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Traumschiff

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Yvonne und ihre Mädels. Sie kennen sich zufällig, von der Schule, von gemeinsamer Arbeit, von Urlauben oder anderen Kontakten. Der Mensch ist ein „Rudeltier“. Yvonne gelingt es, ihren „5 Musketieren“ monatlich ein Treffen zu verordnen. Was gar nicht so leicht ist. Denn alle sind bereits über die Jugendfreiheiten hinweg in Ehen oder festen Bindungen gelandet. Und da hört die Selbstbestimmung auf, man fügt sich eher dem Partner als mit Yvonne einen lustigen Abend zu verbringen.

Yvonne freut sich auf den heutigen „Mädchenabend“ und auf die Neuigkeiten ihrer Freundinnen. Auch sie hat eine Menge zu berichten, da sie die Affäre mit ihrem Lover beendet hat und als Single auftreten kann.

Yvonne verlässt das Büro, nach 100 Meter stürzt sich ein Juli Regenschauer wie ein doppelter Niagarafall auf sie. Sie flüchtet in ein Haustor, bis auf die Haut nass. Taxi! Das blöde Handy hat keinen Empfang, oder der Akku ist leer. Wo ist ein Café? Ein Geschäft? Die Leute sind verschwunden, die Autos versunken. Die Straße gehört dem Gewitter und dem peitschenden Wind. Warten sinnlos. Der Regen hört nicht auf. Macht der Natur. Yvonne machtlos. Die Freundinnen sitzen im Café La Beer, schlürfen Cocktails, kichern und fragen sich, wo ist Yvonne, die blöde Kuh. Sie könnte doch wenigstens anrufen.

Pitschpatschnass und zitternd vor Kälte erwartet Yvonne das Ende der Zeit. Sterben wäre fast schöner als der Kampf mit den Wasserfontänen.

Hupe. Hupe! Yvonne regiert nicht. „Hallo Sie, Badenixe, ich kenne Sie, Sie arbeiten bei der Wundermann GmbH. Steigen Sie ein! Wohin soll Sie mein Limousinen-Service bringen? Sie sehen schrecklich aus, wie in einem Science-Fiction Film. Wie lange haben Sie schon bei diesem Wetter gebadet?“

Yvonne wollte diesen Tag in ihrem Leben ausradieren. Heißes Bad, ein Bourbon oder zwei und ein langer, langer Schlaf sind ihre Therapie. Es werden vier Bourbon und 10 Stunden.

Am nächsten Morgen. Die Welt sieht wieder neu und anders aus. Yvonne liest die Visitenkarte ihres Retters. Dr. Alfred Drossbach, Wirtschaftsanwalt. – Na, vielleicht kann man einen Anwalt für irgendetwas brauchen, denkt Yvonne und wirft die Karte in eine Schachtel, wo sie Unbestimmtes oder Unvorhersehbares aufbewahrt.

***

Es herbstelt. Die ersten kühlen Tage. Motivation für Yvonne: Prallvolle Shopping Malls mit Herbst- und Winterkollektionen.

Eine Stunde steht Yvonne in der Hosenabteilung. Die Verkäuferin zeigt ihr 20 Hosen, von denen sie fünf anprobiert. Nicht einmal. Mehrmals. Schick, neu Farbstellungen, da sollte man zugreifen, meint die beratende Verkäuferin. Yvonne sieht die Verkäuferin musternd an: Die ist ja über 40, was weiß diese Dame von Mode und von meinem Geschmacksempfinden. -Eigentlich brauche ich keine Hosen. Jetzt nicht mehr! Und die besten Jeans hängen bereits in meinem Kleiderschrank, ohne sie jemals getragen zu haben.

Schuhabteilung. Da findet Yvonne natürlich auch keine Schuhe. Aber sie macht eine Entdeckung. Schau, schau drüben bei den bunten Schals, ist doch mein Retter, der mich bei dem schrecklichen Gewitter nach Hause gebracht hat. Der Wirtschaftsanwalt. Mit ihm eine Frau, einen halben Kopf größer als er. Mit so was geht er shoppen? Das muss man abstellen. Am besten gleich morgen.

„Büro Dr. Drossbach. Was kann ich für Sie tun?“

„Bitte Dr. Drossbach privat!“

***

Treffen in einem teuren Restaurant.

Vorstellung im Nationaltheater.

Plauderabend in der Champagner-Bar.

Zwei Wellness-Weekends in Fünf-Sternehotels.

Yvonne steht vor dem Standesbeamten. Alfred Drossbach zieht ihr den Ring über den Ringfinger. Yvonne ist nun Frau Drossbach.

Die Warnungen der „Mädels-Mädchenrunde“ waren zwecklos. Es ist jedes Mal so. Yvonnes Blitzentscheidungen enden stets in einem Fiasko.

Kaum ein Jahr hält die Ehe. Aus dem Traum wird ein Albtraum. Das Karten-Haus bricht zusammen. – Nicht sofort. Alfred überrascht mit einer Idee. Eine Traumschiff-Karibikreise soll die Beziehung retten. Palmenstrände, elf Inseln, kristallklares Wasser, ein Taucherparadies, exotische Natur, ein schwimmendes Luxushotel, Bordunterhaltungsprogramm, internationale Künstler, Mitternachtsüberraschungen.

Flug nach Miami. Ausgangspunkt der Kreuzfahrt. 11 Stunden Flugzeit. Für Yvonne ein Horror. Alfred hat wenigstens Business-Class gebucht. So kann Yvonne eine bessere Flasche Rotwein bestellen, um das sterile Essen hinunter zu spülen. Sie attestiert dem Getränk eine positive Note und nickt nach der halben Flasche ein.

„Meine Damen und Herren“, tönt es aus den Lautsprechern, „wir durchfliegen eine harmlose Turbulenz, schnallen Sie sich bitte an und stellen Sie die Rückenlehne senkrecht, danke.“

Yvonne schreckt auf. „Sind wir schon im Landeanflug?“ „Nein, meine Liebe, du kannst noch rund vier Stunden weiterträumen“.

Miami. Vom Airport zum Hafen der großen Kreuzfahrtschiffe muss das Ehepaar Drossbach eine einstündige Fahrt unternehmen. In einem Taxi, das sicher 800 000 km gefahren ist und sich in einem jämmerlichen Zustand befindet. Alt. klapprig, hässlich, ohne Federung für die schlechten Straßen.

„Alfred, wo hast du ein Thomapyrin? Mein Kopf brummt und bei jeder Bodenwelle glaube ich, ich muss kotzen“.

Die Eincheckzeremonie dauert ewig. „Kein Wunder“, stellt Yvonne fest, „die Passagiere scheinen zum Großteil aus den Pensionistenclubs zu kommen und finden sich nicht zurecht. Wenn die freundlichen Stewards nicht eingreifen, warten wir noch morgen.“

In der Seefahrt gibt es keine festen Fahrpläne. Es heißt immer „due to arrive“, das bedeutet, wann das Schiff ankommt, ist es da.

Käpt’ns Dinner. Ein Highlight jeder Seereise. Festlich geschmückter Speisesaal. Live Musik.

Eine hübsche und talentierte Sängerin. Vorzügliches Essen. Der Abend lebt. Yvonne und Alfred sitzen in der Nähe des Kapitäns und seiner Offiziere.

„Die Knaben am Kapitäntisch sind auch nicht die jüngsten“, nörgelt Yvonne. Alfred lächelt, „sie passen zu den Gästen, die eine erfahrene und gesetzte Crew erwarten.“

Dieser Alfred, denkt Yvonne, ist der größte Fehlgriff meines Lebens. Wie hab ich das nur ein Jahr ausgehalten?

Alfred schlürft ein Dutzend Austern, laut und unappetitlich. Auch das noch. Yvonne dreht sich bewusst von Alfred ab in eine andere Richtung. Es nähert sich ein Paar um die 30. Sie ein Typ Model. Er ein Mann. Nein, ein Mann wie Adonis, ein Halbgott, mit der Ausstrahlung eines Jaguars, wild und aggressiv. Auf ihn habe ich gewartet.

Das Paar geht an Yvonnes Tisch vorbei. Hat Adonis mich nicht beachtet, fragt sich Yvonne, warum nicht gelächelt. So ein Mann lächelt keine Frauen an, er nimmt sie mit einem Schlag.

„Was meinst du, Yvonne, wollen wir nicht in unsere Kabine, wohin ich eine Flasche Pommery geordert habe?“ Alfred steht auf. „Kommst du?“ Yvonne ganz benommen: „Ich bleibe noch ein wenig.“ Yvonne schaut Alfred kopfschüttelnd an und fühlt, wie er meilenweit weg ist von „ihrem Adonis-Jaguar“, dem Sinnbild für Leben und Zukunft.

Yvonne kann in dieser Nacht nicht schlafen. In ihrer Phantasie öffnet sich die Bühne ihrer Wünsche und Begierden. Adonis und sie sind in einem Himmelbett, sie lieben sich, sie erstürmen sich, sie kratzen sich, sie beißen sich. Yvonne erlebt alle Wünsche in einer Art „Vorwegnahme“ der Realität, die sie in den nächsten Tagen disponieren möchte.

Früh am Morgen schlüpft Yvonne in ihren engen, schwarzen Badeanzug, der nur die körperlichen Vorteile zeigt, die Nachteile aber vertuscht. „Ich gehe schwimmen“, und sie verlässt die Kabine.

Rund um den Pool sind wenige Liegestühle besetzt. Welche Seite wird Adonis wählen? Ob er überhaupt zum Schwimmen kommt? Er muss! Und er kommt. Doch er lässt sich gegenüber von Yvonne nieder und hat wieder die „Model-Badenixe“ mit.

Er tritt ans Becken, holt Schwung und Luft. Yvonnes Schläfen pochen. Sie sieht ihren Jaguar nackt, muskulöse Brust, durchtrainierter Bauch, kräftige Oberschenkel. Plupps! Er köpft ins Wasser. Sofort hechtet Yvonne in den Pool, direkt in seine Bahn, um eine Kollision der Körper zu erzielen. Ob zufällig oder absichtlich, Adonis kann geschickt ausweichen. Yvonne taucht auf und stellt den Fehlschlag fest. Macht nichts, das Spiel hat begonnen, das wird Adonis nicht übersehen.

„Störe ich?“ Fragt Alfred. Yvonne dreht sich um und hätte ihm gerne ins Gesicht geschleudert: „Ja, du störst mich, seit ich dumme Gans JA vor dem Standesbeamten gesagt habe, lass mich für immer in Ruhe!“

„Schon gefrühstückt?“ „Im Badeanzug?“ Die Aversion wächst. Was wird er fragen, wenn ich ihn vor vollendete Tatsachen stelle?

Nach zwei Croissants und einer Tasse Kaffee ist Yvonne wieder auf dem Weg zum Pool. Nanu, inzwischen sind die meisten Liegestühle besetzt.

Wink des Schicksals? Auf zur Jagd. Sie lässt sich neben dem Liegestuhl von Adonis nieder, der mit seinem rotblauen Badetuch belegt ist. Aber wo ist Adonis? Adonis ist jedenfalls da. Und ohne seine Nixe. Yvonne kreuzt lasziv mehrmals die Beine, von links nach rechts, von rechts nach links und beginnt mit der Zeremonie des Eincremens. Tollpatschiger als Yvonne sprüht und schmiert niemand, das muss doch auffallen.

Adonis bietet seine Hilfe an. Endlich. Er ist am Haken. Seine Rückenbehandlung empfindet Yvonne als erotisches Vorspiel.

Yvonne hat sich vorbereitet. Nach einem gepflegten small-talk zieht sie eine kleine Show ab, die Mitleid erregen und ihre Sehnsucht nach Glück und Liebe darlegen soll. Das müsste doch Emotionen in jedem Mann wachrufen! Es läuft gut, bis ein Animateur mit einer Namensliste in der Hand Adonis, der in Wirklichkeit Jean-Jacques heißt, ihn zu einem Volleyball Match einlädt.

Sorry. Beiden, Yvonne und Jean-Jacques ist das nicht recht.

„Möchten Sie nicht das Match ansehen? Kennen Sie das Spiel und die Regeln?“ Fragt Jean-Jacques. „Und ob“, ereifert sich Yvonne. Natürlich hat sie keine Ahnung. Macht nichts. Sie sitzt am Rand des Spielplatzes und will nur miterleben, wie ihr Jaguar der schnellste aller Spieler ist, wie er höher springt, wie seine Bälle unerreichbar sind. Warum die wenigen Zuseher applaudieren, kann sie nicht ermessen, schreibt es aber Jean-Jacques zu.

Yvonne rechnet, dass ihre Konversation nach Spiel Ende weitergeführt wird. Da steht auf einmal Jean-Jacques Freundin da und holt ihn ab. Wieder Tiefpunkt auf der Hochschaubahn des Glücks.

In Martinique sind Landausflüge geplant. Die eine Gruppe fährt an den Strand, die andere in die Stadt. Yvonne zieht das Glückslos. Sie fährt im Bus mit Jean-Jacques, der dort ohne Nixe sitzt. Sie nimmt neben ihm Platz und kann sich ungehemmt auf ihren Traummann konzentrieren.

Jean-Jacques will Yvonne zum Sport animieren. Nein, sie legt sich in den Sand und genießt die Akrobatik, die Jean-Jacques mit dem Surfbrett zustande bringt. Er ist DER Mann für sie.

Nachmittag kehren die beiden in eine der zahlreichen Strand Tavernen ein, verkosten typische Snacks der Insel und lassen sich exotische Drinks schmecken. In dieser Atmosphäre kommen sich Yvonne und Jean-Jacques nah und näher. Endlich! Yvonnes Blutdruck steigt auf 200. Und das Horn des Schiffes drückt ihn mit drei Hupen wieder unter 100. Das Zeichen zur Rückkehr aufs Schiff!

Yvonne sagt sich leise das Sprichwort von Oscar Wilde vor: „Am Ende wird alles gut. Wenn es nicht gut wird, ist es noch nicht das Ende.“ Leider ergibt sich auf dem Schiff keine Gelegenheit für ein Rendez-Vous, wo sie allein und ungestört sind.

Die kommenden Tage vergehen, ohne dass Yvonne und Jean-Jacques Gelegenheit haben, wenigstens ein Lächeln oder eine Geste der Sympathie auszutauschen.

Yvonne befindet sich an Deck und betrachtet enttäuscht die Unendlichkeit des Meeres. Sie spürt hinter sich jemanden stehen. Jean-Jacques. Er legt beide Hände auf ihre Schultern. Ihr Herz rast wie verrückt. Es ist schon leicht dämmrig, sie sind allein. Sie strahlt ihn an. Jetzt würde er ihr sagen, sie sei die Frau seiner Träume.

Jean-Jacques holt tief Luft, blickt ihr verzweifelt in die Augen: „Ich muss es dir sagen, sonst werde ich wahnsinnig!“ „Ja! Ja bitte. Ich halte es auch nicht mehr länger aus!“

„Dein Mann schläft mit meiner Freundin! Sie behauptet, er sei der tollste Mann der Welt! Beim nächsten Stopp des Schiffes in San Lucia steige ich aus und fliege zurück nach Bremen.“

Yvonne rettet sich in die Bar, kippt zwei doppelte Kognak und brüllt: „Die Männer sind alle Teufel, sie gehören in die Hölle!“

Liebe und Glück - nur ein Augenblick?

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