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80

Meine 80 Lebensjahre werden gefeiert und die goldene Hochzeit steht Annelies und mir auch noch bevor. Da haben mich neue Gedanken bewegt und ich habe wieder angefangen zu schreiben. Das vorliegende Büchlein ist das Ergebnis. Ich habe mir plötzlich ein solches gewünscht und natürlich hat auch dieses seine Geschichte:

Mir wurde klar, dass ich unter Prozess eine Art Dialog verstehe, mit allem, was mich umgibt. Diese Vorstellung lässt mich Größeres ahnen, lässt es mich anpacken oder mich immer wieder öffnen für Neues und ebenso für gemeinsames Tun. Ich bin begeistert, wenn die Dinge so in Resonanz kommen. Über mein Sein hege ich Vorstellungen, die solange meine existenzielle Wirklichkeit bedeuten, bis sich das Wissen einschleicht, dass alles auch anders sein könnte, als eben noch gedacht.

Die Idee zu schreiben ist mir vor vielleicht fünf Jahren erstmals gekommen, mit der seltsamen Frage, ob mein Leben so, wie es sich gestaltet hat, optimal verlaufen sei, ob ich meine Talente sinnvoll genutzt habe und ob ich es endlich als gelungen betrachten kann. Meine These dazu war etwa so: Schreib halt eine Biografie, ehrlich

und ungeschminkt, bleib in der Ich-Form und bilde so deine Lebensgeschichte ab. Als ob man das könnte! Verschaff dir alsdann Klarheit über deine genannten Anliegen mit einer neuen Frage: Mag ich denn das große Geschenk meines Lebens einer schonungslosen Öffentlichkeit überlassen, nur um dadurch etwas Objektivität zu gewinnen, oder will ich, als Subjekt, gerade das auf gar keinen Fall? Mag ich zum Objekt stehen, so meine Annahme, dann doch sicher auch zu meinem Leben.

So weit, so gut. Es hat mir einiges gebracht, funktioniert also? Nun … nur teilweise. Letztlich bleibe ich doch allein die zuständige Instanz. Mein sonderbares Vorgehen ist kaum zu erklären und bleibt auch für mich mit Zweifeln behaftet. Das Buch hat mir einige Zufriedenheit gebracht. Aber mein Leben auf den Punkt gebracht, wie ich mir das vorgestellt hatte…?

Was für eine Schnapsidee! Ich habe die Prozesshaftigkeit des Lebens ja wieder und wieder erfahren. Das Altern belastet mich etwa mit der Schwierigkeit, spontan die richtigen Wörter und Bezeichnungen zu finden. Beim Schreiben gelingt das besser. In diesem Dilemma finde ich die folgende Weisheit sehr hilfreich: Die Dinge sind nicht so, wie sie scheinen, aber auch nicht anders. Laut Google soll der deutsche Satiriker Albert Buntenbroich das 1958 so ausgedrückt haben.

Wenn das Alter beginnt, mit immer schwererwiegenden Beeinträchtigungen auf sich aufmerksam zu machen und die Zahl 80 aus der gewohnten Abstraktion heraustritt, sich beispielsweise als wunderschöne Bali-Fahne manifestiert, die Annelies mit Söhnen und Schwiegertöchtern und allen Enkelkindern anlässlich eines Gartenfestes zu meinem 80. Geburtstag gemalt haben, wenn die 80 so fast acht Meter hoch über unserem französischen Mini-Kosmos flattert, und wenn sich das gut anfühlt, dann macht diese 80 mir doch unmissverständlich eine neue Realität klar. – Und der ist mit einer schon zu Ende geschriebenen Biografie nicht beizukommen.

Ich stecke im Gegensatz zu all den jungen Fahnenmalerinnen und Malern heute in einem zuweilen beklemmenden und meistens spannenden Prozess, der sicher noch ein wesentliches Ziel kennt, das mich über die letzte Lebensspanne hinausführen wird in einem Schritt, den ich, hoffentlich erst ganz zuletzt, allein tun werde. Aber nochmals mit der Einsicht, der Neugier und der schräg erscheinenden Weisheit des Narren: Ihn werde ich mir wohl mit ins Boot holen.

Gestählt und geläutert durch alle Aspekte des Menschseins, für welche die Tarot-Karten ihm dienen, ist der Narr auch mit der Erdverbundenheit seiner weiblichen Seite in Einklang gekommen. Mit Yin und mit Yang. Sein Zeichen ist jetzt wohl die liegende Acht, das starke Symbol für Unendlichkeit. Er kennt andere Dimensionen und intuitiv alle Durchgänge und alle Übergänge.

Der Narr hat viele Namen.

Zu meiner Frage, ob ich denn wieder schreiben soll, meint der Narr: »Ja, und zwar mit Lust.«


Am Rhein

LEBENSABEND?

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