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2.2.2 Rituelle BeschimpfungRituelle Beschimpfung und KurzdeutschKurzdeutsch

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In den Kontext von Provokationen und Erzeugung von Aufmerksamkeit fügt sich auch das schon seit mehreren Generationen in der einen oder anderen Form zu beobachtende Phänomen der rituellen BeschimpfungRituelle Beschimpfung ein.

Respekt, Anerkennung und Dominanz werden aggressiv eingefordert. […] Letztlich dient (…) [die rituelle BeschimpfungRituelle Beschimpfung aber auch] dazu, sich gegenseitig Respekt zu bekunden. […] Rituelle Beschimpfungen stellen einen Gegenentwurf zu den gültigen Regeln der Höflichkeit in der Erwachsenenwelt dar, und letztlich geht es Jugendlichen genau um diese identitätsstiftende Abgrenzung. (Marossek 2016: 64, 65, 77)

Nicht alles, was in den Ohren von Erwachsenen wie eine Beschimpfung klingt, ist tatsächlich so gemeint.1 Offenbar kommt es – auch hier sind wieder Mittel jenseits der Wort- und Satzebene von Relevanz – sehr auf die Art an, wie die rituelle Beleidigung ausgesprochen wird. Manchmal soll allein die Länge eines einzelnen Vokals entscheidend dafür sein, ob z.B. Opferknecht tatsächlich beleidigend oder anerkennend gemeint ist (vgl. Marossek 2016: 71).2

Die rituelle BeschimpfungRituelle Beschimpfung ist, zusammenfassend betrachtet, ein sehr anschauliches, greifbares Merkmal des Kurzdeutschs. Diejenigen, die sie praktizieren, zeigen in der Regel auch eine besondere Affinität zu den anderen Eigenheiten des Kurzdeutschs und umgekehrt. (Marossek 2016: 77)

Hier wird von Marossek ein weiteres bemerkenswertes Phänomen erwähnt: das KurzdeutschKurzdeutsch. Largo/Czernin (2011: 113) weisen auf die Prägnanz von Jugendsprache und die Häufigkeit von Abkürzungen hin, was sich nicht auf die lexikalische Ebene beschränkt, sondern auch in syntaktischen Merkmalen niederschlägt. Die Tendenz zur Auslassung von Präpositionen und zur Tilgung von Artikeln sind Schlüsselmerkmale von Kurzdeutsch (Lassma Aldi gehen; Was? Gestern war ich Schule!). Bestimmte Ausprägungen von Jugendsprache bilden sozusagen die Keimzelle des Kurzdeutschs, inzwischen finden sich aber auch in der Sprache anderer Bevölkerungsgruppen Spuren von Kurzdeutsch, was ein konkretes Beispiel dafür ist – ob man es in diesem Fall nun schön findet oder nicht –, dass die sprachlichen Innovationen der jungen Generation die Grenzen des eigenen Soziolekts tatsächlich verlassen können. „Mit steigender Verbreitung unter den Erwachsenen verliert das Element oder gar der ganze Stil irgendwann endgültig den Status Jugendsprache und ist nun Bestandteil der ganz normalen Umgangssprache“ (Marossek 2016: 48).

Die Verbreitung von KurzdeutschKurzdeutsch sei vor allem auf Formate der Selbstinszenierung im Internet, wie Posts in sozialen Netzwerken und Filme bei YouTube, zurückzuführen (vgl. Marossek 2016: 80f.). Auf diese Weise habe die Jugendkultur, gemeint ist in diesem Fall vor allem die multikulturelle Jugendkultur, denn diese soll maßgeblich an der Ausprägung von Kurzdeutsch beteiligt sein, selbst dazu beigetragen, dass Merkmale ihrer Jugendsprache Einzug in die Umgangssprache gefunden haben.

Jugendsprachen zeigen vielfach Einflüsse von fremden Sprachen, z.B. des Türkischen oder Arabischen sowie weiterhin des Englischen, von Netzjargon, auch SMS-Kürzel (vgl. yolo) und vereinzelt aus der Musik, z.B. soll Babo, das oben erwähnte Jugendwort 2013, durch ein Lied des deutsch-kurdischen Rappers Haftbefehl Verbreitung gefunden und Deichkind der Jugendsprache im Jahr 2012 „leider geil“ beschert haben.

Die Merkmale jugendsprachlicher Narrationen, einer bedeutenden Form jugendsprachlicher InteraktionInteraktion, lassen sich auf folgende vier Punkte verdichten:

„Selbst- und fremdbezogene Befindlichkeiten werden sehr spontan und empathisch mitgeteilt durch Interjektionen […], [a]ufmerksamkeitsfordernde Partikel[ ] wie ey, alter […] prosodisch inszenierte direkte Rede, Intensivierer ([…] krass u.a.)“ (Steckbauer 2014: 155).

„Grammatische Korrektheit wird vernachlässigt“ (ebd.).

„Sondervokabular: […] abziehen („jmd berauben“), standard […]“ (ebd.).

Einsatz sogenannter Attention Getters, „multifunktionaler und -kategorialer, höchst frequenter Gebrauch des verbalen Joker so“: Die „Einleitung der „direkten Rede“ durch so ist besonders jugendsprachlich“ (Steckbauer 2014: 156).

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