Читать книгу Rosen und Tränen - Heike Schultze - Страница 3

1.Kapitel

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Die Zeiger auf der Armbanduhr bewegten sich unaufhaltsam weiter, Sekunde für Sekunde und Minute um Minute verstrich!

Pia schaute in immer kürzer werden Abständen darauf und schüttelte seufzend den Kopf. Dann sah sie wieder verzweifelt die Treppenstufen vor ihr hinauf. Schließlich rief sie verärgert: „Sandi, nun mach schon! Wir kommen schon wieder zu spät!“

Das richtete sich an ihre Freundin Sandi, die einen Treppenabsatz weiter oben vor einem großen Flurspiegel stand und sich seit einer Dreiviertelstunde die dunkelbraunen Locken bürstete und immer wieder anders stylte.

Richtig hieß sie Sandrine Haleb! Ein Ergebnis ihrer deutsch-französischen Mutter und ihres amerikanisch-arabischen Vaters. Sie war 14 Jahre alt, hübsch, etwas orientalisch aussehend mit ihren rehbraunen Mandelaugen und gerade dabei ihre äußerlichen Vorteile zu bemerken.

Ihre beste Freundin Pia Mehring war erst 13 Jahre alt, aber konnte schon einige Erfahrungen mit der Spezies „Mann“ verbuchen.

Gut, Sandi hatte mit 10 Jahren schon mal Herzklopfen wegen eines Jungen in ihrer Klasse gehabt und wurde jedes Mal furchtbar rot, wenn er nur in ihre Richtung sah. Das Ganze dauerte genau so lange, bis ihre damals beste Freundin, der sie als Einziger ihr kleines Geheimnis anvertraut hatte, auf einer Geburtstagsparty vor versammelter Mannschaft damit herausrückte. Was war ihr das damals peinlich gewesen!

Dann nach zwei Jahren hatte es mal richtig gefunkt! Auch wieder mit einem Jungen aus ihrer Klasse. Man hatte ihn neben sie gesetzt ohne sie zu fragen und zuerst konnte sie ihn überhaupt nicht leiden. Aber mit der Zeit fand sie ihn richtig nett und er sah auch richtig gut aus. Allerdings gab es zwischen ihnen nur einen er mogelten Kuss auf den Backen und nach den Sommerferien kam er in eine andere Klasse und die Romanze war vorbei, bevor sie richtig begonnen hatte.

Doch nun war sie 14 und sie fühlte, dass sie nun soweit war die erste große Liebe zu erleben. Sie konnte es kaum noch erwarten! Allerdings war noch kein passender Kandidat in Sicht. Doch Pia hatte ihr versprochen, ihr etwas unter die Arme zu greifen.

Was das für sie und ihr weiteres Leben bedeuten würde, sollte sie bald merken!

Sandi stand noch immer vor dem Spiegel und betrachtete lächelnd ihr Spiegelbild. Sie reagierte überhaupt nicht auf die drängelnden Rufe ihrer Freundin. Doch nun drehte sie sich um und rief zurück: „Bin doch schon fertig, Pia! Das du immer meckern musst. Wir werden es schon noch schaffen! Ist ja eh nicht viel los!“

Die Kleinstadt, in der die beiden Mädchen lebten zeichnete sich, wie fast jede Kleinstadt dieser Größe, darin aus, dass es für jedes Hobby einen Verein gab; mit allem was dazugehörte. Jeder zweite Kleinstadtbewohner war in solch einem Verein. Was sollte man auch sonst tun?

Die Eltern der Mädchen waren im Kaninchenverein und so war es klar, dass Sandrine und Pia zu der Jugendgruppe dieses Vereins gehörten. An diesem Tag wollten sie wie an jedem Freitag zum Treffen ins Vereinshaus. Allerdings gab es nicht sehr viele Mitglieder und ein besonderes Programm hatte sich der Jugendleiter Herr Born auch nicht einfallen lassen. Deshalb war es auch nicht so schlimm, dass sie an diesem Tag mit Verspätung das Gebäude des Roten Kreuzes, wo der Verein einen Raum gemietet hatte, erreichten.

Als die beiden Mädchen den Raum betraten, stellten sie fest, dass an diesem Tag nur 4 Mitglieder anwesend waren. Herr Born saß am Ende, des langen Tisches, der mitten im Raum stand und las in einer Tageszeitung. Also würde es heute auch kein offizielles Programm geben!

Seine beiden Töchter Wiebke und Wendy kamen sofort auf Pia und Sandi zu. Die Beiden waren 10 und 11 Jahre alt.

„Ihr Beide kommt aber spät heute! Sandi wurde wohl wieder mal nicht rechtzeitig fertig!“ Alle kicherten, während Sandi das Gesicht verzog.

Außer den Mädchen war noch ein elfjähriger Junge namens Kevin Wagner anwesend, der sehr gut mit Wendy Born befreundet war. Die Beiden hatten eine romantische kleine Liebelei, aber noch nichts Ernstes. Er kam nun gerade zu der Mädchengruppe herüber.

„Was habt ihr denn schon wieder zu kichern? Ist es was Interessantes? Erzähl mal, Schatz, ich will mitlachen!“

Er legte den Arm um Wendys Taille, doch diese wehrte ihn wütend ab. Sie nannte ihn zwar gerne „ihren Freund“, aber sie mochte es gar nicht, wenn er sie ohne ihre Erlaubnis anfasste. „Lass das, Kevin! Männer sind hier nicht erwünscht! Also, zieh Leine!“ fauchte Biggi Kevin wütend an.

Er hob abwehrend die Hände und trollte sich zu dem anderen Jungen, der heute noch anwesend war.

Er hieß Daniel Schwarz und war erst seit kurzem Mitglied im Verein. Er kam aus ärmeren Verhältnissen als die anderen und war auch als einziger nicht durch seine Eltern dabei. Er liebte einfach Tiere und hatte zu Hause einige Kaninchen. Wegen seiner Herkunft hatte er Schwierigkeiten von den anderen akzeptiert zu werden.

Allerdings zeigte er von Anfang an ein reges Interesse an Sandrine. Er verfolgte sie, wenn er sie auf der Straße traf und versuchte immer ein Gespräch mit ihr anzufangen. Sandi fand ihn höchstens lästig. Sie konnte sich nicht denken, warum er das tat und was er von ihr wollte. Immer wieder warf er ihr schmachtende Blicke zu, die jeder außer Sandi bemerkte.

Besonders Pia bemerkte das mit zunehmendem Interesse. Sie wechselte ihre Freunde beinahe jede Woche und verfügte daher schon über einen ausreichenden Erfahrungsschatz, was die männliche „Baggertechnik“ anging.

Auch heute wanderte Daniels Blick ständig zu Sandi herüber, während er sich mit Kevin unterhielt. Und Pia bemerkte das sehr genau. Sie sah ihre Freundin an. Nein, sie hatte wieder mal nichts bemerkt. Sie unterhielt sich weiter angeregt mit Wiebke. Pia beschloss deshalb die Sache selbst in die Hand zu nehmen. Sie war längst der Meinung, dass es für Sandi Zeit wurde einen ersten richtigen Freund zu haben. Sie zog nun ihre Freundin am Ärmel ein Stück zur Seite, um ihre Aufmerksamkeit zu erlangen.

„Sandi, ich glaube, du hast eine Eroberung gemacht. Schau mal unauffällig rüber zu Daniel!“

Sandrine wandte ihren Kopf in seine Richtung und sah gerade noch, wie Daniel blitzschnell seinen Kopf wegdrehte. Sie sah nun wieder ihre Freundin an und zuckte die Schultern. „Na und? Ist mir doch egal! Daniel interessiert mich nicht!“

Pia verdrehte die Augen und blickte seufzend hinauf zur Decke. „Meine Güte! Wann willst du endlich mal erwachsen werden? Ergreif doch die Gelegenheit, wenn sich dir schon eine bietet. Daniel ist doch richtig süß. Na ja, jedenfalls für dich! Also, zum Üben reicht der allemal! Wie willst du denn sonst Erfahrungen sammeln? Was meinst du wie ich es mache!“

Pia warf ihrer Freundin aufmunternde Blicke zu und Sandi sah nun wieder zu Daniel hinüber. Jetzt betrachtete sie ihn genauer und was sie da sah, weckte tatsächlich ihr Interesse. Daniel war zwar etwas kleiner als Sandi, etwa einen Kopf, und mit Sicherheit war er auch jünger, doch bei seinem Aussehen war das wirklich nebensächlich! Daniel hatte tiefschwarze Haare und die wunderschönsten azurblauen Augen, die Sandi je gesehen hatte und je sehen würde. In diesen Augen konnte man sich verlieren! Und genau in diese Augen verliebte sie sich zu aller erst. In diesem Augenblick lief ihr ein kalter Schauer den Rücken hinunter und sie spürte zum ersten Mal ein flaues Gefühl im Magen, das ihr bald sehr vertraut sein würde.

Da sah Daniel wieder zu ihr herüber und für Sekunden trafen sich ihre Blicke. Sandi konnte auf einmal kaum noch atmen und das flaue Gefühl verstärkte sich. Sie spürte wie ihr die Hitze in den Kopf stieg und blitzschnell drehte sie sich wieder zu ihrer Freundin um.

Pia hatte sie die ganze Zeit beobachtet und gespannt ihre Reaktionen verfolgt. „ Na und? Was hältst du von ihm?“

„Du hast Recht! Er ist wirklich total süß! Aber was soll ich denn jetzt nur machen? Soll ich warten, bis er mich anspricht, oder was?“

„Wenn ich Daniel richtig einschätze, dann kannst du darauf lange warten. Ich meine, du hast mir ja erzählt, dass er dir schon die ganze Zeit nachgelaufen ist. Wenn er vorgehabt hätte dich zu fragen, dann hätte er es bestimmt längst getan. Aber du warst ja auch nicht gerade aufmunternd zu ihm. Er traut sich sicher nicht mehr. Nein, wir leben schließlich im Zeitalter der Emanzipation, wo eine Frau einen Mann auch mal zuerst ansprechen kann. Warum soll das für uns nicht auch gelten! Du gehst einfach zu ihm hin und redest mit ihm. Wenn du willst, dann rede einfach über das Wetter, oder so!“

Sandi sah Pia entsetzt an. „ Das kann ich doch nicht! Ich würde kein Wort rausbringen. Nein, das kommt auf keinen Fall in Frage!“

Pia seufzte.

„Soll etwa ich ihn fragen, ob er mit dir gehen will?“

Sandis Augen fingen nun an zu leuchten und sie strahlte ihre Freundin an.

„Das ist eine Superidee! Du hast doch so viele Erfahrungen beim anmachen und auch als Kupplerin! Genau, du machst das!“

Pia seufzte abermals. Sie hatte sich schon irgendwie gedacht, dass es so ablaufen würde. Und sie hatte es auch ein bisschen gehofft! Denn wenn sie schon den Stein ins Rollen brachte, wollte sie auch dabei sein, wenn er traf.

Sandi war einfach begeistert von „ihrer“ Idee und so begab sich Pia sofort auf den Weg hinüber zu Daniel. Doch da hielt sie ihre Freundin noch mal zurück.

„Bist du verrückt? Du kannst in unmöglich hier vor den anderen Fragen! Soll denn jeder gleich Wind davon bekommen? Das muss nun aber wirklich nicht sein!“

„Okay, was hältst du davon, wenn ich mit Daniel einfach auf die Toilette gehe und ihn da frage?“

„Ja, die Idee ist gut! Ich wusste ja, dass du einfach gut in solchen Sachen bist!“

Pia ging also hinüber zu Daniel, der sich angeregt mit Kevin unterhielt. Er war zunächst total verblüfft, dass er gerade von Pia angesprochen wurde. Und noch mehr, als sie ihn einfach am Ärmel packte und mit sich auf die kleine Gemeinschaftstoilette nahm, die an den Raum angrenzte.

Sandy wartete nervös und ungeduldig auf die Rückkehr der Beiden.

Kurze Zeit später kamen sie auch schon wieder heraus. Daniel sah sehr zufrieden aus und grinste zu Sandi hinüber. Pia sah ebenfalls sehr zufrieden aus. Sie ließ Daniel einfach an der Tür stehen und kam zurück zu ihrer Freundin. Diese überfiel sie gleich mit Fragen. „ Und? Wie hat er reagiert? Was hat er dazu gesagt?“

„Was meinst du wohl! Er hat natürlich ja gesagt! Hast du etwas anderes erwartet?“

Sandrine spürte, wie ihr Herz wie wild zu schlagen begann und das flaue Gefühl war wieder da. Stärker nun als vorher. Ihr wurde es innerlich richtig warm und es war als würde sie auf Wolken schweben.

So war das also! Die erste große Liebe! Sie hatte einen Freund!

Doch da fiel ihr noch etwas rein! „Wie alt ist Daniel eigentlich? Hast du eine Ahnung?“

Pia zuckte nur mit den Schultern. „Woher soll ich denn das wissen? Aber das ist doch kein Problem! Das lässt sich doch leicht herausbekommen! Warte einen Augenblick!“

Sie ging wieder hinüber zu Daniel, der die beiden Mädchen nicht mehr aus den Augen gelassen hatte. Sie zog ihn abermals am Arm hinter sich her, zur Toilette hinein.

Wieder wartete Sandrine gespannt. Sie wurde immer nervöser. Die anderen warfen ihr schon seltsame Blicke zu. Natürlich bemerkten sie, dass hier etwas im Gange war.

Da kam auch schon Pia zurück und kam auf Sandi zu. Die war nun sehr aufgeregt.

„Und?“

„Er ist zwölf! Im Dezember wird er dreizehn!“

Sandi riss erschreckt den Mund auf und starrte ihre Freundin an. „Was? Dann ist er ja jünger als ich! Eineinhalb Jahre jünger!“ Sandi war entsetzt.

„Nimm’s nicht so tragisch! Vielleicht steht er auf ältere Frauen!“ Pia grinste. „Außerdem brauchst du ihn ja noch lange nicht zu heiraten. Bei einem Probestück ist das Alter doch egal!“

Sandi sah sie an. „Na, also, du hast ja eine nette Einstellung!“

Pia zuckte nur mit den Schultern. Sie war mit sich selbst sehr zufrieden. Sie hatte ihre Freundin endlich einmal verkuppelt und dachte nicht, dass die Sache lange gut ging. Dafür würde sie dann auch schon sorgen! Sandi sollte doch nun mal mit Daniel den Ernstfall „üben“ Sie hatte nun ihre Arbeit getan und musste nur noch dafür sorgen, dass das neu verkuppelte Liebespaar auch mal persönlich miteinander redete.

Wenig später standen sich die Beiden auch das erste Mal gegenüber. Sie blickten sich scheu an und keiner traute sich etwas zu sagen. Was sollte man sich auch sagen, wenn man sich noch überhaupt nicht kannte?

Auch diesmal griff Pia wieder ein und riss die Beiden aus ihrer stummen Andacht. „Also, das ist ja hier die reinste Totenparty! Auf dem Friedhof ist es da lustiger! Hey, ihr zwei, taut doch mal auf!“

Damit hatte sie dann auch wirklich das Eis gebrochen und die Beiden begannen eine Unterhaltung.

An diesem Abend begleitete Daniel die Mädchen noch zu Sandrine nach Hause. Eigentlich wohnte er ja in der anderen Richtung, aber er machte gerne diesen kleinen Umweg! An der Haustür wollten sich Daniel und Sandi eigentlich verabschieden, aber wieder war es Pia, welche die Initiative ergriff. „Lass ihn doch noch mit hereinkommen, Sandi. Es ist doch noch früh am Abend. Ich muss auch noch nicht nach Hause. Ihr wollt euch doch auch noch nicht trennen, oder?“

Sandi zuckte mit den Schultern. „Ja, wenn du meinst! Was meinst du denn dazu, Danny?“

Daniel sah sie mit strahlenden Augen an und nickte glücklich. Natürlich wollte auch er den Abend noch verlängern.

Und auch Sandrine war ihrer Freundin für diese Idee eigentlich sehr dankbar, denn sie mochte Danny, wie sie ihn nun nannte, inzwischen sehr gerne. Doch sie hätte sich nie getraut, ihn zu fragen, ob er noch ein bisschen bei ihr bleiben wollte.

Sie traten also durch die Hintertür in den dunklen Hinterhof, der früher einmal eine Hufschmiede gewesen war. Ihr verstorbener Großvater war Hufschmied gewesen. Heute allerdings benutzte Sandrines Vater die Schmiede als Werkraum für seine Heimarbeiten.

Am anderen Ende befand sich dann die Tür zum eigentlichen Wohnhaus. Von hier aus gelangten sie dann in den Flur der unteren Wohnung. Hier wohnte Sandrines Großmutter. Über die lange Treppe, an der Sandrine und Pia vor ein paar Stunden ihre heftige Diskussion hatten, gelangte man in den oberen Teil des Hauses, in dem Sandrine mit ihren Eltern wohnte.

Daniel folgte den Mädchen durch das Haus bis in Sandis Zimmer. Für ihn war diese Situation auch ziemlich neu und aufregend. Er wusste auch nicht, wie er sich nun verhalten sollte.

Sandi wusste es im Übrigen auch nicht! Sie stand in ihrem Zimmer herum und wusste nicht, wohin sie sich setzen sollte. Pia spürte die Anspannung ihrer Freundin und nahm ihr die Entscheidung ab. Sie setzte sich einfach auf Sandis Schreibtisch und stellte die Füße auf den Schreibtischstuhl. So blieb für die Beiden nur noch das Bett zum Sitzen übrig! Sehr zaghaft setzten sich die Beiden dann auch in einigem Abstand voneinander darauf.

Der ganze Raum war dunkel. Das einzige Licht kam von der Schreibtischleuchte, die von Pia auch noch halb verdeckt wurde. Eigentlich eine sehr romantische Situation. Wenn Pia nicht dabei gewesen wäre, die die Beiden gespannt beobachtete.

Sandrine und Daniel starrten Löcher in den Fußboden. Pia schüttelte seufzend den Kopf. Wenn hier heute noch etwas laufen sollte, musste sie wohl wieder eingreifen! „Na los, Danny! Trau dich ruhig mal und gib Sandi endlich mal einen Kuss. Das gehört nun mal dazu!“

Daniel blickte auf und sein Blick traf sich mit dem von Sandi. Er sah ihr tief in die Augen und Sandi wurde es kalt und heiß zugleich. Sie spürte, dass sie rot wurde. Doch in der Dunkelheit konnte das glücklicherweise niemand sehen.

Daniel fühlte sich nun angespornt etwas zu tun und schnellte plötzlich mit gespitzten Lippen ohne Vorwarnung nach vorne auf Sandi zu. Damit hatte diese natürlich überhaupt nicht gerechnet und erschrak durch die plötzliche Bewegung. Sie zuckte zurück!

Deshalb landete ihr erster gemeinsamer Kuss auch auf Sandis Kinn! Pia fiel vor lauter Lachen beinahe vom Schreibtisch.

In diesem Moment kam auch Sandis Mutter herein. Als sie Daniel da sitzen sah, verdüsterte sich ihre Miene sofort. „Pia, deine Eltern haben gerade angerufen. Du sollst jetzt nach Hause kommen.“.“

Dann sah sie Daniel scharf an. „Du gehst jetzt besser auch nach Hause!“

Damit war der Abend natürlich beendet!


Das ganze Wochenende träumte Sandrine von Daniel und konnte es gar nicht erwarten, ihn wiederzusehen. Sie hätte nie gedacht, dass sie für einen Jungen jemals solche Gefühle empfinden könnte. Für sie war das die wirklich wahre Liebe!

Nur waren ihre Eltern nicht davon überzeugt. Sandrine erzählte ihnen am Dienstag der folgenden Woche von ihrem ersten Freund. Das führte zu dem ersten großen Krach! Es sollten noch einige folgen!

„Was!“ Sandrines Vater war außer sich. Seine Tochter rutschte unter seinem Blick immer tiefer in ihren Sessel hinein. Sie wusste genau, was dieser Ton bei ihm bedeutete.

„Ja, ich habe einen Freund! Was ist daran so schlimm? Ich bin doch schon vierzehn! Pia ist erst dreizehn und hatte schon mehrere Freunde. Da kann ich doch ruhig auch mal einen haben!“ Sandrine war kleinlaut geworden. Sie war bisher immer die brave Tochter gewesen, hatte es nie gewagt, ihren Eltern in irgendeiner Form entgegenzutreten. Immer, wenn es Strafen hageln sollte, hatte sie gleich nachgegeben. Wahrscheinlich lag es daran, dass sie ein Einzelkind war. Jede kleinste Freiheit musste sie sich mühsam erkämpfen!

„Aber muss es dann ausgerechnet dieser Daniel Schwarz sein? Der ist doch nun wirklich kein Umgang für dich!“ Sandis Mutter versuchte noch die Sache im Guten zu regeln. Ihre Tochter war bisher ja auch in allen Dingen so vernünftig gewesen. Sie war sich sicher, dass sie auch diesmal einsehen würde, wie schädlich dieser Junge für sie sein konnte. Das sollte aber der einzige Versuch ihrerseits bleiben, an die Vernunft ihrer Tochter zu appellieren. In der Zukunft würde sie mit anderen Mitteln und Wegen einen wahren Rachefeldzug gegen diesen Daniel Schwarz führen!

„Du bist noch viel zu jung für einen Freund! Was Pia macht, ist Sache ihrer Eltern und interessiert mich nicht da besser wirst. Ich erwarte von dir, dass diese Sache sofort aufhört und du diesen Jungen nie wiedersiehst, verstanden?“ Für Sandis Vater war die Sache damit erledigt. Er redete nie lange an etwas herum, sondern forderte einfach. Sein Wort war Gesetz im Hause Haleb!

Sandi dachte aber überhaupt nicht daran, diesmal auf ihre Eltern zu hören. Sie hatte neue Gefühle an sich entdeckt und die gefielen ihr. Sie wollte sie weiter erkunden und ausdehnen. Für sie hatte ein neuer Abschnitt in ihrem Leben begonnen und den wollte sie sich von niemand vermiesen lassen. Von nun an würde sie für ihre Rechte kämpfen!


Noch am selben Tag stand Sandi dann auch bei Daniel vor der Tür! Wo er wohnte, wusste sie natürlich längst. Immerhin war ihre Mutter die Schriftführerin des Vereins und bewahret alle Mitgliederlisten mit sämtlichen Adressen auf. Ein kurzer Blick genügte und Sandi wusste Bescheid!

Daniel wohnte in einer Reihenhaussiedlung, die einer großen städtischen Mietpartei gehörte. Die Häuser waren allerdings schrecklich heruntergekommen und dringend renovierungsbedürftig. Hier konnten nur noch die Ärmsten der Armen wohnen. Oder mussten! Der Putz blätterte überall von der Fassade ab und alles sah einfach dreckig aus.

Einen Moment zögerte Sandrine noch und dann drückte sie doch mutig auf den schmierigen Klingelknopf. Ein krächzendes Summen ertönte im unteren Teil des Hauses. Nervös wartete sie, was nun geschehen würde. Aber sie brauchte nicht lange zu warten, denn kurze Zeit später wurde die Haustür geöffnet und Daniel erschien. Er lächelte strahlend, als er sie sah! „Hallo! Da bist du ja! Ich war mir nicht sicher, ob du auch kommen würdest!“

Überrascht sah Sandi ihn an. „Du hast mich erwartet? Woher konntest du denn wissen, dass ich kommen würde!“

„Ich sagte doch gerade, dass ich mir nicht sicher war! Aber ich habe Pia heute in der Schule meine Adresse gegeben und sie sollte dir sagen, dass du heute Nachmittag zu mir kommen solltest. Das hat sie dir doch ausgerichtet, oder nicht?“

Sandi schüttelte den Kopf! „Nein, das hat sie nicht getan! Das ist ja komisch! Ich habe deine Adresse selber herausgefunden und wollte einfach mal sehen, ob du es dir inzwischen nicht schon wieder anders überlegt hast.“

Daniel lächelte sie intensiv an. Sandi hatte das Gefühl, dass dadurch seine Augen noch ein bisschen blauer wurden und sie bemerkte schon wieder dieses schwindelnde Gefühl in ihrem Innersten. Das nur ein so kurzer Blick von Danny diese Gefühle in ihr auslösen konnte, erschreckte und erfreute sie zugleich!

„ Jetzt freue ich mich erst richtig über dein Kommen! Glaub mir, ich werde es mir nie anders überlegen. Ich bin wirklich sehr froh, dass wir beide zusammengekommen sind!“

„ Ich kann aber leider nur zwei Stunden bleiben. Dann muss ich rüber zur katholischen Kirche! Jeden Dienstag gehe ich dort zur Jugendgruppe und heute steht sogar eine Radtour auf dem Programm!“

„Das ist ja schade! Dann wollen wir die zwei Stunden mal gut nutzen! Ich muss schon sagen! Du hast wirklich eine Menge vor! Da wundert es mich gar nicht, dass du noch keinen Freund hast!“

„Na ja, bisher hat sich noch keiner für mich interessiert und ich mich auch für niemanden!“

Sie schenkte ihm ein süßes Lächeln und folgte dann Daniel ins Haus. Drinnen war das Haus genauso heruntergekommen und dreckig wie die Außenfassade. Hier schien sich wirklich niemand um Sauberkeit und ein menschengerechtes Wohnen zu kümmern.

Sandrine sah sich um. Rechts und links gingen Türen zu zwei Wohnungen ab und vor ihr führte eine Treppe zu den oberen Wohnungen.

Also, hier links wohnen meine Geschwister mit meinen Großeltern zusammen und rechts wohnt mein Vater mit seiner neuen Freundin. Meine Eltern sind schon lange geschieden. Sie ist zu ihrem neuen Freund gezogen und wir sehen sie nur ab und zu mal! Und dort oben ist mein Reich! Da darf mich auch keiner stören!“

Daniel fasste nach Sandis Hand und wollte sie nach oben ziehen. Da öffnete sich die linke Wohnungstür und ein Junge, der Daniel sehr ähnlich sah, kam heraus. Als er die Beiden sah kam er grinsend auf sie zu, stellte sich breitbeinig vor Sandi auf und musterte sie unverschämt von oben bis unten. „Wow, das ist also deine neue Tussi! Ich muss sagen, die ist im Vergleich zu deiner letzten Schnalle endlich mal eine Hübsche!“

Sandi war mehr als überrascht. Daniel war ja schon einen Kopf kleiner als sie, aber dieser Junge war ein Zwerg dagegen!

„Ich werde’ sie schon mal für dich testen, ob sie auch willig genug für uns ist!“ Ehe Sandi es verhindern konnte, hatte sie dieser Winzling umarmt und drückte sie fest an sich. Man sollte gar nicht glauben, was für eine Kraft er hatte. Nun begann er auch noch damit, sie überall zu betatschen. Sandi hatte sich noch immer nicht von ihrer Überraschung erholt und konnte sich deshalb auch gar nicht wehren. Aber die Situation war ihr sichtlich unangenehm!

Nun griff jedoch Daniel ein und stieß den Kleinen von ihr weg. „Lass gefälligst deine Pfoten von ihr, sonst gibt’s eine platte Nase!“

Daniel trat noch einen Schritt auf ihn zu und der Zwerg drehte sich schnell um und rannte zur Haustür hinaus. Daniel sah Sandi nun entschuldigend an. „ Tut mir leid! Das war mein kleiner Bruder Axel. Er ist elf und in dem Alter ist er echt lästig!“

Sandi hatte sich nun endlich von ihrer Überraschung erholt und lächelte Daniel an. Er war ja eigentlich selber nur ein Jahr älter als sein Bruder, doch auf sie machte er schon einen sehr viel reiferen Eindruck.

Nun stellte Daniel ihr erst den Rest der Familie vor. Außer seinem Vater und dessen Freundin Emilia, die gerade an der Arbeit waren. In dieser Zeit wurden die Kinder dann von Daniels Großeltern betreut. Seine Großmutter war eigentlich sehr nett, aber sie konnte auch schnell sehr streng werden, wie Sandrine bald feststellte. Wahrscheinlich lag das an ihrer Behinderung. Sie saß nämlich im Rollstuhl. Bei einem Unfall hatte sie beide Beine verloren und musste nun stündlich mit Schmerzspritzen behandelt werden.

Daniels Großvater war ein stiller und mürrischer Mensch, der Sandi mit verkniffenem Blick musterte. Sie fühlte sich sehr unwohl in seiner Gegenwart.

Außer seinem missratenen Bruder hatte Daniel noch drei jüngere Schwestern, mit denen sich Sandi auf Anhieb gut verstand!

Kora war mit acht Jahren die Älteste und auch die Vernünftigste. Sie war ein stilles Mädchen, das über sein Buch gebeugt am Küchentisch saß und Sandi nur kurz zunickte.

Claudia war sieben Jahre alt und ein quirliges wildes Kind. Sie begrüßte Sandi besonders herzlich und Sandi fand sie sofort am nettesten.

Die Kleinste war Cosima mit ihren fünf Jahren. Sie war als einzige nicht so schlank wie die anderen, aber das konnte man ruhig noch in die Kategorie Babyspeck einordnen. Sie war einfach ein richtig süßes Püppchen und Sandi war von ihr einfach angetan.

Alle Geschwister sahen sich unheimlich ähnlich. Alle hatten dieselben schwarzen Haare und auch dieselben tiefblauen Augen.

Nach dieser Vorstellung zeigte Daniel ihr nun endlich sein Reich im oberen Teil des Hauses. Er hatte hier eine eigene kleine Wohnung, die allerdings auch ziemlich renovierungsbedürftig aussah. Die Wohnungstür hatte kein Schloss und die beiden Räume, die Daniel bewohnte waren nur durch einen Vorhang, der an zwei eingeschlagenen Nägeln hing abgeteilt. Der hintere Raum war sein Schlafzimmer und der Vordere eine Art Wohnzimmer.

Hier stand an der einen Wand eine zerschlissene Couch, ihr gegenüber ein zerkratzter, wackeliger Tisch und davor ein alter Stuhl. In einer Ecke des Raumes stand noch ein halb kaputter Kleiderschrank. Das ganze Zimmer war übersät mit herumliegenden Kleidern und an den Wänden hingen Zirkusplakate und verschiedene Zeitungsausschnitte.

„Tut mir leid, aber ich kam noch nicht zum Aufräumen!“ entschuldigte er sich. Sandi fragte sich, ob er jemals zum Aufräumen kam. Daniel raffte einige Kleidungsstücke zusammen und warf sie einfach auf die andere Seite des Vorhangs. Es war ihm sehr peinlich, dass es hier so schlimm aussah. Sandi grinste. Sie sah sich nach einem Sitzplatz um und setzte sich schließlich auf die Couch, da ihr der Stuhl nicht besonders Vertrauenserweckend aussah. Daniel hatte seine Aufräumarbeiten erledigt und setzte sich nun neben sie.

Schweigend saßen sie nun eine Weile so da und sahen sich einfach nur tief in die Augen. Sie wurden in diesem Augenblick zum ersten Mal von einem Zauber umfangen, der sie ein Leben lang nicht mehr loslassen sollte. Knisternde Spannung lag in der Luft und Beiden fiel das Atmen schwer. Es war kaum auszuhalten, aber Sandrine fand das Gefühl wunderschön. Sie vergaß die Zeit und den Ort, wo sie sich befand und wollte, dass dieser Augenblick nie endete. Sie hatte sich noch nie so wohl gefühlt wie jetzt bei Daniel und sie wollte nie wieder woanders sein!

Langsam beugte sich nun Daniel zu ihr herüber und diesmal zuckte Sandi nicht zurück. Seine Lippen berührten die ihren nun zum ersten Mal ganz zart und es war für Sandi wie ein elektrischer Schlag. Ein wohliger Schauer durchlief sie. Es war ihr erster richtiger Kuss und obwohl es nur wenige Sekunden gedauert hatte, fand sie es einfach wunderschön. Ihr erschien es so, als seien Stunden vergangen. Sie hatte die ganze Zeit nicht gewagt zu atmen und brauchte nach diesem Kuss einige Minuten, um sich wieder zu fangen. Sie war noch wie erstarrt und zitterte noch am ganzen Körper in einer für sie noch unbekannten Erregung. Was sie in sich fühlte, war so fremdartig, aber trotzdem schon so intensiv, dass es sie überall erfasste. Sie wollte dieses Gefühl nie wieder verlieren und als es drohte schwächer zu werden, fieberte sie regelrecht Daniels nächstem Kuss entgegen. Diesmal berührten sie seine Lippen heftiger und dauerhafter. Sandi erwiderte den Kuss mit einer Heftigkeit, die sogar Daniel überraschte.


Viel zu schnell verflogen auf diese Weise die zwei Stunden, die sie zusammen sein konnten. Bald war es für Sandi Zeit zu gehen. Sie musste zu Hause noch ihr Fahrrad holen. Daniel begleitete sie noch bis hinunter zur Haustür. Dort sahen sie sich ein letztes Mal tief in die Augen. Der neuartige Zauber, der sie beide eingefangen hatte umfing sie wieder und sie wagten nicht, ihn durch einen letzten Kuss zu zerstören.

Sandi wollte noch nicht gehen. Sie verfluchte innerlich die ganze Jugendgruppe und diese dämliche Radtour. Warum musste sie da nur mitmachen? Als diese Tour beschlossen worden war, hatte sie gerne zugesagt, denn da gab es in ihrem Leben noch keinen Daniel. Aber jetzt?

Plötzlich kam ihr eine Idee! „ Willst du nicht einfach mitkommen auf die Radtour?“

Daniel sah sie an. Seine Augen leuchteten und er brauchte nicht lange zu überlegen. „Klar, wenn ich darf und es dir nichts ausmacht, dass ich nur eine alte Klapperkiste als Fahrrad habe?“

„Na, Hauptsache es fährt, oder? Wir sehen uns dann also in einer halben Stunde vor der Kirche. Von da geht’s los!“

Sandrine winkte ihm noch mal zu und lief los. Der Tag, der so wunderbar für sie beide begonnen hatte, war doch noch nicht vorbei!

Zu Hause zog sie sich ihren neuen knallgelben Jogginganzug an und legte etwas Make-up auf. Sie tat das sonst so gut wie nie, denn bisher gefiel sie sich natürlich besser. Aber heute wollte sie besonders hübsch sein. Ihr war plötzlich überhaupt nichts mehr egal.

In Windeseile war sie fertig, schnappte sich ihr Fahrrad, das sie liebevoll „Felix“ nannte und machte sich auf den Weg zur katholischen Kirche.

Dort warteten bereits die Mitglieder der Jugendgruppe mit ihren Fahrrädern auf die Leiterin Carmen Verhoeven. Die war noch im Gemeindehaus neben der Kirche und suchte ihre Sachen zusammen. Sandis beste Freundin Babette Schlüter war auch schon da. Seit der ersten Klasse waren die beiden Mädchen unzertrennlich und teilten Freud und Leid miteinander. Heute sah Babette ihre Freundin aber missbilligend an. „Sag mal, bist du in einen Farbkasten gefallen?“

Babette schüttelte den Kopf. Sandi sah sie erschreckt an. „So schlimm sieht es doch hoffentlich nicht aus, Babsi? Oder?“

„Na, ich weiß nicht! Ist nicht gerade dezent für eine Radtour mit der katholischen Jugendgruppe. Wieso hast du dich denn ausgerechnet heute so furchtbar aufgerüscht? Ist doch sonst nicht deine Art!“

Sandi lächelte ihre Freundin geheimnisvoll an und stieß einen tiefen Seufzer aus. „Ich habe einen Freund! Seit Freitag!“ Babette zog die Augenbrauen hoch. Sie war zwar Sandrines beste Freundin, aber sie nahm trotzdem nie ein Blatt vor den Mund und sprach offen und ehrlich zu allem ihre Meinung. Und gerade diese Art mochte Sandi an ihrer Freundin. Deshalb machte sich Sandi auch jetzt auf eine ihrer bissigen Bemerkungen gefasst.

„Donnerwetti! Wer ist denn der Ärmste, den es erwischt hat?“

Sandi seufzte. So war sie immer, ihre Freundin. Jungs hielt sie für eine vollkommen überholte Einrichtung und hatte für keinen ein gutes Wort übrig. Keiner fand Gnade unter ihren Augen. Babette war zwei Monate jünger als Sandi, aber mit ihren Meinungen und Stimmungen kam sie Sandi manchmal schon wie vierundzwanzig vor. Auf jeden Fall hatte sie kein Interesse am männlichen Geschlecht und bisher war dieses Thema zwischen den Freundinnen auch nie angeschnitten worden. Doch für Sandi begann nun eine Zeit, wo sie mit ihrer besten Freundin über solche Themen reden wollte und nun musste sie Babette als aller erstes tüchtig schocken, wenn sie ihr den Namen ihres Freundes nannte. Babette kannte Daniel zwar nur flüchtig, aber sie hatte von ihm noch eine schlechtere Meinung als von allen anderen.

„Daniel Schwarz!“

Wie sie geahnt hatte verzog Babette das Gesicht. „Ach, du lieber Himmel! Da fehlt mir alles, sogar die Worte! Karl-Erwin, der Verschleimte! Gab’s denn keinen anderen?“

Babette verdrehte die Augen. Der Sarkasmus in ihrer Stimme war nun wirklich nicht zu überhören! Nun war Sandi doch wütend. „Du bist heute mal wieder echt ekelhaft! Aber was kann man von dir schon anderes erwarten, Fräulein Schlüter!“

In diesem Augenblick kam Carmen Verhoeven zu der Gruppe. Sie war 25, Erzieherin von Beruf, blond und bildhübsch, wie Sandi fand. Sie war nicht verheiratet und hatte auch keinen Freund, was keiner so richtig verstand. Seit einem Jahr war sie nun die Leiterin der Jugendgruppe, die nur aus Mädchen im Alter von 12-16 bestand und animierte die Jugendlichen nicht nur zum christlichen Denken, sondern auch zu immer neuen Ideen. Sie setzte sich nun auf ihr schickes Mountainbike und drehte sich zu der Gruppe um. „Schön, wie ich sehe sind nun alle da! Ich hoffe, ihr seid auch alle fertig! Jetzt geht’s nämlich los, Leute!“

Sandi hatte sich immer wieder nervös nach Daniel umgesehen. Er hätte eigentlich längst da sein müssen. Wo, zum Teufel, blieb er nur?

„Sandi, was ist denn? Wir wollen losfahren, also sieh bitte nach vorne! Oder stimmt irgendetwas nicht?“

Sandrine druckste herum. Sollte sie Carmen vor allen anderen von ihrem Freund erzählen? „Ja, äh..., also, Carmen, können wir nicht noch einen Moment warten. Es kommt noch jemand!“

Carmen sah sich in der Runde um. „So, wer denn noch? Es sind doch schon alle hier!“

Carmen sah Sandi verwundert und abwartend an. Sandi biss sich auf die Lippen und errötete. Alle Gruppenmitglieder starrten sie an. Sie atmete noch mal tief durch und sagte: „Mein Freund kommt noch!“

Einige in der Runde kicherten. Carmen zog die Augenbrauen hoch und lächelte verständnisvoll. Babette dagegen verdrehte die Augen und stöhnte gequält: „Na, ist ja wunderbar!“

In diesem Augenblick bog Daniel mit einem halbverrosteten, quietschenden Klapperding von Fahrrad um die Ecke. Das Rad sah aus, als würde es jeden Augenblick auseinanderfallen!

„Dracula kömmt!“ murmelte Babette und lächelte hämisch.

Völlig außer Puste und mit hochrotem Kopf kam Daniel neben Sandi zum Stehen und lächelte sie an. Sandi wusste, dass alle sie anstarrten und fühlte sich in diesem Augenblick gar nicht mehr wunderbar, sondern ihr war das Ganze nur noch peinlich. Sie hatte wirklich alles erwartet, aber bestimmt nicht so einen totalen Schrotthaufen von Fahrrad, das auch noch eindeutig zwei Nummern zu klein für ihn war.

„Tut mir leid! Es ging echt nicht schneller. Ich musste meiner Oma noch ihre Spritze geben, bevor ich weg durfte!“

Nun hatte er sich an diesem Tag schon zum dritten Mal bei ihr entschuldigt. So langsam nervte es Sandi. Überhaupt starrten sie immer noch alle an und das machte sie furchtbar nervös. Ihr schöner Traum von einer Fortsetzung des schönen Nachmittags zerplatzte gerade wie eine Seifenblase. Warum hatte sie Daniel bloß eingeladen mitzukommen?

Carmen drängte nun auch zum Aufbruch. Sie hasste Verzögerungen!

„Na schön! Dann können wir ja endlich losfahren! Sandi, du kannst ja mit deinem Freund am Schluss fahren, oder?“

Sie lächelte Sandrine noch einmal zu und stieg dann wieder auf ihr Rad.

Das Wetter an diesem Junitag war einfach herrlich, die Landschaft, durch die sie fuhren war malerisch, doch Sandi bekam davon kaum etwa mit. Daniel konnte der Gruppe auf seinem Fahrrad kaum folgen. Er musste sich furchtbar anstrengen und konnte dennoch nicht mehr Geschwindigkeit aus dem Klapperding herausholen. Bald schwitzte er schrecklich und Sandi wurde sich immer mehr bewusst, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Carmen, Babette und die anderen waren ihnen schon weit voraus. Das war für Sandi bestimmt nicht der romantische Ausklang eines schönen Tages.

Gegen Ende der Tour wurde Carmen dann zu allem Überfluss auch noch ziemlich sauer, weil sie ständig auf das „Liebespaar“ warten mussten. Da hatte dann Sandi endgültig die Nase voll. Sie winkte Daniel noch einmal kurz zu und sauste auf ihrem schnellen Rad mit den Anderen davon. Sie schwor sich aber, in Zukunft nur noch alleine mit Daniel etwas zu unternehmen. Natürlich nur, wenn er nach diesem Tag noch etwas mit ihr zu tun haben wollte. Sie hoffte es jedenfalls sehr!


Er wollte!!!

Am nächsten Tag wartete er nach der Schule auf Sandi. Mit keinem Wort erwähnte er den gestrigen Tag, also tat Sandi es auch nicht! Sie war total erleichtert und überglücklich. Am liebsten wäre sie ihm um den Hals gefallen, doch dann traute sie sich doch nicht. Daher gingen sie nur stumm nebeneinander her bis sie bei Sandi vor der Haustür, oder besser Hintertür, ankamen. Hier verabschiedeten sie sich indem Daniel ihr einen flüchtigen Kuss gab. Sandi sah ihn an. „Sag mal, gehst du heute vielleicht ins Schwimmbad?“ fragte sie ihn.

„Ja, du etwa auch?“

Sandi nickte glücklich. „Ich gehe zusammen mit Pia hin! Um 2 Uhr sind wir verabredet!“

„Okay, dann sehen wir uns also dort! Wo liegt ihr denn immer, damit ich dich auch finde?“

„Ach, Pia liegt am liebsten immer ganz nah am Beckenrand, weil sie von da aus die Jungs besser beobachten kann. Sie ist doch gerade mal wieder solo und sucht ein neues Opfer!“

„Gut, dann werde ich mal nach dir Ausschau halten!“

Daniel hob noch mal die Hand zum Gruß und verschwand hinter der nächsten Ecke.

Sandrine freute sich sehr auf den Nachmittag mit Daniel. Es sollte genauso schön werden wie gestern, bevor sie zu dieser dummen Radtour aufgebrochen waren.

Pia war jedoch überhaupt nicht davon erbaut den Nachmittag mit Daniel verbringen zu müssen. Inzwischen tat ihr ihre Kuppelei vom Freitag schon wieder leid. Für sie war es doch nur ein Spaß gewesen, um den langweiligen Nachmittag herumzubekommen. Sie hatte nicht im Traum daran gedacht, dass Sandi das ganze so ernst nehmen würde.

Doch es war Ernst für Sandi! Sie meinte es vollkommen ernst mit Daniel und wünschte sich nichts mehr, als das es ihm mit ihr genauso ging. Sie merkte es daran, wie ihr Herz bei seinem Anblick einen Augenblick aussetzte und wie ihr Magen rebellierte, wenn sie nur an ihn dachte. Das war die große Liebe! Das musste sie einfach sein!

Der Nachmittag wurde dann auch herrlich! Jedenfalls für Sandi und Daniel! Sie alberten gemeinsam im Wasser herum und auf der Decke lagen sie nebeneinander und küssten sich zärtlich. Es war wunderbar einen Freund zu haben, stellte Sandi fest! Sie konnte sich gar nicht vorstellen, wie sie es so lange ohne einen solchen ausgehalten hatte. Sie war Pia sehr dankbar, obwohl sie im Moment eher störend war.

Pia empfand das genauso. Sie fühlte sich wie das fünfte Rad am Wagen. Gelangweilt lag sie da und sah zu, wie die Beiden Spaß miteinander hatten. Recht schnell packte sie dann auch ihre Sachen zusammen und wollte gehen. Doch vorher unternahm sie noch einen letzten Versuch, ihre Freundin auf sich aufmerksam zu machen. „ Ich gehe nach Hause, Sandi! Ich habe keine Lust mehr hier herumzuhängen. Ist doch eh’ nichts los heute! Kommst du mit?“

Sandi bemerkte den auffordernden Blick ihrer Freundin nicht. Sie schüttelte nur den Kopf und ließ ihre Augen nicht von Daniel. Damit reichte es Pia endgültig und sie zog beleidigt ab. Sie schwor sich ein für alle Mal die Kuppelei an den Nagel zu hängen. Ein Vorsatz, den sie nicht lange einhalten würde.

Es wurde ein schöner, heißer Sommer! Die Sonne meinte es gut und schien fast täglich vom Himmel. Immer mit Temperaturen von fast 40°C!

Längst hatten nun auch die Sommerferien begonnen und die Schulkinder strebten täglich ins örtliche Schwimmbad.

Nicht anders taten es Daniel und Sandrine. Hier waren sie unbeobachtet vor den Blicken der Eltern, denn die hatten ihre Meinung nicht geändert. Sandi wollte ihnen auch keine Gelegenheit geben, ihr den Umgang mit Daniel noch mal zu verbieten. Wenn sie ihn nicht mochten, dann war das ihr Problem und nicht das von Sandi. Irgendwann würden sie ihn schon akzeptieren. Das jedenfalls dachte Sandi. Sonst dachte sie nicht viel in dieser Zeit!

Es war für sie auch nicht immer einfach ihren Eltern etwas vorzumachen und mit Pia und Babette als Alibi konnte sie schon gar nicht mehr rechnen. Die Beiden hatten Sandi ihre Meinung über Daniel und ihre Beziehung zu ihm offen gesagt und waren besonders wütend, dass ihre Freundin auf einmal alles in den Wind schrieb und weiterhin mit Daniel herumzog. So zogen sie sich auch von ihrer Freundin zurück.

Aber zumindest bei diesen heißen Temperaturen hatte Sandi kein Problem damit, sich mit Daniel zu treffen. Fürs Schwimmbad brauchte sie keine Ausrede!

Leider geht auch jeder Sommer einmal zu Ende und genauso ist das auch mit den Ferien. Als Beides sich dem Ende näherte, tauchten auch Sandis Probleme wieder auf. Leider waren die Halebs durch ihre Tätigkeit im Kaninchenverein sehr bekannt in der Kleinstadt und so blieb es natürlich nicht aus, dass Sandi und Daniel auch des Öfteren von Bekannten ihrer Eltern gesehen wurden. Und wie das in so einer Kleinstadt immer so ist, hatten diese Leute dann nichts anderes zu tun, als diese brisante Nachricht gleich ihren Eltern weiterzugeben. Und diese hörten das nicht gerne! Es war Sandi klar, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis die Bombe platzte.

Und Sandi behielt Recht!

Eines Abends kamen ihre Eltern gemeinsam in Sandis Zimmer und an ihrer Miene konnte sie schon ablesen, was nun kam.

„Du triffst dich also immer noch mit diesem Bengel, diesem Daniel Schwarz! Du brauchst gar nicht erst zu leugnen! Genug Leute haben euch gesehen! Du schämst dich wohl überhaupt nicht? Und dabei haben wir es dir doch ausdrücklich verboten! Kannst du mir mal erklären, warum du dich so stur stellst?“

Sandrine sah von einem zum anderen. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen und gestand: „Mama, Papa, ich liebe Daniel!“

Ihre Eltern sahen sich kurz an.

„Ach, das ist doch wohl der größte Blödsinn, den ich jemals gehört habe. Ich will so etwas nicht hören! Du bist erst 14 und weißt noch gar nicht, was Liebe ist. Ich sage es dir nun zum letzten Mal und diesmal rate ich dir, dich daran zu halten: Du wirst diesen Jungen nicht wiedersehen! Das meine ich wirklich ernst! Verstanden?“ Sandrines Vater brüllte immer lauter, so dass Sandi bald das Gefühl hatte, die Wände würden wackeln. Aber auch diesmal war für ihn die Sache ziemlich schnell erledigt und er verschwand aus dem Zimmer seiner Tochter. Sandi warf sich weinend auf ihr Bett. Ihre Mutter setzte sich zu ihr.

„Hör zu, Sandi! Du wirst das jetzt vielleicht nicht verstehen, noch nicht verstehen, aber du wirst uns später dafür dankbar sein. Dieser Daniel ist wirklich kein Umgang für dich. Die Verhältnisse aus denen er kommt! Du wirst älter werden und dann wirst du einen netten Jungen kennenlernen, der besser zu dir passt. Jemanden, der älter ist als du und der auch deine Intelligenz und deinen Verhältnissen entspricht. Dann wirst du verstehen warum wir dir das heute antun mussten. Glaub mir, mein Schatz! Es ist besser so!“

Sandi erwiderte nichts mehr. Sie konnte es nicht. Ihre Eltern hatten mal wieder gewonnen. Sie sah auch nicht auf, als ihre Mutter nun aufstand und den Raum verließ. Sie lag noch immer auf ihrem Bett und weinte, bis das Kissen ganz nass war. Es tat schrecklich weh! Sie war so glücklich gewesen in den letzten Wochen und sie hatte so viel Spaß mit Daniel gehabt. Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss sah sie sein Gesicht vor sich und besonders seine wunderbaren Augen. Und dann kehrte der Schmerz zurück. Heftiger als vorher! Es war, als würde man ihr das Herz in zwei Teile zerreißen. War nun alles so einfach vorbei? War damit auch ihr Leben für immer vorbei? Sie glaubte es beinahe, denn sie konnte sich einfach kein Leben ohne Daniel vorstellen.

Es war als würde das Wetter mit ihr vor Kummer weinen, denn am nächsten Tag war das schöne Wetter schlagartig vorbei und es regnete die letzten Ferientage hintereinander. Das gab Sandi genügend Zeit, über alles nachzudenken! Wie sollte sie sich verhalten, wenn sie Daniel in der Schule wiedersah? Sie wusste es nicht!

Auch hatte sie nie solchen Ärger mit ihren Eltern gehabt und sie hasste es, wenn sie auf sie wütend waren. Sie liebte nun mal ihre Eltern und wollte, dass zwischen ihnen alles wieder wie früher war.

Außerdem vermisste sie ihre Freundinnen, die sich schon seit mehreren Wochen nicht mehr bei ihr gemeldet hatten. Jetzt, wo ihre Sicht und ihre Gedanken langsam wieder klarer wurden, merkte sie, wie sehr ihr gewohntes Leben aus den Fugen geraten war. Und sie wollte es zurück!

Vielleicht hatten ihre Eltern ja doch Recht, dachte sie schließlich! Auf jeden Fall war es im Augenblick besser das zu glauben! Mit Daniel zusammenzubleiben war einfach zu schwierig. So beschloss Sandi schließlich mit ihm Schluss zu machen.

In den ersten Schultagen begegnete sie ihm nicht und so konnte sie ihr Vorhaben noch nicht gleich in die Tat umsetzten. Als sie jedoch ihren Freundinnen davon erzählte, waren die sofort begeistert. Endlich war Sandrine zur Vernunft gekommen. Sie bestärkten sie auch gleich in ihrem Entschluss.

Am darauffolgenden Freitag war dann auch wieder das erste Treffen im Vereinsheim nach den Ferien und Sandi war sich sicher, dass Daniel da auftauchen würde. Irgendwie fand sie es schon komisch, genau an dem Ort mit ihm Schluss zu machen, an dem ihre Freundschaft vor gerade mal zwei Monaten begonnen hatte. Sandi ging wie üblich mit Pia zu dem Treffen und sie waren diesmal sogar pünktlich!

Daniel war da! Er hielt aber Abstand zu ihr, da er wusste, dass sie vorsichtig sein mussten. Er beobachtete sie aber die ganze Zeit und Sandi bekam schon wieder dieses flaue Gefühl im Magen. Sie hatten sich nun fast zwei Wochen nicht mehr gesehen und obwohl ihr Entschluss feststand, fing er bei Daniels Anblick an zu bröckeln und zu wanken. Sie fühlte, dass sie wieder schwach wurde und anscheinend merkte Pia das ebenfalls. Sie stieß sie im richtigen Moment an und holte sie so aus ihren schwärmerischen Gedanken. Sandi wusste, dass sie die Sache schnell hinter sich bringen musste, bevor es zu spät war.

Sie ging also hinüber zu Daniel und rief ihn beiseite. Sie verließen den Raum und Pia folgte ihnen in einigen Abstand.

„ Müssen wir denn nicht vorsichtig sein? Ich meine, ich vermisse dich schrecklich und hätte dich sofort angesprochen. Wir haben uns ja so lange nicht gesehen und kam nur her, um dich wenigstens mal zu sehen. Ist das nicht zu gefährlich vor Herrn Born? Der erzählt das garantiert gleich wieder deinen Eltern und die bringen uns dann womöglich ganz auseinander!“

Sie waren nun auf der Straße vor dem Vereinsheim angekommen. Der ideale Platz für eine Aussprache. Die ganz Zeit als Daniel gesprochen hatte, hatte sie geschwiegen. Nun atmete sie erst mal tief durch. Jetzt oder nie! „Danny, das ist jetzt sowieso alles egal! Ich muss mit dir reden und das können ruhig alle sehen!“

Daniel sah sie irritiert an. „Wie meinst du das?“

„Danny, ich wollte dir nur sagen, dass Schluss ist!“

So, nun war es heraus! Sie hatte die direkte Methode gewählt, um es schnell hinter sich zu bringen.

Daniel sah sie nun auch entsetzt an. „Das ist nicht dein ernst! Warum?“

Sandrine atmete abermals tief durch. Das Ganze fiel ihr wirklich nicht leicht, weil ihr Herz ihr etwas ganz anderes sagte.

„Es würde nie gut gehen mit uns Beiden. Glaub mir das! Irgendwann wirst du es auch verstehen! Wir sind einfach zu verschieden!“

Das klang nun genau wie ihre Mutter, aber etwas Besseres fiel ihr im Augenblick nicht ein. Die Sache war ja ohnehin schon schwer genug.

Sie hatte wirklich mit jeder Reaktion bei Daniel gerechnet, aber nicht mit dem, was nun folgte. Daniel fing an zu weinen.

„Das stimmt doch alles gar nicht! Du lügst! Es ist bisher gutgegangen und wird auch weiterhin gut gehen. Ich liebe dich doch so sehr! Und du mich auch! Ich weiß es! Bitte, Sandi, mach nicht Schluss!“

Es war wirklich schon eine komische Situation! In einer anderen Situation hätte das eigentlich genau Sandis Text sein können und dann wäre es nur halb so peinlich gewesen, wie es nun für Sandi war. Auf so eine Reaktion bei einem Jungen war sie nicht gefasst. Aber nun merkte man eben deutlich, dass Daniel noch ein kleiner Junge war. Das half Sandi erst recht, hart zu bleiben. Glücklicherweise kam ihr nun auch Pia zu Hilfe. „Mensch, kapier endlich, dass sie von dir die Nase voll hat. Sie hat einfach keine Lust mehr auf so eine Heulsuse!“

Daniel warf ihr einen tödlichen Blick zu. „Garantiert hast du ihr das eingeredet. Du bist doch nur eifersüchtig, du dumme Gans!“

Pia schnappte entrüstet nach Luft und auch Sandi war nun wütend. Ihre Freundin durfte Daniel auf keinen Fall beleidigen! „Sie hat vollkommen Recht! Ich habe wirklich keine Lust mehr mit dir zu gehen, weil du noch ein kleiner Junge bist. Das kann auch jeder sehen. Da braucht mir niemand etwas einzureden!“

Das war dann doch zu viel für Daniel. Er drehte sich um und warf sich auf den Rasen vor dem Gebäude. Dann begann er herzzerreißend zu weinen.

„Ach, du lieber Gott! Was für ein Baby! Und so etwas wollte Mann spielen! Sei froh, dass du ihn los bist, Sandi!“ Pia lachte aus vollem Halse und auch Sandrine konnte sich nicht zurückhalten. Der Anblick war einfach zu komisch. Beide lachten nun den armen Daniel aus und die anderen drückten sich ihre Nasen drinnen am Fenster platt.

Urplötzlich sprang Daniel auf und lief davon. Nun tat er Sandi doch ein bisschen leid, aber zumindest hatte sie einen endgültigen Schlussstrich gezogen.

Glaubte sie jedenfalls!






Rosen und Tränen

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