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Kapitel 3

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Leros hob den Becher an die Lippen und nippte an dem süßlich schmeckenden Wein. Baron Gordo schien nach wie vor in eine leise geführte Unterhaltung mit seinem Berater vertieft. Aus den Augenwinkeln verfolgte der Baron jede Bewegung des Magiers, der ihm zur Unterstützung gesandt worden war. Wirklich nur zur Unterstützung? War es vielleicht die Aufgabe dieses Jungen ihn, den rechtmäßigen Stadtfürsten abzulösen? Auch auf die Gefahr hin äußerst unhöflich zu erscheinen. Er musste diese Fragen mit seinem Berater erörtern, bevor er das Wort an den Magier des Ordens richtete.

Leros wusste was dem Baron durch den Kopf gehen musste. Die Wissenschaft vom Wesen des Menschen machte einen wesentlichen Teil der Ausbildung des Ordens aus. Gordo sorgte sich ohne Grund. Der junge Meister war nicht ausgesandt worden, um die Regierungsgeschäfte in der Stadt zu übernehmen. Er war hier um zu helfen. Hoffentlich würde er nun auch erfahren welches Problem sich nicht ohne den Einsatz von Magie lösen ließ. Langsam ließ er den Becher sinken. Härter als notwendig stellte er das Trinkgefäß auf dem Tisch ab. Er durfte sich nicht länger hinhalten lassen. Immerhin war er ein Mitglied des Ordens. Sein Status erlaubte es ihm, sich über die Standesdünkel des Adels hinwegzusetzen, wenn er es für notwendig erachtete. Der Baron zwang ihn durch seine Unhöflichkeit zu einer Reaktion.

Dem Baron war die zunehmende Unruhe seines Gastes nicht entgangen. Er hob die Hand und brachte mit dieser Geste den Berater zum Schweigen. Lächelnd wandte er sich dem Magier zu. „Entschuldigt bitte Meister. Wichtige Dinge bedurften meiner Aufmerksamkeit. Aber nun bin ich ausschließlich für euch da“. Ein weiterer Wink und der Berater verließ den Saal. Noch bevor die Türe sich schließen konnte wurde sie erneut aufgestoßen. Zwei Adelige traten lachend ein. Die Gesichtszüge des Einen ähnelten denen des Barons. Geräuschvoll nahmen die beiden Männer Platz. Fragend sah Leros den Baron an. Gordo richtete sich auf. Nun erst schien er wirklich auf den Thron zu gehören, auf dem er saß. „Darf ich euch vorstellen, Baron Seynfried, mein Sohn und Ritter Rastan, Kriegsherr von Thorakan. Ein Dienstbote huschte durch Leros Blickfeld. Nur einen Augenblick lang hielt er inne. Als die Gestalt wieder aus im Hintergrund des Saals verschwand, waren die Becher der beiden Männer gefüllt. Leros hob das eigene Trinkgefäß und prostete ihnen zu. Er trank einen Schluck Wein und spürte wie sich Wärme in seinen Eingeweiden ausbreitete. „Nun, Baron. Sagt mir weswegen ihr den Orden gebeten habt, einen Magier in eure Stadt zu entsenden. Ich möchte meine Aufgabe so schnell als möglich in Angriff nehmen.“ Der Blick des Barons schweifte scheinbar nervös über seinen Sohn und dessen Begleiter, bevor er Leros in die Augen sah. „Glaubt nicht, dass wir wegen einer Nichtigkeit euren Beistand erbeten haben. Aber … Anscheinend treibt im Schutz der Dunkelheit eine Macht ihr Unwesen in der Stadt, derer wir mit unseren Mitteln nicht Herr werden können.“ Heftig krachte der Becher des Kriegsherren auf das Holz der Tischplatte, das über die Jahre hart wie Stein geworden war. „So ist es!“ rief er. Eine Hand, die in einem geschwärzten Kettenhandschuh steckte wischte über vom Wein befeuchtete Lippen. „Jemand stiehlt und mordet, ohne dass wir auch nur den Hinweis auf die Unholde finden können.“ Der Blick mit dem Rastan den jungen Magier bedachte wirkte beinahe anklagend. Leros war nicht entgangen dass der Kriegsherr nicht abgewartet hatte, bis ihm das Wort von Baron Gordo erteilt worden war. Das war ungewöhnlich. Noch merkwürdiger war aber das Ausbleiben einer Rüge durch den Baron. Gordos Sohn Seynfried starrte in den Becher, den er mit beiden Händen umklammert hielt und tat so, als ginge ihn die Unterhaltung nichts an. Leros wartete vergeblich auf weitere erklärende Worte. Das Schweigen und die bohrenden Blicke begannen ihm unangenehm zu werden. Ein letztes Mal nippte er an dem Wein um noch einige Sekunden zu gewinnen. Langsam stellte er das Gefäß ab und sah Baron Gordo an. „Darf ich annehmen, dass ihr einen oder gar mehrere Magier hinter diesen Untaten vermutet? Darf ich weiterhin annehmen, dass ihr die Ergreifung dieser Abtrünnigen in meine Hände geben wollt?“ Gordo nickte. „So ist es Meister“ sagte er. „Rastan wird euch dabei nach Kräften unterstützen. Wieder knallte der Kriegsherr seinen Becher auf den Tisch. Diesmal schwappte etwas von der roten Flüssigkeit schwappte über den Rand und hinterließ einen dunklen Fleck auf dem Holz. War Rastan bereits angetrunken? War dies der Grund für seine Unbotmäßigkeit? Leros war nicht sicher, ob ihm hier ein Schauspiel geboten wurde, oder ob er die Wahrheit sah. Der Sohn des Barons wirkte nach wie vor gleichzeitig betreten und unbeteiligt. Irgendetwas stimmte hier nicht. Soviel war sicher. Der junge Magier schwor sich, seinen Lehrmeister keinesfalls zu enttäuschen. Er würde sich bei der Erfüllung seiner ersten Aufgabe keine Fehler erlauben. Sein Misstrauen war geweckt. Die Bauern dieser rauen Gegend würden einen ausgebildeten Magier der Gilde nicht in die Irre führen können. Bald würde er wissen, was hier wirklich vor sich ging redete er sich ein. Der Kriegsherr rieb sich die Augen, ohne vorher den Kettenhandschuh abzunehmen. Es war nicht zu erkennen, ob er sein Versäumnis überhaupt bemerkte. „Wenn ihr etwas benötigt, wendet euch vertrauensvoll an mich oder einen meiner Männer. Wir stehen zu euren Diensten, solange die Erfüllung eurer Aufgabe dies erfordert“ sagte er mit klarer Stimme. Die plötzliche Nüchternheit Rastans erstaunte Leros nicht. Er hatte bereits vermutet, dass dieser Mann seine Talente vorzüglich zu verbergen wusste. „Danke“ sagte er. Weitere Worte waren nicht vonnöten. Der Magier hatte begriffen, dass in dieser Gegend kaum Wert auf eine blumige Redeweise gelegt wurde. Das raue Land hatte die Menschen schweigsam gemacht. Viel mehr, als er es gewohnt war. Dabei waren ihm die Regeln der Konversation, die im Orden galten bereits als nur allzu streng erschienen. Er hob seinen Becher und benetzte seine Lippen ein letztes Mal mit der säuerlichen Flüssigkeit. Langsam ließ er das Gefäß sinken. Der Baron räusperte sich. Also war auch ihm endlich aufgegangen, dass dem Gast die Situation seltsam erscheinen mochte dachte Leros. Schnaufend erhob sich der Baron von seinem Thron. Sofort eilte der Diener herbei, der sich eigentlich außer Hörweite hätte befinden sollen und stützte seinen Herren. „Ich denke es wurde alles gesagt. Begebt euch in eure Gemächer und ruht euch von der anstrengenden Reise aus Meister. Eine schwierige Aufgabe wartet auf euch.“ Ohne eine Antwort abzuwarten verließ Gordo den Saal durch die rückwärtige Türe. Der Diener war zurückgeblieben. Leros hatte sich erst zur Hälfte erhoben, als er auch schon diensteifrig an seiner Seite auftauchte und ihm versicherte, ihn auf dem schnellsten Weg zu seinem Gemach geleiten zu wollen. Rastan hob grüßend die Hand und wandte sich an den Sohn des Barons. „Kommt. Wir haben noch Arbeit zu tun.“ Seynfried nickte nur und erhob sich schnell. Er beachtete Leros nicht, als er in Begleitung des Kriegsherren den Saal verließ. Der junge Magier musterte den Diener. Die trainierte Mimik seines Gegenübers verriet nichts über dessen Gedanken. „Gehen wir“ sagte Leros. Der Dienstbote führte ihn durch einige schwach beleuchtete Gänge und zwei steinerne Treppen, bis er schließlich vor einer wuchtigen Tür anhielt. „Eure Gemächer Herr!“ sagte er und vollführte eine Verbeugung. In der gleichen Bewegung öffnete er die Tür für den Gast. „Ein wahrer Könner“ dachte Leros. Der Mann wäre einer Anstellung bei einer Adelsfamilie in den zivilisierten Ländern durchaus würdig. Er schien einfach nicht in diese dunkle Burg am Ende der Welt zu passen. Leros seufzte leise. Der ganze Platz schien … fehl am Platz zu sein. Der Raum den er betrat verblüffte ihn. Die Einrichtung unterschied sich nicht wesentlich von jener, die auch im Turm des Ordens Verwendung fand. In einer Burg wie dieser hatte Leros solche Annehmlichkeiten nicht erwartet. Hinter ihm fiel die Tür ins Schloss. Hörbar wurde ein Schlüssel herumgedreht und danach abgezogen. Leise waren Schritte zu hören, die sich entfernten. „Interessant“ murmelte Leros. Glaubten die Leute hier, einen Magier mittels einer simplen Türe gefangen halten zu können? Wussten sie denn überhaupt nichts über den Orden? Und wenn sie seine Fähigkeiten kannten … was bezweckten sie dann damit, ihn einzuschließen? Dies würde keine einfache Aufgabe werden. Leros ließ sich auf die Kante des gemütlich aussehenden Bettes sinken. Hatte Odort geahnt was ihn hier erwarten würde? Er schloss die Augen. Ohne Mühe gelang es ihm, sich das schiefe Lächeln des Großmeisters vorzustellen. Mit Sicherheit hatte Odort gewusst, was hier vorging. Nichts geschah ohne das Wissen des Obersten des Ordens.

Leros erwachte, als die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne über sein Gesicht strichen. Wohlig räkelte er sich. Er hatte lange nicht mehr so gut geschlafen. Seine Arme wurden schwer wie Blei, als er sich aus den weichen Laken befreien wollte. Sein Körper verlangte nach weiteren Stunden des Müßiggangs. Augenblicke später gewann die Ausbildung des Ordens die Oberhand. Leros schob die Decken von sich und schwang die Beine aus dem Bett. Schwankend erhob er sich und trat an das Fenster neben seiner Liegestatt. Blinzelnd sah er auf den Hof hinunter. Einige Bauern liefen geschäftig umher, schoben schwere Wagen oder trugen Fässer und Kisten. Er ließ den Blick umherschweifen und konnte in keinem Winkel etwas Ungewöhnliches entdecken. Die Nacht schien ruhig gewesen zu sein. Es sei denn, die Bewohner der Stadt hatten sich bereits an die Morde und Diebstähle gewöhnt und machten dieser Verbrechen wegen kein besonderes Aufheben mehr. Leros tauchte die Hände in die Schüssel, die anscheinend mit frischem Wasser gefüllt worden war, als er schlief. Die Hände formten ein Becken, in welches das Gesicht eintauchte. Das Gefühl erfrischender Feuchtigkeit blieb aus. Leros tauchte in eine Dunkelheit ein, wie er sie nie zuvor erblickt hatte. Ihn schwindelte, als der erste Schreck überwunden war, und er des Gefühl des Fallens gewahr wurde das mit der Schwärze über ihn gekommen war. Eine Ewigkeit schien zu vergehen. Um ihn war nichts als … Nichts. Und er fiel. Unendlich weit. Plötzlich erklang eine körperlose Stimme. Sie schien von überall zugleich zu kommen. „Magier!“ flüsterte die Stimme. Dieses eine Wort drang aus allen Richtungen auf Leros ein. „Magier! Magier! Magier!“ Nur langsam verklang der geisterhafte Widerhall „Geh solange du es kannst. Vergiss diesen Ort. Du kannst es nicht aufhalten. Niemand kann es aufhalten. Wenn du bleibst, bist du verloren. Geh!“ Das letzte Wort wurde abermals von vielen unsichtbaren Hindernissen zurückgeworfen. Leros tauchte aus der Dunkelheit auf. Zurück in das Licht der Wirklichkeit. Kaltes Wasser tropfte von seinem Gesicht, als er sich ruckartig aufrichtete. Was, bei allen Göttern war das gewesen? Ein Magier war vor Aberglauben und jeglicher Form von daraus erwachsenden Geisterbildern gefeit. Zumindest hatte man ihn dies während seiner Ausbildung glauben gemacht. War dies eine Botschaft eines anderen Magiers gewesen? Eines Abtrünnigen? „Ausgeschlossen“ murmelte er. Niemand konnte so mächtig sein. Auch Odort erlangte nicht derart einfach Zugang zu einem fremden Geist. Vor allem dann nicht, wenn das Opfer durch die Schule des Ordens gegangen war. Wer oder was war es? Was konnte nicht aufgehalten werden? Leros schüttelte den Kopf. Es war sinnlos sich Gedanken zu machen. Die Stimme wollte, dass er fortging. Wollte, dass er bei seinem ersten Auftrag versagte. Natürlich würde er der Aufforderung nicht Folge leisten. Vorerst würde er auch Odort nicht von dem Vorfall berichten. Vielleicht waren die Strapazen der Reise und die Entfernung von der Heimat der Grund für seine Verwirrung und die Geisterbilder. Davon sollte der Meister nichts erfahren. Er sollte das Vertrauen in seinen ehemaligen Schüler nicht verlieren. Langsam streifte er seine Robe über. Es war an der Zeit, sich um die Unholde zu kümmern, die im Schutze der Nacht die Stadt in Angst versetzten.

Laris verschränkte die Hände hinter dem Kopf und lehnte sich so weit zurück, wie die Lehne des Stuhles auf dem sie saß es zuließ. „Ich danke euch Bundor. Viel zu lange habe ich auf eine richtige Mahlzeit verzichten müssen.“ Die Vorratslager Markons schienen gut gefüllt und die Köche wussten mit dem Überfluss umzugehen. Bundor lächelte sanft. Er schien ein ausgeglichener Mann zu sein. „Es freut mich, dass euch die Küche Markons wohl bekommt. Möchtet ihr nun erfahren, weswegen wir einen Magier des Ordens zu uns bestellt haben?“ Laris vollführte eine auffordernde Geste. „Nun gut. Markon braucht einen Mächtigen, der als Repräsentant für die Wehrhaftigkeit unserer Stadt steht. Reichtum und Sicherheit ziehen Neider an wie Fliegen, wie ihr vielleicht wisst. Ihr sollt jenen, die danach trachten Markon ihren Ländereien anzugliedern eine Demonstration eurer und damit auch unserer Fähigkeiten geben. Weist ihre Gier in die Schranken. Mit eurer Hilfe bedarf es dazu keiner Soldaten, die für die Freiheit unsere Stadt sterben.“ Laris hob ihren Becher und leerte ihn in einem einzigen Zug. Nicht zum ersten Mal winkte sie einen Diener heran, der den Becher wieder füllen sollte. Nachdem der Mann sich wieder in die Schatten zurückgezogen hatte richtete Laris sich in ihrem Stuhl auf. Sie stützte die Ellbogen auf die Tischplatte und sah Bundor in die Augen. Er hielt ihrem Blick ruhig stand. „Wer es wagt, seine gierigen Klauen nach Markon auszustrecken, wird erfahren wozu ein Meister des Ordens fähig ist. Schickt eure Soldaten in die Kasernen. Ich bin stärker als diese Männer. Alle.“ Laris Augen funkelten im Feuer des Fanatismus. Bundor bemerkte mit Besorgnis, dass die Geheimwaffe, die er herbeigesehnt hatte, sich vielleicht auch gegen ihn selbst richten mochte. Warnend hob er die Hand. Sein Waffenmeister wollte aufbegehren. Er wollte sich für seine Männer, die die junge Meisterin in den Kasernen sehen wollte, stark machen. Der Fürst wollte jede Auseinandersetzung zwischen der Magierin und dem Krieger verhindern. Die Verteidigung seiner Stadt durfte nicht von innen heraus geschwächt werden. Zu viele Neider warteten auf einen Fehler. Sie würden Bundor mit Freuden von seiner Position verdrängen. „Übertreibt es bitte nicht Meisterin. Zeigt was sein könnte. Zerstört nicht das empfindliche Gleichgewicht welches seit jeher die Politik unserer Länder bestimmt.“ Laris presste die Lippen aufeinander. Ihre Finger verkrampften sich ein wenig. Auf weitere Reaktionen auf die Zurechtweisung verzichtete sie. Noch. „Wie ihr wünscht, Fürst Bundor“ sagte sie gepresst. Schnell setzte sie den Becher an die Lippen und versuchte ihre Wut im Wein zu ertränken. Dem Herrscher waren ihre Gefühle nicht entgangen. Er schwor sich, ein Auge auf die junge Frau zu haben. Hinter ihrer Schönheit verbarg sich ein gefährliches Wesen. Und eine ganze Menge zurückgehaltene Wut. „Wenn ihr es wünscht, so könnt ihr euch nun zurückziehen. Ein Diener steht in dem Haus, das wir für euch eingerichtet haben zur Verfügung. Wendet euch an ihn, wenn ihr etwas braucht!“ Ohne eine Antwort abzuwarten winkte er einen der Bediensteten aus dem Hintergrund heran. „Führt Meisterin Laris zu ihrer Unterkunft Galdor!“ Er wandte sich wieder der Magierin zu. „Ich wünsche euch eine geruhsame Nacht!“ sagte er. Auf Laris Gesicht zeigte sich ein kühles Lächeln. Bundor begann sie zu fürchten. Daher seine Eile. Sie liebte die Furcht. Wann immer sie ihrer Person galt jedenfalls. „Gute Nacht Fürst.“ Sie warf ihr Haar zurück und verließ mit raschen Schritten den Saal, ohne sich noch einmal umzusehen. Die beiden Männer, die der gesamten Unterhaltung schweigend beigewohnt hatten würdigte sie keines Blickes. Das Lächeln, das ihren Mund umspielte setzte sich in ihrem Inneren fort. Sie würde Meister Odort nicht enttäuschen. Diese Stadt würde bald einen neuen Herrscher haben. Es war an der Zeit, dass eine Frau die Zügel in den zarten Händen hielt. Galdor, der Diener führte sie über eine mit weißem Stein gepflasterte Straße zu einem zweistöckigen Gebäude das von hohen Bäumen umgeben war. Ein schmaler Weg schlängelte sich einige Meter durch einen gepflegten Garten, der den Eingang des Hauses von der Straße trennte. „Eure Unterkunft Herrin“ sagte der Diener und schritt über den gekiesten Weg zur Tür. Rasch betätigte er den Türklopfer. Als Laris neben ihn trat richtete er den Blick starr zu Boden. Das Lächeln auf Laris Zügen wurde breiter. Nur Augenblicke später wurde die Tür geöffnet. Ein tadellos gekleideter Mann fortgeschrittenen Alters trat in das helle Sonnenlicht. „Willkommen Herrin! Mein Name ist Haloran. Ihr wurdet bereits angekündigt.“ Er wandte sich dem Diener zu, der Laris hergeführt hatte. „Du kannst zurückkehren Galdors“ sagte er. Galdor grüßte und ging davon. Haloran wich zur Seite, als Laris den Flur ihrer neuen Behausung betrat. Ein kurzer Rundblick verriet ihr, dass die Einrichtung ihrem Geschmack entsprach. Alles schien außergewöhnlich erlesen zu sein. Noch immer lächelnd wandte sie sich an den Mann, der sie empfangen hatte. „Zeigt mir das Schlafgemach und zieht euch dann zurück. Aber … vorher bringt ihr mir Wein. Den Besten.“ Haloran verneigte sich und ging in steifer Haltung voran.

Laris erwachte und stöhnte leise, ob der Kopfschmerzen, die ihr den Morgen zu verderben drohten. Eine ärgerliche Handbewegung vertrieb das Pochen in wenigen Augenblicken. Manchmal war es besonders hilfreich eine Magierin zu sein. Egal wie viel sie auch trank. Die Nachwirkungen des Alkohols ließen sich mit einem einfachen Zauber vollständig beseitigen. Sie ließ das Nachthemd von den Schultern gleiten und streifte die Robe über, die sie derart mit Energie aufgeladen hatte, dass sie zu jeder Zeit in reinstem Weiß erstrahlte. Als der Stoff über ihren Kopf glitt und ihr für einen kurzen Moment die Sicht nahm wurde es plötzlich dunkel. Schwärze gepaart mit einem unangenehmen Schwindelgefühl senkte sich auf Laris herab. Sie versuchte die Hand auszustrecken, vermochte es aber nicht. Ihre Glieder bewegten sich nicht. Auch ihre Stimme gehorchte ihr nicht mehr. Vergeblich strengte sie sich an, nach dem Diener zu rufen. Schließlich gab sie es auf und beruhigte sich. Einige tiefe Atemzüge brachten Ordnung in ihre Gedanken. An ihrer Lage änderte sich dadurch nichts. Auch ihre kühle Logik fand keinen Ausweg aus der Dunkelheit, die sie vollständig umgab. Ein Geräusch riss sie aus ihren Überlegungen. Eine Stimme flüsterte ihr etwas zu. Vielleicht waren es auch viele Stimmen, die gleichzeitig sprachen. Die Worte strömten von überall herbei. „Es wird schon bald hier sein. Es wird all jene hinwegfegen, die sich ihm in den Weg stellen. Doch es braucht Diener …“. Laris drängte die Panik zurück, die aus ihr ein verängstigtes Tier machen wollte, das sich einfach nur verkriechen wollte. Was auch immer „Es“ war, schien mächtig zu sein. Vielleicht mächtiger als sie selbst. Es lohnte immer, sich mit den Mächtigen zu verbünden. Bis man eine Möglichkeit fand sie zu überwältigen. „Wer bist du?“ rief sie. Das Echo hallte durch das Nichts. Kurze Zeit blieb es still, als wäre das Fremde verblüfft, dass jemand es wagte ihm eine Frage zu stellen. „Ich bin Nichts. Es ist alles. Wirst du sein Diener sein?“ Laris reagierte ohne noch weiter nachzudenken. „Ja!“ schrie sie. „Es wird dich aufsuchen, wenn die Zeit gekommen ist“ flüsterte die Schwärze. Bevor Laris einen Gedanken fassen konnte wurde es hell. Das Gesicht in dem Spiegel, den sie vor sich sah, war ihr eigenes. Wo war sie gewesen? Mit wem hatte sie gesprochen? Keinen Moment dachte sie an die Möglichkeit, dass die Dunkelheit und die Stimme nur in ihrem Kopf existiert hatten. Eine Magierin des Ordens bildete sich derlei Dinge nicht ein. Das Fremde hatte nichts versprochen und trotzdem hatte sie sofort eingewilligt der Diener von etwas zu sein, von dem sie überhaupt nichts wusste. Ein Teil von ihr schien sofort begriffen zu haben, dass sie mit einer Wesenheit gesprochen hatte, die mächtiger war als sie selbst. Es lohnte sich immer, der Freund des Mächtigen zu sein. Sie fragte sich, ob Odort wusste, was vor sich ging. Verschiedene Bilder der Zukunft formten sich in ihrem Kopf. Gemeinsam war ihnen nur eines. Laris beherrschte all diese Welten ihrer Vorstellung.

Widerwillig löste sie sich von ihren Tagträumen und kehrte in die Wirklichkeit zurück. Es galt einen Auftrag für den Orden auszuführen. Noch wusste sie nicht, ob die fremde Macht ihr andere Wege, die zur Macht führten aufzeigen würde. Oder ob sie überhaupt existierte. Odort durfte keine Zweifel an ihrer Ergebenheit hegen. Sie griff nach ihrem Kamm und begann langsam ihr Haar zu kämmen.

„Lady Laris?“ drang die Stimme des Dieners gedämpft durch die Tür ihres Schlafgemachs. „Was ist?“ rief sie rüde. Man durfte die Dienerschaft niemals vergessen lassen wo sie Gesellschaftlich angesiedelt war. Weit unten. So war sie immer verfahren und sie hatte nicht vor ihr Verhalten jemals zu ändern. „Lord Bundor lädt euch zu einem Essen in den großen Saal. In einer Stunde, wenn es euch beliebt“. Laris fühlte Ärger in sich aufsteigen. „Welcher große Saal? Wer wird dem Mahl beiwohnen? Wie viel meiner kostbaren Zeit soll ich Bundors Meinung nach mit kriecherischen Lords und Baronen verschwenden?“ Haloran hoffte, dass die Magierin seine Verwirrung nicht spüren konnte. Noch niemals hatte er jemanden in dieser Weise über jene sprechen hören, die er sein Leben lang nur als seine Herren wahrgenommen hatte. Der Orden musste sehr einflussreich sein, wenn sich seine Abgesandten in dieser Weise äußern konnten, ohne Gefahr zu laufen in einem Kerker zu enden. Haloran räusperte sich. „Der Saal im Schloss Herrin. Dort wo alle Feste und Empfänge stattfinden. Welche Herrschaften anwesend sein werden hat man mir nicht gesagt. Ich bin nur ein einfacher Diener Lady Laris. Man hat mich nur geschickt um euch zum Schloss zu geleiten sobald ihr geneigt seid seiner Lordschaft die Ehre eurer Gesellschaft zu erweisen.“ Laris legte den Kamm auf die Kommode und wandte sich der Tür zu, mit der sie sprach. „Warte draußen. Ich bin bald bereit.“ Es hatte keinen Sinn ihren Ärger an dem Diener auszulassen. Er würde es ja doch nicht verstehen. Was sollte das? Sie nur eine Stunde vor einem Essen dazu einzuladen? Sie war eine Magierin. Bundor würde bald erfahren, was das bedeutete.

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