Читать книгу The Motherripper - Hans Günter Hess - Страница 5

Sehnsüchte

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Die nächsten Tage verliefen trostlos. Unruhig, wie ein gehetztes Tier, stahl er sich durch die Gassen von Versteck zu Versteck. Die Last der Einsamkeit nahm besonders zu, wenn er in der Nähe des Kellerverschlages vorbei schlich. Neuerdings streifte dort ein uniformierter Wächter, mit ihm wollte er nichts zu tun haben. Am liebsten blieb er im Hafen, hier herrschte reges Treiben. Schiffe kamen mit der auflaufenden Flut und fuhren mit der ablaufenden hinaus aufs Meer. Wenn einer der vielen Windjammer auslief, packte ihn das Fernweh. Dann schwand auch die bedrückende Einsamkeit. Weit nach draußen, hinter den Horizont, wanderte dann seine Sehnsucht. Dort, von einem fremden Land, das er nicht kannte, erwartete er ein besseres Leben. Seit einiger Zeit tauchten Segler mit riesigen Schornsteinen auf. Steuer- und backbordseitig schaufelten große Räder das Wasser nach achtern und trieben diese Schiffe auch ohne Wind vorwärts. Der ausgestoßene Qualm zog bei jeder auflandigen Brise in das Hafenviertel und verpestete die Luft. Fiedje hustete, wenn ihn eine Rauchwolke einhüllte. Er mochte diese neuartigen Pötte nicht, die man auch Dampfer nannte. Noch ahnte er nicht, dass ausgerechnet auf so einem aus Eisen bestehenden und fauchenden Monstrum sein Schicksal besiegelt werden sollte. Nach einiger Zeit, es mochten wohl zwei Wochen her sein, winkte ihn Jenny heran. „Heff tauhürt, dien Moder is doot.“„Mm.“ „Un wat maakt?“ „Will up Schipp, heff keen tohus.” „Weit schon, wecker se koltmaaken hadd?“ „Woll en Hurenbuck.“ Fiedje begann erst jetzt zu ahnen, dass der Mord an seiner Mutter bereits überall in der Umgebung einen heftig diskutierten Gesprächsstoff bereitstellte und sogar den Zeitungen Schlagzeilen lieferte. Wie sollte er auch sonst auf die Gespräche und Meldungen in den Gazetten aufmerksam werden, wenn er sich ständig verstecken musste. Lesen konnte er ohnehin nicht. Jenny zupfte ihn mit viel sagender Miene an seinem schlappernden Ärmel, bevor sie in das vornehmere Hamburger Deutsch umschwenkte: „Kannst dich noch an den Suffkopf erinnern, der unter den Fischbänken an seinem Ausgekotzten erstickt ist?“ „Jau!“ „Brauchst keine Angst zu haben wegen der Hilfe.“ Fiedje verstand nicht. Ihm war unbewusst, dass er seinerzeit von ihr beobachtet, dem stockbesoffenen Matrosen keinen Beistand leistete. „Hadd jämmerlich krüchelt un wer bläudig.“ „Siehst‘!“, unterbrach ihn Jenny, „Der hat’s verdient, hat nämlich deine Mutter umbracht.“ „Is gaut, de wer ümmer bös tau mi.“ „War aber deine Mutter!“ „Hadd mi nur anblafft un slaan. War nur mit Kierls gaut, wenn se betahlen. Bastard hadd se mi heiten, wullt mi nich hebb.“ „Und jetzt?“ “Will up Schiff, up See, wech von Hamborg.” Jenny bat ihn, eine Weile zu warten. Zurückgekommen, überreichte sie ihm einen vollen Seesack und etwas Essbares. „Hier sind Lumpen drin. Nimm was dir passt, den Rest bringst wieder!“ Dann verschwand sie wie meistens. Fiedje erkannte sofort die Gefahr, die in dem unverhofften Besitz steckte. Opfer anderer Habenichtse wollte er nicht werden, deshalb spähte er sofort nach einem sicheren Versteck in der Umgebung. Die Verwandlung in einen ordentlich gewaschenen und gekleideten jungen Kerl beabsichtigte er am andern Morgen zu vollziehen. Fest an den Sack geklemmt, fantasierte er während der ganzen Nacht in der abseits gelegenen Schanzenecke von einem Leben als zukünftiger Pfeffersack. Doch zunächst musste er raus in die Welt, von der er sich auch Reichtum erträumte. Das ging nur als Seemann. Die riechen nach Meer, sagte sein naiver Verstand.

The Motherripper

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