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Prolog

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Undurchdringlicher Nebel beherrscht die Po-Ebene während vieler Wintertage. Eine solche Witterung hätte gut zu dem Anlass gepasst, zu dem römische Soldaten, gewöhnliche Bürger und der kaiserliche Hofstaat am 25. Februar 395 in einer Mailänder Kirche zusammenkamen. Der Kaiser war gestorben, Theodosius, dem es soeben erst gelungen war, einen Usurpator niederzuwerfen, der die Herrschaft über das ganze Römische Reich, von der Ostgrenze bis zum Ozean, errungen hatte, jener Theodosius, der seinen letzten Sieg ganz unter das Zeichen des Kreuzes gestellt hatte.1

Was wird den Teilnehmern durch den Kopf gegangen sein? Honorius, der zehnjährige Kaisersohn, durfte beim Altar sitzen, eine Auszeichnung für jemanden, der nicht dem Klerus angehörte. Der Junge führte bereits den Titel eines Augustus und war zum Kaiser des Westens ausersehen, während sein älterer Bruder Arcadius, der sich in Konstantinopel aufhielt, Kaiser im Osten bleiben sollte. Dachte Honorius an die Verantwortung, die ihm damit zufiel, oder dachte er, während er bei der Rede des Bischofs in Tränen ausbrach, an den Vater, den er verloren hatte? Vielleicht wanderte manch scheuer Blick zu Stilicho, der zur Trauergemeinde gehört haben dürfte, einem Militär germanischer Herkunft, der sich in der römischen Welt souverän zu bewegen wusste. Er war der mächtigste Mann vor Ort, als Gatte der Adoptivtochter des Kaisers und als Vormund des Honorius. Wahrscheinlich waren auch die Consuln des Jahres zugegen, Olybrius und Probinus, zwei Sprösslinge vornehmster, aber machtentwöhnter römischer Familien. Sie verdankten Theodosius ihre Erhebung zu dem hohen Amt. Würden die nächsten Herrscher genauso freundlich mit Senatoren umgehen?

Die Leichenrede hielt, und das war man in diesen Kreisen noch nicht gewohnt, ein Bischof, der berühmte Ambrosius. Er rückte seine eigene Beziehung zu Theodosius ins Zentrum seiner Ansprache und demonstrierte sein rhetorisches Können, indem er aus einem Psalm, der während des Gottesdienstes gelesen worden war, immer wieder die Formel ‚Ich habe geliebt‘ zitierte: Ich habe den Mann geliebt, der mitleidig war, demütig in seiner Macht und reinen Herzens … Ich habe den Mann geliebt, der mehr vom Kritiker als vom Schmeichler hielt … Ich habe den Mann geliebt, der am Ende seines Lebens mit letzter Kraft nach mir rufen ließ. Ich habe den Mann geliebt, der noch, als sein Körper schwach wurde, sich mehr um die Lage der Kirche als um seine Bedrängnisse sorgte. Ich habe ihn also geliebt, das gebe ich zu, und deswegen hat mich der Schmerz im tiefsten Inneren getroffen.2

Jedermann unter den Zuhörern wusste: Die Beziehung zwischen Bischof und Kaiser war in Wirklichkeit belastet, zeitweise sogar zerrüttet gewesen; noch wenige Wochen zuvor hatte der Kaiser den Bischof seinen Ärger spüren lassen. Doch Ambrosius gelang es, das Bild eines christlichen, den wahren Glauben unermüdlich fördernden, im Einvernehmen mit den wahrhaftigen Bischöfen, allen voran mit ihm selbst, regierenden Kaisers zu verbreiten. Der Weg, den Ambrosius bahnte, führte dazu, dass die Kirche bald in dem Verstorbenen Theodosius den Großen erblickte.

Doch hat er den Namen wirklich verdient? Bei näherem Zusehen zeigen sich in seinem Leben Schwächen und Defizite. Er hat oft persönlich versagt und dann doch noch Glück gehabt. Sein Glaube war ernst, doch sein Machtbewusstsein stärker, oft scheint er die Kirche für seine Interessen genutzt zu haben. Jedenfalls ergibt sich dieses Bild des Kaisers aus dem, was im Folgenden erzählt werden soll.

Theodosius der Große

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