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Mondrosen

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Der Mond wuchs von Abend zu Abend. Zuerst war er ein grüner Dunststreifen gewesen und schimmerte wie ein Heiligenschein über dem Porzellangesicht der jungen Frau in Schwarz. Dann wurde er eine silberne Spange aus dem Morgenlande, der zuliebe einige struppige Uferweiden sich als Ölbäume gebärdeten. Ein paar Abende später war er eine Melonenschnitte, und die Nacht darauf blinkte ein kleiner Stern fünf Schritt vor ihm wie das Buglicht eines Fischewers, der ihn als pralles Schleppnetz hinter sich her zog. Eine Woche danach hatte er schon ein richtiges Mondkalbantlitz, aber schief vor Zahnschmerzen. Jedoch als ich ihn beim letzten Male betrachtete, da war er rund und fett und gelb wie ein Eierkuchen in guten Zeiten. So strahlend und blankgeputzt sah er aus, als wäre St. Peter unter die Bartscherer gegangen und hatte ihn als lockendes Zunftschild über die Himmelstür gehängt. Arbeit war ja genug da für den Alten, kamen doch die armen Landser stopplig wie die Igel zum Hallelujasingen.

Es war andächtig still auf dem Wasser. Hier und da starrten Laternen vor sich hin und wuschen ihre langen zitternden Schleppen. Mein Boot aber fuhr auf einem breiten Hochzeitsläufer aus flutendem Silberbrokat über den Mitternachtstraum der Alster. Mein Arm, der sich über dem Paddel hob und senkte und der schwankende Schnabel vor mir verkohlten zu Schattenrissen in dem milden, rieselnden Mondfeuer. Ich fuhr unverwandt auf die gewaltige Scheibe zu, die langsam auf der Wipfelkurve des Ufers zu rollen schien. Der Wind schlurfte auf Filzpantoffeln hinter mir her, er war frisch wie von der See, brachte eine Nase voll wässerigen Jasminduftes mit, kraulte mein Haar und knuffte den Kahn ermunternd in die Weichen. Ich fuhr gemütlich. Der Mond stieg sachte. Aber die Bäume wuchsen schneller, kratzten ihm in die Augen und verschluckten ihn. Doch er guckte listig und unverdrossen durch ihre löcherigen Hälse. Nur seine fürstliche Schleppe hatte er bis auf eine Müllschippe voll Flitter und Taler aufgewickelt.

Nun war das Wasser tintendüster, und geradeaus sah ich in ein kaltes Ofenloch. Das Paddel stieß an Grund, die Strudel schnupften lauter, Blätter streiften aufraschelnd meine Stirn. Ich schwenkte ein und legte an die kiesknirschende Uferwölbung. Klappernd ging das Paddel zur Ruhe. Da — eine Baumwurzel, die Leine herum, so. Ich glitt auf den Rücken. Das Kanu zerrte, ächzte und besann sich zu einer sanften Wiege.

Die hundert Hände der Kastanie neigten sich tief über mich. Ein goldenes Nest stak im Zweiggewirr. Es wurde unheimlich größer. Und nun schloß der Mondkreis ein japanisches Kunststück botanischer Flächenfüllung ein. Blätter und Zweige verschoben sich bedächtig, als suchten sie nach anderen Lösungen, und schließlich stieß der Mond an einen Ast. Da hing er freundlich wie ein Lampion, und ein badewarmer Strom gefühlvoller Stimmungen, die jahrtausendelang auf ihm geboren wurden, floß mit den geborgten Lichtwellen herunter. Mir wurde watteleicht, ich hätte fliegen mögen. Kleine Abenteuer und Zärtlichkeiten fielen mir ein, mein Herz kicherte vor Erinnerung.

Nun sägte sich der Mond durch den Ast und streifte ihn wie eine schwarze Bauchbinde über sich hinweg. Da sah ich plötzlich nach der Seite, im Gesträuch war ein eifriges Huschen aufgewacht. Nun war es wieder still, und ehe meine Gedanken sich damit beschäftigen konnten, blieb mein Blick auf dem Bootsraum haften. Ich war fast erschrocken, so seltsam war er mit grünen Rosen bestreut. Sie leuchteten plastisch über den dunklen, halbgeahnten Kissen und schienen sich im trägen Luftzug zu bewegen. Weder auf meinen Kleidern noch auf meinen Händen waren Lichtflecke So einfach sich die Erscheinung mit einem Blick auf Mond und Baum hätte erklären lassen, war mir doch eigenartig bestürzt zu Mute. Eine Mondrose berührte meinen Fuß, daß er anfing zu glühen. Ich zog ihn weg und setzte mich aufrecht hin. Gerade auf der Stelle, wo sonst Lianens schwarze Haare ruhten, blühte eine besonders große und bleiche Rose. Sie faltete langsam ihre Blätter auseinander, wurde handgroß, wurde kopfgroß. Wie gebannt sah ich hin, ein Gruseln drückte mir die Eingeweide zusammen, ich täuschte mich nicht, es war das Gesicht eines Freundes, der vor langer Zeit in Rußland gefallen war. Grünbleich, mit geschlossenen Augen, schien es in einem Krampf zu zucken.

Und um das Schauerliche voll zu machen, sprang eine Ratte ins Boot, lief über das Gesicht, daß ich ihre Haare glänzen sah, und sprang hinaus, klatschend ins Wasser.

Da rührte mich tief ein Unfaßbares an.

Mondrosenboot.

O dunkles Band.

Es lauert Traum.

Ein Mantelsaum

Tupft meine Hand.

Das muß der Mantel Gottes tun.

Der sog dein Blut.

Der losch die Glut,

Du junge Glut, du sollst doch ruhn!

O komm, o sag,

Wo blüht dein Tag,

Du wacher Tod?

Laternen, die sich spiegeln

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