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Die Waldwanderung

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Paulo und Marietta machen mit Seldit, Bortan und deren Kindern eine 3-tägige Wanderung durch den Wald, der Ta´amerveran umgibt. Sie haben beide Goor-Stiefel an und fühlen sich beim Laufen sehr wohl in ihnen. Beim Moltebeerensammeln machen sie eine unliebsame Bekanntschaft zu einer Bärin...


Wir liefen los, der dichte Wald grenzte direkt an den Südteil der Stadt. Wir hatten uns für unseren ersten Wandertag eine Etappe von fünfundzwanzig Kilometern vorgenommen, unsere Hütte läge am Egli-See. Marietta und ich hatten uns dick mit Pekkos Mückenmittel eingeschmiert, wir stanken entsprechend. Wir passierten zunächst die Hochschule, am Morgen saßen alle in den Veranstaltungen, die Studenten kämen erst am Mittag heraus und setzten sich auf den Rasen. Dann begann, unmittelbar an die Hochschule angrenzend, der dichte Wald. Das Tageslicht ließ sofort nach, eine angenehme Frische tat sich auf, die Luft roch würzig nach Wald, sie überdeckte fast den Honigduft unserer Mitwanderer. Nach einer Stunde Wanderns in völliger Stille sagte Bortan, dass wir eine kleine Pause machen wollten, jeder sollte sagen, was ihn bedrückte und ob Kleidung und Rucksack angenehm zu tragen wären, ob vor allem die Stiefel das Wandern mitmachten, oder ob sich die ersten Blasen zeigten. Niemanden von uns bedrückte etwas, alle waren mit ihren Stiefeln mehr als zufrieden, wir tranken einen Schluck aus unseren Trinkflaschen und liefen dann weiter.

Der Weg war anfangs holperig und bildete eine Hohlrinne, es war etwas mühsam, auf ihm zu gehen. Wir sahen gleich zu Beginn viele Wildschweine und auch Rehe, das Gezwitscher der Vögel war unser ständiger Begleiter. Teilweise standen die Bäume so dicht am Weg, dass wir die Arme heben und die Äste beiseite schieben mussten. Nach drei Stunden stetigen Laufens erreichte wir eine Lichtung, auf der wir uns niederließen. Dort auf der Lichtung hatte sich eine große Hitze eingestellt, weil sie natürlich permanent von der Sonne beschienen wurde. Es gab dort auch Mücken, die Marietta und mich aber in Ruhe ließen, unser Antimückenmittel zeigte seine Wirkung.

Die Goor wurden gar nicht von den Mücken attackiert, vielleicht wegen ihres Fells am Körper. Die erwachsenen weiblichen Mücken waren die wahren Quälgeister, sie ernährten sich blutsaugend, das Blut, das sie Säugetieren oder Vögeln absaugten, brauchten sie zum Hervorbringen ihrer Eier. Sie waren dabei nicht auf Licht angewiesen, sie stellten auch im Dunkel mithilfe ihrer Fühler Luftfeuchtigkeit und Lufttemperatur fest und fanden so ihr Ziel. Aber von den fünfzig Mückenarten, die es gab, hatten es nur fünf auf Menschen abgesehen. Sie hielten sich vornehmlich in Sumpfgebieten, aber auch an Seen oder in feuchten Wäldern auf. Wir holten unsere Trinkflaschen hervor, tranken und aßen „Kum“, Marietta und ich aßen es klaglos, es schmeckte uns. Bortan fragte jeden, ob alles klar wäre, und wir bejahten. Das Wandern machte richtigen Spaß, ich wusste gar nicht, wann ich meine letzte Wanderung unternommen hatte, Marietta ging es genau so. Ich sah sie während unserer Pause die ganze Zeit an und musste an ihre Worte denken, die sie zu unserer Familienplanung gesagt hatte, wie schön sie doch war!

Die Kinder begannen zu drängeln, wir standen auf und liefen weiter. Wenn wir mit der Geschwindigkeit weitergingen, müssten wir in ungefähr vier Stunden den Egli-See erreichen, meinte Bortan. Das Gelände senkte sich leicht in eine große Ebene ab, an deren tiefster Stelle der See läge. Plötzlich vernahm ich fremde Geräusche von Bortan, er unterhielt sich mit zwei Vielfraßen, die, von uns anderen unbemerkt und vom Wald verdeckt, mit uns liefen, bis sie verschwanden. Ich fragte Bortan, was er den Tieren gesagt hatte und Bortan antwortete, dass sie ihn nach Futter gefragt hätten, er aber gesagt hätte, dass er leider nichts für sie hätte und sie verschwinden sollten, woraufhin sie in den Wald gelaufen wären. Das Konzert der Vögel hatte am Nachmittag wieder an Lautstärke zugelegt, nachdem es über Mittag fast verstummt war.

Ich kannte fast alle Vogelstimmen von meiner Zeit an unserem See her, auch Marietta kannte noch die eine oder andere Vogelstimme. Bortan hielt mit einem Mal an und bat mich, mit ihm auf die Karte zu sehen, wir standen an einer Weggabelung und mussten eindeutig nach rechts. Wir müssten unsere Hütte eigentlich zwei Stunden später erreichen.

Da sahen wir einen Luchs, wie er eine frisch gerissene Beute, es handelte sich um ein Kaninchen, davontrug. Er sah uns mit blitzenden Augen an und verschwand. Kurze Zeit später kreuzte ein Fuchs unseren Weg, vielleicht hatte der Luchs ihm das Kaninchen abspenstig gemacht. Plötzlich sahen wir durch das leicht aufgelockerte Astwerk des Tannenwaldes den Egli-See voraus. Ein Elch stand bis zum Bauch im Wasser und fraß Wasserpflanzen. Als er uns sah, hob er seinen Kopf mit seinem mächtigen Schaufelgeweih und schaute zu uns herüber, ließ sich aber von uns beim Fressen nicht stören. Wir gingen in die andere Richtung am Seeufer entlang und erreichten nach kurzer Zeit unsere Hütte, sie lag sehr versteckt und sah urig aus, Sie hatte ein Grasdach und dicke Bohlen als Wände, eine Holzterrasse reichte bis zum Seeufer. Wir öffneten die Tür und gingen hinein.

Die Kinder fragten Seldit, ob sie schwimmen gehen dürften, sie durften. Schnell zogen sich Aaron und Unto die Badehosen an und gingen von der Terrasse aus ins Wasser. Sie kühlten sich nicht großartig ab und gingen sofort rein. Ich machte mich auch schwimmfertig und Bortan folgte mir, wir hechteten in das kühle Nass, tat das gut! Die Jungen spritzten zu uns herüber, leider hatten wir keinen Ball mitgenommen, da schoss Marietta einen Ball zu uns, den sie in der Hütte gefunden hatte und wir spielten ein wenig im Wasser. Die Tiere, denen der See ja eigentlich gehörte, waren verschwunden, wir hatten in einiger Entfernung Biber fliehen gesehen, es erhoben sich auch Reiher und Gänse fluchtartig in die Luft. Wir gingen wieder aus dem Wasser und legten uns alle zum Abtrocknen auf die Holzterrasse.

Wir wurden wieder ruhig und lagen völlig entspannt, die Frauen hatten Bier und Wein auf den Tisch gestellt, wer wollte, konnte sich über das „Kum“ hermachen, was wir alle taten, den Jungen gaben wir Saft und Cola.

Wir mussten mit unseren Getränken ein wenig haushalten, damit wir für die gesamte Wanderzeit genug hatten. Es gab in der Hütte drei Räume, in dem als Wohnraum gedachten Zimmer richteten Marietta und ich uns eine Schlafecke ein, es gab ausreichend Decken in den Schlafzimmern und eine große Extramatratze. Wir saßen dann noch lange im Dunkeln und hörten den Tieren zu, die sich längst wieder beruhigt hatten. Auch die Jungen waren noch bei uns, als Aaron plötzlich auf ein Tier hinwies, das neben der Terrasse stand, es war ein Rehkitz, das völlig angstfrei zu uns schaute. Aaron streckte ihm etwas Gras hin, das das Kitz aus seiner Hand fraß, es kam sogar noch einen Schritt näher, und Aaron gab ihm noch mehr Gras, schließlich hielt er dem Kitz ein Stückchen „Kum“ hin, das es aus seiner Hand fraß. Dann ertönte mit einem Mal ein Knacken im Gehölz, das Kitz erschrak und rannte davon. Vielleicht war es seine Mutter, die das Knackgeräusch verursacht hatte.

Danach war alles friedlich, die Erfahrung mit dem Kitz war schon etwas Besonderes, und Aaron war ein wenig stolz auf sich. Um 23.00 h gingen wir alle schlafen. Einen so festen Schlaf wie in der Hütte hatte ich lange nicht, alle Körperspannungen waren gelöst, der Geist war mit nichts anderem beschäftigt, als damit, das Glück zu verarbeiten, das mir widerfuhr. Marietta war sofort eingeschlafen und auch ich schlief schnell ein.

Am nächsten Morgen sprang ich vor dem Kaffee von der Holzterrasse aus in den See, sofort erhoben sich wieder die Wasservögel in die Luft, ich genoss das Morgenbad, die Kinder kamen mit Karacho hinterher. Klar waren sie nicht leise, wir würden bald verschwunden sein und dann herrschte am Egli-See wieder Ruhe. Wir stiegen aus dem Wasser und setzten uns in Badehose an den Tisch, wo die Frauen löslichen Kaffee für uns und Saft für die Jungen hingestellt hatten. Wir aßen etwas süßen „Kum“, eine Stunde nach dem Frühstück wollten wir weiter.

Die Sonne schien warm auf uns herab und wir genossen die Stunde der Stille auf der Holzterrasse.

Marietta und ich schmierten uns mit dem Antimückenmittel ein. Dann machten wir uns fertig, setzten die Rucksäcke auf und liefen weiter. Wir hatten uns für den Tag dreißig Kilometer vorgenommen. Wir wollten die große Senke durchqueren und den leichten Anstieg auf der anderen Seite bewältigen. Es ging gut voran, sobald wir im Wald waren, spürte wir die frische Morgenkühle, die aber bald von der Mittagshitze abgelöst werden würde. In einiger Entfernung sahen wir plötzlich ein Wolfspaar über den Weg laufen. Wölfe waren scheue Tiere, nur im Rudel, wenn sie auf Beutejagd waren, waren sie gefährlich und aggressiv. Als wir uns vom See wegbewegten, begann langsam ein ganz leichter Anstieg, kaum spürbar, den wir am Mittag geschafft hatten. Wir waren auf einer Anhöhe, jedenfalls gegenüber der Geländesenke und hatten noch einmal einen herrlichen Blick auf den See. Wir verschwanden dann im Wald und erreichten anschließend eine sumpfige Landschaft.

Wir kamen an eine Stelle, die für vielleicht tausend Quadratmeter baumfrei war, eine Art Sumpfwiese, die vollgestanden war mit Moltebeeren. Seldit sagte, dass wir sie pflücken sollten, wir sollten die Früchte einfach in unsere Rucksäcke werfen, wenn die voll wären, würden wir aufhören. Zu Hause wollte Seldit vielleicht Kompott aus den Beeren machen, die Goor liebten süßen Kompott, manchmal machten sie auch Pflaumenkompott und verschlangen ihn mit Heißhunger, besonders die Kinder waren da hinterher. Die Moltebeeren waren in voller Reife und deshalb nicht so leicht zu pflücken, weil sie sehr weich waren. Wir pflückten Beeren, die in halbreifem Stadium waren und deshalb nachreifen mussten.

Die Moltebeeren waren sogenannte Sammelsteinfrüchte, die jeweils aus bis zu fünfundzwanzig Steinfrüchten bestanden. Die reifenden Früchte waren zunächst grünlich und vollständig von Kelchblättern umschlossen, dann wurden sie blassrot und schließlich gelb-orange. Sobald sich die äußeren Blütenhüllblätter von der Frucht wegrollten, war die Moltebeere reif. Die Beeren waren sehr reich an Vitaminen und Spurenelementen und daher ein wertvolles Nahrungsmittel, ihr Geschmack war bitter-säuerlich, man musste sie eigentlich zuckern, um sie roh zu essen, aber dort draußen, auf der Sumpfwiese aßen wir sie aus der Hand, auch ohne Zucker. Anfangs verzog man wegen der Säure leicht das Gesicht, dann hatte man sich an den Geschmack gewöhnt.

Wir zogen am Rande der Wiese unsere Stiefel und Strümpfe aus und liefen barfuß zu den Beeren. Das Pflücken bereitete am Anfang tatsächlich große Schwierigkeiten, weil die Frucht beim Griff unserer Finger zerquetschte, dann bekam man aber ein Gespür für die etwas festeren und noch nicht ganz reifen Früchte, die sich gut pflücken ließen. Wir pflückten ungefähr eine Stunde, als Bortan uns zur Achtung ermahnte. Wir wussten erst nicht, was los war, sahen aber dann in etwa dreißig Metern Entfernung einen Braunbären in aufrechter Haltung stehen, ich wusste nicht einzuschätzen, was er vorhatte, mir war aber bekannt, dass Moltebeeren zu den Lieblingsspeisen der Bären gehörten.

Außerdem hatte der Bär den süßen Honigduft meiner Goor-Freunde in der Nase. Er kam langsam näher und gab Brummgeräusche von sich, was Bortan zum Anlass nahm, sich mit ihm zu unterhalten. Marietta und ich staunten nicht schlecht. Als der Bär nur noch in zwanzig Metern Entfernung zu uns war, sagte uns Bortan, dass wir die Sumpfwiese verlassen und uns Strümpfe und Stiefel anziehen sollten, wir sollten uns beeilen! Er redete weiter mit dem Bären, dessen Brummen eine unüberhörbare Lautstärke annahm, kein gutes Zeichen, zumal der Bär eine stattliche Größe hatte, ich schätzte seine Körpergröße auf 2.30 Meter, wenn er stand. Der Bär war eine Bärin, mit der sicher nicht zu spaßen gewesen wäre. Bortan gab unverständliche Zischlaute von sich, sei es, dass er die Bärin warnen, sei es, dass er ihr mitteilen wollte, dass er sich zurückzöge. Die Bärin ließ sich aber nicht beirren und ging weiter auf Bortan zu, wir hatten uns an den Rand der Sumpfwiese begeben und beobachteten die Szene, die Bärin war nur noch zehn Meter von Bortan entfernt, Seldit und die Kinder schrien, er sollte doch kommen, wieder gab er die Zischlaute von sich, von denen niemand wusste, was sie zu bedeuten hatten. Wir waren von Angst um Bortans Leben besessen, die Bärin könnte Bortan mit einem Wisch ihrer Vorderpranke töten, sie würde dann ihre zweiundvierzig Zähne in Bortans Körper schlagen und sich ein Stück aus ihm herausbeißen. Ihr Kopf war sehr gedrungen, die Augen klein, aber weit geöffnet, die Ohren waren auch klein und standen ab. So putzig, wie die Braunbären auch auf Bildern aussahen, unsere Bärin hatte alle Putzigkeit verloren und war über alle Maßen aggressiv.

Ihr Gewicht wird um die hundertdreißig Kilogramm betragen haben, sie wirkte massig, ihr Fell war dunkelbraun gefärbt, man konnte aber Farbschattierungen erkennen. Eigentlich waren Braunbären im Sommer vorwiegend nachtaktiv, niemand wusste, wer oder was unsere Bärin um die Mittagszeit auf die Sumpfwiese zum Fressen trieb, vielleicht hatte sie Junge zu versorgen. Wir schauten uns nach geeigneten Bäumen um, auf die wir uns flüchten könnten, sollte die Bärin uns angreifen. Ausgewachsene Braunbären konnten in aller Regel nicht mehr auf Bäume klettern. Die Bärin brüllte inzwischen in einer ohrenbetäubenden Lautstärke, es gab keinen Zweifel mehr, dass sie Bortan angreifen würde, sie näherte sich mit aggressivem Drohgehabe Bortan immer mehr, der aber keinen Schritt zurückwich, was Marietta und ich nicht verstanden.

„Warum kommt Bortan nicht zu uns?“, schrien wir zu Seldit. Seldit antwortete, dass wir noch abwarten sollten. Die Bärin hatte inzwischen einen gestreckten Nacken, zurückgelegte Ohren und nach außen stehende Eckzähne, untrügliche Anzeichen für einen in Kürze erfolgenden Angriff, Bortan war in allerhöchster Lebensgefahr!

„Bortan, Bortan!“, schrie ich und in dem Augenblick setzte die Bärin zu einem gewaltigen Sprung auf ihr Opfer an. Bortan wäre unrettbar verloren gewesen, wenn nicht in genau diesem Moment drei Vielfraße die Bärin angesprungen und sich in ihrem Kopf und Nacken verbissen hätten. Diese Vielfraßattacke traf die Bärin völlig unerwartet, und ließ sie ihren Angriff auf Bortan abbrechen. Das waren also die unerklärlichen Zischlaute Bortans gewesen, er hatte die Vielfraße zu Hilfe gerufen. Die Bärin schrie auf, die Bisse der Vielfraße verursachten natürlich heftige Schmerzen. Bortan nutzte die Gelegenheit und kam endlich zu uns. Seldit umarmte ihn vor Erleichterung, und auch die Kinder und wir waren froh, ihn unversehrt vor uns zu sehen. Bortan zog seine Strümpfe und Stiefel an.

Wir sahen, wie die Bärin ausholte und mit einem gewaltigen Prankenhieb ein Vielfraß erwischte, er schrie auf und flog in einem hohen Bogen durch die Luft, tödlich getroffen. Die beiden anderen Tiere setzten der Bärin aber so zu, dass sie immer kraftloser wurde, sie gab noch ein paar Mal einige wütende Kampfschreie von sich, dann aber hörte man bis zu uns, wie ihre Knochen unter den ungeheuer kraftvollen Bissen der Vielfraße knackten, so heftig und brachial waren die Bisse, die Tiere waren in einem Tötungsrausch, die Bärin hatte nicht mehr lange zu leben. Sie lag röchelnd auf dem Boden und regte sich nicht mehr, dann hatten die Vielfraße ihr Tötungswerk vollendet. Bortan sagte ihnen, dass sie sich ausruhen und dann an der Bärin sattfressen sollten.

Dafür, dass sie ihm das Leben gerettet hätten, sollten sie, wenn sie einmal in der Nähe der Hauptstadt wären, die dort herumlaufenden Vielfraße nach Eemeli und Eveliina fragen, die Vielfraße lebten am Hofe des Königs und würden ihnen zum Dank von ihrem guten Fressen abgeben, Bortan wollte den beiden Tieren Bescheid sagen. Er rief ihnen noch einmal seinen Dank zu, dann winkten wir den Tieren zu und wanderten weiter, noch sichtlich benommen von dem Abenteuer beim Moltebeerenpflücken, das würden Marietta und ich unseren Lebtag nicht vergessen und die anderen sicher auch nicht.

Bortan lief schweigend mit uns, niemand wagte, ihn anzusprechen, bis er mit einem Male sagte, dass es ihm um die Bärin leid täte, er hätte sich aber nicht anders zu helfen gewusst, wenn die Vielfraße nicht im rechten Moment gekommen wären, hätten wir mit Sicherheit ohne ihn weiterwandern müssen, er wäre den beiden Tieren unendlich dankbar, ein Tier wäre ja getötet worden. Ich sagte ihm dann, dass ich froh wäre, ihn unter den Lebendigen zu sehen, wir alle hätten eine wahnsinnige Angst um ihn gehabt, am meisten wohl Seldit.

Uns wäre erst spät klargeworden, was seine Zischlaute zu bedeuten gehabt hätten, Marietta und ich hätten keine Erklärung dafür gehabt. Bortan sagte, dass wir unser schreckliches Moltebeerenerlebnis so schnell wie möglich vergessen sollten, und so liefen wir weiter, wieder durch dichtes Tannengrün. Wir sahen viele Eichhörnchen in den Ästen herumtoben, endlich sahen wir auch eine Gruppe wilder Rentiere, die für die Gegend so typisch waren. Sie verschwanden schnell im Unterholz, um sich vor den Räubern wie Wolf und Luchs zu verstecken. Ihr eigentliches Revier war aber nicht der Wald, sondern die Tundra. Unsere Rucksäcke waren voll mit Moltebeeren, wir würden bei der Ankunft an unserer Hütte davon essen. Doch zunächst machten wir eine Pause auf einer kleinen Lichtung, wo wir die Stiefel auszogen und uns hinlegten. Jeder aß ein Stück „Kum“ und trank einen Schluck aus seiner Wasserflasche. Jeder dachte natürlich noch an die Bärin, unvorstellbar, was geschehen wäre, hätten wir die Vielfraße nicht gehabt.

Ich hielt Mariettas Hand und war glücklich, ich glaubte, aus Mariettas Gesichtsausdruck das Gleiche ablesen zu können. Ich schaute sie an, sie lächelte mir zu. Vielleicht wären wir bald eine Familie im Goor-Reich, wer wusste das schon? Bortan rief uns hoch, wir mussten weiter.

Bis zu unserer Hütte hätten wir noch ungefähr zwei Stunden, wir liefen vollkommen entspannt, unsere Stiefel waren ein wahrer Segen, sie schmiegten sich an die Beine und Füße an, dass es eine Wonne war. Bortan sagte mir dann, dass unsere Stiefel, wie alle Stiefel im Goor-Reich, aus Elch-Leder wären. Das Leder wäre weich und anschmiegsam, er hätte noch von niemandem gehört, der Probleme mit seinen Stiefeln gehabt hätte. Nur die Stiefel des Königs wären nicht aus Elch-Leder, seine Stiefel wären aus dem Leder des relativ seltenen Weißwedel-Hirsches gefertigt. Bortan glaubte aber, dass die Stiefel aus dem Leder des Weißwedel-Hirsches sich nicht für die Wanderung eigneten, dazu wären sie zu empfindlich.

Ich drehte mich zu Marietta und Seldit um, die beiden unterhielten sich die ganze Zeit und was ich so hören konnte, war das Thema die Familie. Marietta rief nach vorn, dass die Wanderung sehr schön wäre und sie schon seit langer Zeit nicht mehr gewandert wäre. Wie schön sie doch aussah, dachte ich und lächelte ihr zu. Die Jungen liefen weit vor uns und riefen mit einem Mal, dass sie unsere Hütte sehen könnten, wir hatten es also geschafft und unsere Hütte erreicht.

Sie lag ein wenig versteckt, mitten Wald, fast ganz von Tannenzweigen umwachsen, nur die Vorderseite lag frei. Es gab eine kleine Außenterrasse, auf der wir uns niederließen. Wir waren an dem ereignisreichen Tag tatsächlich dreißig Kilometer gelaufen, uns allen lag das schreckliche Erlebnis noch in den Knochen. Wir holten die restlichen Bierflaschen und den Wein aus den Rucksäcken, tranken davon und aßen „Kum“ und Moltebeeren. Die Jungen fragten, ob sie ein wenig die Umgebung erkunden dürften, Seldit und Bortan erlaubten es unter der Bedingung, dass sie nicht zu weit wegliefen, es wäre auch schon relativ spät, sie sollten in einer halben Stunde zurück sein. Aaron und Unto liefen in den Wald und wollten versuchen, ein paar Tiere zu beobachten, sie verhielten sich ganz still. Sie sahen viele Vögel, darunter auch eine Schnee-Eule. Wir ließen es uns auf der Terrasse gutgehen, es war längst keine Rede mehr von dem Bärenerlebnis.

Marietta und ich erzählten von unserem Besuch im „Museum für Geschichte“ und fragten Seldit und Bortan nach den Krat. Seldit wusste als Geschichtslehrerin vieles über die Krat zu berichten.

Ja, es hätte einen zwei Monate dauernden Krieg gegen die Krat im Goor-Reich gegeben, bei dem die Krat unterlegen gewesen wären. Die Krat wären ein imperialistisches Volk, sie hätten schon ihren gesamte Nachbarschaft überfallen und die dort lebenden Völker unterjocht. Man könnte mit den Krat kaum reden, alles drehte sich bei ihnen um Macht und Herrschaft. Zur Finanzierung ihrer Eroberungszüge brauchten die Krat viel Geld, deshalb hätten sie es auf die Goldgruben im Goor-Reich abgesehen, sie unternahmen in regelmäßigen Abständen bewaffnete Überfälle, die aber immer abgewendet werden konnten. Man müsste jederzeit mit einem erneuten Krieg rechnen, allein das Rüstungspotential auf Seiten der Goor hinderte die Krat bislang daran, einen Krieg zu beginnen. Die Goor verfügten über Raketenbatterien an der Grenze zum Krat-Reich, die ferngesteuert ihre Ziele erreichen könnten. Die Krat wären verbscheuungswürdige Wesen, allein ihr Aussehen schreckte ab, sie hätten das Aussehen großer Hunde, gepaart mit einem Verhalten, das jeder Beschreibung spottete. Sie spuckte überall herum und balgten sich auf offener Straße, sie urinierten gerade da, wo sie sich aufhielten. Es stank dementsprechend bei ihnen. Die Krat wären der große Schatten, der über dem Glück der Goor läge.

Bortan ergänzte, dass er bald wieder mit einem Krieg rechnete, es gäbe da gewisse Anzeichen, über die er sich aber nicht weiter ausließ. Dann kamen die Jungen zurück und berichteten von ihrer Tierbeobachtung im Wald. Wir hörten noch eine Zeit lang dem am Abend mächtig anschwellenden Vogelkonzert zu, dann, als es wieder stiller wurde, gingen wir schlafen. Marietta und ich hatten uns wieder eine Matratze ins Wohnzimmer gelegt, die anderen belegten die beiden Schlafzimmer. Ich sagte Marietta, dass wir am nächsten Tag wieder nach Hause gingen und wir waren darüber beide ein wenig traurig. Ich drückte und küsste Marietta und sagte ihr, wie sehr ich mich darüber freute, mit ihr zusammen zu sein, noch nie in meinem Leben wäre ich so glücklich gewesen. Dann schliefen wir ein.

Wir standen am nächsten Morgen zeitig auf und tranken auf der Terrasse Kaffee. Wir waren alle guter Dinge und scherzten miteinander. Wir saßen eine Stunde lang beieinander und aßen süßes „Kum“, dann brachen wir auf. Wir würden am Mittag wieder auf unsere Wanderroute vom Beginn treffen und so den Kreis schließen.

Die Sonne schien warm vom Himmel und hüllte alles in ein friedliches Schweigen. Wir liefen wortlos und zufrieden nebeneinander her. Seldit begann, ein Lied zu singen, in das Bortan und die Kinder einstimmten, Marietta und mir war das Lied unbekannt. Wir summten aber den Refrain mit. Hinterher sagte Seldit, worum es in dem Lied gegangen wäre, es handelte von Wandersleuten, die frohen Mutes durch die Wälder streiften und dabei immer vor sich her sangen. An einer kleinen Lichtung machten wir unsere letzte Pause. Seldit stimmte noch ein Lied an, alle sangen mit, Marietta und ich sangen den Refrain mit. Wir tranken aus unseren Trinkflaschen, die wir bei einer Quelle an der Hütte aufgefüllt hatten und liefen weiter. Auf unserem letzten Wegstück, schon relativ nahe bei der Stadt, lichtete sich der Wald ein wenig, stand aber immer noch dicht. Wir trafen am Mittag, wie angenommen, auf unsere Wanderroute vom vorletzten Tag und schlossen den Kreis. Längst sahen wir die Häuser der Stadt und das Königsschloss. Wir betraten das Stadtgebiet wieder an der Universität und liefen die zehn Minuten bis zum Schloss. Der Unterschied zu unserem abgeschiedenen Waldausflug hätte krasser kaum sein können.

Es fuhren zwar kaum Autos und wenn, dann sehr langsam, aber die Goor, die auf der Straße liefen, lärmten, besonders die spielenden Kinder waren laut. Aber das gehörte eben zu einem Leben in der Stadt dazu und störte auch nach kurzer Zeit überhaupt nicht mehr, nur wenn man gerade aus der Stille kam, dann fiel es doch stark auf.

Wie liefen am Wachposten vorbei auf den Schlosshof, wo uns sofort Eemeli und Eveliina entgegenstürmten. Wir setzten uns auf die Bank an der Eiche und streichelten die Tiere, Eveliina würde in absehbarer Zeit werfen. Dann erzählte Bortan den beiden Tieren in den ihnen eigenen und uns völlig unverständlichen Zischlauten die Geschichte mit der Bärin. Die Tiere saßen völlig reglos neben Bortan und hörten ihm zu Er sagte, dass, wenn irgendwann einmal zwei Vielfraße aus dem Wald zu ihnen kämen, sie denen zu essen geben sollten, die Tiere hätten ihm das Leben gerettet. Eemeli und Eveliina gaben zu verstehen, dass sie sich um die Tiere kümmern würden, wenn sie erschienen. Ich tätschelte die Tiere, bevor sie mit Aaron und Unto im Schlosspark verschwanden und dort mit ihnen herumtobten.

Marietta und ich dankten Seldit und Bortan für die sehr schöne Wanderung, wenn sie auch durch einen üblen Zwischenfall in dem Spaß, den sie bereitet hatte, ein wenig gelitten hätte, wir sagten aber, dass wir daran schon gar nicht mehr dächten. Wir hätten die Ruhe und den Anblick der vielen Tiere genossen. Auch das Zusammensein mit ihnen hätte uns gutgetan.

Plötzlich erschien der König auf dem Schlosshof und sagte, dass er sich freute, uns wiederzusehen. Wir erhoben uns sofort, er winkte aber ab, wir sollten doch sitzen bleiben und nicht so förmlich sein. Er wollte wissen, was wir erlebt hatten und ob uns seine Tour gefallen hätte. Wir berichteten in aller Kürze, wie wir uns Kilometer um Kilometer durch den Wald bewegt hätten, immer auf Tiere achtend, wie wir Pausen gemacht und uns lange in den Hütten aufgehalten hätten, die Hütte am See wäre besonders schön gewesen. Wir erwähnten mit keinem Wort unser Erlebnis mit der Bärin, vielleicht würden wir das am Abend tun.

„Ihr seid sicher müde, Kinder, kommt herein, ich lasse Erfrischungen bringen!“, sagte König Jarmo. Wir gingen gemeinsam in den Salon und die Diener brachten Getränke und Obst, das tat gut, wir waren wirklich müde.

„Wie geht es Prinzessin Eira?“, fragen Marietta und ich und der König antwortete, dass sie schliefe, Pekko hätte sich hervorragend um sie gekümmert und ihr ihren Tropf gegeben. Wir wollten sofort hoch zu Eira, doch der König bat:

„Lasst sie noch einen Moment schlafen, Ihr könnt schon noch früh genug zu ihr!“.

Wir aßen Obst und lobten Pekko, dass er uns an das „Kum“-Essen gebracht und uns die Rucksäcke geliehen hatte. Er wäre schon lange einer seiner treuesten Diener, sagte der König.

Dann gingen Marietta und ich, nachdem wir eine Zeit gewartet hatten, aber doch hoch zu Eira. Wir klopften an ihre Tür, hörten ein festes „Herein!“ und waren erstaunt, Eira an ihrem Zimmertisch sitzen und schreiben zu sehen. Sie lächelte vor Freude, als sie uns sah:

„Marietta, Paulo, schön dass Ihr wieder da seid!“, rief sie laut, „erzählt mir bitte, was Ihr erlebt habt!“, bat sie. „Ihr seht, dass es mir ausgezeichnet geht, ich bin längst nicht mehr so erschöpft und abgespannt, das Schreiben am Tisch ist viel angenehmer als im Bett, allerdings lege ich mich nach einer Stunde wieder hin.“ Wir freuten uns, dass Eiras Erholung solche Fortschritte machte, das sagten wir ihr auch, sie sollte sich nur nicht so früh überfordern und alles langsam angehen lassen. Dann erzählten wir von unserer Wanderung, wie toll das Zusammensein mit Seldit, Bortan und den Kindern wäre, wir wären am ersten Tag bis zur Hütte am See gelaufen und hätten viele Tiere im Wald gesehen und genau, wie es Eira damals erlebt hatte, wäre an der Hütte ein Rehkitz ganz nahe zu uns gekommen und hätte sich füttern lassen, sogar „Kum“ hätte es aus der Hand genommen. Ein Geräusch hätte es dann erschreckt und es wäre davongelaufen.

Eira erinnerte sich an ihr Erlebnis mit dem Rehkitz damals und musste lachen, weil wir das Gleiche erlebt hätten. Dann berichteten wir Eira ausführlich, wie wir am nächsten Tag in einer Sumpfwiese Moltebeeren gepflückt hätten und dort von einer Bärin attackiert worden wären.

„Wie furchtbar!“, rief Eira entsetzt. Es wäre Bortans unnachahmlichem Geschick und seinem Gespür für die Tiere zu verdanken, dass wir noch lebten. Bortan hätte Vielfraße zu Hilfe gerufen, die die Bärin im letzten Moment getötet hätten.

„Wie entsetzlich!“, schrie die Prinzessin. Die ganze Situation wäre tatsächlich entsetzlich gewesen und wir hätten lange daran zu knacken gehabt, letztlich hätte sich aber alles zum Guten gewendet und wir wären froh gewesen, wie wir aus der brenzligen Lage herausgekommen wären.

„Zum Glück seid Ihr alle heil nach Hause gekommen, ich freue mich riesig, Euch wiederzusehen!“, sagte Eira. Wir erzählten noch von der zweiten Hütte, dass wir Rentiere und einmal sogar Wölfe gesehen hätten. Eira hörte gebannt zu, wie Kinder zuhören, denen man ihnen eine Geschichte erzählt. Wir fragten sie nach ihren Schreibfortschritten und sie sagte, dass sie das erste Kapitel ihrer Geschichte abgeschlossen hätte. Sie sollte sich wieder hinlegen, sagten wir ihr, ihr Körper würde sich nur ganz allmählich wieder an die Anstrengungen des Alltags gewöhnen, am besten, sie schliefe eine Weile, am nächsten Tag würden wir uns dann im alten Rhythmus wieder um sie kümmern. In eineinhalb Wochen wäre die Therapie abgeschlossen, dann könnte sie sich wieder ganz normal bewegen. Eira befolgte unseren Rat und legte sich hin. Wir gingen wieder nach unten und sagten dem König, dass Eira mächtige Fortschritte machte. Der König ließ Kaffee bringen und wir setzten uns wieder alle an den Mahagonitisch im Salon. Der herrliche aromatische Kaffee hatte es Marietta und mir angetan, wir hatten beide selten so einen guten Kaffee getrunken. Die Kinder rannten kurze Zeit später hinaus und spielten mit Eemeli und Eveliina, die nur darauf gewartet hatten. Seldit und Bortan lobten unsere Ausdauer und wir sagten, dass wir beide nicht gedacht hätten, dass unsere Stiefel das aushalten würden, niemand hätte Druckstellen oder sogar Blasen davongetragen. Nach dem Kaffee gingen Marietta und ich hoch und stellten uns beide unter die Dusche. Ich umarmte Marietta und wir ließen uns beide das warme Wasser über unsere Körper rieseln. Mariettas Busen war mittelgroß und fest, ich streichelte und küsste ihn. Längst hatte ich eine Erektion und war begierig darauf, mein steifes Glied in Mariettas Scheide gleiten zu lassen. Sie hielt meinen Penis in der Hand und massierte ihn, dann nahm sie ihn in den Mund und liebkoste ihn mit ihrer Zunge, ich konnte fast nicht mehr zurückhalten. In Windeseile trockneten wir uns ab und warfen uns aufs Bett, wo ich sofort in Marietta eindrang. Wir waren beide so heiß, dass wir gleich kamen. Ein unbeschreiblich wohltuendes Gefühl stellte sich ein, eine angenehme Erschlaffung, eine Reglosigkeit. Wir lagen beide eng umschlungen und schliefen ein.

Am frühen Abend wurden wir wach, wir spürten schon unsere Knochen vom Wandern, standen aber auf und zogen uns an. Dann gingen wir nach unten zum Abendessen, die anderen saßen alle am Tisch und warteten auf uns. Der König ließ wieder alles, was er in der Bar hatte, auffahren, es waren alle Getränke dabei, die man sich vorstellen konnte. Marietta und ich tranken, wie auch die anderen, ein kaltes Bier, wir prosteten uns zu und stießen auf unsere erfolgreiche Wanderung an. Das Bier schmeckte sehr gut, es hatte genau die richtige Temperatur, das Bier, das wir auf unserer Wanderung dabeihatten, war natürlich den ganzen Tag im Rucksack und dementsprechend warm. Wir tranken alle ordentlich, mit dem Erfolg, dass Marietta und ich leicht angeheitert waren und die anderen über uns lachten, sie konnte ja ohne Einschränkung Alkohol trinken, sie wurden nicht betrunken. Wir hatten alle reichlich „Kum“ gegessen und waren gut satt. Marietta und ich gingen leicht schwankend aufs Zimmer und sofort ins Bett.

Wir standen am nächsten Morgen nicht allzu früh auf und gingen zu den anderen hinunter, Kaffee trinken. Es gab wieder süßes „Kum“ dazu, anschließend kümmerten wir uns um Eiras Tropf. Die Prinzessin saß längst am Tisch und schrieb, wir wünschten ihr eine guten Morgen und baten sie, sich wieder hinzulegen. Wir legten ihr den Tropf und setzten uns zu ihr, um uns mit ihr zu unterhalten. Eira war eine ausgesprochen angenehme Erscheinung, sie war offen und natürlich. Sehr schön war ihr Lachen, sie lachte von ganzem Herzen und legte all ihr Inneres in ihr Lachen. Eira war hübsch und sie würde sicher einen tollen Mann bekommen, wenngleich das für sie als Prinzessin nicht ganz so einfach wäre. Vielfach heiratete man ja zwischen den Königshäusern hin und her, das war bei den Goor aber nicht so vorgesehen, es gab keine Nachbarkönigshäuser, in denen es heiratsfähige Prinzen gegeben hätte. Wahrscheinlich würde Eira nur die Partnerbörse bleiben, sie müsste „bürgerlich“ heiraten. Aber den Entschluss müsste Eira ganz allein fassen, vielleicht träfe sie ja auch einen netten Kommilitonen während ihres Pädagogikstudiums.

Eira fragte noch einmal nach unserem spektakulären Bärenerlebnis und wir mussten die ganze Geschichte von vorn erzählen. Als wir mit der Geschichte geendet hatten, war Eira ganz ergriffen. Sie hoffte, dass sich das schreckliche Erlebnis nicht als Schatten auf ihre Geschichte legte, sie ließe sich nur von positiven Gedanken tragen, solche entsetzlichen Erlebnisse, wie wir sie gemacht hätten, spielten bei ihr keine Rolle, sie wollte nur Gutes schreiben. Sie sollte nach Möglichkeit gar nicht mehr an die Sache mit der Bärin denken, sagten wir Eira, nahmen die Tropfflasche und gingen wieder, wir würden später noch nach ihr sehen, sagten wir ihr. Dann brachten wir die Flasche ins Labor und gingen zu Seldit und Bortan. Sie waren gerade dabei, ihre Sachen zu packen, sie wollten am Mittag nach Hause fahren, meinte Bortan und trug schon einige Gepäckstücke zum Auto, die Jungen halfen ihm dabei. Seldit sagte, dass die Zeit mit uns auf dem Schloss und auf der Wanderung sehr schön gewesen wäre und wir sagten das Gleiche von ihnen. Wir setzten uns eine Weile auf ihren Balkon und besprachen, wie es mit uns weitergehen würde. Nachdem wir Eira zu Ende behandelt hätten, sollten wir wieder zu ihnen kommen und eine Zeit bei ihnen übernachten, bis wir ein eigenes Haus gefunden hätten. Wir dankten Seldit für die Einladung und sagten, dass die Therapie in eineinhalb Wochen abgeschlossen wäre. Bortan kam mit den Jungen wieder hoch und setzte sich noch einen Augenblick zu uns. Er fragte Seldit, ob sie an alles gedacht hätte, dann standen wir auf und verabschiedeten uns voneinander, ich umarmte Seldit und gab ihr einen Kuss auf die Wange, auch Bortan umarmte ich. Seldit und Bortan drückten Marietta, und dann gingen wir zum Parkplatz. Wir strichen den Jungen über den Kopf. Alle stiegen ins Auto und fuhren los, wir winkten, bis wir sie nicht mehr sahen. Dann gingen wir auf den Schlosshof und setzten uns neben die Eiche.

„Hast Du Dir eigentlich einmal überlegt, wo wir leben sollen?“, fragte ich Marietta.

„Nein“, antwortete sie, „aber die Hauptstadt gefällt mir sehr gut!“ Da musste ich Marietta recht geben, wir hatten noch nicht allzu viel im Goor-Reich gesehen, aber ich musste sagen, dass auch mir die Hauptstadt gefiel. Sie war überschaubar groß, man konnte alles Wichtige zu Fuß erreichen, der große Wald reichte bis an die Stadtgrenze, und es gab eine Universität, allerdings waren Marietta und ich dem Studentenleben entwachsen. Wir wollten sehen, dass wir mit Eiras Hilfe, es musste ja nicht gerade der König sein, ein Haus in Ta`amervan bekamen. Eiras Entschluss, ein Pädagogikstudium aufzunehmen, war gereift, sie würde sich unmittelbar nach ihrer Genesung einschreiben. Marietta und ich liefen in die Stadt und setzten uns in das Cafe am Platz.

Es bot sich uns ein fast vertrautes Bild, das Schwimmbad, das Cafe, die Tankstelle bildete ein Ensemble, das wir kannten. Es liefen viele Goor durch die Stadt, viele gingen schwimmen, wir beobachteten Autofahrer, die kostenlos ihre Autos betankten, das wäre bei uns ein Traum gewesen. Marietta und ich verbrachten auf die Weise ein paar Tage der absoluten Entspannung, wir versorgten Eira am Morgen, gingen am Mittag in die Stadt und schauten uns ein paar schöne Ecken an, legten uns am Nachmittag ein Stündchen hin und aßen mit dem König zu Abend, das Schönste waren die anschließenden Gespräche mit ihm. Er war ein Mann mit großer Lebenserfahrung und wusste die glaubwürdig und überzeugend weiterzuvermitteln, wir hörten seinen Worten sehr gerne zu. Der König liebte große Worte und holte weit aus, wenn er erzählte, das tat der Qualität seiner Worte aber keinen Abbruch. In den letzten drei Tagen ihrer Therapie saß Eira abends mit bei uns, sie war wieder so sehr zu Kräften gekommen, dass sie problemlos zwei, drei Stunden mit uns zusammensitzen konnte, danach brachten Marietta und ich sie aber wieder auf ihr Zimmer. Wir wollten nach Therapieabschluss viel mit Eira spazieren gehen und ein leichtes Fitness-Programm absolvieren. Eira war hocherfreut, endlich die Einsamkeit ihres Zimmers aufgeben zu können, sie hasste es inzwischen, jeden ihrer Schritte in ihrem Morgenmantel tätigen zu müssen und war glücklich, wieder ihre Goor-Kleidung anziehen zu können. Dann, als Eira vollständig wiederhergestellt war, nahmen wir sie mit zum Kaffeetrinken mit dem König, aßen etwas süßes „Kum“ und gingen mit ihr auf den Schlosshof.

Prinzessin Eira setzte sich mit uns auf die Bank neben der Eiche und schloss die Augen, sie genoss es, wenn die Sonnenstrahlen auf ihr Gesicht fielen und saß lange so. Dann kamen mit einem Male Eemeli und Eveliina und liefen sofort zu Eira, sie hatte die Tiere drei Wochen nicht gesehen. Eira tätschelte beide freudig erregt und sagte:

„Meine Güte, Eveliina, was hast Du einen dicken Bauch bekommen, Du wirst bald Nachwuchs bekommen!“ Eveliina schaute Eira an, als hätte sie deren Worte verstanden, aber Eira konnte die Sprache der Vielfraße nicht. Wir schickten die Tiere in den Schlosspark und liefen in die Stadt. Eira sang vor Freude, viele erkannten sie und grüßten, als es Eira zu viel wurde, setzte sie eine Kappe und eine Sonnenbrille auf, um sich unkenntlich zu machen. Dann gingen wir in unser Cafe, Eira hielt die Kappe und die Sonnenbrille auf und selbst der Kellner erkannte sie nicht. Wir erzählten Eira als Erster von unserem Wunsch, in Ta`amervan zu bleiben. Sie war sehr erfreut, weil uns inzwischen doch eine tiefe Freundschaft verband, wir könnten viel zusammen unternehmen, auch wenn sie Königin wäre, würde das unsere Freundschaft nicht stören. Sie wollte sich bei der Haussuche für uns stark machen, das sollte keine Probleme geben. Sie würde uns zum Wohnen das Viertel um die Universität herum empfehlen, das wäre sehr gefragt, weil es in Waldnähe lag. Eigentlich wäre die Stadt aber überall schön, sie lebte auch gern in Ta`amervan. Wir könnten doch gleich einmal zur Uni laufen und uns ein paar schöne Flecken ansehen, auf dem Wege könnte sie sich im Studentenbüro einschreiben.

Wir tranken zwei Tassen von dem leckeren Kaffee, aßen etwas Obst und gingen dann wieder. Es gab hochherrschaftliche Villen in der Gegend mit großen Vorgärten und riesigen Grundstücken. Wir sahen aber keine leerstehende Villa, mich erinnerte unser Fensterblick an die Studentenzeit, wenn wir eine Wohnung suchten und überall da, wo keine Gardinen an den Fenstern hingen, schellten, immer erfolglos, bis wir im Wohnheim landeten.

Wir gingen in die Hochschule zum Studentensekretariat und als Eira ihren Namen sagte, taten die Sekretärinnen ganz ehrerbietig und gaben ihr ihren Studentenausweis, nachdem Eira ihnen ein Passfoto von sich überreicht hatte, sie war von da an Studentin. Ihre Vorlesungen starteten mit dem Beginn des neuen Semesters zwei Wochen später.

Wir sagten Eira, dass wir für den Tag genug gelaufen wären und besser wieder zum Schloss zurückgingen. Als wir am Platz vorbeikamen, fiel uns ein, dass wir doch einmal schwimmen gehen könnten, es gäbe kaum ein besseres Training für Eira. Also nahmen wir uns für den nächsten Tag das Schwimmen vor. In Eiras Zimmer machten wir mit ihr ein paar Situps, so um die zwanzig, dann war es genug und Eira legte sich hin. Sie hatte für den Tag wirklich genug getan und war sichtlich erschöpft.

Marietta und ich gingen auf unser Zimmer und legten uns eine Stunde hin. Wir unterhielten uns noch eine Zeit lang über Eira und freuten uns beide, sie wiederhergestellt zu sehen. Der König musste bei Eira gewesen sein, denn er sprach uns nach dem Abendessen auf unseren Hauswunsch an. Wir wollten eigentlich nicht den König in unsere Haussuche involvieren, Eira hatte ihn aber von unserem Wunsch unterrichtet. Zunächst einmal sagte er, dass er sich freute, uns als neue Hauptstadtbewohner begrüßen zu dürfen. Er würde schon am nächsten Tag seine Dienerschaft losschicken, damit sie sich nach freistehenden Häusern umhörte. Wir aßen zum Abend von unserem „Kum“ und tranken Bier dazu, Eira trank einen Saft, ihr war das Bier zu bitter. Wir redeten noch bis 22.00 h und sagten dem König dann, dass wir am nächsten Tag schwimmen gehen wollten. Er wäre in seiner Jugend ein sehr guter Schwimmer gewesen, es fehlte ihm aber im Moment einfach die Zeit dazu. Dann gingen wir schlafen. Marietta und ich schmiegten uns aneinander und küssten uns, wir waren verliebt ineinander.

Am nächsten Morgen stellte sich für uns das Problem, woher wir Schwimmzeug nehmen sollten und sagten das Eira. Eira löste das Problem auf ihre Art, sie gab Marietta einen Bikini von sich und mir eine Badehose vom König, nicht gerade der letzte Schrei, aber das war mir egal. Wir tranken Kaffee und aßen süßes „Kum“, dann gingen wir zum Schwimmbad. Wie lange war ich doch schon nicht mehr schwimmen? Das musste Jahrzehnte her sein, bei Marietta war es genau so. Am Schwimmbad war einiges los, eine Menge Goor ging hinein. Goor könnten von Geburt an schwimmen, sagte Eira, Wasser wäre ein Element, das ihnen vertraut wäre. Wir gingen hinein und zogen uns um.

Ich war als Erster fertig und wartete auf die Frauen in der Schwimmhalle, die sehr große Ausmaße hatte, sie war länger und breiter als Schwimmhallen bei uns, ich schätzte die Länge auf achtzig und die Breite auf dreißig Meter.

Im hinteren Beckenteil gab es einen Sprungturm, der Spungbereich war gesondert abgesichert, der Turm hatte bestimmt fünfzehn Meter Höhe und genau so wie bei uns sprangen die Jugendlichen mit allerlei Mätzchen von ganz oben ins Wasser und spritzten dabei, was das Zeug hielt. Dann kamen die Frauen, beide hatten ausgezeichnete Figuren in ihren Bikinis, Eiras Körper hatte die gleichen Proportionen wie der menschliche Frauenkörper, ich musste meine Augen gewaltsam abwenden. Die Goor schienen sich im Wasser ein Vergnügen daraus zu machen, sich zu unterhalten und viel zu lachen. Bahnen ziehen, wie das bei uns angesagt war, das sah man in dem Schwimmbad nur gelegentlich. Wir stiegen die Leiter am Beckenrand hinunter und es umgab uns ein sehr angenehm warmes Wasser. Man konnte über weite Strecken im Becken stehen, das Wasser war vielleicht schultertief. Eira tauchte unter und schwamm eine Strecke unter Wasser, was Frauen bei den Menschen nur sehr ungern taten. Dann tauchte sie wieder auf und schüttelte sich, sie begann, herumzualbern und uns nasszuspritzen. Wir holten aus aus einer Kiste am Beckenrand einen Ball und warfen ihn uns immer wieder zu. Bei uns hätte es ein unaufhörliches Gemeckere von den Alten gegeben, die ihre Bahnen schwimmen wollten und dabei den Kopf weit aus dem Wasser hielten, dass auch ja kein Wasser an ihn kam, besonders die Damen schwammen sehr langsam und schimpften über die kleinste Welle, die durch tobende Kinder verursacht wurde.

Dort bei den Goor war das anders, man sprang vergnügt im Wasser herum und tauchte dabei oft unter. Eira war wieder voll bei Kräften, wir spielten bestimmt eine Stunde mit dem Ball, dann gingen wir alle drei auf das Dreimeterbrett und Eira legte einen Kopfsprung vor, da kamen Marietta und ich nur ins Staunen, ich erinnerte mich an früher, als ich den auch so hinbekam, Marietta machte einen Fußsprung.

Dann beschlossen wir, das Schwimmbad wieder zu verlassen, wir wollten nichts übertreiben! Wir zogen uns wieder um und nahmen uns vor, öfter ins Schwimmbad zu gehen. Wir liefen zum Schloss zurück und rieten Eira, sich hinzulegen, wenigstens für eine Stunde, was sie dann auch tat. Am frühen Nachmittag weckten wir sie und machten ein paar Fitnessübungen mit ihr, Eira machte ungefähr zwanzig Situps, aber auch zehn Kniebeugen und fünf Liegestütze. Das war ausgezeichnet, sie machte die Übungen ohne Probleme.

Am Nachmittag tranken wir mit dem König Kaffee, er berichtete uns, dass die Diener zwei Villen ausfindig gemacht hätten, die für uns in Frage kämen, wir sollten sie uns am nächsten Morgen ansehen. Marietta und ich freuten uns auf unser gemeinsames Zuhause, die Häuser waren voll möbliert, sodass wir uns um Möbel nicht zu kümmern hätten, lediglich, wenn uns etwas nicht gefiel, dann müssten wir uns bei der Möbelverteilstelle etwas Neues bestellen. Wir erzählten König Jarmo von Eiras hervorragender körperlicher Verfassung, sie wäre nach unserer Einschätzung wieder vollkommen gesund. Der König war sehr erfreut, das zu hören und ließ seine gesamte Getränkepalette auffahren. Auch Obst gab es, wir hielten uns am Nachmittag aber mit dem Alkohol zurück.

Anschließend gingen Marietta und ich aufs Zimmer und legten uns eine Stunde hin. Wir knutschten miteinander und malten uns unser neues Haus aus. Am frühen Abend gingen wir noch einmal auf den Schlosshof und setzten uns auf die Bank neben der Eiche. Die beiden Vielfraße kamen angestürmt und wir tätschelten sie, doch Eveliina und Eemeli benahmen sich merkwürdig und schienen uns etwas hinter dem Schloss zeigen zu wollen. Wir liefen mit den beiden in den Schlosspark mit, sie rannten immer vor und blieben stehen, bis wir aufgeholt hatten.

Als wir im Park angekommen waren, sahen wir zwei fremde Vielfraße, wie sie sich über eine große Elchkeule hermachten. Als sie uns wahrnahmen, sträubte sich ihr Nackenfell, Eemeli und Eveliina liefen zu ihnen und sagten ihnen, dass keine Gefahr drohte, wir hielten Abstand. Uns war klar, dass es sich bei den beiden fremden Tieren um Bortans und vielleicht auch unsere Lebensretter handelte. Ich lief schnell zu Pekko und bat ihn, doch noch eine Elchkeule zu holen. Er gab sie mir und ich rannte mit der Keule wieder nach hinten. Die beiden fremden Vielfraße hatten das Feuer wilder Tiere in ihren Augen und blitzten mit ihnen zu uns herüber. Ich warf die Keulen zu ihnen hinüber, und sie starrten wie gebannt auf das leckere Fressen. Sie rochen streng bis zu uns herüber. Erst als Marietta und ich weiter zurückgingen, trauten sie sich vor und rannten mit der Keule wieder nach hinten. Wir ließen die Tiere in Ruhe und gingen wieder zum Schlosshof. Dort trafen wir Eira, die uns zum Essen holen wollte. Wir liefen in den Salon und begrüßten den König, der schon am Tisch saß und auf uns wartete. Wir entschuldigten uns für unser Zuspätkommen und erzählten den Grund, dass hinten im Park die beiden Vielfraße von unserer Wanderung wären. Der König konnte mit unserer Erklärung nichts anfangen und Eira erzählte dann noch einmal unser Bärenerlebnis.

„Ist das wirklich wahr? Das ist ja unglaublich!“, rief der König entsetzt, „dann haben die beiden ja jetzt ihre Belohnung!“ Und wieder verbrachten wir einen Abend mit angenehmem Reden und viel Lachen.

Es schützt Dich das Haus, das Du beziehst, für lange Zeit!

Besinnliche Geschichten (3)

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