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2. Auf der Schwelle zu mir selber

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Wie ins Gebet hineinfinden? Es sei nicht unwichtig, darauf zu achten, was dem Gebet vorausgeht. Der äußere Rahmen, aber auch die innere Einstellung.

Ein Wort von Romano Guardini wird uns in dieser Frage weiterhelfen: »Das Gebet beginnt bei mir und endet bei Gott.« – Der Ausgangspunkt allen Betens also bin ich, meine geistige und leibliche Befindlichkeit, der Ort, wo ich stehe und wo ich mich aufhalte. Diese Stelle ist es, wo das Gebet seinen Anfang nimmt. Nicht anderswo, nicht rechts oder links von mir, nicht früher oder später, nein, dieses Hier und Jetzt ist die Basis, auf der alles beginnt. Das konkrete Erleben mit seinen Sonnen- und Schattenseiten. Weder soll etwas ausgeklammert noch übersprungen werden. Um ein Gebet gut zu beginnen, brauchen wir keinen frommen Salto mortale zu machen, müssen nicht forciert von dem ablenken, was uns innerlich gerade beschäftigt. Was jetzt, bewusstseins- und gefühlsmäßig, in uns präsent ist, ist der Punkt, von dem unser Gebet ausgeht. Alles Erlebte kommt ins göttliche Licht, soll durch das Feuer der göttlichen Liebe, damit es gereinigt und geordnet werden kann. Die verschiedensten Nöte des Herzens, banale und wichtige, existentielle Verunsicherungen, tiefliegende Ängste, Zwänge, die uns hindern, frei zu atmen, psychische Schmerzstellen, ungelöste Probleme, das ganze Auf und Ab der Stimmungen. Es schwingen aber auch die großen unerfüllten Hoffnungen mit hinein, die Träume, die für unsere Zukunft in uns lebendig sind. Die hellen Gedanken, die dem Tag eine Richtung geben, aber auch die dunklen Triebe, welche unsere Schritte unsicher machen. Das alles ist da, meldet sich zu Wort, wird laut, sobald wir beginnen, für das Gebet äußerlich und innerlich Ruhe zu schaffen. Es ist Ausgangspunkt und Inhalt des Betens.

Wir fangen also bei uns an. Ganz natürlicherweise! Wir tun es so und dürfen es auch! Es wäre künstlich, wenn wir versuchen müssten, das, was uns innerlich gerade beschäftigt, vom Gebet fernzuhalten oder in Klammern zu setzen. Das Herz würde eine solche »tour de force« nicht mitmachen und sich wahrscheinlich heillos verkrampfen. Wie sollte denn der Mund, auch der betende, von dem schweigen können, wovon das Herz überfließt, sei es von Tränen oder von Freuden? Nein, in jeder Form des Betens, im Loben, Bitten oder Klagen, dürfen und sollen wir von dem ausgehen, was im eigenen Herzen lebendig ist. Wir brauchen uns nicht künstlich zurückzunehmen oder uns in eine unnatürliche fromme Pose zu werfen.

Es wäre zudem auch unehrlich, wenn wir uns frömmer geben würden, als wir sind, einen zweiten Schritt zu machen versuchten, bevor wir den ersten getan haben. Deutlich und knapp sagt es der hl. Bernhard: »Du musst nicht über die Meere reisen, musst keine Wolken durchstoßen und musst nicht die Alpen überqueren; der Weg, der dir gezeigt wird, ist nicht weit. Du musst deinem Gott nur bis zu dir selbst entgegengehen. Denn das Wort ist dir nahe, in deinem Mund und in deinem Herzen.«1

Auf dem Weg zu Gott kommen wir zuerst zu uns. Wir müssen es so tun und wir dürfen es auch. Nichts anderes und nichts mehr ist für den Anfang allen Betens nötig, als bei uns anzukommen. Wir werden im Blick auf das bevorstehende Gebet nicht gefragt, was wir getan oder nicht getan haben, wir dürfen einfach da sein. Wir betreten einen Raum unbedingten Angenommenseins, wo wir gerade so sein dürfen, wie wir uns fühlen und wie wir sind. »Du hast mir Raum gegeben, als mir angst war. Sei mir gnädig und hör auf mein Flehen« (Ps 4,2).

Wachsen im Gebet

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