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II. Die Jugend eines Militärs

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Theodosius war nicht zum Kaiser geboren. Als er am 11. Januar 347 in Cauca (im heutigen spanischen Galicien) vermutlich als jüngstes mehrerer Geschwister auf die Welt kam, herrschten zwei Söhne des ersten christlich orientierten Kaisers, Konstantins des Großen, über das Römische Reich, und da sie jung waren, durfte man mit kaiserlichem Nachwuchs rechnen. Selbst als der ausblieb, gab es mit Gallus und Julian noch zwei hoffnungsvolle junge Angehörige der constantinischen Hauses, die nach allen menschlichen Maßstäben die Kontinuität der Dynastie sichern mussten.

Die Familie des Theodosius gehörte offenbar einer regionalen Elite an. Sie muss einigermaßen wohlhabend gewesen sein; sie war Neuem gegenüber aufgeschlossen, wie die Hinwendung zum Christentum zeigte, und sie brachte einige begabte Persönlichkeiten hervor, allen voran den Vater des Theodosius, der den gleichen Namen trug.

Dessen Begabung entfaltete sich da, wo der soziale Aufstieg für den Tüchtigen am ehesten möglich war, im Militär. Die Anfänge seiner Karriere liegen, wie stets in solchen Fällen, im Dunkeln.1 Wahrscheinlich begann sie im Bereich des Niederrheins mit Kämpfen gegen Franken oder gegen Sachsen. Etwa 368 bekleidete Theodosius einen hohen Kommandoposten in Britannien. Kaiser Valentinian I. (364–378) hatte ihn beauftragt, dort Ordnung zu schaffen. Aufständische, die mit Eindringlingen zusammengegangen waren, hatten römische Würdenträger erschlagen und es war bisher nicht gelungen, sie wieder unter Kontrolle zu bringen. Theodosius bekam vorzügliche Truppen. Zu seinem Stab gehörte sein gleichnamiger Sohn. Das hatte nichts Anrüchiges an sich, sondern entsprach dem Komment: Man schulte und förderte die jungen Leute aus der Verwandtschaft, und so erhielt auch der junge Theodosius Gelegenheit, militärische Erfahrungen zu sammeln.

Sein Vater konnte sich dank seines entschlossenen Vorgehens und seines diplomatischen Geschicks rasch durchsetzen, sodass sogar die zivile Verwaltung bald wiederhergestellt war. Er unterdrückte eine gegen ihn gerichtete Verschwörung von Römern, stellte die Befestigungsanlagen umsichtig wieder her und reorganisierte die Verteidigung; eine ganze Provinz, Valentia in Nordwestengland, wurde neu geordnet. Auch den Hadrianswall scheint er verstärkt zu haben.2 Theodosius schien so erfolgreich und effizient wie die großen Feldherren der Republik.

Diesen Eindruck erweckt jedenfalls der Historiker Ammianus Marcellinus, der unter der Herrschaft des Kaisers Theodosius schrieb und dabei dessen Wunsch, seinen Vater rühmen zu lassen, gewiss berücksichtigte. Schon die einführende Charakterisierung Theodosius’ des Älteren illustriert die Tendenz seiner Darstellung: Theodosius war durch militärische Leistungen rühmlichst bekannt geworden, er zog die tapfere Jugend der Legionen und Kohorten an sich und machte sich rasch auf den Weg, wobei ihm sein glänzender Ruf vorauseilte.3

Selbst wenn Ammian übertrieben hat, waren die Erfolge des älteren Theodosius doch eindrucksvoll genug, dass er 369 das Amt eines Heermeisters, anscheinend mit der Zuständigkeit für die gallischen Provinzen, erhielt, wohl wieder mit seinem Sohn im Stab. Er wurde nunmehr an einem zweiten Brennpunkt römischer Verteidigungspolitik tätig, an der Rheingrenze im Kampf gegen die Alamannen. Diese hatten, jede Schwäche der römischen Verteidigung ausnutzend und trotz eines Ausbaus der Verteidigungsanlagen, immer wieder Plünderungszüge in das Reichsinnere unternommen.

Wieder weiß Ammian von einem Erfolg zu berichten, der allerdings bei genauem Zusehen an Glanz verliert. Von Rätien aus sei Theodosius – das Ereignis gehört etwa in das Jahr 371 – nach Alamannien vorgestoßen, wo ein Krieg zwischen Germanen entbrannt war. Er habe viele Stammesangehörige gefangen genommen und sie in Norditalien angesiedelt.4 Mehr als eine kleine Razzia, welche die momentane Schwäche der Germanen nutzte, kann das nicht gewesen sein. Als ein alamannischer König unter dem Schutz der Dunkelheit gefasst werden sollte, scheiterte Theodosius sogar, weil er seine plündernden, lärmenden Soldaten nicht in den Griff bekam. Obgleich Ammian hier alle Schuld den Soldaten gibt, zeigt sich doch ein eklatanter Mangel an Durchsetzungsfähigkeit.5

Dieser Fehlschlag schadete dem Heermeister indes nicht; er erhielt wohl 373 – möglicherweise nach einer Verwendung gegen die Sarmaten – einen wichtigen neuen Auftrag, nämlich Africa. Africa war wie Britannien eine Grenzprovinz, die immer wieder von Einfällen fremder Völker heimgesucht wurde. Hier hatte zudem ein gewisser Firmus offenbar aus vornehmlich persönlichen Gründen den Versuch unternommen, Africa aus dem römischen Herrschaftsverband zu lösen, und vielleicht sogar den Kaisertitel angenommen. Mit Geschick wusste der Spross einer maurischen Fürstenfamilie die Unzufriedenen um sich zu sammeln. Sofortiges Eingreifen war erforderlich, denn an Africa hing die Getreideversorgung Roms.

Theodosius setzte, offenbar weiterhin von seinem Sohn begleitet, von Arles aus nach Africa über und traf dort unerwartet ein. Nicht allein mit Firmus setzte er sich indes auseinander, sondern auch mit Romanus, der als comes Africae neben ihm der wichtigste römische Beamte in der Region war. Theodosius schickte ihn zunächst an die Grenze, um ihn hernach, offenbar weil er ihm eine Mitschuld an der Usurpation gab, zusammen mit seinem Stab festzunehmen. Das sollte sich als ein fataler taktischer Fehler erweisen, denn er hatte sich so einen rachedurstigen und einflussreichen Feind gemacht.

Mit einem Täuschungsmanöver hielt Theodosius den friedensbereiten Firmus hin, organisierte seine Truppen und bemühte sich, Ansehen bei der einheimischen Bevölkerung zu gewinnen, der er sogar die Pflicht erließ, die Truppen zu verproviantieren. In mehreren Kämpfen erwies der Feldherr sich als erfolgreich, und schließlich unterwarf sich Firmus. Doch damit war der Fall noch nicht erledigt. Theodosius benötigte ausgreifende, offenbar mehrere Jahre beanspruchende Feldzüge, um die Landschaft zu sichern, zumal Firmus wieder entwich. Rückschläge blieben nicht aus. Doch am Ende, wohl 374, errang Theodosius einen klaren Sieg. Die Meuterer trafen harte und oft brutale Strafen, Firmus nahm sich das Leben.

Das dürfte der jüngere Theodosius nicht mehr miterlebt haben. Denn im Jahre 374 kam der nachmalige Kaiser zu einem ersten selbständigen militärischen Einsatz. Er bekleidete das Amt eines dux Moesiae, des Militärkommandeurs der an der Donau im Bereich des heutigen Bulgarien gelegenen Provinz Moesia, die ebenfalls von Angriffen bedroht war. Dort focht er erfolgreich gegen Angehörige des iranischen Reiterstamms der Sarmaten, die immer wieder Einfälle in das Reich wagten. Ammian berichtet darüber eindringlich und lobrednerisch:

Als sie (sc. die Sarmaten) von der anderen Seite in unsere Grenzgebiete einfielen, schlug er (sc. Theodosius der Jüngere) sie mehrfach zurück. Er brachte ihnen Verluste bei und rieb sie in dicht aufeinander folgenden Kämpfen auf. Und obwohl sie äußerst tapfer Widerstand leisteten, bedrängte er sie so hart, dass er mit der Unzahl von Gefallenen nachgerade wie mit Mastfutter die Vögel und die wilden Tiere sättigte. Den Übrigen schwand der Mut, und sie fürchteten, derselbe Anführer werde mit seiner unverkennbar herausragenden Leistungsfähigkeit beim ersten Einmarsch in ihr Gebiet ihre anstürmenden Haufen niederwerfen und in die Flucht schlagen oder Hinterhalte in den Verstecken der Wälder legen. Nachdem sie sodann erfolglos mehrere Durchbruchversuche unternommen hatten, verloren sie das Vertrauen in ihre Kampffähigkeit und erbaten Vergebung und Verzeihung für das Geschehene. Da sie zur rechten Zeit besiegt waren, handelten sie dem Friedensabkommen, das man ihnen gewährt hatte, in keiner Weise entgegen, wobei sie vor allem deswegen von Furcht erfüllt waren, weil zum Schutz Illyricums eine starke Macht gallischer Truppen eingetroffen war.6

Hier ist gewiss vieles übertrieben. Es handelte sich um den Alltag der Militärs an der Grenze, den Theodosius anscheinend einigermaßen glücklich bewältigte. Ammian selbst lässt durchblicken, dass der römische Kommandeur nicht kraftvoll genug handelte, um auf das Gebiet der Sarmaten auszugreifen, und gibt zudem einen weiteren Grund für den Erfolg an: Ein starkes Heer rückte an, das ihn hätte unterstützen können. Dem fühlten die Sarmaten sich nicht mehr gewachsen. Dennoch, Theodosius besaß zu dieser Zeit beides: militärische Erfahrung und Beziehungen. Der Aufstieg im römischen Heer schien vorgezeichnet.

Man weiß nicht, wann und wo ihn jene Nachricht ereilte, die seine Zukunftsperspektiven verdüsterte. Wohl 375/6 wurde sein Vater wegen Hochverrats verklagt oder zumindest verleumdet.7 Dahinter standen jener Romanus, den Theodosius beim Feldzug in Africa in Haft genommen hatte, der aber inzwischen freigesprochen worden war, und dessen Freunde. Die Einzelheiten des Verfahrens sind schwer zu rekonstruieren. Zwar liegen eine Reihe detaillierter Berichte vor, aber sie haben alle die Tendenz, Theodosius als völlig unschuldiges und nur am Gemeinwohl interessiertes Opfer zu zeichnen, seine Feinde hingegen als verruchte Verschwörer, die allein von Eigensucht geleitet waren und den Kaiser in Lügengespinste einwoben. Diese Tendenz ist unschwer zu erklären: Der dann weitergetragene Kern der Erzählung entstand unter der Herrschaft Theodosius’ des Großen; die andere Seite kann vom modernen Historiker nicht mehr gehört werden.

Offensichtlich vollzog sich im Hintergrund ein Ringen um den Einfluss am kaiserlichen Hof, das sich nach dem Tode Valentinians I. am 17. November 375 verschärft hatte. Jetzt trat etwas ein, was den Wünschen des verstorbenen Kaisers und des nunmehr regierenden Gratian (375–383) widersprach: Eine Gruppe einflussreicher Männer sorgte dafür, dass der jüngere, gleichnamige Sohn Valentinians I. zum Kaiser ausgerufen wurde. Dieser, heute als Valentinian II. bezeichnet, war noch ein Kind und somit ein Werkzeug seiner Kaisermacher. Möglicherweise gehörte der ältere Theodosius zu jenen, die das Verfahren missbilligten, und sollte deswegen unschädlich gemacht werden.8 Allerdings fehlte den Vorwürfen seiner Gegner durchaus nicht jede Grundlage. Denn allem Anschein nach war Theodosius eigenmächtig gegen einen hohen römischen Beamten vorgegangen und hatte so einen Teil der kaiserlichen Amtsgewalt usurpiert. Dies konnte in der Tat als Hochverrat gedeutet werden, und der Verdacht mochte sich dadurch verdichten, dass Theodosius in Africa auffällig um die Gunst der Bevölkerung geworben hatte. Bezeichnenderweise behaupten nicht einmal die wohlgesonnensten Quellen, die Anklagen gegen Theodosius seien unbegründet gewesen. Wie dem auch sei, man verhängte über Theodosius das Todesurteil. Anfang 376 wurde er in Karthago hingerichtet, nachdem er, wie jedenfalls eine fromme Tradition behauptet, die Taufe empfangen hatte.9

Für den jüngeren Theodosius war das eine persönliche Katastrophe. Er hatte seinen Vater verloren, und seine nicht besonders beeindruckende, aber doch hoffnungsvolle Karriere schien am Ende. Er zog sich nach Spanien zurück. Vermutlich rechnete er damit, fortan in der Provinz als Landedelmann ein ruhm- und womöglich gefahrloses Leben zu führen. Er heiratete ein Frau aus seiner Heimat, Flaccilla, und bekam seinen ersten Sohn Arcadius. Währenddessen regierte Gratian, der junge Sohn Valentinians, den Westen, umgeben von seinen Beratern; Valentinian II. spielte eine eindeutig nachgeordnete Rolle; im Osten herrschte Valens. Die Dauerhaftigkeit der valentinianischen Dynastie schien gesichert. Von ihr durfte Theodosius nicht viel erwarten; vielleicht verfolgte er indes mit Genugtuung, wie einige Feinde des Vaters bald die kaiserliche Gunst verloren. Und es dauerte gar nicht lange, da wurde er selbst wieder gebraucht.

Theodosius der Große

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