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PUTTO
1859

Arnold Böcklin gehört zu jenen Malern, die in den zwanziger und dreißiger Jahren des 19. Jahrhunderts geboren, in den fünfziger und sechziger Jahren mit den Traditionen der Corneliusschule gebrochen und in Deutschland eine neue Kunst heraufgeführt haben, eine Blütezeit der Malerei, wie sie seit den Tagen Dürers und Holbeins nicht mehr gewesen war. Er ist ein Altersgenosse von Anselm Feuerbach, Viktor Müller (auch von Piloty, Knaus und Vautier) und ging Lenbach, Hans von Marées, Hans Thoma, Toni Stadler, Karl Haider, Gabriel Max und Makart um ein Jahrzehnt oder wenig mehr voraus. Als er sich der Malerei zuwandte, hat Cornelius den Karton der apokalyptischen Reiter geschaffen, begann Rethel die Fresken im Aachener Rathause und die Holzschnitte des Totentanzes und es folgten die duftigsten Werke von Schwind, wie das Aschenbrödel und die Wartburgfresken, und die reifsten Holzschnittfolgen von Ludwig Richter bald nach.

Die führenden Geister aber der in dieser Zeit heranwachsenden Generation haben im Kolorit ihr kräftigstes Ausdrucksmittel gefunden. Sie begannen die Koloristen unter den Meistern der früheren Jahrhunderte zu studieren. Es richtete sich das neue Interesse hauptsächlich auf die Farbenkomposition, die Kunstmittel, mit denen die koloristische Gesamthaltung in früheren Zeiten erzielt worden war, aber auch auf die Malmittel, die technischen Verfahren, die handwerkliche Praxis, welche die vorausgehende Zeit vernachlässigt hatte. Böcklin meinte gelegentlich: Wer heute in der Kunst noch etwas erreichen wolle, müsse die Malerei von neuem erfinden. Die heranwachsende Generation wandte sich nach Belgien und nach Paris, hauptsächlich zu Couture, sie lernte von Delacroix und den Meistern von Barbizon. Die Mehrzahl aber, wenigstens gerade die Bedeutendsten und Einflußreichsten, haben schließlich nicht in Frankreich, sondern in Italien im Umgang mit den Werken der alten Kunst die entscheidende Richtung für ihr ganzes Leben gefunden und diese im Umgang mit Kollegen und Schülern weitergebildet.

Böcklin ist einer der ältesten, selbständigsten und eigenartigsten unter diesen Künstlern. Er ist noch mehr als alle übrigen seine eigenen Wege gegangen, am meisten verschrieen und verhöhnt worden, war während der größten Zeit seines Wirkens wie Feuerbach, Thoma, Hans von Marées, nur von wenigen erkannt, abseits gestanden und hat schließlich die größte Fülle von Beifall geerntet.

Er gehört zur deutschen Kunst, so gut wie die anderen, obwohl er in Basel geboren und aufgewachsen ist und auch von schweizerischen Eltern stammt, obwohl auch für seine Kunst ein Aufenthalt in Paris von einiger Bedeutung, und der erste siebenjährige in Italien entscheidend war. Der einzige Lehrer und der einzige Studiengenosse, der auf seine Richtung von tieferem Einfluß war, waren Deutsche ihrer Kunst und Herkunft nach, ebenso die Mehrzahl der Freunde und Kollegen, die er in den entscheidenden Jahren um sich sah. Er ist, was gewöhnlich übersehen wird, aus der heroischen Landschaftsmalerei herausgewachsen, die seit Asmus Carstens und Jos. Anton Koch in Deutschland gepflegt wurde und immer Verständnis gefunden hat. Er ist der Sohn und Erbe dieser ganzen Richtung. Er hat auch fast nur in deutschen Landen zuerst Verständnis und später allgemeinen Beifall gefunden, und die Erfolge, die er in Deutschland errungen hat, haben sein Ansehen in seiner Vaterstadt erst recht befestigt. Von französischer Seite sind einzelne Stimmen schon früh laut geworden, die Böcklins Bedeutung anerkannten, aber sie blieben ganz vereinzelt. In England ist der Meister so gut wie unbekannt. Noch heute befindet sich das Werk des Künstlers mit ganz wenigen Ausnahmen in deutschem, deutsch-schweizerischem und österreichischem Besitz. Bezeichnend ist auch, daß die Polemik, die sich vor dem Kriege in Deutschland gegen Böcklin erhob und ihm jedes wahre Künstlertum absprach, aus den Kreisen derer stammt, die für die unbedingte Überlegenheit der Franzosen in der bildenden Kunst eintraten.

Dies alles war nur zum kleineren Teile Zufall. Seine Art ist im letzten Grunde deutsch. Immer stärker treten in seinem Stil gewisse Neigungen hervor, die für die Kunst der Festlandgermanen von jeher bezeichnend gewesen sind, und sie von der der latinisierten Völker unterscheiden. Er steht diesseits der Kulturgrenze, die vom Jura bis zur Nordsee reicht. Sein Ideal ist im letzten Grunde nicht die regelnde Ordnung und das Ebenmaß, sondern das sprühende Leben, die Wucht des Ausdrucks und die Macht der Stimmung.

Arnold Böcklin

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