Читать книгу Kleiner Mann was nun? - Ханс Фаллада - Страница 18

Kleinholz stänkert, Kube stänkert und die Angestellten kneifen. Erbsen gibt es noch immer nicht

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Der Weizenboden der Firma Emil Kleinholz ist eine olle verwinkelte Geschichte. Nicht einmal eine richtige Absackvorrichtung ist vorhanden. Alles muß noch auf Dezimalwaagen abgewogen werden, und aus einer Dachluke auf einer Rutsche läßt man die Säcke hinuntersausen in das Lastauto.

Sechzehnhundert Zentner sacken an einem Nachmittag, das ist wieder mal das richtige Kleinholz-Theater. Keine Arbeitseinteilung, keine Disposition. Der Weizen liegt schon eine Woche, schon zwei Wochen auf dem Boden, hätte man längst mit Absacken anfangen können, aber nein, an einem Nachmittag!

Es wimmelt von Menschen auf dem Boden, alles, was Kleinholz in der Eile hat auftreiben können, hilft mit. Ein paar Weiber kehren den Weizen wieder an die Haufen heran, drei Waagen sind in Tätigkeit, Schulz an der ersten, Lauterbach an der zweiten, Pinneberg an der dritten.

Emil rennt rum, Emil noch schlechterer Laune als am Vormittag, denn Emilie hat ihn völlig trocken gelegt, darum sind sie und Marie auch nicht auf den Boden gelassen. Über alle väterlichen Versorgungsgefühle hat die Wut des Tyrannisierten gesiegt. »Nicht riechen mag ich euch Biester.«

»Haben Sie Sackgewicht drauf, richtiges Sackgewicht, Herr Lauterbach? So ein Idiot! Ein Zweizentnersack wiegt drei Pfund, keine zwei Pfund! Genau zwei Zentner und drei Pfund werden gesackt, meine Herren. Und daß mir keiner ein Übergewicht gibt. Ich habe nischt zu verschenken. Ich wiege nach, mein schöner Schulz.«

Zwei Mann rutschen einen Sack zur Schurre. Der Sack geht auf, eine Flut rotbraunen Weizens prasselt auf den Boden.

»Wer hat den Sack zugebunden? Sie, Schmidten? Gottverdammich, Sie sollten doch mit Säcken umgehen können! Sie sind doch auch keine Jungfer mehr. Glotzen Sie nicht, Pinneberg, Ihre Waage hat Ausschlag! Habe ich Ihnen nicht gesagt, Sie Trottel, wir geben keinen Ausschlag?«

Nun glotzt Pinneberg wirklich, und zwar sehr böse auf seinen Chef.

»Kucken Sie nicht so dämlich! Wenn Ihnen hier was nicht paßt, bitte, Sie können gehen. – Schulz, Sie Bock, lassen Sie sofort die Marheinecke los. Will der Kerl auf meinem Weizenboden mit den Weibern loslegen.«

Schulz murmelt was.

»Halten Sie's Maul! Sie haben die Marheinecke in den Hintern gekniffen. Wieviel Sack haben Sie jetzt?«

»Dreiundzwanzig.«

»Nicht vorwärts geht das. Nicht vorwärts! Aber das sage ich euch, keiner kommt mir vom Boden runter, bis die achthundert Sack fertig sind! Vesper gibt's nicht. Und wenn ihr um elf Uhr nachts hier noch steht, das will ich doch mal sehen ...«

Es ist drückend heiß unter den Dachpfannen, auf die mit aller Gewalt die Augustsonne niederprallt. Die Männer haben nur noch Hemd und Hose an und die Weiber auch kaum mehr. Es riecht nach trockenem Staub, nach Schweiß, nach Heu, nach der frischen, glänzenden Jute der Weizensäcke, aber vor allem nach Schweiß, Schweiß, Schweiß. Ein dicker Brodem von Körperlichkeit, ein Gestank nach schofelster Sinnlichkeit macht sich immer breiter. Und dazwischen gellt ununterbrochen wie ein dröhnender Gong die Stimme von Kleinholz:

»Lederer, fassen Sie gefälligst die Schippe vernünftig an! Mensch, faßt man so 'ne Schippe an?! Halt den Sack ordentlich auf, du Fettsau, 'ne Schnauze muß er haben. So macht man das ...«

Pinneberg bedient seine Waage. Ganz mechanisch läßt er die Sperre runter: »Noch ein bißchen, Frau Friebe. Noch eine Kleinigkeit. So, nun ist es wieder zu viel. Noch 'ne Handvoll raus. Ab dafür! Der nächste! Halten Sie sich ran, Hinrichsen, Sie sind jetzt dran. Sonst stehen wir noch um Mitternacht hier.«

Und im Gehirn geht es dabei, in Bruchstücken: »Lämmchen hat's gut. Frische Luft ... die weißen Vorhänge wehen. – Halt die Schnauze, verfluchter Hund! Ewig muß er kläffen. – Und um so was zittert man nun! So was will man um keinen Preis verlieren. Na, danke schön.«

Und wieder der dröhnende Gong: »Los mit Ihnen, Kube! Was haben Sie rausgewogen aus dem Haufen? Achtundneunzig Zentner? Hundert waren's. Das ist der Weizen aus Nickelshof. Hundert Zentner waren das. Wo haben Sie die zwei Zentner gelassen, Schulz? Ich wiege nach. Los, wieder rauf mit dem Sack auf die Waage.«

»Ist zusammengeschnurrt in der Hitze, der Weizen«, läßt sich der alte Speicherarbeiter Kube vernehmen. »War höllisch zach, als er von Nickelshof kam.«

»Kauf ich zachen Weizen? Halt du die Schnauze, du! Will hier reden. Hast ihn nach Haus getragen zu Muttern, was? Zusammengeschnurrt, wenn ich das höre! Geklaut ist er, hier mausen doch alle.«

»Das ha 'ck nich nödig, Herre«, sagt Kube, »daß Sie mir hier was von Klauen sagen. Ick meld das dem Verband. Das ha 'ck nich nödig, das wollen wir mal sehen.«

Er kiekt über seinen grauweißen Schnauzbart dem Chef grell in die Visage.

»Oh Gott, ist das schön«, jubiliert Pinneberg innerlich. »Verband! Wenn man das auch so könnte! Aber bei uns? Neese.«

Kleinholz ist gar nicht sprachlos, Kleinholz ist so was gewöhnt. »Hab ich was gesagt, daß du 'nen geklaut hast? Keinen Ton hab ich gesagt. Mäuse klauen auch, Mäusefraß haben wir immer. Müssen wir mal wieder Meerzwiebeln legen oder Diphtherie impfen, Kube.«

»Sie haben gesagt, Herr Kleinholz, ich hab hier Weizen geklaut. Da sind se alle Zeuge für auf dem Boden. Ich geh zum Verband. Ich zeig Sie an, Herr Kleinholz.«

»Nichts hab ich gesagt. Kein Wort hab ich zu Ihnen gesagt. Heh, Herr Schulz, habe ich was zu Kube gesagt von Klauen?«

»Habe nichts gehört, Herr Kleinholz.«

»Siehst du, Kube. Und Sie, Herr Pinneberg, haben Sie was gehört?«

»Nein. Nichts«, sagt Pinneberg zögernd und weint innen blutige Tränen.

»Na also«, sagt Kleinholz. »Ewig du mit deinen Stänkereien, Kube. Das will 'nen Betriebsrat sein.«

»Machen Se's sachte, Herr Kleinholz«, warnt Kube. »Sie fangen schon wieder an. Sie wissen doch von wegen. Dreimal sind Sie mit dem ollen Kube schon reingefallen vors Gericht. Ich geh auch viertens. Ich hab keine Bange, Herr Kleinholz.«

»Quasseln tust du«, sagt Kleinholz wütend, »du bist ja alt, Kube, du weißt ja nicht mehr, was du redest. So ein Mitleid hab ich mit dir!«

Aber Kleinholz hat es dicke. Außerdem ist es wirklich zu heiß hier oben, wenn man ununterbrochen hin und her läuft und brüllt. Er geht runter und macht Vesper.

»Ich geh mal auf's Büro, Pinneberg. Passen Sie hier auf, daß weiter gemacht wird. Vesper gibt's nicht, verstanden? Sie stehen mir dafür, Pinneberg!«

Er verschwindet die Bodentreppe abwärts, und sofort setzt allgemeine lebhafte Unterhaltung ein. Stoffmangel herrscht nicht, dafür hat Kleinholz gesorgt.

»Na, warum der heute so aus der Tüt ist, das weiß man ja.«

»Soll man einen auf die Lampe gießen, dann wird ihm schon anders.«

»Vesper!« brüllt der olle Kube, »Vesper!«

Emil kann noch nicht über den Hof sein.

»Ich bitte Sie, Kube«, sagt der dreiundzwanzigjährige Pinneberg zum dreiundsechzigjährigen Kube, »ich bitte Sie, Kube, machen Sie doch keine Geschichten, wo es Herr Kleinholz ausdrücklich verboten hat!«

»Is Tarif, Herr Pinneberg«, sagt Kube mit dem Walrossbart. »Vesper is Tarif. Das kann uns der Alte nicht nehmen.«

»Aber ich krieg den schlimmsten Krach ...«

»Was geht mir das an!« Kube schnauft. »Wo Se nicht mal gehört haben, daß er mir Mausehaken geschimpft hat –!«

»Wenn Sie in meiner Lage wären, Kube ...«

»Weeß ich. Weeß ich. Wenn alle so dächten wie Sie, junger Mann, dann dürften wir wohl wegen der Herren Arbeitgeber in Ketten schuften und für jedes Stück Brot 'nen Psalm singen. Na, Sie sind noch jung, Sie haben was vor sich, Sie werden ja auch noch erleben, wie weit Sie mit der Kriecherei kommen. – Also Vesper!«

Aber alles vespert längst. Die drei Angestellten stehen vereinsamt.

»Können ja weiter sacken, die Herren«, sagt ein Arbeiter.

»Sich 'nen weißen Fuß machen bei Emil!« der andere. »Dann läßt er sie vielleicht mal am Kognak riechen.«

»Nee, an Mariechen riechen!«

»Alle dreie?« Brüllendes Gelächter.

»Die nimmt alle drei, die is nich so.«

Einer fängt an zu singen: »Mariechen, mein süßes Viehchen.« Und schon singen die meisten.

»Wenn das gut geht!« sagt Pinneberg.

»Ich mach das nicht länger mit«, sagt Schulz. »Hab ich es nötig, mich hier vor allen Bock schimpfen zu lassen?! – Oder ich mach der Marie ein Kind und laß sie sitzen.« Er grinst schadenfroh und düster.

Und der starke Lauterbach: »Man müßte ihm mal auflauern, wenn er sich nachts besoffen hat, und ihn im Dunkeln gehörig vertrimmen. Das hilft.«

»Und tun tut keiner was von uns«, sagt Pinneberg. »Die Arbeiter haben ganz recht. Wir haben ewig Schiss.«

»Wenn du hast. Ich hab keinen«, sagt Lauterbach.

»Ich auch nicht«, sagt Schulz. »Ich hab überhaupt den ganzen Laden hier dicke.«

»Na, denn tun wir doch was«, schlägt Pinneberg vor. »Hat er denn mit euch nicht gesprochen heute früh?«

Die drei sehen sich an, prüfend, mißtrauisch, befangen.

»Ich will euch was sagen«, erklärt Pinneberg. Denn nun kommt es ja doch nicht mehr darauf an. »Mir hat er heute früh erst von der Marie was vorgequasselt, was sie für ein tüchtiges Mädchen ist. und dann, daß ich mich zum Ersten erklären soll, was, weiß ich eigentlich nicht, ob ich mich freiwillig abbauen lassen will, weil ich doch der Jüngste bin, also die Marie.«

»Bei mir war's auch so. Weil ich Nazi bin, davon hat er solche Unannehmlichkeiten.«

»Und bei mir, weil ich mal mit 'nem Mädchen ausgehe.«

Pinneberg holt tief Atem: »Na, und?«

»Wieso und?«

»Was wollt ihr denn zum Ersten sagen?«

»Was sagen?«

»Ob ihr die Marie wollt?«

»Ganz ausgeschlossen!«

»Eher stempeln gehen!«

»Na also!«

»Was na also?«

»Dann können wir doch auch was verabreden.«

»Aber was denn?«

»Zum Beispiel: wir geben unser Ehrenwort darauf, daß wir zu der Marie alle drei Nein sagen.«

»Von der wird er schon nicht reden, so dumm ist Emil nicht.«

»Marie ist kein Kündigungsgrund.«

»Also dann, daß wir ausmachen, wenn er einen von uns kündigt, kündigen die beiden andern auch. Ehrenwörtlich ausmachen.«

Die beiden sehen bedenklich drein, jeder erwägt seine Chancen, gekündigt zu werden, ob sich das Ehrenwort für ihn lohnt.

»Alle drei läßt er uns sicher nicht gehen«, drängt Pinneberg.

»Da hat Pinneberg recht«, bestätigt Lauterbach. »Das tut er jetzt nicht. Ich geb mein Ehrenwort.«

»Ich auch«, sagt Pinneberg. »Und du, Schulz?«

»Meinetwegen, ich mach mit.«

»Vesper vorbei!« brüllt Kube. »Wenn die Herren Beamten sich bemühen wollen!«

»Also es ist fest?«

»Ehrenwort!«

»Ehrenwort!«

»Gott, wie wird sich Lämmchen freuen«, denkt der Junge.

»Wieder für einen Monat Sicherheit.«

Sie gehen an ihre Waagen.

Es ist gegen elf, als Pinneberg nach Haus kommt. In der Sofaecke zusammengekuschelt, findet er schlafend Lämmchen. Sie hat ein Gesicht wie ein verweintes Kind, die Lider sind noch feucht.

»Oh Gott, bist du endlich da? Ich hatte solche Angst!«

»Aber warum denn Angst? Was soll mir denn passieren? Überarbeiten habe ich müssen, das Vergnügen habe ich alle drei Tage.«

»Und ich habe solche Angst gehabt! Hast du sehr Hunger?«

»Hunger noch und noch. Aber weißt du, es riecht so komisch bei uns.«

»Komisch, wieso?« Lämmchen schnuppert. »Meine Erbsensuppe!«

Sie stürzen gemeinsam in die Küche. Ein stinkender Qualm schlägt ihnen entgegen.

»Fenster auf! Rasch alle Fenster auf! Durchzug machen!«

»Sieh, daß du den Gashahn findest. Stell erst mal das Gas ab.«

Schließlich, etwas reinere Luft atmend, sehen die beiden in den großen Kochpott.

»Meine schöne Erbsensuppe«, flüstert Lämmchen.

»Irgendwas wie Kohlen.«

»Das schöne Fleisch!«

Sie starren in den Topf, dessen Boden und Wände von einer schwärzlichen stinkenden, klebrigen Masse bedeckt sind.

»Ich hab ihn um fünf aufgesetzt«, berichtet Lämmchen. »Ich dachte, du kämst um sieben. Damit das viele Wasser unterdes verkocht. Und dann kamst du nicht und ich kriegte solche Angst, und ich hab gar nicht mehr an den ollen dummen Pott gedacht!«

»Der ist auch hin«, sagt Pinneberg betrübt.

»Vielleicht kriege ich es wieder raus«, meint Lämmchen bedenklich. »Es gibt so Kupferbürsten.«

»Kostet alles Geld«, sagt Pinneberg kurz. »Wenn ich denke, was wir diese Tage schon für Geld veraast haben. Und nun alle diese Töpfe und Kupferbürsten und das Mittagessen – dafür hätte ich drei Wochen am Mittagstisch essen können. – Ja, nun weinst du, wo es doch wahr ist ...«

Sie schluchzt sehr: »Und ich gebe mir ja solche Mühe, mein Junge! Nur wenn ich solche Angst um dich habe, kann ich doch nicht an das Essen denken. Und hättest du nicht eine einzige halbe Stunde früher kommen können? Dann hätten wir den Gashahn noch rechtzeitig zugedreht.«

»Na ja«, sagt Pinneberg und packt den Deckel auf den Topf.

»Lehrgeld. Ich« ... er entschließt sich heldenhaft ... »ich mach auch manchmal Fehler. Darum brauchst du nicht zu weinen. – Und nun gib mir was zu essen. Ich hab so 'nen Hunger!«

Kleiner Mann was nun?

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