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Frag nicht, wohin ich gehe, frag nicht wohin!

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„Was, habt ihr schon wieder eine Lesung in der Altentagesstätte? So verrückt möchte ich auch mal sein!“

Emilie kannte ihren Mann. Sobald etwas mit Sozialem zu tun hatte, passte er.

Adam verstand ganz und gar nicht, wieso seine Frau diese alten Leute und vor allem kostenlos, unterhalten wollte.

Mit Riesenschritten steuerten die beiden auf ihren vierzigsten Hochzeitstag zu.

Adam war pensioniert. Emilie hatte in den vielen Jahren davor nichts anderes getan, als ihrer Familie ausnahmslos die Wünsche von den Lippen abzulesen.

Jetzt wollte sie endlich etwas für sich tun und nahm ihr Hobby wieder dankbar auf. Sie schrieb früher schon gern und gut, wie man ihr bestätigte. Als sie in der Altenakademie das Angebot bekam, hier und dort bei einer Lesung ihre Geschichten vorzutragen, hatte sie erfreut zugesagt.

Es gab Ernstes und Lustiges, was in der AAK geschrieben wurde. Nach einer Themenvorgabe der Dozentin wurden Kurzgeschichten abgefasst. Jeder schrieb nach seinem Gusto. Es war erstaunlich wie vielschichtig ein Thema verarbeitet wurde. Es war immer recht interessant.

„Viele Köpfe, viele Sinne“, hatte Annegrets Schwiegermutter zu ihren Lebzeiten gemeint. Wie recht sie hatte. Jeder hatte einen anderen Blickwinkel, was reizvoll war und sich in den Geschichten niederschlug.

Jetzt war sie jedenfalls freigesetzt. Die Kinder waren längst aus dem Haus und Adam war endlich selbstständig geworden, nachdem er nicht mehr angestellt war.

Dennoch, er hätte sie gern unter seiner Fuchtel gehabt.

„Musst du denn dauernd auf allen möglichen Hochzeiten tanzen?“, fragte er spöttisch.

„Ich will dir mal was sagen“, trotzte sie. „Ich habe die Stellung hier gehalten, als die Kinder klein waren, jeden Sonntag z. B. und was hast du gehalten in der Zeit? Die Bälle deiner Gegner im Handballverein!“

„Das ist mindestens dreißig Jahre her“, schnaubte Adam, dem es zu viel wurde.

„Vergiss es doch endlich einmal.“

„Ich soll das vergessen? Dazu funktioniert mein Langzeitgedächtnis zu gut. Nur der Alzheimer könnte mich vergessen lassen. Wenn ich Willi Schneiders Lied höre:

Ich möchte noch mal zwanzig sein, fließt mir der Kaffee wieder aus dem Mund. Als ich zwanzig war, habe ich nur Windeln gewaschen und mich von dir und deinen Kindern vereinnahmen lassen!“ „Von unseren Kindern“, korrigierte Adam.

„Es gibt nichts Schöneres für mich, als über meine Zeit frei verfügen zu können. Nun lass mir mal diese Freude, Adam.“

Adam wirkte bekümmert. Tat ihr fast leid.

„Musst du denn wirklich schon wieder gehen?“, fragte er.

„Solange ich noch nicht im Rollstuhl sitze, habe ich das vor“, gab sie schnippisch zur Antwort.

„Nur nicht weich werden und lass dich nicht wieder einzwängen“, machte sie sich Mut. Adam besah sie von oben bis unten, mit einem Gesichtsausdruck, der sie schon seit längerem in Harnisch brachte.

Manchmal sprach er es auch aus. „Du bist so fett geworden, dass man dich in Kürze rollen kann.“ Das hätte er nicht sagen sollen. Annegret bekam Oberwasser. Ihr schlechtes Gewissen war wie weggeblasen.

„Wo lesen Gnädige denn dieses Mal?“, fragte Adam spöttisch.

Annegret hatte eine tiefe Stimme. Sie beugte sich vor, trat ganz nah an ihn heran und sang:

„Frag nicht, wohin ich gehe, frag nicht wohin!“

Sie ergriff ihren Schirm, warf dem Gekränkten eine Kusshand zu und verschwand.

Karo ? nein danke

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