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Drei Betten, drei Schläfer, drei Söhne. Das könnte so etwas wie Reichtum sein – und der Vater hat das auch oft so empfunden. Aber heute nicht – heute nicht. Es ist nicht nur die dunkle Spur des Angsttraums in Hackendahl, es ist nicht nur das angeberische Geschwätz von Eva – Hackendahl steht auf der Schwelle und lauscht.

Lauscht ...

Hunderte, Tausende von Menschen hat er schlafen hören, laut und leise. Er kennt also dieses rasselnde, schwere, gaumige Atmen, er hat es gehört in den Kasernenstuben, hauptsächlich in den Sonnabend-, in den Sonntagsnächten, nach den Urlaubstagen – aber in dieser Stube, im Zimmer seiner Söhne hat er es noch nicht gehört.

Jetzt hört er es. Er steht und lauscht, durch den Kopf schießen ihm Evas Worte: Erich ist erst um eins nach Haus gekommen. Aber es braucht ihm keiner zu erklären, was ein betrunkener Schlaf ist, er hört das auch ohne Petzen ...

Er geht hastig auf Erichs Bett zu und bleibt wieder stehen. Jetzt sieht er nur noch den betrunkenen Sohn. Es wäre Anlaß genug, über die Art zu schelten, wie Heinz, der Jüngste, Bubi genannt, seine Kleider weggehängt hat. Oder dem Ältesten, dem vierundzwanzigjährigen Otto, begreiflich zu machen, daß der Vater wohl merkt, der Junge schläft nicht. Er tut nur so, viel zu regungslos liegt er im Bett.

Aber Hackendahl steht hilflos vor Zorn und Trauer an dem Bett seines Erich, seines heimlichen Lieblings, dieses raschen, frohen, hellen Jungen, klügeres Gegenstück zur Eva ... Zorn und Trauer, ach, der Junge tut nicht gut, er ist betrunken ... Er ist erst siebzehn, er geht in die Unterprima des Gymnasiums, Liebling seiner Eltern, Liebling der Mitschüler, Liebling der Lehrer – aber er ist betrunken ...

Der Vater steht gedankenverloren da, sein Fuß scharrt mit dem Bettvorleger herum, aber vielleicht ist es etwas anderes, gar kein Bettvorleger?! Jetzt hat er keine Zeit, nachzusehen, er muß in das Gesicht des Sohnes schauen, dieses geliebte Gesicht. Und er versucht, darin zu lesen ...

Aber es ist immer nur erst Dämmern in der Stube. So geht er an das Fenster und schlägt eine Ecke des Vorhangs zurück, damit das schon hellere Licht des Tages voll auf den Schläfer fällt ...

Dabei begegnet sein Blick einem anderen Blick, dem Auge seines ältesten Sohnes Otto, das ihn dunkel und ein wenig trübe anschaut. Zorn steigt in Hackendahl auf, als habe Otto ihn bei etwas Verbotenem ertappt. Er gibt ganz diesem plötzlichen Zorn nach, vor Otto kann man sich gehenlassen, Otto ist weicher Brei, weder Zorn noch Liebe scheinen einen merkbaren Eindruck in ihm zu hinterlassen. Der Vater hebt drohend die Faust, als wolle er ihn schlagen, er zischt im Flüsterton: »Stille biste! Willst du gleich wieder schlafen!«

Und sofort schließt der Sohn die Augen.

Einen Augenblick sieht der Vater noch in das blasse, weichliche Gesicht mit dem schütteren Bart. Dann wendet er sich wieder zu dem anderen Sohn zurück. Aber das kleine Zwischenspiel hat ihn verändert, er ist gewissermaßen nicht mehr allein im Zimmer, seit er weiß: Der Älteste ist wach. Mit dem ruhigen Nachdenken ist es vorbei, Zorn, Klage, Trauer sind verweht – es muß etwas geschehen ...

Es muß etwas geschehen!

Zuerst bückt er sich. Jawohl, er hat vorhin nicht darauf geachtet, aber er hat sie doch bemerkt, die betrunken verstreuten Kleidungsstücke. Das war kein Bettvorleger, auf dem er gestanden ... Er fängt an, die Kleider aufzusammeln.

Aus der Tasche der Weste gleitet etwas, leise klappernd fällt es zu Boden ...

Der Vater hängt erst die Weste ordentlich über die Stuhllehne. Dann hebt er den Schlüssel auf. Es ist ein ganz gewöhnlicher Schlüssel, ein kleiner Hohlschlüssel, wie man ihn für Schränke und Schubladen verwendet. Ziemlich neu noch, selbst im matten Licht meint der Vater, die Feilstriche am Bart zu erkennen ... Es ist eben kein Fabrikschlüssel, es ist ein vom Schlosser zurechtgefeilter Schlüssel, nichts Besonderes ...!

Der Vater steht so still, so still. Er hält dies Schlüsselchen in der Hand, er meint, die Zeit mit Sekunden und Minuten in den Ohren rauschen zu hören, sie fällt wie ein dichter Regen, sie löscht alle Geräusche aus, alle Geräusche des Lebens. Und das Leben selbst wird hinter diesen Schleiern grau und farblos und ferne ...

Nur ein Schlüsselchen ...

Nein, er sieht nicht mehr nach dem Bett des Trunkenen hin, es ist ihm auch gleich, ob Otto wach ist und ihn beobachtet. Im tiefsten Schmerz ist jeder unfaßbar allein. Nichts reicht mehr zu ihm ...

Mit schweren Füßen, wie über den Boden scharrend, mit Augen, die nur mühsam sehen, als seien sie halb blind, geht der Vater zur Tür, den Schlüssel vor sich in der Hand.

Diesen kleinen Schlüssel!

Der eiserne Gustav

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