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Der Preis der Kämpfe
ОглавлениеDer Prinz von Navarra drängte die Alten, doch endlich loszuschlagen. Er wollte weder Beratungen noch Ansprachen. Den Vertretern der Stadt hatte er auf ihre Begrüßung geantwortet: „So gut reden kann ich nicht, aber ich werde etwas Besseres tun — etwas tun!“
Endlich den Feind sehen, sich endlich rächen und zur Geltung bringen, endlich genießen!
„Das schreit zum Himmel, liebe Mutter, der König von Frankreich nimmt dir alle deine Besitzungen fort, und seine Truppen unterwerfen unser Land. Ich will kämpfen! Fragst du noch für wen? Für dich!“
„Den Brief an das Gericht in Bordeaux hat meine gute Freundin Katharina sich ausgedacht; es soll mich aller meiner Besitzungen verlustig erklären. Ich werde hier gefangengehalten, behauptet sie — als ob sie selbst das nicht vorhätte mit mir! Nein, dies ist eine Zuflucht und kein Kerker, wenn ich auch die Stadt nicht verlassen kann und verzichten muß auf den Genuß aller meiner Güter. Das Opfer sei Gott gebracht! Ja! Geh und besiege seine Feinde! Für ihn kämpfe!“
Hierbei faßte sie sein Gesicht in ihre beiden abgezehrten Hände. Es hatte Formen und Züge gleich den ihren; seine hohen schmalen Brauen, sanften Augen, klare Stirn, die dunkelblonden Haare, der feste kleine Mund, diese ganze magere Jugendlichkeit ahmte, von der anderen Seite des Lebens her, ihren Verfall nach. Aber er war gesund und wohlgeformt, seine Schultern und die Brust entwickelten sich, obwohl er nicht hoch zu wachsen schien. Seine Nase war zu lang, vorläufig senkte sich die Spitze nur wenig.
„Ich lasse dich fröhlich ziehen“, erklärte Jeanne mit der tiefen, klangreichen Stimme, die sie bekam, wenn sie über sich selbst hinausging. Erst als er fort, ganz fort war, er laubte sie sich, heimlich zu weinen, in Tönen wie ein Kind.
Nicht viele weinten öffentlich in der Stadt La Rochelle, als das Heer der Hugenotten aus dem Tor zog. Sie freuten sich, weil die Stunde Gottes und seines Sieges nahe war. Die meisten Männer hatten ihre Lieben in der Ferne, waren ihnen entrissen und hofften fest, sie zurückzuerobern. Das ist eine Erlösung, in einen solchen Krieg zu ziehen!
Nun kam es aber, daß die von der Religion geschlagen wurden. Zwei schwere Niederlagen brachte das katholische Heer ihnen bei, und dies, obwohl sie an Zahl nicht schwächer waren; auf jeder Seite standen dreißigtausend. Die Protestanten bekamen Zuzug aus dem Norden wie aus dem Süden Frankreichs. Sie durften ferner hoffen auf die Prinzen von Orange und Nassau und auf den Herzog von Zweibrücken. Der Glaube kannte keine Grenzen von Land und Sprache, und wer für die Wahrheit ist, der ist mein Bruder und Freund. Trotzdem wurden sie zweimal schwer besiegt.
Es kam, weil Coligny zu langsam war. Er hätte viel stürmischer seinen fremden Verbündeten entgegenrücken müssen, um den Krieg ins Innere Frankreichs zu tragen. Statt dessen ließ er sich vom Feind schon überraschen, als er noch gar nicht weit gekommen war, rief Condé zu Hilfe und opferte den Prinzen vom Geblüt, damit nur das Heer entkam. Bei Jarnac, durch einen Schuß aus dem Hinterhalt, fiel Condé. Die Freude war groß in der Armee des Herzogs von d’Anjou, der Leichnam wurde auf einer Eselin umhergeführt, damit alle Soldaten ihn sähen und die Ausrottung aller Protestanten für nahe hielten. Besser begriff Henri von Navarra, der Neffe des Toten, was Gott vorhatte. Jetzt kam er selbst dran, er wurde ein Führer.
Er hatte bisher zu Pferd gesessen, sonst nichts, aber es war viel. Dem Feind entgegenreiten, völlig schuldlos, rein und neu, während jener voller Sünden ist und bestraft werden soll. Das ist seine Sache, um so schlimmer für ihn, wir sind den ganzen Tag, fünfzehn Stunden, in Bewegung, ohne abzusitzen, herrlich, unermüdlich, und fühlen den Körper nicht. Der Wind nahm ihn auf, er flog, die Augen wurden immer heller und schärfer, er sah so weit wie nie vorher, weil er jetzt einen Feind hatte. Aber der war plötzlich nicht mehr nur im Wind und in der Ferne. Er kündete sich an, eine Kugel kam geflogen. Der Nachhall des Schusses ist schwach, die Kugel aber liegt wirklich am Boden, schwer und aus Stein.
Am Beginn jedes Gefechtes hatte Henri Furcht, er mußte sich damit abfinden. „Wenn wir keine Furcht kennten“, sagte ihm ein Pastor, „könnten wir sie auch nicht überwinden zur Ehre Gottes.“ Henri beherrschte seine Erregung und stellte sich auf denselben Platz, wo der erste gefallen war. Das hatte auch sein Vater Antoine getan und war getroffen worden. Ihn traf keine Kugel, seine Furcht war fort, und er ritt mit den Seinen, um die feindliche Artillerie zu umgehen. Wenn es gelang, das waren noch Streiche!
Jetzt war sein Onkel Condé nicht mehr da, dem unbesorgten Jungen wurde auf einmal Ernst und Verantwortung aufgeladen. Seine Mutter Jeanne eilte herbei, sie selbst stellte ihn den Truppen als Führer vor, der Kavallerie zuerst und dann der Infanterie. Henri schwur bei seiner Seele, seiner Ehre und seinem Leben, er werde die gute Sache nie verlassen, und ihm wurde zugejubelt. Dafür mußte er, anstatt nur durch den Wind zu reiten, auch im Rat sitzen. Das wäre ermüdend gewesen, wenn es nicht die guten Witze gegeben hätte. Ein Brief an den Herzog von d’Anjou machte ihm viel Vergnügen. So hieß jetzt der zweite noch lebende Sohn Katharinas, früher nur Monsieur genannt, auch ein Henri, einer der drei Henris aus der Schulzeit in Paris. Jetzt standen sie gegeneinander im Feld.
Dieser Henri hatte ihm hochmütig und belehrend geschrieben über seine Pflicht und Schuldigkeit gegen das Königreich. Das wäre noch hingegangen, aber der gesuchte Ton — entweder ein Sekretär, der ein Fremder sein muß, hat das mühselig stilisiert, oder Henri Monsieur, wenn er es selbst ist, weiß sich nicht mehr zu lassen vor lauter Geziertheit und Überzüchtung, wie seine Schwester Margot! Der Prinz von, Navarra verhöhnte in seiner Antwort die ganze feine Familie. Der Schreiber hätte sich ausgedrückt wie ein Ausländer, die landläufige Sprache des gemeinen Mannes kennte er nicht. Na, und die gute Sache ist doch natürlich dort, wo man richtig französisch spricht!
Henri berief sich auf die Sprache und den Stil. Damit verriet er etwas, das ihm nicht bewußt wurde: er selbst kam von anderswo, und seine ersten Laute waren nicht ganz diese gewesen. Inzwischen hatte er die Redeweise des Hofes, der Schule, endlich aber die der Soldaten und des Volkes erlernt, und das war seine liebste. „Das Französische ist die Sprache meiner Wahl“, sollte er später ausrufen, als er schon wieder wußte, wie es um ihn stand. Jetzt wollte er vielmehr glauben, daß es seine erste und einzige gewesen wäre. Er schlief mit seinen Leuten im Heu, wenn es grade so kam, zog auch die Kleider nicht aus, wusch sich nicht viel öfter als sie, roch und fluchte wie sie. Einen gewissen Vokal bildete er noch immer anders als sie, aber das wollte er nicht merken, hatte auch vergessen, wie damals auf dem Schulhof die beiden anderen Henris sich anstießen und ihn belächelten, weil er dem Wort Löffel einen falschen Artikel heigab. Noch immer gebrauchte er den falschen.
Manchmal erkannte er klar die Fehler in der Kriegführung, die Coligny machte. Das war, wenn die Lust zu leben und zu reiten den Jungen nicht völlig hinriß. Gewöhnlich schien es ihm wichtiger, sich zu schlagen, als die Schlacht zu gewinnen, denn lang und fröhlich war das Lehen. Vor dem Admiral, einem alten Mann, mußte man Ehrfurcht haben, denn er hatte den Krieg erlernt; und erst die Niederlagen, die Siege und die Jahre, alles zusammen ergibt das Wissen. Dem Kriegsgott in Person, mit der Maske eines tragischen Denkmals, vertraute Henri keine Zweifel an, besprach sie nur mit seinem Vetter Condé, dem Sohn des gefallenen Prinzen vom Geblüt, den Coligny geopfert hatte.
Sie waren einig in dem Punkt, der allein die Jugend zusammenführt: der Alte hat seine Zeit gehabt. Ihm gelingt nichts mehr — und wenn wir es schon besprechen: was ist ihm im Grunde jemals zum Vorteil ausgeschlagen? Versündigen wir uns nicht! Er hat Frankreich, wie alle Alten sich erinnern, gerettet einst in Flandern — wie hieß die Stadt? Die Guise hatten den Krieg damals gewollt gegen Philipp von Spanien, unseren angestammten Feind. Es sind alte Geschichten, vor unserer Zeit geschehen, wer kennt sie noch genau? Der Herr Admiral hatte abgeraten von dem Feldzug, im letzten Augenblick verhütete er dann die Niederlage, persönlich schloß er sich in die unbefestigte Stadt ein; aber wer wird belohnt? Nicht er, sondern die Guise, die Schuldigen an dem Krieg. Das ist noch schlimmer, als wenn er jenen Platz — ah! Saint Quentin hieß das Nest — lieber gleich den Spaniern übergeben hätte. Wer keinen Erfolg hat —
Was wahr ist, soll es bleiben: er nahm zu seiner Zeit Boulogne den Engländern fort. Das weiß man noch. Er hat eine französische Flotte befehligt, und als ich von den Steinen in La Rochelle hinüberblickte nach der Neuen Welt, mußte ich denken, daß als erster von allen Franzosen Herr Admiral Coligny es unternommen hatte, eine französische Kolonie zu gründen. Vierzehn Emigranten mit zwei Pastoren segelten nach Brasilien, und natürlich wurde nichts daraus. Es ging ihm wie mit dem meisten andern: er tat das Beste und verlor. Wer nun einmal erfolglos ist —
Er hat doch oft gesiegt — ja; aber es waren Siege gegen den König von Frankreich, den er immer nur versöhnen wollte mit seinen protestantischen Untertanen und nur befreien wollte aus den Händen der Guise. Daher mußte der Herr Admiral jedesmal faule Verträge schließen, und der Krieg fing von vorn an. Seine Mäßigung wollte beweisen, daß er zuletzt doch kein Aufrührer gegen den König sei — und doch hat er Karl den Neunten sogar gefangennehmen wollen, und der vergißt ihm nie, daß er hat fliehen müssen. Entweder ist man in Gottes Namen ein Aufrührer gegen den König oder man führt nicht erst Heere nach Paris — und läßt sich nicht an der Nase herumführen, anstatt die Hauptstadt des Königreiches einzunehmen, zu plündern und den ganzen Hof glatt niederzumachen! Statt dessen erscheint, sooft es für den Hof schlecht steht, ein königliches Edikt, das die Glaubensfreiheit den Protestanten zusichert, aber schon tags darauf wird es gebrochen. Und hielte man es selbst ein, wieviel ist für unsere Glaubensbrüder denn gewonnen? Zwanzig Meilen muß ein Hugenotte reiten oder laufen, wenn er zum Gottesdienst will: so wenig Bethäuser sind ihnen erlaubt. Ich mag das nicht, wenn einer vergebens siegt.
Natürlich ist er ein ausgezeichneter Feldherr und Glaubensheld. Wir von der Religion sind eine Minderheit, und fürchten sie uns dennoch, so fürchten sie den Herrn Admiral, und schicken sie uns Unterhändler, dann fragen uns diese: Wißt ihr wohl auch, daß ihr keine Bedeutung hättet für den Hof, außer durch den Herrn Admiral? Nun aber sieh ihn dir an, was ihm selbst an Gewinnen übrigbleibt nach einem Leben der wohlgemeinten Anstrengungen. Bis zu seinem alten Sieg von Saint Quentin, der ihm so übel bekam und seinen Feinden, den Guise, so gut, soll er ein mächtiger Günstling gewesen sein. Der verstorbene König lebte, er liebte Coligny, machte ihn reich, noch hatte Madame Catherine nichts zu sagen, und ihr Sohn Karl war ein Kind. Das waren seine Glanztage, wir waren nicht dabei. Jetzt sind auch wir dabei, was aber geschieht eben jetzt, da wir sprechen? Sie versteigern in Paris seine Möbel, die sie fortgeschafft haben aus seinem Schloß Châtillon, und das ist von ihnen angezündet. Sie haben ihn verurteilt, als Aufrührer und Verschwörer gegen den König und seinen Staat gehängt und erdrosselt zu werden auf dem Grèveplatz. Sein Besitz ist eingezogen, seine Kinder sind für gemein und ehrlos erklärt, und wer ihn ausliefert lebend oder tot, bekommt fünfzigtausend Taler. Wir Jungen müssen uns wirklich vor Augen halten: der Herr Admiral hat dies alles erwählt um des wahren Glaubens willen und hat sich erniedrigt zum Ruhm Gottes. Denn sonst wäre es unverzeihlich!
„Er hat den alten Herzog von Guise ermordet. Das wenigstens tat er für sich selbst, und eigentlich gefällt es mir von ihm am besten. Man soll sich rächen“, meinte der junge Condé. Sein Vetter Henri erwiderte darauf:
„Mörder mag ich nicht leiden — und der Herr Admiral ist auch keiner. Er hat die Mörder nur nicht abgehalten.“
„Was sagt sein Gewissen dazu?“
„Daß es Unterschiede gibt“, erwiderte darauf Vetter Henri. „Mord begehen ist abscheulich. Mörder schicken ist unerlaubt. Sie nicht abhalten, geht vielleicht — obwohl ich nicht genötigt sein möchte, mich so zu benehmen. Der Kardinal von Lothringen sollte trotzdem ein Faß voll Wasser schlucken müssen. Nur er und sein Haus sind die Urheber alles Unheils in Frankreich. Sie verraten das Königreich an Philipp von Spanien, damit er sie auf den Thron setzt. Sie ganz allein machen uns Protestanten verhaßt dem König und dem Volk. Auch wollten sie Coligny töten lassen, sie selbst haben angefangen, und er kam ihnen nur zuvor. Er sollte es vielleicht nicht abstreiten. Ich meinerseits glaube, daß Gott ihm recht gibt.“
Condé widersprach, weil er nicht nur an die Ermordung des Herzogs von Guise dachte, sondern auch an seinen Vater, gefallen bei Jarnac, geopfert von Coligny. „Der Herr Admiral mochte meinen Vater nicht, der hatte ihm zu viele Liebschaften. Sonst hätte er nicht fallen müssen. Aber der Herr Admiral versteht sich mit seinem Gewissen zu einigen, und das lernst du wohl von ihm“, sagte der Junge herausfordernd.
„Der Tod deines Vaters war nötig für den Sieg der Religion“, erklärte Henri ihm mitleidig.
„Und für deinen! Seitdem bist du der Erste von uns Prinzen.“
„Das war ich schon vorher durch Geburt“, sagte Henri schnell und plötzlich scharf. „Leider nützt das noch nichts, wenn man kein Geld und mächtige Feinde hat; wenn man kämpft wie ein Flüchtling, den sie fangen wollen. Was tun wir, um das alles zu ändern? Greifen wir an? Ja, ich! Am fünfundzwanzigsten Juni, den vergeß ich nicht, es war mein Tag und mein erster Sieg. Aber kann ich dem Alten meinen ersten Sieg vorhalten?“
„Überdies war das Gefecht so unbedeutend. Der Admiral würde dir antworten, daß du dich bei La Roche Abeille zwar gut unterhalten hast, wir mußten uns aber doch in feste Plätze verkriechen und die Deutschen erwarten. Als aber die Reiter endlich ankamen?“
Condé wurde laut und böse.
„Da haben wir uns beeilt, so viele Truppen wie möglich der Königin von Navarra zu schicken, um ihr Land vom Feind zu säubern. Das büßen wir jetzt.“
„Du büßt gar nichts. Du hast alle Tage ein anderes Mädchen.“
„Du auch.“
Beide Jungen ließen die Zügel ihrer Pferde los und traten vor, um einander anzusehen bis ins Weiße der Augen. Condé zeigte sogar eine geballte Faust. Henri übersah sie; vielmehr warf er plötzlich beide Arme um den Hals des Vetters und küßte ihn. Dabei dachte er: ,Etwas neidisch, etwas schwach, aber doch wenigstens mein Freund, und wenn nicht, muß er’s werden!‘
Auch Condé umarmte seinen Vetter. Als sie sich trennten, hatte er trockene Augen, Henri aber hatte feuchte.
Die Entsendung von Truppen nach Béarn lohnte sich, denn dort siegten sie. Das mußte den Herren in Paris zu denken geben, meinte der Sohn Jeannes — und auch der Dame Katharina mußte schwül werden in ihrem alten Fett. Wir stehen mit dem größten Teil des Heeres in Poitou, auf halbem Weg nach der Hauptstadt des Königreichs, wir wollen es uns holen, wo es ist! Gleich!
Beide verlangten vorgelassen zu werden, und Coligny empfing sie, obwohl es ihm schwer wurde, ihnen ein festes Gesicht und unbeirrbares Gottvertrauen zu zeigen: zu viele Schläge des Herrn trafen ihn eben jetzt. Aber der Protestant erwies sich stark im Unglück, der Prüfungen bewußt, die er bestehen sollte. Niemand ging es an, welches Elend ihn ergriff, wenn er allein blieb, in einigen Stunden der Nacht, da sogar der Höchste nicht mehr zu erkennen war. Besonnen hörte er die erregten Jungen an.
Der Vetter war wilder als Henri. Ohne Höflichkeit verlangte er von Coligny den Marsch auf Paris. Er nannte ihn zaghaft, weil er keine Entscheidung suchte, sondern vor der Stadt Poitiers lag und sie nicht nehmen konnte. Inzwischen sammelte der Feind seine Kräfte.
Der Admiral betrachtete die beiden, den, der so stürmisch auftrat, und den, der schwieg und wartete. Der erfahrene Mann wußte genau, wessen Wille und Gedanke hier eigentlich laut wurde; daher richtete er seine Antwort nicht an Condé, sondern an Navarra. Er erklärte ihm, der Feind verlegte ihm den Weg in zu starken Stellungen, er selbst könnte nichts weiter suchen, als die Verbindung mit seinen nach Süden entsandten Truppen, und — hier erhob er den Finger — er müßte dafür sorgen, daß die fremden Reiter ihren Sold bekämen. Sonst liefen die ihm weg. Er selbst hatte schon seinen Familienschmuck geopfert, bevor er zuließ, daß die Reiter sich selbst ihren Sold holten. Dies verschwieg er. Ein Christ rühmt sich des Opfers nicht, und auch ein stolzer Mann nicht. Daher ließ Coligny den jungen Prinzen Henri reden und ihm Unrecht tun.
„Sie erlauben, das Land zu plündern. Herr Admiral, ich bin noch jung, ich kenne den Krieg nicht so lange wie Sie. So habe ich ihn mir nicht gedacht, daß Fremde, anstatt mit uns Schlachten zu schlagen, unsere Dörfer anzünden und unsere Bauern foltern, bis sie ihr Letztes hergeben. Die Nachzügler ihres Heeres werden vom Landvolk niedergemacht wie schädliche Tiere, wir hingegen rächen uns jedesmal furchtbarer an den Menschen, die unsere Sprache sprechen.“
„Aber unseren Glauben bekennen sie nicht“, erwiderte der Protestant mit der tragischen Stirn. Henri biß die Zähne zusammen, sie hätten sonst Worte herausgelassen — nur mit Schrecken hörte er sie in seinem Innern klingen, denn sie waren gegen die Religion.
„Das alles kann nicht Gottes Wille sein“, sagte er.
Coligny entschied:
„Was Gottes Wille war, mein Prinz, werden Sie am Ende des Feldzuges wissen. Jedenfalls hat der Herr mich noch für Taten aufgehoben: denn schon wieder fing die Wache einen Mörder, den die Guise mir geschickt hatten.“
Er selbst war seitdem gesonnen, diesen jungen Kritiker so fern wie möglich zu halten. Vor der Schlacht bei Moncontour, die er auch wieder verlieren sollte, entließ er beide Prinzen zu ihrer Sicherheit nach hinten, obwohl der eine tobte und der andere bittere Tränen vergoß. Nachher erschien wieder Jeanne d’Albret, und es wurde beraten. Das protestantische Heer war nach der neuen Niederlage um dreitausend Mann schwächer, ihm blieb nichts übrig, als nach Süden abzuziehen, anstatt daß sein kleinerer Teil zu ihm nach Norden gekommen wäre.
Jeanne brachte, wie immer, ihre Pastoren mit. Sie hatte geheime Unterredungen mit Coligny, darin wurde aus dem schon entmutigten Mann noch einmal der Siegreiche. Denn der Sieg, den wir in uns tragen, ist der erste, und der wirkliche Sieg folgt ihm auf dem Fuß; dessen vertraute Jeanne. Dann stimmten ihre Pastoren die Psalmen an, und das Heer wie sein Feldherr wußten sich fromm und stark.
Das nächste war ein Gewaltmarsch, der die beiden weitgetrennten Teile des Heeres tatsächlich vereinte. Hiernach aber durchmaßen die Protestanten das Land bis hinauf nach der Grafschaft Nevers. Von dem Augenblick an bedrohten sie Paris. Sogleich rührte sich der Hof. Indes das Heer noch vorrückte, verhandelten schon die Damen Katharina und Jeanne. Noch immer war das Heer in Bewegung, da wurde der Friede unterzeichnet, und das Heer stand still. Gewährt wurde durch diesen Vertrag die Gewissensfreiheit.
Henri freute sich mit seiner Mutter, weil er sie glücklich sah. Er war es sogar selbst, solange er nicht nachdachte. Er hatte aber während des Vormarsches krank in einer Stadt zurückbleiben müssen, damals hatte er Zeit gehabt, sich aller Greuel dieses Krieges zu erinnern, sie für immer zu befestigen in seinem Gedächtnis. Vielleicht war er auch nur erkrankt infolge der Greueltaten des protestantischen Heeres, so wie er früher einmal die Blattern zu bekommen schien, nur, weil er hatte katholisch werden müssen.
Seinen inneren Widerspruch hielt er vor dem Admiral nicht zurück. Er sagte:
„Herr Admiral, glauben Sie wirklich, daß Gewissensfreiheit einfach befohlen werden kann durch Verträge und Verordnungen? Sie sind ein großer Feldherr, sind dem Feind entgangen und haben den König von Frankreich in seiner Hauptstadt bedroht. Trotzdem wird das Volk der Provinzen, die wir unsicher gemacht haben, weiterhin sprechen von den Aufrührern, die Hugenotten heißen, und wird uns nirgends in Ruhe beten lassen, wo wir getötet und geraubt haben.“
Der Sieger Coligny erwiderte:
„Prinz, Sie sind noch sehr jung, und überdies lagen Sie krank, während wir uns durchschlugen. Die Menschen vergessen alles schnell, und nur Gott wird noch wissen, was wir für seine Sache tun mußten.“
Henri glaubte es nicht — oder um so schlimmer, dachte er, wenn auch Gott, wie er selbst, solche Bilder vor Augen hatte, unglückliche Menschen, die man in die Luft hängte, bis sie ihr Geld verrieten, und unter ihren Füßen war Feuer angemacht! Um nicht zu viel zu sagen, verbeugte er sich, und verließ den Sieger.