Читать книгу Hamburg - mit 64 Abbildungen - Hans Leip - Страница 3
ОглавлениеEin Blick auf die Karte lehrt, wie gut Hamburg zwischen See und Hinterland liegt. Und es hat verstanden, seine Lage zu nutzen. Hebt man sich einen sichtigen Flugzeugkilometer über die besten Häfen der Welt, so sieht Manhattan aus wie ein Tausendfüssler, Genua wie ein Taschenkrebs, Amsterdam wie eine Spinne im Netz und Hamburg wie ein Tintenfisch, der in grüner Marschentiefe zwischen den ausschwingenden Kaps des Baltischen Höhenrückens lauert, mit der silbergrauen Fläche der Aussenalster als Rückenschulp, mit der Binnenalster als Kopf und mit den allseitigen Verzweigungen der Kanäle und Flete und den gewaltigen Büscheln der Hafenschläuche als Fangarme.
Freie und Hansestadt Hamburg ... Es steigen Vorstellungen auf von hochbordigen mittelalterlichen Segelfahrzeugen, dreimastig, mit backtroggrossen Marskörben, mit bauernbettdick geschwellten, ungeheuerlichen, düsteren Seils, mit langwimpelnden Flaggen und mit drohend gehörnten Kuhköpfen und lächelnden Meerjungfrauen als Galionsfiguren. Würdige Ratsherren sieht man aufstehn in schwarzer spanischer Tracht, den sauberen Mühlsteinkragen als repräsentierendes Tablett unter harten, starkwangigen, pfiffigen Kaufmannsschädeln, gefüllte Speicher hinter ihnen, Geruch von Tabak, Baumwolle, tropischen Gewürzen, Kaffee, Hering, Südweinen, Bier und Teer in lichtem Gewölk um sie gekränzt, über ihnen trotzige Rathausgiebel, ungeschlachtes Stadttorgetürm und höher noch die unbeugsamen Finger der Kirchen und der gottgefälligen Gerechtigkeit. Und mitten darüber geradewegs unter dem Auge Gottes leuchtet der Spruch:
Kalkül und Macht und Recht,
Wer damit handelt frei
Und hat noch Glück dabei,
Dem geht es niemals schlecht.
Die Schiffstypen haben sich geändert, und obwohl sie hundertfach grösser sind als die alten Hansekoggen, wirken sie zumal auf Bildern lange nicht so gewaltig und abenteuerlich. Genau wie die Senatoren, deren Würdetracht von einst den Hamburger Leichenträgern überlassen wurde. Die kleinen pussligen Kontore sind zu Handelspalästen erwachsen, Entwicklung sprengte die kriegerischen Stadtmauern, die Tore öffneten sich friedlich der Welt und dem Vaterlande; ihre Reste fristen Erinnerung in den städtischen Fahnen und Siegeln. Die Häfen buchteten sich aus, vielfältiger wölkte der Allerzonendunst, und nicht so konkurrenzlos hoch wie ehedem ragen die Türme der Kirchen. Doch von den Promenaden der Alsterufer und von den Hügeln der jenseits des Stromes gelegenen Lüneburger Heide bestimmen sie nach wie vor in zufälliger, aber dennoch glücklicher Verteilung das Stadtbild.