Читать книгу Das Gänsemädchen von Dohrma - Hedwig Courths-Mahler - Страница 4

2. Kapitel.
Das Gänsemädchen.

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Inhaltsverzeichnis

Seit Martha die Gänse hütete, kam Junker Artur seltener in ihre Nähe.

Zuweilen ritt er wohl aus seinem Pony über die Wiesen, wo sie ihre Herde weidete, aber er würdigte sie keines Wortes mehr.

Ein Gänsemädchen war in seinen Augen ein so untergeordnetes Wesen, daß sein Stolz es nicht zuließ, noch ein Wort an sie zu verschwenden. Martha sah mit großen, bangen Augen hinter ihm her, wenn er vorüber ritt.

Einige Male hatte er übermütig ihre Herde auseinander getrieben. Dann hatte sie große Mühe, die aufgeregten Tiere wieder zur Ruhe zu bringen.

Ihr vereinsamtes Herz hing an ihren schnatternden Schützlingen. Jedes Tier hatte einen Namen von ihr bekommen. Sie hatte ihre besonderen Lieblinge darunter und sprach mit ihnen wie mit vernunftbegabten Wesen.

Auf den Rat ihres Lehrers benutzte sie ihre viele freie Zeit, um sich selber weiterzubilden, da sie die Schule nicht mehr regelmäßig besuchen konnte.

Seifert gab ihr Bücher zu lesen, und sie rechnete und schrieb, was ihr gerade einfiel, dabei auf der Wiese liegend, oder einen Stein oder Baumstamm als Tisch benutzend.

Dieses mangelhafte Selbststudium förderte sie indessen sehr. Sie hatte Zeit zum Sinnieren und Nachdenken und grübelte ernsthaft über allerlei Lebensfragen.

Ihr Charakter reiste schneller als in einer anderen Lebenslage. Sie wurde selbständig und energisch und blickte dem Leben mit ernstem Sinn entgegen.

Johannes Spiegel schenkte ihr, als sie ihn darum bat, allerlei Zeitungen und Zeitschriften, die nicht mehr gebraucht wurden. Darin las sie mit großem Lerneifer.

Manches verstand sie freilich nach nicht, wenn sie es auch zwei— oder dreimal durchlas. Aber trotzdem lernte sie mancherlei aus der Lektüre, was ihr sonst fremd geblieben wäre.

Kam sie des Abends zum Vater, dann wurde ihr das Herz immer furchtbar schwer. Manchmal schmiegte sie sich weinend an ihn und wünschte, mit ihm sterben zu können.

Gar zu traurig hatte sich ihr Leben gewandelt Aber nach und nach wurde ihr Herz wieder mutiger, die Hoffnung auf bessere Zeiten wurde in ihr wach.

Draußen auf der einsamen Weide schmiedete sie allerlei Zukunftspläne Und Lustschlösser baute sie, so hoch und schön!

Ihre Augen glänzten dann, sie breitete die Arme aus, als ob sie fliegen wollte, und vergaß aus Minuten ihr trauriges Schicksal.

Wenn sie erst erwachsen war, dann wollte sie hinaus in die schöne, große Welt, von der ihr die Zeitungen berichteten. Dort wollte sie arbeiten und Geld verdienen. Und wenn sie genug verdient hatte, dann würde sie mit dem Vater zu einem Arzt gehen und diesen bitten, ihn gesund zu machen.

Dann würde der Vater gute, kräftige Kost bekommen und sich schon erholen. Ganz gewiß würde er dann wieder der Alte werden.

Ach, und dann würden sie zusammen weiter schaffen und arbeiten, wie früher der Vater und die Mutter. Und sie würden sich einiges Geld sparen, bis sie sich , wieder ein kleines Häusel kaufen konnten, mit einem kleinen Stall und einem Stückchen Land.

In den Stall kam eine Kuh, so eine mit schwarzen Flecken auf der Stirn, wie die alte Liese, die früher den Eltern gehört hatte.

Vielleicht kam dann auch noch eine Ziege und ein Schwein dazu, ein paar Hühner und gar eine Gans.

Und dann — und dann — ach, sie wußte gar nicht, was sie sich dann noch wünschen sollte!

Aber herrlich, über die Maßen herrlich mußte das sein, wenn das alte, schöne Leben wieder begann. Nur die liebe Mutter würde fehlen und das Gustävle. Aber sie würde dann mit dem Vater zu ihren Gräbern gehen, ihnen schöne Blumen bringen und alles erzählen, wie gut es noch geworden war. Dann freuten sich die Mutter und Gustävle mit ihnen im Himmel.

Ach ja — wenns nur erst soweit wäre!

Das Herz war ihr so voll von diesen Zukunftshoffnungen, daß es ihr zu springen drohte. Sie mußte sich Luft machen und erzählte ihren Gänsen davon, als ob diese sie verstehen könnten. Aber die schnatterten nur verständnislos dazu und guckten sie mit schiefgehaltenen Köpfen an.

Da mußte sie dann schon warten, bis der Schäfer Gottfried Thomas mit seiner Schafherde bei ihr vorüberkam.

Der setzte sich immer ein Stündchen zu ihr, und sie erzählten sich allerlei.

Der Schäfer verstand sich noch viel besser darauf, Luftschlösser zu bauen. Hei! Waren das wundervolle und seltsame Gebäude. Da machte Martha die Augen weit auf und staunte über die phantastische Pracht.

Gottfried Thomas war ein gar sonderbarer Kauz. Seit Martha die Gänse hütete, hatte er Freundschaft mit ihr geschlossen. Früher plauderte er mit der alten — Kätner-Lene im Vorbeigehen jetzt saß er bei Martha, und während er ihr seine phantastischen Träume zum besten gab, strickte er gewohnheitsmäßig an einem grauen, dicken Wollstrumpf.

Sein Hund Fips hielt dann gewissenhaft auf Ordnung unter den Schafen, damit sie nicht zwischen Marthas Gänse gerieten.

Gottfried Thomas stammte aus einer menschenarmen Gegend des Böhmerwaldes Vater und Mutter hatte er nicht gekannt. Kohlenbrenner hatten ihn aus Barmherzigkeit aufgezogen. Schulbildung hatte er gar nicht genossen, er konnte weder lesen noch schreiben.

Durch Zufall war er später in diese Gegend gekommen und hatte das Amt eines Schäfers erhalten, das er nun schon seit langen Jahren versah.

Aber trotzdem er nicht lesen und schreiben konnte, wußte er allerlei, was ihm bei den Bauern ein gewisses Ansehen verschaffte.

Wenn seine lange, hagere Gestalt, die bei warmem und kaltem Wetter in einem alten Schafspelz steckte, durch die Dorfstraßen wandelte, dann kam dieser und jener zu ihm und fragte um Rat.

Er konnte nämlich ziemlich genau das Wetter voraussagen, was hauptsächlich um die Erntezeit sehr wichtig war. Sogar Herr von Dohrma richtete sich nach diesem Wetterpropheten, und wenn die gnädige Frau ein Gartenfest veranstalten oder besuchen wollte, dann ließ sie den Schäfer nach dem Wetter befragen.

Mit der Natur stand Gottfried Thomas aus sehr vertrautem Fuße. Es war, als hätte dieser schlichte, einfältige Mann einen sechsten Sinn, mit dem er Dinge wahrnahm, die anderen Menschen verborgen blieben.

Alle heilsamen Kräuter kannte und sammelte er, und wenn irgendwo ein Vieh erkrankte, dann hatte er ein Heilmittel bereit.

Auch dem Arzt pfuschte er gelegentlich ins Handwerk, und die Bauern glaubten an seine Kuren mehr als an die Kunst des Arztes.

Thomas war nicht wenig stolz auf das Ansehen, das er genoß, und er machte immer ein sehr wichtiges Gesicht.

Ein eigentümliches Gemisch von Klugheit und Unwissenheit lebte in diesem sonderbaren Manne.

Von der Welt außerhalb des Dorfes und seiner Gemarkung hatte er kaum eine Vorstellung. Dafür ließ er jedoch seiner blühenden Phantasie die Zügel schießen, und wenn Martha ihm zuweilen aus ihren Büchern erzählte, oder dies und das aus der Zeitung vorlas, dann entstand in seinem Kopfe ein unglaubliches Durcheinander, und er machte Geschichten daraus, die jedem vernünftigen Menschen ein Kopfschütteln abgenötigt hätten.

Er erzählte Martha die abenteuerlichsten Geschichten. Über Marthas Zukunftsträume lächelte er mitleidig. Er wollte viel höher hinaus.

Ganz sicher war er, daß er eines Tages unter den heilsamen Kräutern eine Springwurz finden würde.

Das war eine Zauberpflanze deren Besitz jedem alle, auch die vermessensten Wünsche erfüllte.

Hatte er nur erst diese Zauberwurzel, dann wollte er hinausziehen in die Welt und sich ein großes, herrliches Königreich suchen. Dann wurde er König und wohnte in einem goldenen Schloß, schlief in einem goldenen Bett und aß von goldenen Schüsseln alle Tage Schweinebraten und Klöße mit Backobst. Das war nämlich sein Leibgericht.

Und über hundert Diener würde er dann gebieten, die silberne Kleider hätten und ihn den ganzen Tag in goldenen Sänften spazieren trugen.

Martha sollte dann nur mit ihm gehen, sagte er großmütig. Sie könnte dann eine Prinzessin werden und ihren Vater würde er dann von seinem Leibarzt gesund machen lassen. Dann wollte er ihn zum Minister ernennen.

Ja, und Martha bekam dann seidene Kleider mit schrecklich langen Schleppen und mit einem Gürtel aus Edelsteinen. Und auf dem Kopfe mußte sie eine goldene Krone tragen. Aus einem milchweißen Pferde sollte sie reiten, und seine hundert Diener mußten sich vor ihr neigen.

Und er schaffte sich einen goldenen Rohrstock an und zog ihnen damit eins über. Na — und überhaupt — —

So spann er weiter und weiter, bis Martha, von ihm fortgerissen, mit einstimmte und die Märchen noch weiterführte.

Ja, dann mußte auch Junker Artur in das goldene Schloß kommen und mußte sie artig an der Hand führen, wie die Komtessen und Edelfräuleins, die manchmal in Dohrma zu Besuch waren.

Er durfte dann nicht mehr so stolz auf sie herabsehen, oder gar mit dem Faß nach ihr stoßen, sondern mußte sehr freundlich zu ihr sein, bei Tisch neben ihr sitzen und ihr die Schüsseln reichen, er mußte ihr einen schönen Rosenstrauß schenken und auf seinem Pony neben ihr reiten. Ach nein, Gottfried mußte ihm dann lieber auch ein milchweißes Pferd schenken, ja — —

Ach Gott, was spannen diese beiden Menschen, der einfältige, alte Mann und das unerfahrene Kind für herrliche Märchenträume; jeden Tag aufs neue, jeden Tag schöner und leuchtender.

Und es störte sie nicht, daß die Wirklichkeit so gar nicht mit diesen Träumen in Einklang zu bringen war.

Sie waren glücklich dabei und vergaßen ihr trauriges Schicksal.

Diese Stunden halfen Martha über die Härten ihres Lebens hinweg.

Dann las sie dem Schäfer wieder vor aus Büchern und Zeitungen. Aber darüber gerieten sie oft in Meinungsverschiedenheiten.

Gottfried wollte immer alles besser wissen. Er kam sich so gewaltig klug vor, weil er das Wetter prophezeien und krankes Vieh gesund machen konnte. Ihm konnten die Zeitungsschreiber nicht imponieren. Er malte sich die Welt in anderen Farben.

Aber so, wie er sie sich malte, sah sie ganz sicher nicht aus, das wußte Martha, denn sie war wirklich ein kluges Mädchen.

Und darüber kamen sie manchmal so in Streit, daß er ärgerlich weglief, denn er war so von seiner Klugheit überzeugt, daß er Widerspruch nicht vertragen konnte.

»Wenn Du so bist, dann kann ich Dich in meinem goldenen Schloß nicht gebrauchen, daß Das nur weißt!« sagte er dann gekränkt und ließ sie allein.

Kam er aber wieder bei ihr vorüber, dann hatte er alles vergessen, und sie waren wieder gute Freunde

*

Einige Jahre waren so vergangen. Martha war noch immer Gänsehüterin.

Artur von Dohrma begegnete ihr kaum noch, jedenfalls nahm er keine Notiz mehr von ihr.

Von den Knechten und Mägden hörte Martha, daß der Junker in der nächsten Zeit Dohrma verlassen werde, um in eine Kadettenanstalt zu gehen. Er sollte Offizier werden.

Einige Tage später, als sie davon gehört hatte, trieb sie ihre Gänseherde zeitiger als sonst von der Weide heim, weil ein Gewitter im Anzuge war.

Ihr Weg führte sie an dem Dohrmaer See vorbei, in dem vor Jahren ihr Bruder ertrunken war. Auf diesem See ruderte oder segelte Artur von Dohrma oft.

Martha kannte das kleine Ruderboot und die zierliche Segeljacht ganz genau. Das Ruderboot lag drüben am Steg festgekettet, aber das weiße Segel blähte sich — mitten auf dem See. Sicher war der Junker draußen.

Martha sah zum Himmel empor. Er war bereits mit drohenden Wolken bedeckt.

Sie blieb eine Weile stehen und blickte auf das leichte Segelboot.

Wenn sich der Junker nicht beeilte, kam er mitten in das Unwetter. Und der See war tückisch.

Sie wandte sich zögernd zum Weitergehen. In demselben Augenblick setzte heulend der Gewittersturm ein, und zwar so stark, daß ihre Röcke fest um ihren Körper geweht wurden. Und das Segelboot wurde nach der Seite zu getrieben, wo sie stand.

Die Gänse drängten sich schnatternd und ängstlich um ihre Hüterin, und die Pflicht gebot ihr, schnell mit ihnen heimzukehren. Aber sie zögerte und warf doch noch einen besorgten Blick nach dem weißen Segel.

In demselben Augenblick erhob sich ein neuer, heftiger Windstoß Artur von Dohrma mußte entweder die Gewalt über das Segel verloren oder ihm eine falsche Richtung gegeben haben, kurzum, das Boot kippte um und der Junker fiel ins Wasser.

Martha schrie laut auf. Ganz deutlich erinnerte sie sich jetzt der Stunde, da man ihren Bruder tot nach Hause gebracht hatte.

Ein Schauder erfaßte sie. Wenn Junker Artur hier vor ihren Augen ertrank!

Sie preßte die Hände ans Herz und blickte ratlos, wie hilfesuchend um sich. Dann eilte sie dicht an den Rand des Sees.

Sie sah, daß Artur das Ufer schwimmend zu erreichen strebte. Aber das Ufer war an dieser Seite steil und glatt, hier kam niemand ohne Hilfe heraus.

Aufgeregt winkte sie dem Schwimmenden zu und rief dabei laut um Hilfe. Aber niemand hörte sie.

In ihrer Angst überlegte sie nun, wie sie dem Junker selbst zu Hilfe kommen konnte. Ihre Gänseherde vergaß sie in diesem Augenblick vollständig.

Ratlos blickte sie sich um. Da sah sie an der Uferböschung, nicht weit von sich entfernt, einige vor kurzem gefüllte schlanke Birkenstämme aufgestapelt liegen.

Sofort wurde ihr klar, daß eines dieser Stämmchen Artur Rettung bringen konnte. Er war dem Ufer schon ziemlich nahe, sah aber schon sehr erschöpft aus.

Sie sprang auf die Stämme zu und ergriff mit beiden Händen den längsten und dünnsten davon.

Mit einem frohen Ausruf machte sie Artur aufmerksam und reichte ihm das eine Ende der schlanken Stange.

Mit der ganzen elastischen Kraft ihres jungen, gestählten Körpers hielt sie das andere Ende fest, als er danach griff. Das Stämmchen bog sich über den Rand des Ufers, aber Martha hielt fest.

Der Ermattete ließ sich vollends an das Ufer heranziehen und verschnaufte erst ein Weilchen. Es war die höchste Zeit gewesen, daß ihm Hilfe kam.

Nur mit Marthas tatkräftiger Unterstützung konnte er sich nach einer Weile an dem steilen Ufer emporziehen. Ohne das Birkenstämmchen wäre es unmöglich gewesen, ihn zu retten.

Endlich war das Rettungswerk gelungen. Froh aufatmend, mit leuchtenden Augen stand Martha dem völlig durchnäßten Junker gegenüber. Das Wasser floß an ihm herab und bildete da, wo er stand, eine Pfütze. Aus den Haaren rann es über sein Gesicht.

Mitleidig band Martha schnell ihre Schürze ab und wollte ihm das Gesicht damit abtrocknen.

Da schoß glühende Röte in Arturs Gesicht. Mit einer hastig abwehrenden Gebärde trat er von ihr zurück. Sein jungenhafter Hochmut empörte sich dagegen, daß er sich von einem Mädchen, noch dazu von dem verachteten Gänsemädchen aus dem Wasser hatte ziehen lassen müssen. Er schämte sich seiner Ohnmacht und war viel mehr aufgebracht, als dankbar über den Dienst, den sie ihm erwiesen hatte.

Daß gerade sie seine Lebensretterin geworden war, sie, die er vor Jahren, als sie nach Dohrma kam, so schlecht behandelt hatte, das demütigte ihn und machte ihn wütend.

Falsche Scham und der anerzogene Hochmut erstickten jedes weiche und dankbare Gefühl in ihm und machten ihn wild.

»Geh’ Du, komm mir nicht zu nahe mit Deiner schmutzigen Schürze!« schrie er sie an.

Martha wurde sehr bleich und biß die Zähne fest aufeinander. Der frohe Glanz erlosch in ihren Augen.

»Meine Schürze ist ganz sauber, Junker!« sagte sie leise.

»Mir ist sie zu schmutzig, und überhaupt, ich lasse mich von einem Gänsemädchen nicht berühren, verstanden?«

Mit diesen hastig hervorgestoßenen Worten stürmte er an ihr vorüber und rannte dem Schlosse zu, so daß die Gänseherde entsetzt auseinander stob.

Martha sah mit blassem Gesicht hinter ihm her. Ihre Augen füllten sich mit Tränen und zornig ballte sie die Hände.

»Warte nur, Du hochmütiger Junker, warte nur, wenn ich erst mit Gottfried im goldenen Schlosse bin, dann darfst Du mich auch nicht anrühren, dann stoße ich auch mit dem Fuße nach Dir — — wenn Du mich nicht um Verzeihung bittest!« sagte sie grollend vor sich hin.

Aber dann mußte sie mitten in ihrem Groll lachen über ihre eigene blühende Phantasie.

»Der, ach, der bittet nie einen Menschen um Verzeihung, der stolze Junker, und ich, nun, ich werde nie in einem goldenen Schlosse sitzen. Aber komisch hat es doch ausgesehen, wie er so pitschenaß hier stand, kein bisschen wie ein vornehmer Junker. Da, hier ist eine ganze Pfütze von ihm abgelaufen!«

Sie trat an die Pfütze heran und tauchte ihren Schürzenzipfel hinein. Den betrachtete sie dann triumphierend.

»So, nun ist doch Wasser von seinem Gesicht und aus seinem Haar an meiner Schürze Dagegen kann er sich nicht wehren, der stolze Junker, und aus dem Wasser hab' ich ihn doch gezogen!«

Und sie trat im Übermut mit beiden Füßen in die Pfütze hinein, daß sie hoch aufspritzte.

»Hm, und mein Kleid ist nun von demselben Wasser naß als das seine!« .

Sie jubelte laut auf, als sei es ein köstliches Naß, das ihre Kleider aufsaugten.

In demselben Augenblick fuhr ein Blitz durch die Wolken, und ein dumpfer Donnerschlag ertönte.

Erschreckt sah sie sich um. Nun wurde es höchste Zeit, daß sie mit ihrer Herde heimkam.

Sorgsam legte sie erst noch das Birkenstämmchen an Ort und Stelle, dann trieb sie ihre Gänse vor sich her und eilte heim.

»Einen tüchtigen Schnupfen wird er doch am Ende bekommen!« dachte sie trotz ihres Grolls besorgt.

Draußen auf dem See aber, da schwamm das Segelboot umgekehrt und steuerlos umher. Es wurde erst einige Tage später geborgen, als Artur von Dohrma schon abgereist war nach dem Kadettenhause.

Martha sah vom Ufer aus zu, in träumerisches Sinnen versunken. Und sie dachte dabei, daß sie Junker Artur nun wohl nicht mehr im Leben begegnen würde, denn wenn er nach Jahren wieder nach Hause kam, dann war sie wohl fort von Dohrma.

Sie hatte es sich vorgenommen, sobald sie erst vollends erwachsen war, wollte sie sich in der Stadt einen Dienst suchen. Gänsemädchen wollte sie jedenfalls nicht immer bleiben, und der Milchmann hatte ihr erzählt, daß die Dienstmädchen in der Stadt gut bezahlt würden. Da würde sie dann soviel Geld verdienen, daß sie für den Vater einen Arzt bezahlen konnte.

Wenn es nur erst soweit wäret Jahre mußten da wohl noch vergeben.

Das Gänsemädchen von Dohrma

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