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1. Im Vorhof des Tempels
Оглавление»Ein guter Anfang ist mehr als die Hälfte.« Dieser Satz von Aristoteles nimmt sich geradezu programmatisch aus. Er hat Gewicht, ist gültig für viele Bereiche, auch für die Meditation und das Gebet. Nicht ohne Grund lenken fast alle Lehrer des Gebetes viel Aufmerksamkeit auf Vorbereitung und Einstimmung zum Beten. Gelingt dies, ist schon viel gewonnen. Konkret aber ist die Frage, wie das Vorfeld für das Beten bestellt werden soll. Was soll geschehen, bevor wir den Fuß ins »stille Kämmerlein« (Mt 6,6) setzen?
Wo wir uns zum Beten anschicken, da sind wir vorerst alleine, sind auf die eigenen Kräfte und Erfahrungen angewiesen. Wir können uns ganz ungeschickt und unbeholfen vorkommen, suchen nach Worten und Formulierungen, finden vielleicht etwas Hilfe in Lieblingsgebeten, die wir von früheren Zeiten behalten haben. Wir möchten – nicht ohne Ungeduld – schneller ins Gebet kommen, als dies offensichtlich möglich ist. Was ist zu tun? Immer sei es zu Beginn hilfreich und ratsam, vorerst die Dinge, die aktuellen und erlebten, sich setzen zu lassen. Man wende sich dem zu, was gerade gewesen ist, dem jüngst Erlebten, mache es sich bewusst und lasse so die Seele nachkommen.
Oder noch besser: Wir kommen der Not des Anfangs zuvor, indem wir selber aktiv werden und dieses Vorfeld des Betens bebauen. Dies geschieht am besten dadurch, dass wir Texte und Bilder, mit denen wir zu beten gedenken, uns frühzeitig zurechtlegen. Im zeitlichen Abstand, am Vorabend, so wie es Ignatius rät. »Nachdem ich mich niedergelegt habe und bereits einschlafen will, während der Dauer eines ›Ave Maria‹ daran denken, zu welcher Stunde und mit welchem Ziel ich aufzustehen gedenke, indem ich die Übung, die ich zu machen habe, kurz durchgehe« (EB 73).
Solche Vorkehrungen, mit denen wir uns auf das Gebet einstimmen, sind besonders da von Belang, wo wir alleine beten. Versteht sich! Anders verhält es sich, wenn wir uns in einer Gruppe finden oder wo wir uns einer religiösen Gemeinschaft zum Beten anschließen können. Auch da bleibt es gewiss nicht Nebensache, was dem Gebet vorausgeht. Aber der Einstieg ist doch bedeutend leichter. Wir finden uns schneller zurecht, hängen uns dem gemeinschaftlichen Gebet irgendwie an, lassen uns tragen, beten oder singen vielleicht gar mit. Vieles von dem geschieht wie von selbst, ohne dass wir uns ausdrücklich Mühe geben müssen. Wir sind mitgenommen, zuerst mal äußerlich, allmählich auch mit dem Herzen.
Nun kennen wir gewiss alle die Erfahrung, dass bei allem Bemühen um das Vorfeld das Gebet doch nicht eigentlich gelingen will. Wir geben uns Mühe, vom Erlebten auszugehen, legen uns Texte und Material zurecht und bleiben doch bei uns, spüren weder einen inneren Aufwind noch eine Erhebung zu Gott. Wir sitzen irgendwie im Vorhof des Tempels (Ps 135,2) fest, halten Ausschau nach dem Heiligtum und kommen doch nicht hinein.
Es bleibt ein Trost. Und kein kleiner! Auch da, wo uns ein Wunsch und eine Sehnsucht nach dem Gebet erfüllen, obwohl diese sich nicht erfüllen, auch da sind wir auf Gott hin in Bewegung. Der Wunsch zu beten ist schon Gebet. Oder um es in unserem Bild auszudrücken: Auch der Vorhof des Tempels, in dem wir uns aufhalten, gehört zum göttlichen Bezirk. Wir möchten beten und müssen gleichzeitig die eigene Ohnmacht bekennen. So ähnlich wie der Vater, der bei Jesus um die Heilung seines Sohnes bittet: »Ich glaube; hilf meinem Unglauben!« (Mk 9,24).
Anders ist es, wenn wir allein beten, gemeinschaftliche Stützen entbehren müssen. Da sind wir vorerst einmal allein mit unserem Wunsch, beten zu können, den Motivationen und der Sehnsucht danach. Wir wissen nicht recht, wie es anzugehen ist. Gut ist es, in solcher Unsicherheit des Anfangs das Augenmerk ausdrücklich auf das zu richten, was dem Gebet vorausgeht. Dieses nämlich beginnt nicht erst dort, wo wir ein entsprechendes Buch aufschlagen oder wo Kirchenglocken zu läuten anfangen.
Der hl. Ignatius ist nicht der Erste und nicht der Einzige, der darum weiß, wie wichtig es ist, sich auf das Beten vorzubereiten. Es geschieht dadurch, dass wir schon früh, bevor das eigentliche Gebet beginnt, uns innerlich sammeln und einzustimmen versuchen. Wir sollen uns Texte und Bilder, mit denen wir zu beten gedenken, frühzeitig zurechtlegen.