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2.3 Schweigen und Verweigerung: Innere Emigration

In diesem Abschnitt soll es nicht um allgemeine SchulmüdigkeitSchulmüdigkeit oder Schulverweigerung bzw. deren Konsequenzen gehen. Vielmehr gilt es, die zielgruppenorientierte sprachlernrelevante Kommunikation zu beleuchten, die sich altersgemäß zu verändern beginnt. Die präpubertäre kindliche Bereitschaft, nahezu jeder kommunikativen Herausforderung aufgeschlossen zu begegnen, weicht in der Regel dem eher passiven jugendlichen Kommunikationsverhalten. In der Schule wird dieser Wandel im unterrichtlichen Gesprächsverhalten deutlich. Auch im Fremdsprachenunterricht bildet sich dann ab, was Eltern zuhause vielfach erleben: Mangelnde oder eher konfrontative Kommunikationsbereitschaft. Für Jugendliche in der PubertätPubertät werden die gleichaltrigen Freunde als Gesprächspartner immer wichtiger. Dennoch versuchen Eltern wie Lehrkräfte herauszufinden, wie es den Schützlingen geht, was sie umtreibt, wie sie denken, was sie tun.

2.3.1 Sprachlicher Rückzug

Eine Art pubertätsbezogener, aber eigentlich völlig harmloser Mutismus (vgl. Margraf/Müller-Spahn 2009: 1616) ist die Folge: Jugendliche schweigen in der Regel oft gegenüber Erwachsenen, wenn durch „Ausfragen“ Druck erzeugt wird. Diese eher schwache Form des selektiven Mutismus als klinische Diagnose bezeichnet eine psychogen-neurotische SprechverweigerungSprechverweigerung gegenüber bestimmten Personen oder ist in bestimmten Situationen als Zeichen einer reflektorischen Abwehrhaltung zu deuten. Diese eigentlich klinische Ausprägung ist in der PubertätPubertät nicht krankhaft, sondern vielmehr normal. In der Familie und der peergroup, also im vertrauten Bereich, wird dagegen in der Regel gesprochen. Die Grundhaltung dabei ist die einer aktiven Verweigerung als Zeichen des Protests, um sich einer Anforderung zu entziehen oder auch, um die AufmerksamkeitAufmerksamkeit auf sich zu lenken.

Dem sprachlichen Rückzug folgt auch oft ein gedanklicher, die partielle und situative IntrovertiertheitIntrovertiertheit führt zu einer Art „innerer Emigration“, der Flucht durch z.B. Tagträumen in die eigene Gedanken- und Vorstellungswelt.

Kommunikation ist ein grundlegendes Element für eine gute Erziehung allgemein und sprachliche Erziehung im Speziellen. Sie muss aufrechterhalten werden, auch wenn dies scheinbar recht einseitig verläuft.

2.3.2 Gelungene Kommunikation

Eine Grundvoraussetzung für funktionierende Gespräche zwischen Eltern und Jugendlichen bzw. Lehrkräften und Schülerinnen und Schülern ist dann gegeben, wenn Letztere echtes Interesse spüren. „Wie war es denn heute in der Schule?“ mag von echtem Interesse für Eltern sein, aus Sicht Pubertierender handelt es sich vornehmlich um eine Kontrollfrage.

Für echte Kommunikation ist gerade die PubertätPubertät ein Prüfstein – Jugendliche im Alter zwischen dreizehn und sechzehn Jahren sind in ihrer Akzeptanz oder Ablehnung der Kommunikation mit erwachsenen BezugspersonenBezugspersonen ehrlich und dynamisch. Die Reaktionen auf nicht gelungene Kommunikation ist bekannt: Augenverdrehen, Aufstöhnen, beredtes Schweigen oder kurze verbale, hörbar desillusionierte Äußerungen begleiten oder beenden Monologe der erwachsenen Bezugspersonen.

Einladend zuzuhören und persönlich relevant zu fragen sind erste einfache Mittel, um das Schweigen zu vermeiden bzw. zu beenden. Der englischsprachige Smalltalk mit einfachen, zugewandten Fragen nach der Befindlichkeit und dem aktuellen Stand der Dinge bei Themen wie Hobbys etc. bietet unverbindliche Redeanlässe. Er entspricht in gewisser Weise dem sokratischen Gespräch, das von der Kenntnis des Gegenübers ausgeht und einem echten Interesse an ihm.

2.3.3 Zurück vom Rückzug

Eine fremdsprachliche Unterrichtsführung in der PubertätPubertät vermeidet das statische Question & Answer-Ritual von Wissensfragen. Sie regt vielmehr durch relevante und interessante, problemorientierte, offene Fragestellungen Interesse und MotivationMotivation an, fremdsprachliche PerformanzPerformanz zu zeigen (vgl. Kap. 5). Kollaborative, kooperative und partizipative Aufgabenformate fördern dabei zusätzlich den Austausch in der peergroup. Gezieltes Begleiten und leitendes Nachfragen regen zum eigenen Denken an. Kommunikation wird zu einem wechselseitigen Austausch und einem echten Dialog, wenn beide Kommunikationspartner am Gespräch teilnehmen, gemeinsam nachdenken und sich eine Meinung bilden können.

Abb. 11

Schweigen und Verweigerung

2.3.4 Zwischenfazit

Um eine gelungene Kommunikation müssen sich alle an ihr Beteiligten bemühen. Zwischen Jugendlichen in der PubertätPubertät und Erwachsenen können und dürfen dies keine Gespräche mit hierarchischer Schieflage mehr sein, sondern gleichberechtigte und relevante. Das echte Interesse am Gegenüber entsteht, wenn beide Partner profitieren, Monologe sind kontraproduktiv.

Ausgewählte Literaturhinweise

Schulz von Thun, F. (1981). Miteinander reden 1 – Störungen und Klärungen. Allgemeine Psychologie der Kommunikation. Reinbek: Rowohlt.

Schulz von Thun, F. (2004). Klarkommen mit sich selbst und anderen: Kommunikation und soziale Kompetenz. Reden, Aufsätze, Dialoge. Reinbek: Rowohlt.

Schulz von Thun, F. (2011). Miteinander reden 2. Stile, Werte und Persönlichkeitsentwicklung. Differenzielle Psychologie der Kommunikation. Reinbek: Rowohlt. (Die Originalausgabe erschien erstmals 1989.)

Sprachen lernen in der Pubertät

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