Читать книгу Der Hanseschatz von Lübeck - Hans-Joachim Schmidt - Страница 5
Tödliche Bekanntschaft?
ОглавлениеLübeck machte abermals einige Tiefen mit, als da wären die Pest und die vermehrten Überfälle auf See und auf dem Land. Auch der Handel unterlag diesen Ereignissen, kam aber nie zum Erliegen.
Die Bußumzüge erinnern noch heute an diese todbringende Zeit der Pest.
Alois Menssen, mittlerweile 40 Jahre alt, hatte sich ebenfalls, wie sein Vater schon, einen guten Namen als Kaufmann gemacht und somit das Erbe der Familie hoch gehalten. Und auch er hat 6 Kinder.
Alois Menssen war sehr gut mit dem Kaufmann Sivert Veckinchusen (auch Veccinghusen) befreundet. Auch zu seinem Bruder Hildebrand, der ebenfalls Kaufmann war, pflegte er guten Kontakt, allerdings nicht so eng wie mit Sivert, weil Hildebrand sehr oft seinen Wohnsitz wechselte.
Beide, Hildebrand und Sivert zählten Ende des 14. bis Mitte des 15. Jahrhunderts zu den angesehensten Kaufleuten der Hanse.
Jene Brüder haben die Geschichte Lübecks und die der Hanse sehr beeinflusst. Der anfangs in Brügge lebende Hildebrand Veckinchusen ließ sich, wie sein Bruder einige Jahre zuvor, ebenfalls in Lübeck nieder. Hildebrand zog es nicht allein wegen seines Bruders, sondern auch wegen der Pest der er entfliehen wollte nach Lübeck.
1397 heiratete Hildebrand die fünfzehnjährige Margarethe Witte, Tochter einer Kaufmannsfamilie aus Riga. Es sollte, so dachte er, eine Geschäftsheirat mit der 20 Jahre jüngeren Margarethe sein, wobei es um eine gute Mitgift und exzellente Kontakte zu livländischen Handelsfamilien ging. Aber es wurde mehr aus der Ehe, nicht zuletzt weil Margarethe wunderschön war - eine große Liebe. Er soll fortan mit etwa 1000 Handelspartnern Geschäfte getätigt haben.
Zwölf von dreizehn seiner Handelsbücher und über 500 Briefe an und von Hildebrand Veckinchusen sind heute in Tallin, dem ehemaligen Reval, der Hauptstadt Estlands aufbewahrt.
„Totentanz“ in der St. Marienkirche zu Lübeck zu sehen
Hildebrand wird 1393, als er noch in Brügge ansässig war und 1398, nach sehr kurzer Zeit, durch seinen Erfolg als Kaufmann, zum Comes Hansea (Konsul der Hanse) des Hansekontors Brügge berufen. Mit dieser Berufung hatte er auch die verantwortungsvolle Aufgabe im Streitfall mit den Ratsmitgliedern zu verhandeln und darauf zu achten, dass die von der Stadt eingeräumten Privilegien gewährt wurden. Zum Comes Hansea wurde ebenfalls sein Bruder Sivert 1399 ernannt.
Brügge war das finanzkräftigste Kontor und eines der 4 Kontore der Hanse. Brügge war zudem im Mittelalter der Welthandelsmarkt. Es war für die deutschen Händler das Tor nach Venedig und zum Orient. Jetzt war es möglich an Waren wie z. B. Pfeffer, Safran oder hochwertige Seide zu kommen, was den Kaufleuten Lübecks zuvor verwehrt blieb.
In Brügge wurde übrigens vor über 700 Jahren die Börse „erfunden“ durch die Kaufmannsfamilie Buerze. Jenes Gründerhaus steht noch heute.
Das Haus der Börse in Brügge
Hildebrand Veckinchusen um 1392
Hildebrands weitere Handelsgeschäfte waren durch Streitigkeiten mit russischen Kaufleuten, Räuber zu Land und vor allem durch die Aktivitäten der Piraten zur See bedroht. Immer wieder überfielen Freibeuter, wie sie auch genannt wurden, seine Hanseschiffe.
Sehr zum Ärger von Veckinchusen und Alois Menssen eroberten die Piraten abermals Visby und machten daraus ein Piratennest.
Nicht nur, dass die Piraten jetzt wieder eine ideale Ausgangsposition für ihre Kaperfahrten in der gesamten Ostsee hatten. Ein weiteres Ärgernis war, dass die Warenströme der Hanse versiegten und die Kaufleute sich ihrer Arbeit beraubt sahen.
Die Rettung sollte jetzt der Deutsche Orden, Schild und Schwert der Hanse, bringen, so die Hoffnung der Kaufleute. Denn der Deutsche Orden verdiente ganz gut an den Geschäften mit den Hansestädten. Allein aus der Tatsache heraus, dass dem Orden einiges an Verdiensten verloren ging, war ihnen das Piratenpack ohnehin ein Dorn im Auge.
Hochmeister Konrad von Jungingen selbst schiffte sich 1398 mit einem riesigen Aufgebot an Rittern in Gotland ein, um die Piraten aus Visby zu verjagen. Mit ihren übermächtigen Landkämpfen hatten sie Erfolg und eroberten Visby zurück.
Störtebeker und seine Gefolgsleute erfuhren von diesem Gemetzel zwischen den Piraten und dem Deutschen Orden und machen sich unverrichteter Dinge vom Acker -Richtung Nordsee.
Jetzt wurde die Nordsee zur „Mordsee“.
Dieser Sieg brachte das Geschäftsleben der Kaufleute, vor allem denen aus Lübeck, wie den Menssens und Veckinchusens, wieder in Schwung.
Trotz der Niederlage der Piraten gegen den Deutschorden kamen die Piraten Hildebrand Veckinchusen und seinen Geschäften immer näher. Piraten gefährdeten jetzt auch die Handelsrouten nach Brügge und London, jene, die er sehr erfolgreich bediente.
Einer der Seeräuber war der gefürchtete Klaus Störtebeker. Er war der Schrecken der Meere schlechthin. Piraten seines Schlages gab es einige. Wie z. B. Gödeke Michels, Henning Wichmann und Klaus Scheld. Aber nur Störtebeker brachte es zu Ruhm und ging somit in die Geschichte um die Hanse ein.
Störtebeker und seine Mannen die sich an der friesischen Küste, im Friesenbogen, festgesetzt hatten, überfielen Veckinchusens Koggen, die mit Waren auf dem Seeweg von Riga nach Brügge unterwegs waren. Trotz heftigen Widerstands durch die angeheuerten Söldner, verlor er zwei Mal hintereinander Kogge und Ladung.
Störtebeker entwickelte sich vom anfänglich legalen Kaperfahrer zum Seeräuber. In dieser Funktion als Seeräuber nannten er und seine Leute sich Vitalienbrüder.
Kaperfahrer waren jene Seeleute, die ursprünglich im Auftrag der Obrigkeiten ein Patent erhielten, welches sie berechtigte in Kriegszeiten feindliche Schiffe anzugreifen, zu kapern. Ein Seeräuber dagegen, wie eben Störtebeker, hatte, nachdem die Kriege beendet waren und ihnen die Lizenz zum Kapern entzogen wurde, keinen Verdienst mehr und handelte ab sofort auf eigene Rechnung, als Seeräuber.
Piraten überfielen tatsächlich alles was eine fette Beute versprach und dazu gehörten immer wieder die Koggen der reichen Kaufleute, wie eben die von Veckinchusen.
Um ihre Ziele möglichst effektiv zu erreichen, setzten sich die Seeräuber abermals auf der Insel Gotland fest. Mit dieser Besetzung behinderten sie nun den gesamten Ostseehandel. Mittlerweile war die Piratenflotte so groß, dass es irgendwann unmöglich war, unbehelligt die See zu durchkreuzen.
Gestärkt wurden die Vitalienbrüder von Herzog Albrecht I. von Bayern und dem Grafen von Holland und Hennegau durch einen im August 1400 beurkundeten Vertrag. Sie stellten mit diesem Vertrag 114 Vitalienbrüder unter ihren Schutz.
Mit diesem verbrieften Schutz engten sie den Seeweg nach England und Holland und somit den Handel ein, was vor allem die Hamburger Kaufleute betraf. Um diesen Piraten, vor allem dem gefährlichsten unter ihnen, Störtebeker, das Handwerk zu legen, machte man mobil. An vorderster Front der Mobilmachung stand die Hansestadt Hamburg. Obwohl sich genug Söldner für diesen Einsatz meldeten, bestand Alois Menssen darauf, im Gegensatz zu den Veckinchusen Brüdern, die sich während dieser Zeit nach Brügge abgesetzt hatten, freiwillig an dem Einsatz gegen die Freibeuter teilzunehmen. Sein Freund, der Hamburger Ratsherr Herrmann Lange, nahm sein Angebot gern an. Aber nur, wenn er während des Kampfes direkt an seiner Seite bliebe.
Die Zerschlagung der Piraten sollte von Erfolg gekrönt werden. Im April 1401 wurde Klaus Störtebeker von jenem Verband Hamburgischer Friedekoggen, das waren die Kriegsschiffe zu der Zeit, die vor allem gegen Seeräuber vorgingen, unter der Führung der Hamburger Ratsherren und Englandfahrer Nikolaus Schocke und Hermann Lange vor Helgoland gestellt. Störtebekers erbitterter Kampf brachte ihm und seine Anhängern nichts. Er und seine Crew wurden gefangen genommen und auf der Bunten Kuh, einer Schnigge, auf der auch Alois mitsegelte, über die Elbe nach Hamburg verbracht.
Eine Schnigge war ein flaches, offenes und meist schnelles Segelschiff, welches als Führungsschiff der hansischen Flotte diente.
Böse Zungen behaupten, so jedenfalls die Legende, dass die Festnahme Störtebekers nur möglich war, weil er von einem seiner Piratenfreunde verraten wurde. Er sabotierte die Steueranlage seines Schiffes und machte es somit manövrierunfähig. Das soll die „Bunte Kuh“ ausgenutzt haben und zerstörte daraufhin Störtebekers Hauptmast.
Als man Alois Menssen nach der Saga befragte, konnte er das so nicht bestätigen.
Noch im selben Jahr wurden Störtebeker und 72 seiner Gefährten, auf dem Grasbrook (heute Hafencity) vor Hamburgs Hafeneinfahrt enthauptet. Im Beisein der Crew der glorreichen Flotte, die ihn zur Strecke gebracht hatte.
Dort steht eins der Denkmäler von Störtebeker.
Klaus Störtebeker als Denkmal in Marienhafe, Landkreis Aurich, Marktplatz.
Um diese Enthauptung und dass er das Leben 12 seiner Gefährten gerettet haben soll, ranken sich viele Legenden.
Anderen Quellen zu Folge soll Störtebeker aber der Hinrichtung entkommen sein.
Der Vollständigkeit halber muss Folgendes hinzugefügt werden, was vielleicht nicht jedem gefallen wird.
Neuesten Erkenntnissen zufolge soll Störtebeker gar kein Seeräuber gewesen sein, sondern ein Kaufmann und Kapitän, namens Johann Störtebeker aus Danzig. Ein Störtebeker mit dem Vornamen Klaus ist in keiner Quelle der Archive auch nur erwähnt.
Wie kam es nun zu jenem „Klaus“?
Herman Korner (1365-1438), ein Söldnerführer und Geschichtsschreiber, verfasste als Lübecker Chronist die „Chronica Novella“ in der er einen Klaus Störtebeker erwähnte.
Der Gelehrte, Geistliche, sowie Syndicus (Jurist) und Diplomat Albert Krantz (1448-1517), der im Auftrag der Hansestädte Lübeck und Hamburg agierte, hatte diesen Namen in seiner Wandalia (Geschichte der Vandalen) weiter verbreitet.
Nichtsdestotrotz wird der Mythos um Klaus Störtebeker weiter leben.
Und um es abzurunden, der Stadtteil Buntekuh in Lübeck geht übrigens nicht auf das Schiff „Bunte Kuh“ zurück. Buntekuh geht auf einen Hof (um 1680) zurück, auf dessen Gebiet ein Krug gefunden wurde, der diesen Namen trug.
Nach der gewonnenen Schlacht traf auch Hildebrand Veckinchusen wieder in Lübeck ein und wurde zu den Gründen seiner Abwesenheit befragt. Er erklärte, dass er und sein Bruder wegen wichtiger Geschäfte nach Brügge beordert wurden. Zufrieden mit dieser Antwort verzieh man ihm.
Hildebrand wurde noch im selben Jahr Mitglied der „Gilde der Schiffer“, die im Dezember 1401 ins Leben gerufen wurde. Sinn und Zweck dieser Gilde ist folgenden Worten aus der Gründungsurkunde zu entnehmen: „Zu Hilfe und Trost der Lebenden und Toten und aller, die ihren ehrlichen Unterhalt in der Schifffahrt suchen“.
Nun, in seiner Gier nach allem, riskierte Hildebrand Veckinchusen auch alles und hatte zunächst großen Erfolg. Zu seiner bevorzugten Handelsware gehörten Pelze aus Nowgorod. Die kaufte er, trotz Betrugsvorwürfen, zu Hunderttausenden preiswert ein und verkaufte sie zu Höchstpreisen in Italien weiter. Er verdiente wirklich gut an den Pelzen, aber das reichte ihm nicht mehr aus. Da kam ihm die Idee, seine Pelze ohne Zwischenhändler an den Mann zu bringen, da diese seiner Meinung nach nur seine Einnahmen schmälerten. Diesen Vorschlag besprach er mit einigen einflussreichen Kaufleuten, um sie für sich und seine Idee zu begeistern. Aber sie waren dagegen den Seeweg ohne Schutz zu bewerkstelligen, eben wegen der unruhigen Zeiten. Er gab ihnen recht, was den Seeweg betraf, auch weil er einfach zu lang war. Er plädierte für den kürzeren Landweg über den Brennerpass um Italien zu erreichen. Aber auch das wurde wegen des noch höheren Risikos verworfen. Aber Veckinchusen konnte die skeptischen Kaufleute mit dem Argument der Gewinnmaximierung überzeugen. Am Ende des Gespräches schlossen sich zwölf der zwanzig Kaufleute zur Venedischen Gesellschaft zusammen.
Die Venezianer konnten sich die teuren Pelze aus Nowgorod leisten.
Um den Markt in Venedig mit Pelzen nicht zu überschwemmen, hielt Veckinchusen seine Waren dezent zurück. So glaubte er den Preis der Pelze kontrollieren und anheben zu können, je nachdem was gerade notwendig war. Und die Venezianer zahlten wirklich jeden Preis den Veckinchusen aufrief.
Venedig soll zu der Zeit das reichste Volk der Welt gewesen sein. Sie säten und sie ernteten nicht, trotzdem waren sie wohlhabend. Allein der Handel soll sie reich gemacht haben. Venedigs Schiffe beherrschten das Mittelmeer und die Wege ins Morgenland.
Der Handel mit den Venezianern versetzte Hildebrand Veckinchusen in einen Rausch. Um dort richtig zuschlagen zu können, lieh er sich unter anderem von seinem Schwiegervater Engelbrecht Witte sehr viel Geld.
Er handelte von nun an auch mit Safran und anderen Gewürzen. So z. B. mit Seide und Weihrauch oder auch mit Pfeffer, welcher im Mittelalter tatsächlich mit Gold aufgewogen wurde. Die Schätze aus dem Orient sollten fortan auch deutsche Kaufleute reich machen.
Veckinchusens Handelsgeschick sprach sich herum, was andere Kaufleute ebenfalls dazu anregte dort einzusteigen. Auch Alois Menssen stieg in den Pelzhandel ein. Zunächst erfolgreich. Mit der Zeit nahm die Zahl an Kaufleuten in diesem Bereich allerdings zu. Jeder der eine Kogge und Geld hatte war auf dem Weg nach Nowgorod, um die begehrten Pelze zu bekommen. Dadurch fielen die Preise und Veckinchusen verspekulierte sich, speziell was seine Pelze anging. Die lagerten jetzt zu Tausenden in Lagerhallen. Menssen und sein Bruder Sivert rieten ihm, mehr als einmal, vom Pelzhandel Abstand zu nehmen. Aber er hatte kein Ohr dafür.
Der Einbruch seiner Geschäfte, der unweigerlich kommen musste, machte Veckinchusen arg zu schaffen, wie auch die wieder andauernden Überfälle auf See und zu Land. Und nicht nur das, auch der Niedergang des Deutschen Ordens hatten Auswirkungen auf seinen Handel.
Nach der Unterwerfung durch den Deutschen Orden passte sich das Volk der Prußen (Pruzzen), ein baltischer Volksstamm, an. Und wurden zu einem florierenden Unternehmen. Diese Expansion wollten die Nachbarländer Polen und Litauen unterbinden. Dadurch geriet Hochmeister Jungingen immer mehr in den Konflikt beider Länder. Auf der Marienburg bei Malborg (Polen), etwa 60 km von Danzig entfernt, dem Hauptsitz des Deutschen Ordens, herrschte nun Krisenstimmung. 1410 war dann ein Krieg nicht mehr abzuwenden. Die verlorene Schlacht bei Tannenberg besiegelte den Ritterorden, bei der Hochmeister Jungingen fiel.
Diese Niederlage hatte gravierende Auswirkungen, auch auf die Hanse.
Zur Untätigkeit im Handel verdonnert, versuchte Hildebrand Veckinchusen sich mit abermals fremden Geldern über Wasser zu halten. Auch seinen Bruder, der ihn anfangs unterstützte, bat er wiederholt um Unterstützung. Der kam seiner Bitte nach. Im Gegensatz zu Alois Menssen. Dieser verwehrte ihm eine finanzielle Spritze und begründete seine Entscheidung mit Veckinchusens Uneinsichtigkeit.
Nachdem ihm Menssen jegliche Unterstützung verweigerte, fragte Hildebrand ihn: „Sag mal, stimmt das, dass über eurem Haus und eurer Familie ein Fluch hängen soll?“
„Das ist nur eine Mär, Hildebrand, da ist wirklich nichts dran.“
„Und was hat es mit dem Familienschatz auf sich? 1418 hat mir der Bürgermeister Konrad Brekewoldt davon erzählt.“
„Hildebrand, du musst wirklich nicht alles glauben, was dir ein Bürgermeister erzählt, denn die wissen auch nicht alles und sind vielmehr auf den Tratsch der Bevölkerung angewiesen.“
„Alois, ich möchte es kurz machen, kannst du es dir nicht doch noch überlegen und mir etwas unter die Arme greifen? Ich wäre auch bereit, als Gegenleistung mein Lager zu öffnen und dir einige Hundert teure Pelze zu geben.“
„Es tut mir aufrichtig Leid. Aber alles Geld für dich ist verschwendetes Geld und wird wohl auf eine Rückzahlung vergebens warten müssen. Hildebrand, es kommt wirklich „Holz in den Wald tragen“ gleich.“
„Na ja, jetzt kann ich es irgendwie nachvollziehen. Aber eine Frage habe ich dennoch bevor ich gehe. Warum bist du weder im Rat noch irgendwo anders dabei, obwohl du einen guten Leumund hast, der dir alle Türen öffnen würde, wenn du es nur wolltest?“
„Hildebrand, ich habe Familie und ein gutes Geschäft, das füllt mich aus. Außerdem sollte man das machen, was man am Besten kann und nicht einfach nur glaubt, es zu können, nur um Ansehen zu erlangen.“
Schweigend, mit gesenktem Kopf verließ Veckinchusen das Gespräch.
Während der Zeit, in der Veckinchusen bis über beide Ohren in Geldsorgen steckte, zog er zunächst nach Köln und wieder zurück nach Brügge, seiner Heimatstadt. Seine Frau Margarethe blieb indes in Lübeck zurück. Letztlich überschuldete sich Vechinchusen maßlos.
Eine letzte Ware sollte seine missliche Lage zum Positiven verändern. Es war das Salz und das Monopol darauf, dem er sich zuwendete. Auch dieses Geschäft blieb, wie alle seine anderen Bemühungen Geld zu machen, erfolglos.
Um seinen Gläubigern zu entkommen, zog er wieder nach Brügge. Hier hing er zahlungsunfähig fest und wurde wenig später wegen fehlender Liquidität eingesperrt.
Nach drei Jahren wurde er aus der Gefangenschaft aus dem Schuldturm entlassen. Auf dem Seeweg nach Lübeck zu seiner Familie verstarb er 1426.
Sivert überlebte seinen Bruder um fünf Jahre.
Auch Alois starb, drei Jahre nach Sivert als wohlhabender Kaufmann. Er gab das Geheimnis des Familienschatzes an seinen Sohn Hermann weiter.
Hermann Menssen übereignete den Familienschatz wiederum seinem Sohn Friedrich, der sich schon in jungen Jahren als ausgebuffter Kaufmann bewährte.
Letzte Seite eines Briefes Veckinchusens an seine Frau. Aus dem Schuldturm heraus geschrieben.
Gegen Ende des 15. und Mitte des 16. Jahrhunderts sollten abermals mehrere Ereignisse die Hansestadt Lübeck und seine Bewohner erschüttern.
Durch die Entdeckung Amerikas (1492, Christoph Kolumbus) kamen Konkurrenten, die die Bedeutung der Hanse und die der Kaufleute schwächten.
Mit Verlagerung des Außenhandels nach Übersee verlor die Hanse zunehmend an Bedeutung. Aufgrund ihrer Monopolstellung sahen die Ratsherren keinen Anlass sich den Neuerungen gegenüber zu öffnen. Das Resultat daraus war, dass die Zahl der Mitgliedsstädte drastisch schwand. Eine wachsende Mitgliederzahl wäre zu den damaligen Verhältnissen eher angebracht gewesen, schon um die militärische Macht und das Städtebündnis der Hanse zu erhalten, denn noch immer herrschten Unruhen um die Vormachtstellung Lübecks im Ostseeraum.
Und Mitte des 16. Jahrhunderts (1563-1570) tobte ein nordischer, siebenjähriger Krieg. Lübeck und die Dänen führten einen ehrenvollen, aber letztlich erfolglosen Seekrieg gegen Schweden.
Jürgen Wullenwever
Jürgen Wullenwever, Sohn einer Hamburger Kaufmannsfamilie und selbst Kaufmann, allerdings war sein Handeln von nur mäßigem Erfolg geprägt, war schon seit seiner Jugend sehr an Lübeck und seiner Geschichte interessiert und aus dieser Liebe heraus 1525 von Hamburg nach Lübeck gezogen.
Was er vertrieb oder womit er handelte, konnte nicht genau fest gemacht werden, aber er war wohlhabend, was ihm einige Türen öffnete.
Hier in seiner neuen Heimat spielte er sich gern als allwissend auf, als einer, der das Rad neu erfunden hatte.
Die Bürger Lübecks ließen sich von seinen Ideen und Vorstellungen blenden, nicht zuletzt, weil er einige kleinere Vorhaben aus eigener Kasse finanzierte. Bestechung einflussreicher Personen, um seine Ziele erfüllt zu sehen, war nur eines seiner Vorhaben. Allerdings war er auch ein sehr guter Rhetoriker, wodurch er seine Ansichten sehr überzeugend darlegen konnte. Er wurde 1533, im zweiten Wahlgang, zum Bürgermeister von Lübeck gewählt.
Zur gleichen Zeit 1533 wurde auch Ludwig Taschenmaker zum Bürgermeister ernannt. Dieser trat allerdings, durch Wullenwevers Aussagen belastet, während der Verhöre durch Herzog Heinrich II. von Braunschweig-Wolfenbüttel 1535, zurück. Er starb 3 Wochen später.
Was war passiert?
Seit Mitte der 1520er Jahre kam es im Zuge der Reformation in Lübeck zu Unruhen. Das veranlasste die Bürger, einen Bürgerausschuss ins Leben zu rufen, der je zur Hälfte aus Kaufleuten und Handwerksmeistern bestand.
Wullenwever wurde 1530 ebenfalls in diesen Ausschuss gewählt, obwohl er weder Bürgerrecht noch Grundbesitz in Lübeck besaß. Aber als guter Lutheraner und überzeugender Redner hatte er es doch geschafft.
Schnell stieg er durch seine Redegewandtheit zum Wortführer auf.
Derzeit sah es so aus, dass Lübecks Vormachtstellung als Handelsmacht in der Ost- und Nordsee gefährdet war, weil niederländische Kaufleute immer wieder das Marktrecht Lübecks unterwanderten, indem sie die Städte im östlichen Teil der Ostsee direkt ansteuerten.
Sie hielten sich nicht an den „Lübecker Stapel“, der der Stadt das Recht einräumte, dass durchziehende Kaufleute ihre Ware in Lübeck abladen, stapeln und anbieten mussten. Hierdurch entgingen der Stadt Zölle und Umschlaggebühren, wodurch Lübeck natürlich zuvor zu Reichtum gelangte. Diese Situation und dass Friedrich I. nicht bereit war, der Stadt Lübeck als Lohn für seine Hilfe bei der Gefangennahme Christian II., 1532, die Sundschlösser zu überlassen, machte die Bürger Lübecks ärgerlich.
Dieser Groll der Lübecker Bürger war es, der Jürgen Wullenwever veranlasste, im Zuge seines Amtes als Bürgermeister und um sich endlich beweisen zu können, auch mit militärischen Mitteln, die alte Vormachtstellung im Ostseeraum wiederherzustellen und die Grafenfehde zugunsten Lübecks entscheidend zu beeinflussen.
So kam es, dass sich Wullenwever in seinem Amt als Bürgermeister mit seinen Vorstellungen durchsetzte. Nur was die militärischen Belange anging, stieß er immer wieder auf Gegenworte. Für diese seine Vorstellung gab es kaum Fürsprecher.
Wullenwever spielte im Bürgerausschuss seine ganze ihm zu Verfügung stehende Macht aus. Jetzt endlich, wenn auch ungebeten, konnte er sich in militärische Belange einmischen. Nur, beim bloßen Einmischen blieb es nicht. Durch diesen Teilerfolg ermutigt, riss er jetzt jede militärische Verantwortung an sich, was im Endeffekt seiner Gesundheit nicht dienlich war.
Sein Beschluss durch Kaperfahrten die Niederländer aus der Ostsee zu vertreiben, fand anfangs eben wenig Anklang, eben weil ihm niemand militärisches Geschick zutraute. Um diesen seinen Geniestreich zu bewerkstelligen, verlangte er volle Zustimmung vom Bürgerausschuss, die ihm nach etlichen Diskussionen und eigenem Machtgehabe dann doch anstandslos zugesichert wurde.
Zur Finanzierung seines militärischen Abenteuers griff Wullenwever jetzt nicht mehr in seinen eigenen Geldbeutel.
Er verlangte von der Stadt für die Kosten aufzukommen. Aber der Bürgerausschuss sah keine Möglichkeit finanzielle Mittel aufzutreiben.
Um wegen des fehlenden Geldes seinen Plan nicht schwinden zu sehen, schlug er vor den Kirchenschatz von Lübeck einzuschmelzen.
Dieser Vorschlag stieß erst recht auf Unverständnis und war nicht realisierbar unter den streng Gläubigen. Schließlich kam er mit seinem Vorschlag aber doch durch, weil er nämlich damit argumentierte, dass es sich bei den einzuschmelzenden Kirchenschätzen lediglich um konfiszierte Kirchenschätze, also Beutestücke, handelte und nicht um jene, die seit Jahrhunderten zu Lübecks Erbe selbst gehörten.
Letztlich kam es so, wie es sich Wullenwever ausmalte. Das Geld für den Kaperkrieg kam vorwiegend aus den Einschmelzungen.
All seine Bemühungen waren umsonst - er versagte dramatisch.
Was er auch anfasste oder befehligte war oft nicht nur im Ansatz, sondern letztlich auch in den Ausführungen zum Scheitern verurteilt. Durch seine Aktionen kam fast der gesamte Handel zum Erliegen. Dies könnte auch die fehlende Bereitschaft der Nachbarstädte begründen.
Aufgrund des Unvermögens Wullenwevers, in Planung und Ausführung, war die Talfahrt Lübecks nicht mehr aufzuhalten. Nun war Lübecks Zeit als „Königin der Hanse“ endgültig vorüber. Und auch die Bedeutung der Hanse schwand.
Wullenwever musste wegen seiner unzähligen Fehlentscheidungen sein Amt abgeben und 1535 die Stadt Lübeck verlassen.
Der begehrte Bürgermeisterstuhl von St. Marien zu Lübeck.
Der Erzbischof von Bremen, Baldwin II. von Wenden, erfuhr von diesem für ihn nicht zu ertragendem Ereignis. Primär erzürnte ihn, dass Wullenwever für seinen Misserfolg Kirchenschätze einschmelzen ließ. Dabei war es ihm egal, um was für Kirchenschätze es sich handelte. Allein die Tatsache, dass er Kirchenschätze unwiederbringlich zerstörte und das auch noch für ein Unterfangen, welches scheitern musste, machte ihn rasend. Er erkundigte sich nach Wullenwever und seinem Tun und wurde beim Stadtschreiber fündig. Er ließ sich vom ihm ungefragt berichten, wie es einem der Vorgänger Wullenwevers, jenem Johann Wittenborg erging, als dieser ebenso eine Schlacht in den Sand setzte. Er erzählte dem Bischof von seinem tragischen Schicksal.
Nach der Anhörung entschied er: „Nur eine Verbannung Wullenwevers aus Lübeck reicht mir nicht aus. Dafür hat er uns und der Kirche zu sehr geschadet.“
Der Erzbischof wollte für Wullenwever jetzt das gleiche Schicksal, wie es Wittenborg im Jahr 1363 hinnehmen musste. Er ließ unter großem Aufwand im November 1535 Wullenwever gefangen nehmen. Im März 1536, nach langen Verhören, gestand dieser unter Folter, seinen Verrat, den er aber im Angesicht des Todes widerrief.
Am 24. September 1537 fuhr man ihn, an ein Rad gefesselt, in einem offenen Wagen auf den Marktplatz von Wolfenbüttel. Die Menge applaudierte als Wullenwever, vor aller Augen, durch den Bruder des Erzbischofs hingerichtet wurde.
Diese Hinrichtung wurde, auch dank Friedrich Menssen, sehr schnell in Lübeck bekannt.
Ihm war es zu verdanken, dass damals eine zweite Geschichte um Wullenwever in Lübeck kursierte, die sich etwa zeitnah ereignet haben soll.
Friedrich Menssen war, wie seine Vorfahren es noch waren, bei seinen Geschäften nicht mehr auf die See angewiesen, er besaß auch keine Schiffe. Er war aber noch immer einer der angesehensten und einflussreichsten Kaufleute Lübecks, auf dessen Rat man gerne hörte.
Man erzählte sich, dass Wullenwever beim Durchstöbern seiner Amtsakten von jenem Schatz der Familie Menssen und dessen Fluch erfuhr.
Um Genaueres darüber zu erfahren, freundete er sich Anfang 1535 mit Friedrich Menssen an.
Friedrich Menssen, der sich nur selten in Lübeck aufhielt, weil ihm der Getreidehandel weder Freizeit noch Zeit mit seiner Familie versprach, war sogar von dessen angebotener Freundschaft angetan, eben auch, weil Wullenwever das Amt des Bürgermeisters bekleidete. Aber ausschlaggebend war für Friedrich Menssen, dass auch Wullenwever Kaufmann war und ihm versprach, sich um seine Belange, während seiner Abwesenheit, zu kümmern. Mit der Zeit vertraute er ihm und überließ ihm alle anfallenden Aufgaben treuhändisch.
Wullenwever machte sich ganz gut in seiner Funktion als Freund und Helfer, sodass Friedrich Menssen keinen Verdacht gegen ihn hegte, auch nicht, als Wullenwever anfing seinen Keller freizulegen. Im Gegenteil, er vertraute ihm immer mehr und auch Geheimnisse trug er ihm an. Dazu gehörten auch Einzelheiten über seinen Familienschatz, den Wullenwever gezielt und geschickt abfragte.
Aber sein Vertrauen fand ein jähes Ende, so berichtete Friedrich Menssen weiter. Wullenwever bestahl ihn und verschwand auf Nimmerwiedersehen. Er führte an, dass ihm sein betrügerisches Vorhaben, die Kellergeschichte, hätte auffallen müssen.
Dass Wullenwever wegen seines Unvermögens, was militärische Belange anging, die Stadt verlassen musste, kam niemandem bei Menssens Ausführungen in den Sinn.
Zu Menssens Glück vergriff Wullenwever sich nicht an seinem Schatz. Jedenfalls veranlasste ihn diese Fehleinschätzung Wullenwevers Person dazu, seinen Schatz an einer anderen Stelle seines Hauses zu vergraben. Um das zu bewerkstelligen, kaufte er sich außerhalb Lübecks, in Bremen, wo ihn niemand kannte und ihm auch keine Fragen gestellt wurden, eine robustere Truhe, da der Boden der alten Truhe schon sehr morsch war und ihren Dienst nicht mehr tat.
Noch bevor er ein geeignetes Versteck in seinem Keller suchte, wachste er die Unterseite der Truhe sowohl von innen als auch von außen kräftig mit Bienenwachs ein, um den Verfall der Truhe zu verlangsamen. Als das getan war, ging er in den Wohnbereich seines Hauses, sprach drei Sätze mit seiner Frau, um sie bei Laune zu halten, füllte sich einen Krug mit Bier und ging wieder zurück in den Keller. Sofort begann er sein Vorhaben zu verwirklichen. Er buddelte wir ein Berserker. Etwa nach einer halben Stunde, als die Grube schon tief genug gebuddelt war und er sich einen letzten Blick auf seinen Schatz gönnte und sich dabei sein Bier genehmigte, überraschte ihn seine Frau und fragte von der Treppe aus: „Friedrich, was machst du so spät noch im Keller?“
Weil er sich erschrak und ertappt fühlte, kippte er versehentlich sein Bier über die noch offene Truhe. Hastig rief er: „Nichts, ich komme gleich hoch.“
Nachdem er seine Frau abwimmeln konnte, sah er, dass nicht nur die noch immer innen liegende Liste von seinem Bier etwas abbekommen hatte. Die Truhe jetzt wieder ausräumen und alles vom Bier reinigen, wollte er auch nicht, weil seine Frau schon wieder von der Treppe aus rief: „Wo bleibst du denn, Friedrich?“
„Weib, ich komme gleich rauf zu dir“, rief er etwas kräftiger, um sie zum Rückzug zu bewegen.
Und auch er verstellte, nach getaner Arbeit, den Ort des darunter liegenden Schatzes mit Kisten. Anschließend folgte er dem Wunsch seiner Frau und sagte ihr, dass er müde sei und zu Bett gehen wolle. Damit wollte er unangenehmen Fragen aus dem Weg gehen.
Natürlich hatte Menssen den Leuten nichts von seinem Schatz erzählt und schon gar nicht, wo er ihn vergrub. Er berichtete lediglich von dem Missgeschick des Diebstahls.
Er berichtete weiter, dass er gut ein Jahr später bei einem seiner Kunden, in Wolfenbüttel, Wullenwever wieder sah, als er sich im Geschäft bei einem seiner Handelspartner breitmachte. Er brachte seinen Diebstahl erneut bei Gericht zur Klage, worauf sich mehrere Geschäftsleute meldeten, die sich ebenfalls von Wullenwever, der zwischendurch mehrmals seinen Namen änderte, bestohlen sahen.
Als Friedrich Menssen 1539 durch einen Reitunfall zu Tode kam, flammten erneut die Gerüchte, um den Fluch der Menssens, auf.