Читать книгу Plötzlich ist alles anders - Heidi Oehlmann - Страница 7
5. Kapitel
ОглавлениеIn den nächsten vierzehn Tagen nahm ich brav meine Medikamente ein, machte die Übungen und ging zwei Mal in der Woche in die Praxis. Leider bemerkte ich nicht die kleinste Besserung. Weder das Augenflimmern noch die Rückenschmerzen besserten sich. Ich dachte erneut darüber nach, die Behandlung abzubrechen und zu einem Schulmediziner zu gehen. Für mich wurden die Heilbehandlungen immer mehr zur Zeitverschwendung. Sie begannen, mich zu belasten, körperlich und geistig. Die Dorntherapie brachte mich an meine physischen Grenzen. Für einen gesunden Menschen mögen sie ein Kinderspiel sein. Wenn der Körper stark angeschlagen ist, kann so eine Stunde Sport zur Tortur werden. Ich weiß nicht, wie ich es an manchen Tagen überhaupt geschafft hatte, die Behandlungen hinter mich zu bringen. Wenn es mir so richtig mies ging, fiel es mir schon schwer, morgens aufzustehen, geschweige denn das Haus zu verlassen und zu turnen.
Eines Tages kam mir plötzlich etwas in den Sinn, was ich die ganze Zeit nicht bedacht hatte: Wird die Krankenkasse diese Behandlung übernehmen?
Als ich mich damals privat versicherte, wählte ich den preiswertesten Tarif. Ich ging davon aus, in jungen Jahren nicht krank zu werden, und wollte auf diese Weise Geld sparen.
Schnell suchte ich den Versicherungsordner aus dem Schrank und wälzte die Unterlagen. Endlich hatte ich die Seite mit den Krankenversicherungsleistungen gefunden. Und als ob ich es ahnte, Heilpraktikerleistungen waren in meinem Tarif nicht enthalten. Sofort fing ich an, mir Sorgen zu machen und stellte mir immer wieder die gleichen Fragen: Wie viel könnte so eine Behandlung kosten? Werde ich das bezahlen können?
Bevor ich mich von der Heilpraktikerin behandeln ließ, verschwendete ich nicht einen Gedanken an die Rechnung. Mir ging es nur darum, schnell wieder gesund zu werden. Nun bekam ich die Quittung für mein unüberlegtes Verhalten.
Ich rief Max an und berichtete ihm von meiner Entdeckung.
»Ich muss diese Behandlung sofort abbrechen. Das wird sonst immer teurer. Und gebracht hat es mir auch nichts«, sagte ich bestimmend.
Max zögerte. Dann antwortete er: »Mach dir keine Gedanken wegen der Rechnung. Das ist das geringste Problem.«
»Wieso? Was meinst du, was es kosten wird?«
»So teuer wird das nicht. Viel wichtiger ist doch, dir geht es bald besser.«
»Ja. Wenn ich weiterhin in die Heilpraxis gehe, wird es ewig dauern. Wenn es überhaupt etwas bringt.«
»Okay, vielleicht war das mit der Heilpraktikerin eine blöde Idee. Aber Frau Hof hat auf mich einen netten und kompetenten Eindruck gemacht. Ich dachte, sie könnte dir helfen. Da habe ich mich wohl geirrt.«
»Sie mag nett sein, aber ich zweifle langsam an einem Behandlungserfolg. Schon wegen meines Rückens hätte ich stutzig werden müssen. Mach dir aber keine Gedanken! Einen Versuch war es wert.«
»Gut, aber dann geh wenigstens zu einem Arzt!«
»Ja, das mache ich«, stimmte ich zu, um Max zu beruhigen. Ich hörte in seiner Stimme, dass er sich Vorwürfe machte, mich zu der Heilpraktikerin geschleppt zu haben. Natürlich nahm ich es ihm nicht übel. Mir war klar, er hatte es nur gut gemeint und gedacht, es wäre eine Kleinigkeit, die ohne Chemie behandelt werden könnte. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt keine Ahnung, wie es wirklich um meine Gesundheit stand. Wenn ich ehrlich bin, wollte ich es auch nicht wissen. Für mich war bloß wichtig, die Beschwerden loszuwerden.
Jetzt konnte mir nur noch ein Arzt helfen. Aber das war leichter gesagt als getan. Denn ich war seit mindestens fünf Jahren in keiner Arztpraxis mehr gewesen. Ich hatte nicht mal einen Hausarzt, zu dem ich hätte gehen können. Nun musste ich mir überlegen, wo ich hingehen sollte. Da mir auf Anhieb kein Mediziner einfiel, schob ich diese Entscheidung auf und sagte den nächsten Termin bei der Heilpraktikerin telefonisch ab.
In den darauf folgenden Tagen versuchte ich, meine körperlichen Beschwerden zu verdrängen. Es gelang mir halbwegs gut. Dafür verließ ich kaum das Haus, aus Angst, diese verdammte Schwärze könnte mich erneut aufsuchen. Zu Hause fühlte ich mich sicher. Wenn ich einen Anflug von Unwohlsein spürte, setzte oder legte ich mich hin, bis es vorbei ging. Unterwegs war es dagegen nicht so einfach. Meist fand ich keine Sitzgelegenheit, wenn mir schlecht wurde. Sobald der Wechsel zwischen heiß und kalt auftrat, hatte ich das Bedürfnis mich hinzusetzen. Durch die gefühlten Temperaturschwankungen kündigte sich die Schwärze an. Wenn ich die Dunkelheit vor Augen sah, bestand die Gefahr umzukippen. Bisher passierte es zwar nie, aber ich hatte jedes Mal das Gefühl, es könnte geschehen. Ich malte mir die schlimmsten Situationen aus - wie ich mit dem Kopf auf einen Stein knallte - und wurde immer ängstlicher, alleine raus zu gehen. Wenn ich das Haus verließ, um frische Luft zu schnappen, ging ich nur in den Garten. Dort fühlte ich mich sicher. Denn ich wusste, sobald es mir schlechter ging, konnte ich jederzeit ins Haus zurückkehren.