „unser Gönner wird zahlen. Das Thema gewinnt an Bedeutung, weltweit. Er ist heiß auf unsere Ergebnisse. Je schneller wir vorankommen, desto besser für ihn, und natürlich auch für uns.“

„Geht klar“, freute sich Aldo, „ich werde die Überwachung dieser Kornbrüder intensivieren und suche Insider-Kontakte zu allen beteiligten Spielern; ich hab’ schon Ideen.“

Das Projekt nahm Fahrt auf. Bald kam eine Neuigkeit; der Boss klingelte Aldo an:

„Unsere Spionageagentur hat sich gemeldet: Die Weizenfans besorgen sich Anbauflächen in Auslandsgebieten. Das ist mir ein Schritt zu viel, die dürfen nicht zu stark werden, bevor wir alles Nötige abgesaugt haben. Wir könnten mit einem kleinen Zusatzplan eingreifen, den unser Kontaktmann ausführt – das wäre nämlich ebenfalls genau sein Ding. Und du hältst die verdeckte Verbindung und überwachst den Ablauf, klar?“

„Sicher, Boss“, ereiferte sich Aldo, „wird gemacht.“

Der Boss legte die Stirn in Falten und dachte laut nach: „Wir müssen testen, wie viel Druck nötig ist. Unser Mann soll sanft beginnen und, falls nötig, den Knüppel aus dem Sack holen. Wir haben unsere Ziele noch nicht erreicht, es muss besser laufen.“

In Wahrheit konnte die Wirkung der früheren Attacke im Ausland nur rein technisch als gelungen gelten. Dennoch klopfte sich Aldo genüsslich auf die Schenkel und prahlte:

„Was für ein Erfolg! Denen haben wir’s gezeigt. Deren Projekte werden gehörig verzögert. Gut dass unsere Kontaktleute vor Ort einiges Kleingeld locker gemacht haben.“

„Schon gut, Aldo“, erwiderte der Boss einschränkend, „der Erfolg wird nicht von langer Dauer sein, die lernen dazu. Außerdem amortisieren sich die erbeuteten Ausrüstungen noch nicht und an der Heimatfront fehlen die benötigten Forschungsdaten.“

„Stimmt“, gab Aldo zu, „wir müssen mehr tun, vielleicht den Wadi-Stamm für unsere Sache überzeugen? Die könnten dafür Beutematerial am Schwarzmarkt verkaufen. Ansonsten warten wir mit der nächsten Abholaktion, bis die Lager wieder voll sind?“

„Wäre zu überlegen“, erwiderte der Boss, „sofern die Sicherheitsmänner, die sie jetzt angeheuert haben, nicht zu zahlreich und zu stark bewaffnet sind. Auf keinen Fall dürfen wir bei der Sache zu viele Leute ins Paradies schicken. Sonst werden die Behörden wachgerüttelt und unsere Partner bekommen Ärger. Lass uns neues einfädeln.“

„Na, da bin ich mächtig gespannt.“

„Es gibt eine Maklergruppe, die weltweit Anbauflächen und Agrarfirmen handelt. Da ist nämlich unser Kontaktmann tätig, der gerade in Kiralistan gezeigt hat, was er kann. Ich ließ ihn Kaufangebote lancieren, zuerst auf sanfte Weise. Das hat nicht funktioniert. Daher der erste Schuss in Kiralistan, um einem Sinneswandel auf die Sprünge zu helfen. Als Nächstes wäre wieder die Übernahme-Taktik dran, aber diesmal ein wenig kräftiger.“

„Verstehe, das ist etwa so wie Zuckerbrot und Peitsche.“

„So ähnlich. Wir können den Preis erheblich steigern, jeder ist käuflich.“

„Richtig“, erwiderte Aldo, „kostet uns selbst nichts. Und wenn’s wieder nicht klappt?“

„Hm“, knurrte der Boss, „dann machen wir auf spezielle Art und Weise eindringlich klar, dass es ansonsten rundum massive Konsequenzen geben würde. Realistischerweise sollten sie das verstehen und nicht mehr ablehnen.“

„Würde ein Übernahme-Coup nicht unnötig Aufsehen erregen?“

„Nicht unbedingt, die würden unter anderer Leitung weiterarbeiten. Uns geht es vordringlich um Zugriff auf deren internes Wissen, das uns noch fehlt.“

„Und wenn diese Angebote nichts fruchten?“

„Dann lassen wir der Firma erklären, dass kritische Enthüllungen öffentlich auftauchen könnten, mit Folgen bis zum Konkurs. Das sollte zünden, weitere Ablehnung wäre äußerst riskant für sie. Erwähne aber keinesfalls, dass wir gewisse Dokumente besorgen und ein wenig frisiert für kluge Verwendung bereithalten, klar?“

„Interessant“, grinste Aldo zu den Einfällen seines Chefs, „lass mehr hören.“

„Es ist mir geglückt, einen kleinen Mittelsmann zu überzeugen, ein wenig für mich zu tun, natürlich nicht nur als Freundschaftsdienst. Er ist harmlos und soll mir ein paar Datenblätter besorgen, die er bei seiner Freundin kopieren kann. Das ist alles, er kennt weder mich noch unsere Absichten, wir haben das Zeug bald in der Hand.“

Geheimnisvoll fügte der Boss gedämpft hinzu:

„Ich hab noch einen Dreh in petto, legal, aber kompliziert. Unser Makler wird ‚unabhängig‘ mit dem weltgrößten Agrarproduzenten sprechen, damit dieser – ganz im eigenen Interesse – seine Kontakte zur Zulassungsbehörde clever nutzt. So würde unser Weizenzüchter in Engpässe geraten und wir könnten die Beute leichter reinholen. Ich müsste notfalls mit unserem Financier einen doppelten Whisky trinken.“

Aldo schaute fast überzeugt drein: „Okay, einer der Knüller wird schon passen.“

„Wir gehen in die Schlussphase, möglichst ohne Rauch aufsteigen zu lassen. Doch notfalls, wenn nichts fruchtet, müssen Führungspersonen dran glauben. Ich hab eine einmalig clevere Idee im Visier, einen tollen Blitzschlag – im wahrsten Sinne des Wortes –, und dafür kenn’ ich einen äußerst fähigen Typen, der mir verpflichtet ist. Du würdest staunen. So was hat die Welt bisher noch nie gesehen … “

Plantax-Gruppe

Peter stöhnte. Diese dauernden Anfeindungen in Kiralistan. Beispiel Drohnendiebstahl: Hatten die Gegner trotz Geheimhaltung herausgefunden, dass die von MetMod, den Wettermachern, entwickelten Drohnen die Luftfeuchte regulieren konnten? Niemand anders vermochte Pflanzen luftbasiert mit Wasser zu versorgen. Hoffentlich war noch nicht durchgesickert, dass die Züchtung von AllCorn erhöhte Aufnahmebereitschaft von Luftfeuchte wie bei Wüstengewächsen gewährleistete. Dann gestern dieser Anruf. Ein Firmenmakler wollte im Auftrag eines Interessenten die ganze GenTra aufkaufen.

Peter klingelte nach seiner Chef-Assistentin Conny. Es gab Wichtiges zu regeln.

Sie wirbelte fröhlich blickend in das Büro. Ihre dunklen Haare hingen halb über die Schultern und verdeckten den Kragen ihrer cremefarbenen Bluse, der knielange rote Rock betonte die schlanke Figur und flatterte bei ihrem schwungvollen Gang. Achtundzwanzig, mit einem Informatiker verheiratet, kinderlos, sprühte sie vor Ideen. Vor zwei Jahren war sie gleich nach dem Biologie-Studium mit Schwerpunkt Gentechnik zur GenTra gekommen. Nachdem sie in verschiedenen Abteilungen auffallend erfolgreich gearbeitet hatte, stieg sie zu Peters persönlicher Assistentin auf. Sie schwang sich in den Sessel am kleinen Besprechungstisch und schaute Peter erwartungsvoll an.

„Das Kaufangebot habe ich rundweg abgelehnt“, begann Peter, „ich fürchte, das hängt mit den Angriffen auf Kira-1 zusammen. Ich sollte Edo anweisen, unsere Sicherheitsvorkehrungen massiv zu verstärken.“

„Ist wahrscheinlich nötig“, pflichtete Conny bei. „Mehr noch: Wäre es jetzt an der Zeit, die diskutierte ständige Expertenrunde einzurichten, die sich mit der Optimierung von AllCorn beschäftigen soll – und neuerdings mit dem Schutz der GenTra?“

„Trifft ins Schwarze, das habe ich mit Michel schon vorgesehen. Wegen der gefährlichen Attacken wird so eine Kerntruppe umso wichtiger. Die interne Projektgruppe könnte Plantax heißen. Überlege, wer dabei sein sollte. Es dürfen nicht zu wenige sein, denn wir müssen alle Fachgebiete vertreten, die in der GenTra nicht ausreichend besetzt sind. Aber auch nicht zu viele, damit es leichter fällt, unsere Entwicklungen noch für eine Weile streng vertraulich zu halten.“

„Okay, mach’ ich. Unsere fünf eigenen Führungsleute dürften klar sein. Dazu Vertreter der engsten und bewährten Partnerfirmen, auf deren Know-how wir angewiesen sind. Ich denke an Nutrica, MetMod und HighBrain.“

„Einverstanden. Sprich mit Edo und stelle ein Memo zusammen.“

Conny war am nächsten Tag mit dem Entwurf fertig und projizierte dem Team die Liste mit den ausgewählten Teilnehmern auf den Wandschirm:

Plantax-Arbeitsgruppe

GenTraPflanzen-EntwicklungLeitung:Forschung:IT und Sicherheit:Recht:PeterJackConnyEdoFabrizio
NutricaAnbau und VertriebLeitung:IT und Sicherheit:MichelMax
HighBrainInformations-TechnologieSoftware:Matti
MetModWetter-ModifizierungEntwicklung:Andreas

„Aus unserer Schwesterfirma nehmen wir Michel und Max. HighBrain ist unverzichtbar, weil sie für alle unsere Robots die IT entwickeln, Matti hat die besten Kenntnisse. Letztlich sind die Wetterleute sehr wichtig, daher Andreas.“

Blitzschlag – Spuren der Zukunft

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