Читать книгу Hans Ritter und seine Frau - Hedwig Courths-Mahler - Страница 4
1. Kapitel.
ОглавлениеFelicitas Wendland sass in ihrem kleinen Stübchen, das Tante Laura, die Frau Hofrat Schlüter, ihr angewiesen hatte, als sie nach dem Tode ihres Vaters in deren Hause Aufnahme fand. Hofrat Schlüter bewohnte mit seiner Familie eine Amtswohnung in einem ausser Betrieb gesetzten alten fiskalischen Gebäude. Es sah von aussen nicht sehr freundlich aus, aber die Räume, die der Familie des Hofrats zur Verfügung standen, waren behaglich und reichlich. Es gehörten sogar zwei grosse Säle dazu, deren Fussböden Frau Hofrat blitzblank hatte bohnern lassen, so dass man bei festlichen Anlässen famos darauf tanzen konnte.
Felicitas besass aber nur dies winzige Stübchen für sich allein. Tante Hofrat hatte gemeint, die junge Dame müsse sich bescheiden lernen. Felicitas war ja jetzt nicht mehr das einst so gefeierte Generalstöchterchen, das im Hause des Vaters eine grosse Rolle gespielt hatte, sondern nur eine arme Waise, die froh sein musste, bei ihren Verwandten Aufnahme gefunden zu haben.
General Wendland war der Bruder der Frau Hofrat, auf den sie bei Lebzeiten sehr stolz gewesen war. Jetzt dachte sie aber nicht gern an ihn, jetzt sagte sie nur immer seufzend: „Mein Bruder hätte kein so grosses Haus führen, sondern lieber ein bisschen für die Zukunft sorgen sollen, damit seine Tochter nicht auf uns angewiesen wäre.“
Nach aussenhin berief sie sich aber nach wie vor gern auf „ihren Bruder, den General Wendland“.
Dieser war nun schon über ein Jahr tot, und feit dieser Zeit lebte feine Tochter im Hause der Hofrätin.
Man war nicht gerade feinfühlig ihr gegenüber. Am nettesten zu ihr war der Hofrat selbst, aber der war meist abwesend und spielte ausserdem in seinem Hause eine ziemlich untergeordnete Rolle. Tante Laura gab den Ton an, und sie tat das mit einem kolossalen Aufstand von Stolz und Würde.
Sie behandelte Felicitas so, das diese nicht einen Augenblick im Zweifel bleiben konnte über die Grösse des Opfers, das man ihr brachte.
Auch Lorchen und Bärbchen, die beiden erwachsenen Töchter des Hofrats, waren nicht besonders liebenswürdig gegen sie. Früher, als ihr Vater noch lebte, waren sie freilich eitel Liebe und Anhänglichkeit gewesen. Aber damals hatte sich das auch gelohnt. Onkel General war sehr freigebig; und gab immer so reizende Feste, auf denen sich die jungen Offiziere auch gegen Sie Nichten des Generals sehr zuvorkommend benahmen.
Lorchen und Bärbchen waren durchaus keine hässlichen Mädchen — o nein, es waren hübsche, blonde, frische Dinger. Aber ein wenig Durchschnittstypus. Sie besassen nicht die elegante Schlankheit, die edlen Linien und die graziösen Bewegungen ihrer Cousine. Ihr blondes Haar sah direkt fahl aus gegen den satten, metallischen Goldton, der Felicitas Haar eigen war.
Lorchen und Bärbchen besassen überdies wässerige, blaue Augen mit weissblonden Wimpern, und da diese Augen nicht sehr ausdrucksvoll waren, sahen fast alle Menschen — hauptsächlich natürlich Die Herren — viel lieber in die wundervollen braunen Augen Der Cousine, als in die von Lorchen und Bärbchen. Und das war doch nicht sehr angenehm.
Ausserdem — wie sich Felicitas zu kleiden verstand! In den schlichtesten Trauerfähnchen hatte sie schon wie eine Prinzessin ausgesehen, und nun legte sie die Trauer ab und würde wieder farbige Kleider tragen. Besonders in Weiss sah sie immer unerhört schön aus.
Nun sollte sie wieder mit in Gesellschaft gehen, da das Trauerjahr zu Ende war. Lorchen und Bärbchen fanden zwar, dass die arme Felicitas dazu gar nicht berechtigt sei, aber die Hofrätin meinte, der Leute wegen könne man sie nicht mehr zu Hause lassen.
Einen Trost hatten die Schwestern jetzt aber. Sie hatten für das bevorstehende grosse Ballfest, das Hofrats jeden Winter gaben, um sich für zahlreiche Einladungen zu revanchieren, neue „himmlische“ Roben bekommen. Felicitas aber musste sich ein altes Kleid aufarbeiten. Sie befass zwar aus der Glanzzeit im Hause ihres Vaters noch eine Menge sehr schöner und zum Teil auch kostbarer Toiletten, aber die waren doch nicht mehr modern.
So sass nun Felicitas in ihrem Stübchen und mühte sich mit flinken, geschickten Händen, eine Toilette aus elfenbeinfarbigen Spitzen und Chiffon auf gleichfarbiger Seide zu modernisieren, und während sie eifrig, mit glühenden Wangen an ihrem Kleide nähte, flog immer wieder ein glückliches, sehnsüchtiges Lächeln über ihr schönes Gesicht.
Wozu brauchte sie teure, glänzende Toiletten — dies Kleid tat es auch! In kurzer Zeit würde sie doch ein ganz anderes Leben beginnen und noch mehr sparen — ein Leben, in dem es keine grossen, glänzenden Gesellschaften geben würde, aber dafür ein reiches, stilles Glück, ein frohes Genügen.
Ach, wie sie sich darauf freute, in einem eigenen, kleinen Heim schalten und walten zu können!
Sie lachte glücklich in sich hinein und nahm schnell aus einem verschlossenen Kästchen, das neben ihr auf dem Tische stand, die Photographie eines jungen Offiziers. Mit leuchtenden Augen blickte sie in das schöne Gesicht und küsste es innig. Harry — mein Harry! Nun werden wir uns bald — bald angehören dürfen für immer,“ flüsterte sie.
Glückstrahlend legte sie das Bild wieder in das Kästchen und verschloss es. Dann nähte sie eifrig weiter.
„Schön will ich aussehen, Harry! Du sollst stolz auf mich sein! Und wenn ich mir auch in Zukunft meine Kleider selbst arbeiten muss, so will ich darin nicht weniger hübsch aussehen. Wozu habe ich so geschickte Hände? Dies Kleid hier soll auch in neuer Pracht erstrahlen! Hier die breite Chiffonlage verbirgt den Ansatz des Ärmels, den man nach der neuen Mode nicht mehr sehen darf. Und der Rock ist etwas enger geworden, wie es die Mode heischt. Das Stück Spitze, das ich herausnehmen musste, gibt einen wirkungsvollen Revers auf mein blaues Seidenkleid, das ich bei nächster Gelegenheit trage. Nun noch eine duftige Chiffonrosette an den Gürtelschluss — und die modernste Robe ist fertig!“
Sie freute sich sehr auf diesen ersten Ball, den sie nach des Vaters Tode besuchen würde. Ehrlich und tief hatte sie diesen Betrauert, der ihr immer ein liebevoller, zärtlicher Vater gewesen war, wenn er auch nicht verstanden hatte, für ihre Zukunft zu sorgen. Sie würde ihm immer ein liebevolles Andenken bewahren. Aber nun regte sich doch wieder die Jugendlust in ihrem Herzen.
And vor allem — sie würde Harry Forst auf diesem Feste im Hause der Tante sehen! Er war eingeladen worden und hatte zugesagt, das wusste sie nun von ihm selbst. Als sie ihm neulich auf der Promenade begegnet war, und sie, anscheinend nur einige höfliche Worte wechselnd, sich begrüsst hatten, hatte sie ihn danach gefragt.
Ach, wie sie sich danach sehnte, einmal wieder eine Weile ungestört mit ihm plaudern zu können! Nur selten waren sie in dem Trauerjahr zusammengetroffen, immer nur einige verstohlene Worte wechselnd. Das würde nun anders werden. Nun würde er sein Schweigen brechen und offiziell um ihre Hand anhalten. Eigentlich war das ja gar nicht mehr nötig. Sie waren längst einig, und da sie mit ihren zweiundzwanzig Jahren mündig war, Hätte ihr niemand dreinzureden. Aber der Form halber musste Harry dem Onkel und der Tante Mitteilung machen von ihrer Verlobung.
Als Felicitas die letzten Stiche an ihrem Kleide nähte, wurde die Tür geöffnet und Bärbchen Schlüter trat ein.
„Mein Gott, Fee, du bist noch immer nicht fertig?“ rief sie erstaunt und entschieden missbilligend.
Felicitas hob lächelnd den Kopf. „Nur diese Nosette noch festnähen, Bärbchen, dann ist es geschehen.“
Bärbchen trat näher und sah mit recht neugierigem, gespanntem Ausdruck auf das Kleid herab.
„Wozu du dir nur die Menge Arbeit gemacht hast? Das Kleid war doch auch ohnehin noch sehr hübsch!“
,,Mir war es nicht schön genug, deshalb liess ich mich die Mühe nicht verdriessen.“
„Nun, ich an deiner Stelle hätte es lieber getragen, wie es war. Am Ende verdirbst du mit der Änderung nur den guten Sitz.“
Das klang eher hoffnungsvoll als befürchtend.
Fast übermütig blitzten Felicitas herrliche Augen in die blassblauen Bärbchens. „Keine Sorge, liebes Cousinchen, das tue ich gewiss nicht.“
„Nun, nun — sei nur nicht so sicher. Mama sagt immer, bei Änderungen kommt nichts heraus. Es wäre doch wirklich nicht so schlimm gewesen, wenn du nicht nach der allerneuesten Mode gekleidet gingst.“
Felicitas sah mit eigentümlichem Ausdruck in Bärbchens missvergnügtes Gesicht. „Du meinst, weil ich nur eine arme Waise bin, die in dem Hause ihrer Verwandten sozusagen das Gnadenbrot isst! Aber sieh mal, Bärbchen, es kostet mich nur ein wenig Mühe, dies Kleid zu modernisieren — warum soll ich es nicht tun?“
Bärbchen hielt es für gut, diese bitter gefärbten Worte zu ignorieren. „Na, weisst du, ich bin wirklich neugierig, wie dir das gelungen ist. Lorchen und ich, wir haben soeben unsere neuen Roben anprobiert. Sie sind entzückend ausgefallen und sitzen famos.“
„Das freut mich. Ich bin auch gleich fertig.“
Bärbchen hob mit spitzen Fingern die Taille des Kleides empor.
„Mein Gott — du hast ja wahrhaftig die ganze Taille geändert! Zieh doch das Kleid mal an, Fee,“ forderte sie ungeduldig. Sie wollte sich gern überzeugen, dass das Kleid ihrer Cousine nicht so schön war, wie das ihre.
„Sofort, Bärbchen,“ sagte Felicitas, sich erhebend.
„Also komm, wenn du es angezogen hast, ins Wohnzimmer hinüber, damit Mama und Lorchen es auch sehen.“
„Ja, Bärbchen, ich komme,“ erwiderte Felicitas.
Bärächen verschwand, entschieden missmutig. Sie ärgerte sich, dass Fee sich so viel Mühe gab, schön auszusehen. Das hatte sie doch wahrlich nicht nötig. Aber sie wollte eben immer die Schönste sein und wollte sie und Lorchen in den Schatten stellen.
Bärbchen beurteilte, wie viele andere das tun, die Menschen nach sich selbst. Als sie ins Wohnzimmer trat, sass ihre Mutter mit einer Handarbeit am Fenster, sah aber mehr auf ihre noch sehr schönen Hände herab als auf die Stickerei. Lorchen, das getreue Ebenbild Bärbchens, blätterte in einem Modejournal.
„Nun — wie weit ist Fee?“ fragte die Hofrätin.
„Gleich fertig, Mama. In ihrem Zimmer sieht es aber aus, wie in einer Schneiderstube — grässlich! Sie hat fast das ganze Kleid zertrennt und zerschnitten gehabt, nur, damit es modern wird.“
Die Hofrätin zuckte die Achseln.
„Sie will natürlich nicht hinter Euch zurückstehen. Im Grunde ist es mir auch lieb, wenn sie passabel aussieht — der Leute wegen. Sonst heisst es gleich, Fee spielt die Rolle des Aschenbrödels bei uns.“
Gleich darauf trat Felicitas ein.
Sie trug das geänderte Spitzenkleid. Es schmiegte sich in tadellosem Sitz um die jugendschöne Büste und um die schlanken Hüften. Der halbrunde Ausschnitt liess den wundervoll geformten Hals und Nacken frei. Auch die schlanken, weissen Arme waren bis zum Ellenbogen unbekleidet. Jedenfalls machte die Robe ganz den Eindruck, als stamme sie aus einem ersten Mode-Atelier. Die Damen waren starr. Felicitas sah so wunderschön aus, dass es ihnen die Rede verschlug.
Lorchen und Bärbchen stellten innerlich ärgerlich fest, dass das Kleid ihrer Cousine von dem ihren ganz gewiss nicht in der Schatten gestellt werden konnte. Dazu kam noch, dass Fees elegante Gestalt und ihre graziösen Bewegungen die Robe noch viel besser zur Geltung brachte.
Eine Weile blieb es stumm. Endlich brach die Hofrätin, die sich zuerst fasste, das Schweigen. „Du Haft wirklich ein unglaubliche Geschick, Fee, das muss man dir lassen. Das Kleid sieht ganz frisch und neu aus,“ sagte sie sauersüss.
„Ach, ich finde, der Rock ist zu eng, du hast zu viel Herausgeschnitten,“ kritisierte Lorchen, sich mühsam fassend.
Felicitas sah sie ein wenig überlegen an. „Ich wette, er ist keinen Zentimeter enger, als der deines neuen Kleides,“ antwortete sie ruhig.
„Aber die Ärmelgarnitur ist zu breit nach meinem Geschmack!“ rief nun Bärbchen, die sich wütend eingestehen musste, dass Fee entzückend aussah.
„Das ist, um den Ansatz zu verdecken, so schreibt die Mode es vor,“ erwiderte Felicitas.
„Mein Gott! Du müsstest Schneiderin werden bei deiner Veranlagung!“ rief Lorchen, ihr kurzes Näschen hochmütig emporhebend.
Fee wusste, dass man sie nur kränken wollte. Das war sie schon gewöhnt. Aber die Hoffnung, bald aus diesem Hause hinauszukommen, wo man ihr nur widerwillig und nur der Leute wegen eine Heimat bot, liess alles an ihr abgleiten. Sie konnte lächeln.
,,Nun — warum nicht Schneiderin?“ fragte sie im leisen Übermut. Wer weiss — vielleicht nütze ich einmal mein Geschick praktisch aus und gründe einen Modesalon. Das ist nichts neues mehr. Es gibt viele gebildete Damen, die das tun. Neulich habe ich sogar gelesen, dass die Witwe eines englischen Lords einen Modesalon eröffnet hat. Sie will ein Vermögen damit verdienen.“
Die Hofrätin sah sie strafend an. „Aber Fee, solch ein Gedanke! Das mag eine sonderbare Lady sein. In den Zeitungen steht viel, was nicht wahr ist. Die Tochter des Generals Wendland sollte so etwas nicht einmal denken, viel weniger aussprechen.“
Fee strich sinnend an ihrem Kleid Herab.
„Ist denn dieser Gedanke ein Unrecht, liebe Tante? Ich muss dir sagen, dass ich mich nicht scheuen würde, ihn auszuführen, wenn — nun ja — wenn ich nicht in Eurem Hause Aufnahme gefunden hätte.“
Die Hofrätin legte erregt ihre Handarbeit weg.
„Gottlob, dass wir dich davor behütet haben. Du weisst wirklich nicht, was du sprichst, Fee. Dein Vater würde sich im Grabe umdrehen, könnte er dich hören.“
Fee seufzte leise. Aber dann flog ein sonniges Lächeln über ihr Gesicht.
„Ach, Tante Laura — Papa war ein frischfroher Augenblicksmensch, der solche Frage niemals tragisch genommen hätte. Trotzdem er mit Leib und Seele Soldat war, hatte er doch einen leisen, demokratischen Einschlag. Ich glaube nicht, dass er so entsetzt wäre, wenn er hörte, dass ich lieber mein Brot mit ehrlicher Arbeit selbst verdienen, als Euch zur Last fallen müsste. Ich weiss doch, dass ich das tue — Ihr seid ja selbst nicht vermögend.“
Die Hofrätin sah vornehm an der Nase herab. „Beenden wir dieses Thema, Fee! Ich fühle mich in deinem Vater, meinem Bruder, gekränkt, dadurch, dass du ihm demokratische Ansichten andichtest. Du selbst scheinst leider Gottes solche zu haben. Nie wieder will ich so etwas hören. Wenn wir auch nicht reich find — lieber schränken wir uns alle noch mehr ein, als dass wir erlauben würden, dass du derartigen Gelüsten nachgibst.“
Fee sah auf ihre edelgeformten Hände herab, die so sorgsam gepflegt waren und aussahen, als sei ihnen jede Arbeit fremd.
Sie dachte, dass sie schwerlich diese Erlaubnis einholen werde, wenn ihr Leben nicht ohnedies bald in andere Bahnen gelenkt würde. Aber sie schwieg. Wozu sollte sie Tante Laura noch mehr aufreizen mit ihren Ansichten?
„Sei nicht böse, Tante Laura, ich werde es ja auch nicht tun. Es war nur so ein Gedanke, weil es doch schade ist, dass ich ein Talent nicht ausnützen kann, das einer anderen vielleicht ein Schatz sein würde.“
Bärbchen lachte spöttisch auf. „Aber Fee, sprich doch nicht gleich von einem Talent! Es ist doch höchstens eine Fingerfertigkeit.“
Fee lächelte. ,,Gut, Bärbchen, nennen wir es so. Aber nun entschuldigt mich, bitte. Ich will dies Festkleid ablegen und in meinem Zimmer die Spuren meiner Tätigkeit entfernen.“
Damit ging sie hinaus.
„Fee ist ein sonderbares Geschöpf, Mama. Was die zuweilen für Einfälle hat,“ sagte Lorchen kopfschüttelnd.
„Und unverschämt ist sie obendrein. Sie spricht immer in einem so überlegenen Ton mit uns, als wären wir von ihr abhängig, nicht sie von uns. Daft du ihr mokantes Lächeln bemerkt, Mama? Ich finde, sie nimmt sich ziemlich viel heraus,“ ereiferte sich Bärbchen unmutig.
Die Hofrätin Hob vornehm die Hand. Keine Emotionen. Bärbchen! Eine Dame soll sich niemals erregen. Lassen wir Fee jetzt beiseite. Ich möchte etwas anderes mit Euch besprechen. Ihr wisst, welche Hoffnung ich auf das morgige Ballfest setze. Und ich möchte Euch nochmals ermahnen, recht vernünftig zu sein. Herr Ritter verkehrt nun schon seit einem Jahre bei uns; ich weiss ganz bestimmt, dass er in keiner anderen Familie so oft zu Gaste ist, als bei uns — ich meine, ohne festliche Anlässe. Er hat mir selbst gesagt, dass er die Absicht hat, zu heiraten. Mir scheint, er wäre nicht abgeneigt, eine von Euch zur Frau zu nehmen, wenn man es ihm bequem machen würde. Solche Herren, die schon die Mitte der Dreissig überschritten haben, sind ja meist zu bequem geworden, den entscheidenden Schritt zu tun. Also seid klug! Und vor allem — kommt einander nicht ins Gehege. Sobald eine merkt, dass er sich mit der anderen beschäftigt, muss sie sich zurückziehen. Ihr wisst, Ritter ist ein sehr, sehr reicher Mann! Man schätzt ihn als Millionär ein; ich brauche Euch wohl nicht zu sagen, dass es für uns alle von Vorteil wäre, wenn Ritter durch Familienbande an uns gefesselt würde. Ihr seid zwanzig und einundzwanzig Jahre alt, und es wird Zeit, dass Ihr Euch verheiratet.“
Die Schwestern hatten verstohlen gekichert.
„Aber Mama! Hans Ritter ist so schrecklich langweilig, so ernst und gründlich. Es ist schwer, ihn zu fesseln,“ meinte Lorchen.
„Wenn es leicht wäre, brauchte ich Euch nicht erst Verhaltungsmassregeln zu geben. Aber bedenkt, dass Ihr immerhin Chancen habt, eine glänzende Partie zu machen. Ich habe beobachtet, dass er sich selten mit einer anderen Dame beschäftigt, die als Frau für ihn in Frage käme, ausser mit Euch. Also seid klug, nützt Eure Chancen.“
„Und wenn uns nun Fee dazwischenkommt?“ fragte Bärbchen.
Die Hofrätin schüttelte den Kopf.
„Er hat sie ja schon öfter in unserem Hause gesehen, aber sie hat keinen Eindruck auf ihn gemacht. Er spricht nur selten ein höfliches Wort mit ihr, während er mit Euch oft scherzt und lacht. Also vernünftig, Kinder!“
Damit schloss die Hofrätin ihre Ermahnung.
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