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Die Bergtour mit Aapo

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Nachdem sich Marietta und Paulo in Kratholm eingelebt haben, beschließt Paulo, mit Aapo, seinem Nachbarn, eine Bergtour auf den Jostebrygga zu machen...

Es waren kaum Krat auf den Straßen, es war noch früh und wir hatten Samstag, ein Tag, an dem man in der Regel ausschlief, bis auf zwei verrückte Bergbegeisterte. Kurz nachdem wir Kratholm verlassen hatten, bogen wir nach Osten ab, Richtung Gebirgszug, den man schon am Horizont ausmachen konnte und der geschätzte vierzig bis fünfzig Kilometer vor uns lag. Ich fuhr nicht allzu schnell über die schlechten Straßen, aber zügig und wir erreichten nach knapp einer Stunde das Gebirge, wir gelangten in das kleine Dorf Balavidda, in dem vornehmlich Bauern und auch Bergbauern lebten, ich dachte, dass man dort von dem Krieg wohl kaum etwas mitbekommen hätte. Es hingen auch auf dem Dorfplatz Wahlplakate, ich fuhr den Wagen auf den Platz und parkte dort. Das Massiv des Jostebrygga reichte bis zum Dorf und wir würden unsere Wanderung dort beginnen, Aapo zeigte mir auf seiner Karte unsere Route. Er rechnete mit einem dreistündigen Anstieg, es ging zunächst in sanften Kehren leicht bergauf, wir hatten tausendfünfhundert Höhenmeter zu bewältigen und wollten reichlich Pausen machen, das Wetter war am Morgen mild bis frisch, es sollte zum Mittag hin aber warm werden, am Berg bedeutete das dann Kampf durch die Hitze.

Wir kontrollierten gegenseitig den Sitz unserer Rucksäcke und marschierten los, an einem Dorfbauern vorbei, der in seiner Stalltür stand und uns fremden Wesen nachsah. Die Luft roch würzig am Fuße des Jostebrygga-Massivs und wir kamen gut voran. Unser Weg war mit roten Dreiecken markiert, auf die wir zu achten hätten, sie würden uns bis zum Gipfel begleiten. Wir liefen an einem Bach, der aus dem Gebirge kam, entlang, es ging leicht bergauf, zu unserer Linken lag eine steile Weide, zu steil, um Vieh darauf grasen zu lassen, von Ziegen einmal abgesehen. Plötzlich bog unser Weg nach links in den Hang ab und verengte sich zu einem schmalen Steilpfad. Aapo und ich schauten den Pfad entlang und konnten von unten nicht erkennen, wie er oben verlaufen würde, kurze Zeit waren wir beide außer Atem und blieben hechelnd einen Moment stehen, wir hatten schnell an Höhe gewonnen und schauten auf das Dorf, wir konnten unseren Wagen mitten auf dem Dorfplatz stehen sehen. Nach ungefähr zweihundert Höhenmetern kamen wir auf eine Alm, auf der der Weg flacher verlief und uns nicht so sehr forderte. Immer wieder bleiben wir stehen, um Luft zu schnappen und die Aussicht zu genießen, wir mussten erst noch unseren Laufrhythmus finden, ruhiges Atmen war die Voraussetzung dafür. Wir waren beide keine geübten Bergwanderer, schlugen uns aber tapfer. Auf der Alm standen Rinder und glotzten uns an, so als fragten sie sich:

„Was wollen die denn so früh hier oben?“ Von der Alm aus sahen wir den Jostebrygga-Gipfel, auf den die Sonne schien und der noch ein gutes Stück entfernt lag. Vor uns rauschte ein kleiner Wasserfall, vor dem wir Halt machten und uns einen Schwall des eiskalten Wassers durch das Gesicht spülten, auch tranken wir von dem Wasser, das herrlich schmeckte. Wir befanden uns dann in einer dicht von Felsen eingefassten Senke, rechts unten das Dorf, links oben unser Weg und es wurde dann wieder steil. Wir machten kurze langsame Schritte und bemühten uns, gleichmäßig zu atmen, was uns auch gelang. Ohne Unterbrechung schafften wir die nächsten zweihundert Höhenmeter bis zu einer Hochalm, auf der auch Rinder standen und glotzten, es waren Bullen und sie standen hinter einem Elektrozaun, zum Glück! Aapo und ich beschlossen, neben einem Bachrinnsal in einem kleinen Wiesenstück eine Pause zu machen und streckten uns im Gras aus. Die Sonne hatte deutlich an Kraft gewonnen und ich zog meine Jacke aus, Aapo tat es mir nach und wir schlossen kurz die Augen. Es herrschte vollkommene Stille um uns herum, ab und zu hörte man die Glocken der Rinder, die sie am Hals hängen hatten, diese Ruhe tat unglaublich gut und wir kosteten sie aus. Ich aß etwas „Kum“ und trank dazu Wasser aus dem Rinnsal, was wollte man mehr? Wir ruhten so eine halbe Stunde, als Aapo plötzlich Gemsen im Gebirgshang links vor uns ausfindig machte und mich darauf hinwies.

Sie waren vielleicht dreihundert Meter entfernt, ich zählte zehn Tiere, wir konnten beobachten, wie sie gegeneinander hochstiegen und dann mit ihren Schädeln aufeinanderkrachten, dabei entstand ein dumpfes Geräusch, das von den zusammenknallenden Schädelplatten herrührte. Ansonsten fraßen die Gemsen zwischen den Felsen, die Jungen tranken bei ihren Müttern uns ließen sich durch nichts stören, wer wollte ihnen auch etwas anhaben? Höchstens der Steinadler hatte es auf die Jungen abgesehen, aber alle Gemsen passten auf die Jungen auf. Dann erhoben wir uns wieder und setzten die Rucksäcke auf, kontrollierten ihren Sitz und hängten unsere Jacken über sie, wir zogen über einen sehr steilen Weg bergan, zum ersten Mal wusste man gutes Schuhwerk zu schätzen. Das Wetter blieb konstant gut, es wehte ein leichter Wind, der aber nicht ausreichte, die zunehmende Hitze zu dämpfen, wir schwitzten stark und japsten nach Luft, liefen aber in inzwischen eingespieltem Rhythmus stetig voran und überwanden so den steilen Hang. Wir durchstiegen dann einen Sattel, an dessen Ende wir einen herrlichen Blick auf den hoch oben liegenden Gipfel hatten. Wir erreichten die Baumgrenze in ungefähr zweitausend Metern Höhe und schauten uns um, es bot sich ein sehr schönes Panorama, wir konnten tief unter uns noch die Dorfausläufer erkennen und in sehr weiter Ferne die große Getreideebene des Krat-Reiches, in der wir uns vor Tagen aufgehalten hatten, zur anderen Seite hin erblickten wir die Flanken höherer Gebirgsgipfel, die bizarr in den Himmel ragten und unbezwingbar schienen.

Die Bergsteigerei war bei den Krat nicht verbreitet, man sah auch niemanden am Berg, wir waren mit den Almrindern und Gemsen allein, was uns ganz recht war, wenn uns etwas passierte, müssten wir Hilfe über unser Handy herbeiholen, aber wir würden schon aufpassen. Wir hatten für den Rest unseres Berganstieges den Gipfel vor Augen, der einen anspornte, nicht aufzugeben und weiterzukämpfen, wenn uns auch unsere Lungen fast aus den Körpern zu springen schienen. Obwohl permanent sichtbar, schien der Gipfel fast unerreichbar, wir liefen und liefen und schienen uns ihm doch nicht zu nähern, bis wir einen Grat erreichten, der bis zum Gipfel führte.

Wir mussten auf dem Grat natürlich sehr vorsichtig gehen, weil rechts und links sehr steile Abhänge nach unten wiesen und ein Fehltritt das Ende all unserer Träume bedeutet hätte. Immerhin deutete der Grat darauf hin, dass wir uns dem Ziel unserer Bergwanderung doch langsam näherten, wir schätzten, dass wir noch hundert Höhenmeter zu bewältigen hätten. Wieder sahen wir eine Gruppe Gemsen, dieses Mal über uns im Hang, verrückt, mit welch spielerischer Leichtigkeit sie sich im Hang bewegten und dort herumsprangen. Auch bei dieser Gruppe gab es zwei Junge, die bei ihrer Mutter liefen, die älteren Tiere liefen am Rand der Gruppe und witterten andauernd, ob sich vielleicht irgendwelche Feinde näherten, von Land aus konnten das allenfalls Wolf, Bär oder Luchs sein, aber diesen Räubern wären die Gemsen im Steilhang weit überlegen und Steinadler brauchten sie auch nicht zu befürchten, die alten Tiere schützten die Jungen. Wir schauten nach vorne, um immer einen sicheren Tritt zu finden, das rote Dreieck war dort oben an die Felswände gemalt und zeigte den Weg zum Gipfel.

Wir erreichten dann das Gipfelplateau und gingen völlig außer Atem zum höchsten Punkt, an dem ein Steinhaufen lag. Wir umarmten uns und setzten uns an den Steinberg, wir gratulierten uns beide zur erfolgreichen Bezwingung des Berges. Nachdem wir langsam wieder normal atmeten, öffnete ich meinen Rucksack und holte die kleine Flasche mit dem Obstler heraus, ich nahm einen Schluck und reichte dann die Flasche Aapo hinüber. Dann genossen wir den Fernblick, der wirklich atemberaubend war, von dem Dorf unter uns war nichts mehr zu erkennen, in weiter Ferne konnte man Kratholm erahnen, weil der Himmel wolkenlos war, ansonsten blickte man auf die benachbarten Berge und zum Teil über sie hinweg in die Weite. Aapo und ich saßen auf den angehäuften Steinen, mittelgroßen Felsbrocken von der unmittelbaren Umgebung des Gipfels, sie waren vom Wetter zerfurcht und schartig und bildeten ein zwei Meter hohes Steinmonument. Wir saßen auf den untersten Felsen und lehnte uns an die höheren, wir hatten so eine relativ bequeme Sitzposition und saßen in der warmen Sonne.

Wir zogen uns auf dem Gipfel die Schuhe und die Jacken aus, es pfiff zwar ein leichtes Windchen, das war aber gut auszuhalten, es tat sogar gut, den Wind am Körper zu spüren. Wir nahmen beide noch einen Schluck Schnaps und spürten den Alkohol auch schon, wir hatten ja erst Mittag und beide noch nicht viel gegessen. Ich holte „Kum“ aus meinem Rucksack, und Aapo hatte ein Stück Braten hervorgeholt, wir aßen in absoluter Ruhe und vollkommen allein. Einige Dohlen umkreisten uns und waren wohl scharf auf irgendwelche Speisereste, die wir ihnen zuwürfen, ich brach ein Stück „Kum“ entzwei und warf ihnen die Brocken entgegen, sie stritten sich um die Krumen und gaben schrille Schreie von sich. Aapo und ich dachten daran, eine Zeit auf dem Gipfel zu verbringen und uns auszuruhen, wir wären in einer Stunde wieder im Dorf und in einer weiteren Stunde zu Hause, wir hatten also Zeit für eine ausgedehnte Pause. Ein Stückchen von uns entfernt entsprang der Bach, aus dem wir beim Anstieg getrunken hatten und der unterwegs den kleinen Wasserfall gebildet hatte, ich spülte die mittlerweile leere Schnapsflasche aus und füllte sie mit dem kristallklaren Quellwaser. Aapo und ich redeten kaum und schauten stattdessen in die Ferne, ab und zu sagte Aapo, um welche Gipfel es sich handelte, die uns umgaben, dann schauten wir nach Kratholm, das wir weit weg verschwommen liegen sahen.

So ein Berggipfel war eine Art Refugium, auf das man sich, entrückt von allem, begab und über sich und die einen umgebenden Menschen und Umstände nachdenken konnte. Deshalb saßen wir lange in uns gekehrt, schweigsam, essend, trinkend und ließen uns durch nichts und niemanden stören, es gab ja auch niemanden, der uns hätte stören können. Mit Ausnahme der Dohlen hörten wir nichts, es umgab uns absolute Stille, nicht einmal ein Pfeifen des Windes war zu hören, und obwohl wir 2500 Meter über dem Meer waren, brannte die Sonne auf uns herab. Es umgab uns karges Grün, es wuchsen Disteln und Flechten dort oben, mehr nicht, ich glaubte, dass es den Großteil des Jahres einfach zu kalt für andere Pflanzen war. Wir saßen bestimmt eine Stunde in der warmen Sonne, als wir am Himmel einige Wolken aufziehen sahen, völlig harmlose weiße Kumuluswolken, so wie man sie eigentlich immer am Himmel hatte, wenn er nicht gerade wolkenlos war wie bei uns bis vor kurzer Zeit. Wir schenkten den Wolken keine weitere Beachtung und sannen vor uns hin, bis sich hinter der vor uns liegenden Bergkuppe eine dunkle Wolkenfront aufbaute und nichts Gutes verhieß. Aapo sagte, dass es wohl kurze Zeit später regnen würde und wir schnürten unsere Rucksäcke zusammen, damit ihr Inhalt bei einem plötzlich einsetzenden Regenschauer nicht nass würde. Dann standen wir auf, setzten die Rucksäcke auf den Rücken, kontrollierten gegenseitig deren Sitz und machten uns an den Abstieg.

Wir hatten unsere Jacken wieder angezogen, weil es doch mit einem Male merklich frischer geworden war. Gerade stiegen wir in den steil abfallenden Berghang, als es zu regen anfing, die Sonne war verschwunden, der Himmel war ganz zugezogen. Aapo und ich wanderten durch die tief hängenden Schlechtwetterwolken. Der Wind hatte inzwischen deutlich an Stärke zugenommen und entwickelte sich langsam zu einem Sturm, der uns beim Abstieg vorsichtig werden und auf unsere Tritte achten ließ, wir gingen gebeugt, um dem Sturm so wenig Angriffsfläche zu bieten wie möglich. Wir erreichten die Baumgrenze wieder und hofften, dort vielleicht etwas Schutz vor dem Starkwind finden zu können, sahen mit einem Male aber, wie der Blitz in eine große Fichte einschlug und sie der Länge nach spaltete, es blieb ein unansehnlicher stark zerborstener rauchender Stumpf zurück, der Blitzeinschlag war von einem markerschütternden Donner begleitet und zwar sofort, ohne Zeitverzug, das hieß, dass das Gewitter genau über uns war. Welche Urgewalt der Natur war da über uns hereingebrochen? Wie konnte sich ein so schneller Wechsel der Wetterlage vollziehen? Da wir am Berg in einer exponierten Stellung waren und vom Blitz leicht erschlagen werden konnten, begaben wir uns in eine Senke, gingen in die Hocke und stellten die Füße aneinander, der Kontaktbereich zur Erde musste minimierte werden. Der Regen prasselte nur so auf uns herab, wir waren da, wo unsere Jacken uns nicht schützten, klatschnass und der Regen war kalt, wir froren.

Unsere Gesundheit ging uns aber vor und wir blieben in der Senke gehockt, um darauf zu warten, dass das Gewitter abzöge. Wir hatten den Eindruck, als hätte sich das Gewitter unseren Jostebrygga ausgesucht, um sich so richtig auszutoben. Wir waren auf der Höhe der Hochalm und sahen das Vieh, wie es sich an den Felshang quetschte, um sich vor dem Gewitter zu schützen, es stand dort mit hängenden Köpfen und ließ die Naturgewalt über sich ergehen, die Tiere verhielten sich instinktiv richtig und schienen nicht zum ersten Male solch einem Wetter ausgesetzt zu sein. Als Aapo und ich den Eindruck hatten, dass sich Blitz und Donner von uns entfernt hatten, gingen wir zum Steilpfad zurück und setzten unseren Abstieg fort. Das Regenwasser schoss in Sturzbächen abwärts und machte unsere Tritte unsicher, wir mussten höllisch aufpassen, wo wir hintraten, ein Sturz hätte den sicheren Tod bedeutet. In dieser Situation war gutes Schuhwerk extrem wichtig, meine Stiefel hatten keine Profilsohle, wie die Wanderschuhe Aapos, sie boten aber wegen ihrer optimalen Passfom sehr guten Halt, ich fühlte mich in ihnen sicher. Aapo und ich tasteten uns den Steilpfad entlang und brauchten auf diese Art und Weise fast so lange wie für den Aufstieg. Als wir die erste Kuppe erreichten, auf der der Weg fast waagerecht lief, streckten wir unsere Füße aus, durch das Abwärtstasten waren die Gelenke extrem unter Spannung und schmerzten auf Dauer, besonders auf dem Fußrist.

Es tat gut, diesen eine Zeit lang zu entlasten und das Fußgelenk zu entspannen. Wir ließen unsere Fußgelenke zur Ruhe kommen, bis der Steilpfad seine Fortsetzung fand und wir uns weiter abwärts tasteten. Die Fußgelenkschmerzen hatten sich längst in die Wadenmuskulatur ausgebreitet und waren in peinigende Stiche übergegangen. An der unteren Alm machten wir noch eine Pause, wieder war der Weg in eine fast waagerechte Passage gewechselt und wir genossen die schmerzlindernde Entspannung. Es hatte aufgehört zu regnen, der Himmel war aber noch verhangen und wir standen bei dem Vieh auf der Alm. Das Vieh glotzte uns an, sein Atem war in der Luft sichtbar, so kalt war es geworden. Aapo und ich froren in unseren nassen Hosen, wir hatten noch ungefähr eine halbe Stunde bis zum Auto und setzten unseren Abstieg fort. Das Dorf tauchte plötzlich unter uns aus dem Wolkennebel auf. Der Bach, der durch das Dorfzentrum floss, war zu einem breiten Fluss angeschwollen und toste talabwärts. Wir erreichten nach weiteren fünfunddreißig Minuten den Dorfrand und waren froh, heil und gesund unten wieder angekommen zu sein. Man sah niemanden im Dorf, die Ställe standen auf und wir schauten in einen hinein. Die dort untergebrachten Kühe drehten ihre Köpfe zu uns und glotzten uns Fremde an, die wir da in der Stalltür standen, so etwas waren sie nicht gewohnt. Wir gingen auf den Dorfplatz, auf dem es vor einem Cafe ein paar Tische gab, an denen bei dem schlechten Wetter niemand saß.

Wir aber zogen uns im Auto frische und vor allem trockene Hosen an, die wir zum Wechseln in unseren Rucksäcken hatten und setzten uns vor das Dorfcafe. In dem Moment brach die Sonne wieder durch die Wolken und erzeugte eine wohltuende Wärme. Die Nässe auf dem Platz verdampfte in feuchten Nebeln und es entstanden zunächst kleine Pfützen, bis auch die ausgetrocknet waren. Aapo und ich bestellten uns jeder ein Bier und prosteten uns auf unsere erfolgreiche Bergtour zu, wir hatten beide die Sprache wiedergefunden und redeten und redeten. Natürlich stand der gefährliche Abstieg im Mittelpunkt unseres Gesprächs. So ein Unwetter hätten wir beide lange nicht erlebt, sagten wir uns dann, ich musste dann aber vor mir eingestehen, das der Tornado bei Seldit und Bortan deutlich schlimmer gewesen war. Ich war da aber nicht den Naturgewalten ausgeliefert, so wie am Berg. Von daher war das Unwetter schon sehr bedrohlich für Aapo und mich gewesen, wir bestellten uns noch ein Bier. Wir saßen mit ausgestreckten Beinen am Tisch und hatten unsere Schuhe ausgezogen. Ganz langsam machten wir uns für unsere Heimfahrt bereit, wir aßen etwas Obst, das wir bestellt hatten und Aapo zahlte dann, ich wollte ihm zu Hause etwas dazugeben, aber Aapo winkte ab. Dann standen wir auf und liefen zum Auto, wo wir noch einmal zum Jostebrygga hochschauten, der Gipfel lag wieder in der Sonne und machte einen friedlichen Eindruck, als könnte ihn kein Wässerchen trüben.

Wir fuhren nach Kratholm zurück und brauchten eine knappe Stunde für die Strecke. Aapo und ich waren stolz auf uns, unsere Bergwanderung war ein tolles, wenn auch nicht ungefährliches Erlebnis und wir überlegten, in naher Zukunft einen zweiten Gipfel zu besteigen. Zu Hause angekommen, stellten wir den Wagen auf unseren Parkplatz und liefen ins Haus, ich schloss unsere Wohnung auf und wir begrüßten unsere Frauen und Kinder. Vilma war mit Valtteri zu Marietta und Klaus-Jarmo hinuntergegangen und unterhielt sich mit ihr. Sie hätten zu keiner Zeit während unserer Abwesenheit Langeweile gehabt, sagten sie. Aapo und ich holten unsere Hosen aus den Rücksäcken und hängten sie zum Trocknen über das Balkongeländer. Dann nahmen wir etwas zu essen und zu trinken und gingen in den Garten, wir legten uns auf die ausgebreiteten Decken und Aapo und ich mussten von unserer Bergwanderung berichten. Als wir von dem heftigen Unwetter erzählten, und wir schilderten, wie ein Blitz vor unseren Augen einen Baum der Länge nach gespalten hätte, wollte man uns zunächst nicht glauben. In Kratholm hätte den ganzen Tag über die Sonne gebrannt und Marietta und Vilma hätten schon daran gedacht, ein Freibad aufzusuchen. Vilma hatte Bratfleisch aus ihrer Wohnung geholt und Aapo schlang große Stücke davon in sich hinein, ich aß mein „Kum“ und war zufrieden.

Wir merkten beide unsere Beine, beim Bergsteigen wurden Muskeln gebraucht, von denen man kaum gehört, und die man noch nie benutzt hatte.

Wir glaubten aber, dass wir keine Probleme bekämen, und der leichte Muskelkater am nächsten Morgen vorbei wäre. Nach und nach gesellten sich unsere Nachbarn zu uns und wir waren schließlich eine richtige Samstagnachmittags-Grillgruppe. Und tatsächlich wurde auch gegrillt, die Nachbarn waren fröhlich und fragten sich, warum sie nicht schon früher im Garten gegrillt und gefeiert hätten. Aapo und ich mussten dann noch einmal von unserem Bergabenteuer erzählen. Arttu sagte, dass er ganz früher schon einmal einen Ausflug nach Balavidda gemacht hätte, es wäre ihm aber nicht in den Sinn gekommen, den Jostebrygga zu besteigen, seine Frau Ella wäre für Bergtouren zu haben. Wir erzählten dann auch noch einmal, wie wir in den Gewittersturm geraten waren und gesehen hätten, dass der Blitz einen Baum der Länge nach gespalten hätte, und von welchem Donnerkrach das Ganze begleitet gewesen wäre. Alle hörten uns gebannt zu, niemand konnte sich so etwas so recht vorstellen, zumal das Wetter in Kratholm den ganzen Tag über ausgezeichnet gewesen wäre. Jede Nachbarfamilie hatte einen Grill vor der Nase stehen und legte große Fleischbatzen auf, die Kinder nagten zum Teil Knochen ab, dann vertilgten sie aber das Grillfleisch, genau wie ihre Eltern.

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