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Die Dealer mit dem weißen Gift
ОглавлениеDazu noch ein paar einleitende Worte zum Thema Abhängigkeit und Eigenverantwortung, ehe ich Sie mitnehme in die Welt der Konzerne:
Denken Sie an einen Jugendlichen in Ihrem persönlichen Umfeld. Ihren Sohn. Ihre Tochter. Freunde Ihrer Kinder. Kinder von Freunden, Verwandten. Stellen Sie sich vor, jemand würde einen dieser Jugendlichen zu seiner ersten Prise Kokain verführen. Oder gleich zu Heroin.
Was würden Sie empfinden? Was denken? Wie würden Sie reagieren?
Bald schon müssten Sie erkennen, dass es zu spät ist. Oder beinahe zu spät. Weil Ihr Sohn, Ihre Tochter, das Kind Ihrer Freunde auf dem Weg in die Suchtabhängigkeit ist. Mittendrin. Dass er oder sie längst begonnen hat, nach dem Stoff zu suchen. Und ihn sich auch selbst zu organisieren. In irgendwelchen dunklen Hinterhöfen und Spelunken oder Schickimicki-Treffs.
Wie würden Sie denjenigen nennen, der den Erstkontakt hergestellt oder angeregt hat? Wie denjenigen, der die wachsende Sucht von nun an stillt und den Stoff jederzeit bereitstellt?
Zu dem einen würden Sie vermutlich Dreckskerl sagen. In der höflichen Variante. Zu dem anderen Dealer. Welcher Verbrechen machen sich die beiden schuldig? Was die Moral betrifft, gibt es ohnehin keinen Zweifel. In punkto Gesetz steht wenigstens der Dealer weit jenseits der roten Linie.
Sie wissen natürlich, welche Frage nun folgt: Wie verhält es sich mit der Sucht nach Fast Food?
Die traurige Wahrheit ist: Nehme ich mein Kind bei der Hand und gehe mit ihm ins nächste Fast-Food-Restaurant, habe ich den ersten Schritt getan. Den Rest erledigt der Dealer. Dafür ist er perfekt ausgebildet. Darauf ist er vorbereitet. Nichts anderes sind Zuckerindustrie und Fast-Food-Produzenten.
Dealer.
Kokain wird auch unter diesem Begriff geführt: weißes Gift.
Zucker trägt denselben Beinamen. Weißes Gift. Aus gutem Grund. Alle beide, Kokain und Zucker, stimulieren letztlich auch dieselben Hirnregionen, setzen dieselben Botenstoffe in Gang, lösen in uns Menschen dieselbe Art von Suchtverhalten aus.
Der entscheidende Unterschied ist: Wer mit Kokain dealt und sich erwischen lässt, wandert ins Gefängnis. Wer mit Zucker dealt, tut es vor den Augen der ganzen Welt, kommt ungestraft davon und wird sogar belohnt, weil er auf Cocktailpartys eingeladen und in Aufsichtsräte gewählt wird.
Das ist das Fantastische an der Droge Zucker und den anderen Süchtigmachern im Fast Food: Sie alle sind legal. Überhaupt herrscht in der Branche ein absolutes Weiße-Weste-Klima. Bloß nichts tun, was gegen das Gesetz ist. Das ist so etwas wie ein Mantra, ein oberstes Gebot. Bloß nichts Illegales. Lieber die Gesetze biegen, lieber dafür sorgen, dass sie entsprechend formuliert sind. Auch davon möchte ich Ihnen berichten.
Darüber hinaus, warum die so genannten Skandale in den Fast-Food-Restaurants, vom Maus-Burger bis zum Gammelfleisch, in den allermeisten Fällen gar keine sind. Und vom Umgang mit den schärfsten Kritikern. Weshalb die einen angefeindet und in den Dreck gezogen werden, andere als unbedeutend kleingeredet oder totgeschwiegen, wiederum andere umarmt wie beste Freunde.
Spannend auch, was die Ware Fast Food in uns anstellt. Ganz unmittelbar. Sozusagen von jetzt auf gleich. Innerhalb der, sagen wir, ersten sechzig Minuten nach Verzehr eines derartigen Schnellgerichts. Ebenso faszinierend wie beunruhigend diese neue Erkenntnis: Dass die Folgen bereits eines einzigen Fast-Food-Menüs in den menschlichen Arterien, ausgelöst durch Zucker, Fette und andere industriell erzeugte Inhaltsstoffe, empirisch nachweisbar sind. Wie ein auf kriminelle Weise in einen Flusslauf gekippter Giftcocktail.
Natürlich heißt es auch darauf ein Auge zu werfen: Was können, was müssen wir tun, um den Lauf der Dinge doch noch zu stoppen oder wenigstens abzuändern? Wir. Das bedeutet: Jeder Einzelne. Die Gesellschaft als Ganzes. Die Politik.
Mit dem britischen Stadtrat Chris Brewis, von dem wir schon gehört haben, verbindet mich eines ganz besonders: die Innensicht. Seine ist jene auf die Materie Politik. Meine auf die Materie Fast Food. Dabei bin ich weder Arzt noch Ernährungswissenschaftler. Auch bin ich nicht Aktivist der Grünen noch Mitglied einer NGO. Ebenso wenig ein ausgewiesener Experte in Sachen Globalisierung.
Im Gegenteil. Ich habe der anderen Seite angehört. Mit Leib und Seele. Meine Karriereleiter zeigte ewige Zeiten immer nur in die eine Richtung: steil nach oben. Ich war im Management eines Ölkonzerns. Ich habe eine Bäckereikette geführt. Ich habe ein kleines Gastro-Reich in die Höhe gezogen. Ich war Kurzzeit-Präsident eines Bundesliga-Fußballvereins und habe damit so gut wie alles zerstört, was ich mir zuvor aufgebaut habe. Nur nicht meine Ehe, weil ich auf eine Frau zählen durfte und darf, die mir auch in Zeiten der schwersten Krise immer zur Seite gestanden ist.
Vor allem jedoch war ich dreizehn Jahre lang das: maßgeblicher Teil eines menschenverachtenden globalen Netzwerkes, das sich seit neuestem die Menschenliebe an die Fahnen heftet und doch nur drei Ziele kennt:
Profit.
Profit.
Und nochmals Profit.
Ich war ein Rad am Wagen. Nicht das fünfte, sondern eines, das immer stärker wurde und immer mehr trug. Erst nur in Österreich. Für Österreich. Bald schon auf europäischer, dann sogar auf globaler Ebene. Ich hatte immer mehr zu sagen im System Fast Food. Immer mehr zu entscheiden, immer mehr zu verantworten. Dann habe ich begonnen nachzudenken. Weil es dafür nie zu spät ist, nie zu spät sein darf.
Mein Name ist Harald Sükar. Ich war Spitzenmanager bei McDonald’s.
Wenn es eine zentrale Botschaft gibt, die ich den folgenden Seiten überordnen möchte, dann diese:
Geht nicht hin! Nicht zu McDonald’s. Nicht zu Burger King. Nicht zu den anderen Fast-Food-Riesen. Schon gar nicht mit euren Kindern. Nicht einmal ausnahmsweise.