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Kapitel 1: Antike Scheidewege

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Scheidewege gibt es viele. Die griechische Antike kennt zwei ganz berühmte. Herakles – so soll es Sokrates dem jungen Xenophon erzählt haben – erscheinen in der Einöde zwei Frauen. Die erste in kostbare Gewänder gekleidete Grazie verspricht ihm Genuss und Reichtum, wenn er ihrem Weg folge. Der Halbgott fragt nach ihrem Namen. Sie sagt, sie heiße „Eudaimonia“, also Glückseligkeit, fügt aber etwas schnippisch hinzu, dass sie von ihren Feinden als Verkörperung des Lasters, als „Kakia“, bezeichnet werde. Die andere, auf ihre Art ebenso überirdisch Anmutende, erklärt: „Wahrhaft Gutes und Schönes geben die Götter den Menschen nicht ohne Mühe und Fleiß.“ Sie stellt sich als „Arete“, als Inkarnation der Tugend, vor und verspricht dem angehenden Heroen Ruhm und Ehre, wenn er ihrem Pfad folge. Nach langer Debatte folgt Herakles dem rechten, dem richtigen, dem tugendhaften Weg.

Zahlreiche antike und spätere Autoren haben diese Szene nachempfunden, ausgeschmückt, als Plädoyer für die Willensfreiheit gedeutet, andere den Entschluss kritisiert oder zumindest ironisch kommentiert. Denn Herakles hätte sich ja auch anders entscheiden können. Freilich, jugendliche Helden schlagen den scheinbar gottgegebenen Weg ein. In Homers „Ilias“ erzählt Achilleus, seine Mutter Thetis habe ihn vor die Wahl gestellt:

Wenn ich hier bleibe und kämpfe um die Feste der Troer Wird mir verloren die Heimkehr, doch unvergänglicher Ruhm sein; Kehre ich aber zurück zum lieben Land der Väter, Wird mein Ruhm verloren, doch lang wird die Dauer des Lebens.

Dass Achilleus sich für ewigen Ruhm und frühen Tod entscheidet, scheint Generationen von geneigten Lesern ebenso klar wie richtig zu sein. Vergessen wird oft, dass Achilleus diese Entscheidung später bedauert. Als ihn Odysseus in der Unterwelt besucht und ihn als König der Toten vorfindet, sagt er bitter:

Preise mir jetzt nicht tröstend den Tod, ruhmvoller Odysseus. Lieber möcht’ ich fürwahr dem unbegüterten Meier, Der nur kümmerlich lebt, als Tagelöhner das Feld baun, Als die ganze Schar vermoderter Toten beherrschen.

Aber mit menschlichen ist es wie mit geschichtlichen Scheidewegen. Meist lässt sich die Weggabel nur im Nachhinein erkennen, das Ereignis herausdestillieren, das den Lauf der Geschichte verändert hätte. Manchmal ist es die falsche Entscheidung eines Einzelnen, einer Führungsschicht oder gar kollektiver Wahn, manchmal ist es eher Zufall: ein verheerendes Unwetter, das einer Flotte zum Verhängnis wird, eine Seuche, die ein Heer entscheidend schwächt, ein Attentat, das glückt oder nicht glückt.

Wie etwa der Anschlag auf Caesar. Kaum ein anderes Datum der Antike ist uns Schülerhirnen so eingeimpft worden wie die Iden des März im Jahr 44 v. Chr. Aber hätte das Komplott nicht ebenso gut scheitern können, wie es bei anderen römischen Diktatoren der Fall war? Caesar hätte nur den Warnungen seiner Frau folgen und unter einem Vorwand zuhause bleiben müssen. Dann wären die Iden des März und das gescheiterte Attentat eine Fußnote im Buch der Geschichte geblieben, wenn überhaupt. Vielleicht hätten dann alle Wege nicht nach Rom geführt, sondern nach Alexandria …

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