Читать книгу Mörderische Côtes d'Armor - Hans-Georg van Ballegooy - Страница 5
t eil 1: MÄRZ 1909
ОглавлениеKapitel 1: Bretagne – Côte d'Ajoncs
Advocat Lou Cadet blinzelte eine Träne weg, als er sah, wie sein kleines Château bis auf die Grundmauern niederbrannte. Stundenlang hatten die Gewitterblitze sein Anwesen zunächst in gespenstisches Licht getaucht. Heftige Donnerschläge hatten die Luft, das Gemäuer und die Felsen im Umkreis erzittern lassen. Dann war mindestens einer dieser überdimensionalen Energieladungen wie tausende von Geschützfeuern in das Türmchen über seinen Lieblingserker herabgesaust, und das Unheil hatte seinen Lauf genommen. Selbst die sintflutartig niedergegangen Regenmassen hatten dem Fortschreiten der Feuersbrunst keinen Einhalt gebieten können.
Cadet stand an der nördlichsten Spitze der Halbinsel Plougouskant und schüttelte ungläubig den Kopf. Inzwischen zog das Gewitter aufs Meer hinaus. Der letzte Blitz hatte die südwestlichen Strände der vorgelagerten Doppelinsel Enez Terc'h kurz angestrahlt. Cadet hätte von der Gewalt des Unwetters fasziniert sein können, wenn es nicht sein Schlösschen getroffen hätte. Nun blieb nur noch Betrübnis, Jammer, Schwermut – wobei sich die absolute Verzweiflung Cadets in Grenzen hielt.
Zum einen wusste er um die Entschädigung, die er von seiner Versicherung zu erwarten hatte und den Verlust seines Besitzes mildern würde.
Zum anderen war er nicht zur Gänze obdachlos. Er blickte zum einige hundert Meter westlich gelegenen Häuschen zwischen den Felsen, in das er geflohen war. Hierhin hatte er sich schon immer gerne zurückgezogen – nicht zuletzt, wenn er sich in eine seiner Gerichtsakten zu vertiefen hatte. Jetzt war dieses kleine Reich, das er von einem älteren ehemaligen Zöllner erworben hatte, zu seinem vorübergehenden Zufluchtsort geworden. Ein hübsches Heim, das eingezwängt von einigen Felsmassiven dem Orkan unbeschadet standgehalten hatte.
Und zum Dritten glaubte Lou Cadet seine Gattin, die er erst vor wenigen Monaten geehelicht hatte, in Sicherheit zu wissen. Sie bezog bereits die Wohnung in der Nähe der Pulverfabrik unweit der Festungsruine auf der Île-aux-Moines. »Enez ar Breur«, murmelte er den bretonischen Namen dieser Insel. Dort, wo man sich auf die Produktion explosiver Baumwolle zur Herstellung von Granaten spezialisierte.
In der Ferne glaubte er das weiße Licht des Phare des Sept-Îles zu erkennen. Des einzigen und erst vor rund zwanzig Jahren erneuerten Leuchtturms im Archipel der Sieben Inseln. Der Leuchtturm, der sich wie die Fabrikhallen nur wenige hundert Meter von der Festungsruine entfernt befand, von der aus man früher versuchte hatte, der Piraterie und dem Schmuggel Einhalt zu gebieten.
Fügung, Schicksal oder Vorsehung einer höheren Gewalt?, ging es dem Anwalt durch den Kopf, dem der Abschied vom Festland nun vielleicht leichter fallen könnte.
In wenigen Wochen würde er die Position des Fabrikdirektors von dem Baumwollwerk und der angrenzenden Pulvermühle übernehmen. Das stand bereits fest.
Ein letztes Mal schaute Lou Cadet zurück. Es war nur noch eine Pointe du Château übriggeblieben.
Sinnierend stapfte er zu seinem Maison de l'amitié. Haus der Freundschaft, hatte er es zwar genannt, doch diese Zufluchtsstätte kannte bisweilen nur er. Irgendwann würde er sie auch anderen Bekannten oder Verwandten zugänglich machen, war sein Vorhaben. Dann sollte sie ihrem Namen alle Ehre machen und tatsächlich ein Ort der Freundschaft werden. Doch vorerst sollte das Haus sein persönliches kleines Reich bleiben. Sein Eigen. Dieses so hübsch gelegene Zöllner-Häuschen. Geborgen zwischen den Felsen