Читать книгу Lady, Tagebuch eines Findelhundes - Heidi Christina Jaax - Страница 6
5. Ferienwoche in der Eifel
ОглавлениеSechs Wochen später fand „Rock am Ring“ statt, welches ein jährliches Highlight für meine jungen Leute bedeutete und so kam ich zum ersten Mal für fast eine Woche zur Mami. Bei ihr durfte ich zwar nicht im Bett schlafen wie bei meinem Herrchen, aber ich konnte mich im ganzen Haus frei bewegen und sie ging dreimal am Tag mit mir Gassi. Ihr Mann, der Papi hielt zunächst noch Abstand von mir, er fürchtete sich vor Hunden und war zu Beginn auch ein wenig eifersüchtig auf mich. Also umgarnte ich ihn ganz sanft und ließ ihm Zeit und irgendwann nach ein paar Tagen begab er sich mit seinem Gesicht in meine Höhe und zog die Brille aus. Da wusste ich es ist soweit und schleckte ihm nach Herzenslust das Gesicht ab. Man hatte mir in einer ruhigen Ecke ein gemütliches Deckenlager bereitet, netterweise inmitten des Wohnraums, denn ich brauchte sehr viel Nähe und Zuwendung. Ein so großes Haus fand ich schon toll aber das coolste war der Balkon, so etwas hatte ich vorher noch nie gesehen. Deshalb rannte ich anfangs auch immer gegen die Glastür, aber als ich begriffen hatte, dass es da nach draußen ging, nutzte ich jede Gelegenheit dort hinaus zu kommen. Die dahinter liegende Fliegentür zu öffnen lernte ich allerdings erst Jahre später. Ich aalte mich unheimlich gerne in der Sonne, schaute über das Geländer, wenn Nachbars Katze um das Haus schlich und verbrachte an schönen Tagen viel Zeit mit meiner neuen Familie draußen. Da ich noch immer sehr leicht war und zudem Probleme mit der Haut hatte, welche den starken Juckreiz hervorriefen, erhielt ich in jede Hauptmahlzeit einen Esslöffel Raps- oder Distelöl, so dass ich nach kurzer Zeit dank Omega 3 Fettsäuren ein wunderschönes glänzendes Fell bekam. Außerdem war ich hinter allem Essbaren her, was eigentlich nicht für einen Hund geeignet ist besonders süße Plätzchen liebte ich sehr, aber Zucker ist Gift für einen Hund. Das führte dazu, dass der Papi seine Kekse heimlich auf dem Balkon naschte. Meinem Bettelblick konnte er nicht standhalten, wenn ich dann noch den Kopf schief legte und mein Knicköhrchen zeigte, war er verloren. Die Mami hatte ich schon lange um den Finger gewickelt, sie machte richtig lange Wanderungen mit mir und lies mir zu Liebe so manche Arbeit liegen. Als Rock am Ring vorbei war, gingen die Vorbereitungen für den Umzug los, meine jungen Leute wollten nach Holland übersiedeln. Mein Frauchen begann dort ein Studium für Pferdemanagement und Herrchen hatte einen Job auf dem Hof eines berühmten Springreiters gefunden. Vorher musste ich aber einen Haustierpass haben, das hieß im Klartext impfen und einen Chip benötigte ich auch. Die Injektionen steckte ich locker weg, aber der Chip hat mir echt weh getan, da habe ich gefiept. Da das alles viel Geld kostete, übernahm Mami die Patenschaft für mich, sie kaufte auch das Futter für mich ein. Schließlich war alles erledigt und wir fuhren zum Reiterhof nach Holland, auf dem wir auch wohnen sollten. Um es mit kurzen Worten zu sagen, es war das Paradies für einen Hütehund, ich durfte mich den ganzen Tag auf dem Hof frei bewegen. Auch beim Treiben der Pferde konnte ich mithelfen und da bellte ich zum ersten Mal seit einem halben Jahr, alle hatten mich für stumm gehalten. Auf dem Hof gab es schon drei Hunde, lauter Jungs und ich war der umworbene Mittelpunkt. Außerdem musste ich nicht mit den anderen im Stall schlafen, sondern ging mit Herrchen und Frauchen abends nach Hause in die Wohnung. - Mein Freund Klumpen, er hieß natürlich anders, denn er war schließlich ein reinrassiger Bullterrier. Er machte tolle Geräusche beim Fressen und als ich schließlich schwanger war, kam nur er in Frage. Am Ende meiner Schwangerschaft zu Silvester besuchten wir die Mami in der Eifel. Es fand eine Krisensitzung statt, wohin mit den Welpen? Als schließlich eine befriedigende Lösung gefunden worden war, ließ man bei mir zur Sicherheit einen Ultraschall machen. Dieser kostete fünfzig Euro und brachte eine Scheinschwangerschaft zu Tage. Da war ich sehr traurig, denn einen Welpen hätte ich behalten dürfen, einen zweiten hätte die Mami aufgenommen. Es war mir einfach nicht vergönnt meine Babys auch mal aufwachsen zu sehen. Weitere Schwangerschaften meinerseits waren nicht wünschenswert, da ich mich nach Schätzung des Tierarztes bereits im zehnten Lebensjahr befand. Ebenso sinnlos wäre es gewesen mich noch zu sterilisieren, also hieß es zweimal jährlich gut aufpassen! Das war jedoch nicht so einfach, wie sich später mehrfach heraus stellte. - Mein Freund Castor, er war als Dobermann der perfekte Wachhund, er sah auch noch sehr gefährlich aus, hatte aber fast keine Zähne mehr und konnte nicht mehr gut laufen weil er an Krebs erkrankt war. Aber wütend bellen machte ihm so schnell niemand nach, von ihm übernahm ich auch die Marotte jedem Auto und Motorrad hinterher zu kläffen. Das wurde mir so zur Gewohnheit, dass man später selbst in der Hundeschule das Handtuch warf. Ich verstand schon was sie von mir wollten, aber ich mochte einfach nicht folgen. -Mein Freund Scoobie, ein Jack Russel Terrier, der fast verhungert wäre aus lauter Liebe zu mir, als ich läufig war. Die schöne Zeit in Holland endete für mich abrupt, denn der Reiterhof wurde verkauft, weil ein neuer, moderner geplant war. Dann gab es Terminprobleme, so dass der Neubau nicht fristgerecht in Angriff genommen wurde. Vorübergehend zog die ganze Crew mit allen Pferden auf einen anderen Hof, welcher ebenfalls Turnierpferde beherbergte. Diese waren sehr wertvoll, einige hatten den Wert eines Einfamilienhauses und mussten gut geschützt werden. Deshalb wachten dort scharfe Wachhunde, welche uns Artgenossen nicht geduldet hätten. Für meine drei Freunde bedeutete das Gefangenschaft für den Rest ihres Lebens. Ich traf es besser, wurde zwar von meinem Herrchen getrennt, durfte aber zur Mami in die Eifel ziehen, wo mich ein freieres Leben erwartete.