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Die Juno, die Weltlage und ein Truppentransport

Fernes Land, o Wunderland,

Fremdes süsses Unbekannt!

Lasst uns wie die Knaben träumen

Von den Mammutzauberbäumen!

Die „Juno“, die neue Juno, um es vorweg zu sagen, war eine schmucke, schlanke Brigg, vor knapp einem Jahre zu Kalkutta erbaut. Nur die Galionsfigur, eine rundliche, rosa und gold gestrichene Meerjungfrau, war von der alten Juno gerettet und übernommen worden (wovon Schiffsleutnant Mackay noch erzählen wird). Die neue Juno nun war auf erster, grösserer, glücklicher Fahrt frisch von Bengalen um Afrika herum, Biskaya, Kanal und Nordsee durch und elbaufwärts nach Hamburg gekommen, hatte im Jonashafen ihre Ladung aus Baumwolle, Tabak, Tiekholz und Seidenschals gelöscht (dazu eine kleine Kassette Diamanten) und war dann ein wenig stromab unter dem hohen Ufer bei Nienstedten vor Anker gegangen.

Es war September, und man schrieb das Jahr siebzehnhundertsechsundneunzig.

Auch eine Passagierin war auf der Juno gewesen, ein deutsches Hausfräulein namens Emma Sanders, das von London, wo es in Stellung war, einem Aufruf in der „Times“ nach sich in Rangun hatte verheiraten wollen, was aber misslungen war. Die junge Dame — denn als solche war Fräulein Sanders durchaus zu betrachten — war danach bei dem schrecklichen Schiffbruch der alten Juno dabeigewesen, wie Leutnant Mackay und der Junge Jack Hint (nunmehr Leichtmatrose). Sie hatte alle Leiden bewundernswert überstanden und war zu ihrem Onkel nach Hamburg zurückgekehrt.

Leutnant Mackay war jetzt Erster Steuermann auf der neuen Juno.

Neben der Juno lagen vier weitere tüchtige Seilschiffe, teils unter dänischer, teils unter Hamburger Flagge. Alle waren sie von dem Hamburger Handelshause Parish gechartert worden, auch die Juno, wie dem Kapitän vom hansischen Agenten der Ostindischen Kompanie, zu deren Flotte sie gehörte, mitgeteilt wurde. Die Fracht sollte diesmal in Menschen bestehen. Kurs: Westindien.

Denn in Westindien war der Teufel los. Frankreich hatte die Trikolore auf Haiti gehisst. Die Nigger brüllten Aufstand über alle Inseln. Englands Vormundschaft zu vernichten in der fetten Tropenpfründe des Kaffees und des Zuckers, das war das Ziel. Aber Old England liess sich nicht bange machen. Krieg mit Frankreich und Krieg mit Frankreichs Unterlegenen Holland und Spanien: es war ein Abwaschen. Noch war es Zeit, noch hatten die jungen Vereinigten Staaten von Nordamerika genug mit sich selber zu tun. Und was je die in Vergangenheit gross gewesenen Seemächte Europas an Kolonien zusammengeraubt, jetzt war Gelegenheit für Grossbritannien, reinen Tisch zu machen auf der Karte der Welt und sie gründlich zuzudecken mit der viermal blutdurchstrichenen Flagge. In Ostindien war es schon gelungen, auch Ceylon, Malakka, die Molukken und die neuerforschte Südsee waren so gut wie Englands, das Kap der Guten Hoffnung ging wie ein Symbol den Holländern verloren, Gibraltar lag fest in britischer Faust, einen Finger schon legte es auf Malta. Wohl hatte General Napoleon gewagt, Genua, Neapel, Livorno den englischen Kauffahrern und Fregatten zu verschliessen. Aber vor Livorno lauerte Kapitän Nelson und sann schon über die Schlachtpläne nach, die später bei Abukir und Trafalgar den letzten Traum einer westeuropäischen Seemacht neben England vernichteten.

In Westindien jedoch stand es wackelig. Barbados, Portoriko, Jamaika, Tabago, Martinique, Essequebo, Demerary, Curaçao, Surinam: kostbare Begriffe des Handels, der Schönheit und der Strategie. Auch Trinidad war da vielleicht zu erben und womöglich das unerhörte Kuba!

England warb Truppen zusammen aus aller Welt, charterte Schiffe für den Transport unter jeglichem Wimpel, der Lust hatte, Pfunde zu verdienen.

Und auch im derzeit englischen Lande Hannover erging Marschbefehl an alles, was an Besatzung trotz drohender französischer Verletzung der norddeutschen Neutralität entbehrlich war. Und somit rückte eines heiteren Spätsommermorgens auch das Regiment Löwenstein aus, marschierte unter Trommelschlag und Hörnerklang nach Harburg, bootete sich dort in Gemüseewer ein, trieb mit der Ebbe die Süderelbe hinunter, kam hinterm Nesshaken um Finkenwärder herum in die Strombreite und strebte, eine gemächliche, ausgedehnte Flottille unter niedrigen braunen Luggerlappen bei flauem Winde dem holsteinischen Ufer und den wartenden Überseeschiffen zu. Die roten Uniformen leuchteten in der milden Sonne wie reife Tomaten.

Finkenwärdersche Fischer, Bauern vom Alten Lande, ja auch Leute aus Harburg, Hamburg und Altona umkränzten den in dieser Gegend ungewöhnlichen Aufzug mit unterschiedlichen Kähnen.

„England wird sie alle fressen mit seinem unverschämten Rachen, die armen Luder!“ sagte ein Bas vom Grasbrook, dem die Briten eine Tjalk vor Neuwerk gekapert hatten, weil sie einen Stoss nagelneuer Lafettenräder nach Scheveningen zu liefern gedachte.

Der Erste Steuermann auf der Juno, William Mackay, liess den Blauen Peter ins Schau steigen. Die ganzen Kapitäne der fünf Transporter sassen nämlich noch alle oben an Land auf der Uferböschung in dem hübschen Wirtshause von Jacob, kauderwelschten Englisch, Plattdeutsch und Dänisch durcheinander und prosteten oft und gern auf eine gesegnete Reise. Reeder Parish hatte sie zu einem runden Abschiedsfrühstück eingeladen. War ihre Fracht erst an Bord, dann würde keine Zeit mehr sein, dann sollte es möglichst gleich losgehen. Sie kannten das grösstenteils von einem bisschen Sklavenhandel der Elfenbeinküste und auch Westindien selber her. Da brauchte Herr Parish nicht erst längliche Orders anzuweisen. Herr Parish erhob sich, sprach vom Geschäft. Und es würde ein guter Anteil Kapplaken für seine lieben Kapitäne dabei über sein. Die grossbritannische Krone lasse sich so wenig lumpen wie er. Und er brachte einen kräftigen Toast und Bumper auf die Angelegenheit aus. Der englische Regierungsvertreter, vom König herüberbefohlen, Sir Popham, derselbe, der den Signalkode für die Marine erfunden hatte, lächelte verbindlich in die Beifall lärmende Runde.

Aber der Quartiermeister des Regiments Löwenstein blieb ingrimmig sitzen. Er war schon in aller Frühe mit zwei Schreibern auf einem Moorburger Kutter eingetroffen und durchaus nicht zufrieden.

Untergang der Juno

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