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Sexuelle Dysfunktion

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Tony wird vom Leben arg geprüft, das lässt sich nicht anders sagen. Als wir uns zum Samstag-Nachmittags-Kaffeetrinken trafen, wieder in diesem Cafè auf der Großen Bergstraße, trug er ein bleiches Gesicht, als hätte ihm jemand das Ende seines Lebens offenbart. Ein Arzt oder der Sensemann, das blieb offen. Lisa und ich wurden angesichts dieser ganz offensichtlichen Trauer ganz still und warteten darauf, dass er heraus mit der Sprache rückte. Für was sind dieseStammtische schließlich gut, nicht wahr? Aber er sagte nichts, kein Wort. Auch trank er nicht den üblichen Kaffee, knabberte nicht an Keksen, sondern schüttete Bier in sich hinein, als gäbe es kein Halten mehr. Der nächste Tag? Egal!

„Wie war denn dein Date?“, fragte ich mit mild-freundlicher Stimme. Er hatte da nämlich ein Bettenproblem, vielleicht auch ein Mann-Frau-Verständigungsproblem der grundsätzlichen Art. „Das Wetter war schön, wir liefen zum Museumshafen, fuhren mit der Fähre rüber nach Finkenwerder; tranken Kaffee, aßen Kuchen, dann ging es in meine Wohnung“, schilderte Tony mit emotionsloser Stimme, als würde er vom Tod erzählen, dass der dunkel und leer sei. „Ist sie denn nett?“, fragte Lisa. „Ja, richtig lieb“, hauchte Tony und allmählich füllten seine Augen sich mit Tränen. „Gebildet, intelligent, sieht klasse aus“, fügte er hinzu.

Lisa und ich schauten uns an, dieses Mal war ein schlimmeres Problem zu erwarten, als die Frage nach dem geeigneten Ort für das erste Vergnügen. „Wir küssten uns, sanken auf den Teppich nieder ...“ [Seht Ihr, den Teppich hatten wir bei unserer Vorauswahl am vergangenen Wochenende ganz vergessen.] „... und rissen uns die Klamotten vom Leib. Sie trug halterlose Strümpfe, Reizwäsche ...“, hauchte Tony und begann zu weinen. Lisa nahm ihn in den Arm, klopfte ihm auf die Schulter, während ich ihm ein Taschentuch reichte und der Bedienung einen Wink nach Schnaps erteilte. Tony erzählte weiter: „So wird das aber nichts! sagte sie. Ich bekam ihn nicht richtig hoch, dabei hatte sie sich alle erdenkliche Mühe gegeben.“ Tony rutschte fast von seinem Stuhl herunter, um als Pfütze auf dem Boden auseinander zu fließen.

Der arme Kerl, wie alt war er eigentlich? Über fünfzig bestimmt. Nach dem Tod seiner Frau hatte er seit zwei Jahren keine Frau mehr gehabt. Böse schaute ich Lisa an und meinte vorwurfsvoll: „Hättest du nicht vorher mal mit Tony üben können? So unter Freunden, also ehrlich!“ Lisa knurrte und trank ihren Schnaps, den uns die Bedienung inzwischen hingestellt hatte. Ach, das Leben, immerzu ist irgendetwas.

„Ich will nicht mehr“, gab Tony schließlich kund und erzählte von dem alten Vieh, welchem man doch auch den Gnadenschuss geben würde. „Oder wie ist das mit Viagra? Bringt das was?“ Wie auf Kommando schauten sie mich beide gleichzeitig an. „Woher soll ich das denn wissen?“, konnte ich nur antworten, nahm mir aber vor, entsprechende Informationen zu sammeln. Solche Geschichten geben einem immerhin zu denken. Das Leben zieht vorüber und wir merken es.

Nun, er wollte einen Arzt aufsuchen und sich nicht in Meuchelabsicht in die Elbe stürzen. Immerhin, sein Date will am nächsten Wochenende wieder kommen. „Ihr könnt ja auch Scrabble spielen“, meinte ich in netter Absicht, um anzudeuten, dass das Leben nicht nur aus Wollust und Hingabe besteht. Aber das bekam er in den falschen Hals.


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