Читать книгу Kleiner Mann was nun? - Ханс Фаллада - Страница 11
Die Ehe fängt ganz richtig mit einer Hochzeitsreise an, aber – brauchen wir einen Schmortopf?
ОглавлениеDer Zug, der um 14 Uhr 10 an diesem August-Sonnabend von Platz nach Ducherow fährt, befördert in einem Nichtraucherabteil dritter Klasse Herrn und Frau Pinneberg, in seinem Packwagen einen »ganz großen« Schließkorb mit Emmas Habe, einen Sack mit Emmas Betten – aber nur ihr Bett, »für sein Bett kann er selber sorgen, wie kommen wir dazu« – und eine Eierkiste mit Emmas Porzellan.
Der Zug verläßt eilig die große Stadt Platz, am Bahnhof war keiner, die letzten Vorstadthäuser bleiben zurück, nun kommen die Felder. Eine Weile noch geht es an dem Ufer der glitzernden Strela entlang, und nun Wald, Birken an der Bahn lang.
Im Abteil sitzt außer ihnen nur noch ein grämlicher Mann, der sich nicht entschließen kann, was er nun eigentlich tun soll: Zeitung lesen, die Landschaft besehen oder das junge Paar beobachten. Überraschend geht er von einem zum andern über, und immer, wenn die beiden sich grade ganz sicher glauben, werden sie von ihm erwischt.
Pinneberg legt ostentativ seine rechte Hand aufs Knie. Der Reif schimmert freundlich. Jedenfalls sind es vollständig legitime Dinge, die dieser Grämling beobachtet. Er sieht aber nicht den Ring an, sondern die Landschaft.
»Macht sich gut, der Ring«, sagt Pinneberg zufrieden. »Kann man überhaupt nicht sehen, daß er nur vergoldet ist.«
»Weißt du, ein komisches Gefühl ist es doch mit dem Ring, ich fühl ihn immerzu und muß ihn ewig ansehen.«
»Bist ihn eben noch nicht gewöhnt. Alte Eheleute spüren ihn überhaupt nicht. Verlieren ihn, merken es gar nicht.«
»Das sollte mir passieren«, sagt Lämmchen entrüstet. »Ich werd ihn merken, immer und immer.«
»Ich auch«, erklärt Pinneberg. »Wo er mich an dich erinnert.«
»Und mich an dich!«
Sie neigen sich gegeneinander, immer näher, immer näher. Und fahren zurück, der Grämliche starrt geradezu schamlos.
»Keiner aus Ducherow«, flüstert Pinneberg. »Müßte ihn kennen.«
»Kennst du denn alle bei euch?«
»Was so in Frage kommt, natürlich. Wo ich früher bei Bergmann Herren- und Damenkonfektion verkauft habe. Da kennt man alles.«
»Warum hast du das denn aufgegeben? Das ist doch eigentlich deine Branche.«
»Hab mich verkracht mit dem Chef«, sagt Pinneberg kurz.
Lämmchen möchte weiter fragen, sie spürt, hier ist noch ein Abgrund, aber lieber läßt sie es. Alles hat Zeit, jetzt, wo sie richtig standesamtlich getraut sind.
Er hat scheinbar auch gerade daran gedacht: »Deine Mutter sitzt nun längst wieder zu Haus«, sagt er.
»Ja«, sagt sie. »Mutter ist böse, deswegen ist sie auch nicht mit zur Bahn gegangen. 'Ne Hundehochzeit ist das, hat sie gesagt, wie wir weggegangen sind vom Standesamt.«
»Soll ihr Geld sparen. So 'ne Festfresserei, wo alle nur dreckige Witze reißen, ist mir gräßlich.«
»Natürlich«, sagt Lämmchen. »Mutter hätte es nur Spaß gemacht.«
»Haben nicht geheiratet, damit Mutter Spaß hat«, sagt er kurz angebunden.
Pause.
»Du«, fängt Lämmchen wieder an, »ich bin so schrecklich gespannt auf die Wohnung.«
»Na ja, hoffentlich gefällt sie dir. Viel Auswahl ist nicht in Ducherow.«
»Also, Hannes, beschreib sie mir noch mal.«
»Schön«, sagt er und erzählt, was er schon öfter erzählt hat.
»Daß sie ganz draußen liegt, hab ich schon gesagt. Ganz im Grünen.«
»Das finde ich grade so fein.«
»Aber es ist ein richtiger Mietskasten. Maurermeister Mothes hat ihn da draußen hingesetzt, hat gedacht, da kommen noch mehr. Aber keiner kommt und baut da.«
»Warum nicht?«
»Weiß ich nicht. Ist den Leuten zu einsam, zwanzig Minuten von der Stadt. Kein gepflasterter Weg.«
»Also die Wohnung«, erinnert sie ihn.
»Ja, also, wir wohnen ganz oben, bei der Witwe Scharrenhöfer.«
»Wie ist sie denn?«
»Gott, was soll ich sagen. Sie tat ja sehr fein, sie hat auch mal bessere Tage gesehen, aber die Inflation ... Na, sie hat mir tüchtig was vorgeweint.«
»Oh Gott!«
»Sie wird ja nicht immer weinen. Und überhaupt, das ist ausgemacht, nicht wahr, wir sind schrecklich reserviert! Wir wollen keinen Verkehr mit anderen Leuten haben. Wir sind für uns genug.«
»Natürlich. Aber wenn sie aufdringlich ist?«
»Glaub ich nicht. Ist 'ne richtige feine alte Dame mit ganz weißen Haaren. Und sie hat schreckliche Angst um ihre Sachen, es sind doch noch die guten Sachen von ihrer Mutter selig, und wir sollen uns immer langsam auf das Sofa setzen, weil das noch die gute alte Federung hat, die verträgt keine plötzliche Belastung.«
»Wenn ich da man nur immer dran denke«, sagt Lämmchen bedenklich. »Wenn ich mich freue oder wenn ich schrecklich traurig bin und rasch mal heulen möchte, und ich setz mich hin, dann kann ich doch nicht an die gute alte Federung denken.«
»Mußt du«, sagt Pinneberg streng. »Mußt du eben. Und die Uhr unter dem Glassturz auf dem Vertiko, die sollst du nicht aufziehen und ich auch nicht, das kann sie allein.«
»Soll sie sich ihre olle eklige Uhr rausholen. Ich will in meiner Wohnung keine Uhr, die ich nicht aufziehen darf.«
»Es wird schon alles nicht so schlimm werden. Schließlich sagen wir, das Schlagen stört uns.«
»Aber gleich heute Abend! Ich weiß ja nicht, solche vornehme Uhren, vielleicht müssen die nachts aufgezogen werden. – Also, sag endlich, wie ist es: man kommt die Treppe rauf und da ist die Flurtür. Und dann ...«
»Dann kommt der Vorplatz, den haben wir gemeinsam. Und links gleich die erste Tür, das ist unsere Küche. Das heißt, 'ne ganz richtige Küche ist es nicht, früher ist es wohl nur so 'ne Dachkammer gewesen unter dem schrägen Dach, aber ein Gaskocher ist da ...«
»Mit zwei Flammen«, ergänzt Lämmchen traurig. »Wie ich das machen soll, das ist mir noch schleierhaft. Auf zwei Flammen kann doch kein Mensch ein Essen kochen. Mutter hat vier Flammen.«
»Aber natürlich geht es mit zweien.«
»Nun paß doch mal auf, Junge!«
»Wir wollen ganz einfach essen, da reichen zwei Flammen vollkommen.«
»Wollen wir auch. Aber 'ne Suppe willst du doch haben: erster Topf. Und dann Fleisch: zweiter Topf. Und Gemüse: dritter Topf. Und Kartoffeln: vierter Topf. Wenn ich dann zwei Töpfe auf den beiden Flammen warm habe, sind unterdes die beiden andern kalt geworden. Bitte –!«
»Ja«, sagt er gedankenvoll. »Ich weiß doch auch nicht ...«
Und plötzlich, ganz erschrocken: »Aber dann brauchst du ja vier Kochtöpfe!«
»Brauch ich auch«, sagt sie stolz. »Damit komm ich noch nicht einmal aus. Einen Schmortopf muß ich auch haben.«
»Oh Gott, und ich hab nur einen gekauft!«
Lämmchen ist unerbittlich: »Dann müssen wir eben noch vier dazu kaufen.«
»Aber das geht doch nicht vom Gehalt, das geht doch schon wieder vom Ersparten!«
»Das hilft aber nichts, Junge, sei schon vernünftig. Was sein muß, muß doch sein, wir brauchen doch die Töpfe.«
»Das habe ich mir ganz anders gedacht«, sagt er traurig. »Ich denke, wir kommen vorwärts und sparen, und nun fangen wir gleich mit Geldausgaben an.«
»Aber wenn es sein muß!«
»Der Schmortopf ist ganz überflüssig«, sagt er erregt. »Ich ess nie Geschmortes. Nie! Nie! Wegen so ein bißchen Schmorbraten einen ganzen Topf kaufen! Nie!«
»Und Rouladen?« fragt Lämmchen. »Und Braten?«
»Also die Wasserleitung ist auch nicht in der Küche«, sagt er verzweifelt. »Wegen Wasser mußt du immer in die Küche von Frau Scharrenhöfer gehen.«
»Oh Gott!« sagt sie wieder einmal. –
Von weitem sieht eine Ehe außerordentlich einfach aus: zwei heiraten, bekommen Kinder. Das lebt zusammen, ist möglichst nett zueinander und sucht, vorwärts zu kommen. Kameradschaft, Liebe, Freundlichkeit, Essen, Trinken, Schlafen, das Geschäft, der Haushalt, sonntags ein Ausflug, abends mal Kino! Fertig.
Aber in der Nähe löst sich die ganze Geschichte in tausend Einzelprobleme auf. Die Ehe, die tritt gewissermaßen in den Hintergrund, die versteht sich von selbst, ist die Voraussetzung, aber beispielsweise: wie wird das nun mit dem Schmortopf? Und soll er gleich heute Abend noch Frau Scharrenhöfer sagen, daß sie die Uhr aus dem Zimmer nimmt? Das ist es.
Dunkel fühlen es die beiden. Aber das sind noch keine dringenden Probleme, jeder Schmortopf wird über der Feststellung vergessen, daß sie jetzt allein im Abteil sind. Der Grämliche ist irgendwo ausgestiegen. Sie haben es gar nicht gemerkt. Schmortopf und Stutzuhr bleiben hinten, sie nehmen sich in die Arme, der Zug rattert. Ab und an holen sie einmal Atem, und dann küssen sie sich wieder, bis der langsamer fahrende Zug verrät: Ducherow.
»Oh Gott, schon!« sagen beide.