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O Gott, so zeige Dich doch nur!

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Es konnte sein, daß sie im Vorzimmer zu hören gewesen war; jedenfalls wurde die Tür aufgerissen, einige protestantische Herren erschienen darin und verkündeten, der Admiral Coligny sei im Hause, er ersteige die Treppe, er nahe, er sei angelangt. Alle machten Platz, und der protestantische Feldherr trat ein, er legte als Gruß die Hand auf die Brust. Der König von Navarra sogar neigte den Kopf vor diesem alten Mann und damit auch vor der Partei, die er führte. Wenn andere sie nur benutzten ihres Vorteils wegen, dieser hatte die uneigennützige Strenge eines Märtyrers, das stand auf seiner heftigen und traurigen Stirn.

Jeanne d'Albret umarmte den Admiral. Seiner hatte sie grade noch bedurft, um in die Begeisterung auszuschweifen. Sie rief nach allen ihren Leuten, ihren beiden Pastoren, ihren Kindern. Sie brachte ihren Sohn dem Admiral, der auf den Kopf des Knaben die rechte Hand legte und sie nicht fortnahm, solange der erste der Pastoren redete. Er sprach in Worten, die niemand mißverstehen konnte, vom Reich Gottes, das nahe bevorsteht. Wir kommen dran! Alle hörten es, ob es nun gesagt wurde oder nicht. Sie stießen einander in dem überfüllten Zimmer, jeder wollte nach vorn, schon zugreifen, schon haben, die ganze Macht, den ganzen Reichtum, und dies auch noch zur Ehre Gottes!

Der zweite der Pastoren stimmte einen Choral an. »O Gott, so zeige Dich doch nur!« Alle sangen dringend und erwartungsvoll, todesmutig und schon ihres Sieges sicher. Denn wo sangen sie so laut, wo behaupteten sie dreist ihre Sache? Im eigenen Hause der Könige von Frankreich! Sie konnten es wagen, sie wagten es!

Coligny erhob mit beiden Armen den Prinzen von Navarra über alle Köpfe, er ließ ihn dort oben einatmen für sein Leben, was vorging, was diese alle waren. Ein großes Bekenntnis wurde abgelegt von lauter gläubigen Helden. Henri war einverstanden und ergriffen, denn er sah seine liebe Mutter weinen und weinte mit. Sein Vater dagegen hatte, aus Furcht vor den Folgen der schönen Feier, alle Fenster schließen lassen; das machte die Luft im Zimmer fast unerträglich.

Dies alles waren recht gefährliche Überschreitungen der erlaubten Grenzen; Jeanne sah es nachher von selbst ein, ihr Gatte brauchte sie nicht lange zu warnen. Sie beschloß, der Königin Katharina jede beliebige Genugtuung zu geben, denn es bestand wenig Hoffnung, daß Madame Catherine von dem Vorfall nicht in Kenntnis gesetzt wäre. Als aber die beiden guten Freundinnen einander wiedersahen, erwies sich, daß die eine von dem ungehörigen Verhalten der anderen nichts wußte oder vorzog, darüber hinwegzusehen. Anstatt Jeanne Mißtrauen zu zeigen, bat die Königinmutter sie um Hilfe gegen ihre Feinde.

Die schlimmste Gefahr für das Herrscherhaus waren die Guise, das lothringische Geschlecht, das Anspruch auf den Thron machte. Jeanne begriff, daß dagegen die kleine Familie Bourbon für unschädlich gehalten wurde. Die Guise gaben sich weitaus katholischer als die Königin, auch waren sie reich. Beides begünstigte ihre Absichten; sie hatten angefangen, sich dem Volk von Paris als die Retter des Königreichs zu empfehlen. Die armen Könige von Navarra waren hier unbekannt, und sie kamen aus einer entfernten Provinz, die ketzerisch und ein Herd des Aufstandes war. Madame Catherine schnurrte wohlig wie eine alte Katze, sooft sie Jeanne d'Albret erblickte, und Jeanne fühlte sich gedemütigt, aber sie zeigte es nicht.

Sie war klug und ging auf alles ein, sobald die alte Katze wollte. Diese bohrte ein Loch in die Wand ihres Arbeitszimmers, dadurch sah und hörte sie, was Antoine von Bourbon und der Kardinal von Lothringen vielleicht gegen sie vorhatten; und Jeanne mußte mit ihr spähen und horchen, obwohl einer der Beobachteten ihr eigener Mann war. Indessen handelte es sich nicht um ihn, er wurde kaum gefürchtet; gerade das war sehr demütigend, aber Jeanne machte gute Miene. Furcht hatte die alte Katze vor dem Haupt des Hauses Guise, dem reichen Kardinal, der alle ihre Diener bestechen konnte, auch den Navarra. Diesem brauchte er übrigens nur die spanischen Pyrenäen zu versprechen, um sie ihm niemals zu geben; das kostete nichts.

Katharina und mit ihr Jeanne kamen hinter viele Ränke, denn der Kardinal empfing im Zimmer Antoines, das ihm am unverdächtigsten schien, noch andere Herren. Jeanne staunte über den Leichtsinn ihres Mannes. Wahrscheinlich verstand er nicht einmal alles; durch das Loch in der Wand sah sie ihm an, daß er mit seinen Gedanken bei einer Geliebten weilte. Das war ein Grund mehr für sie, ihm keinen Wink zu geben und ihre Freundin Katharina nicht an ihn zu verraten. Sie nahm sich sogar vor, es mit seiner Geliebten niemals zu einem öffentlichen Auftritt kommen zu lassen. Solche stille Selbstbeherrschung übte Jeanne; denn der Vorteil ihres Sohnes und der Religion verlangte, daß sie mit der alten Katze befreundet wäre.

Dennoch trat der schreckliche Fall ein, daß die Dame, eine Marschallin, ihr begegnete und sogar wagte, sich ihr vorzustellen, ja, einen Kuß zur Begrüßung erwartete sie. Jeanne ertrug es nicht, so vernünftige Vorsätze sie auch gehegt hatte. In diesen Armen, an dieser entblößten Brust lag in den Stunden, deren jede sie selbst immer älter und kränker machte, der einzige Mann, um den sie je gekämpft hatte! Empört starrte Jeanne in das Gesicht, das reizend und sogar lieblich war. Der ganze Betrug des Lebens stieg ihr in den Hals. Wenn sie es auch nicht gewollt hätte, sie drehte der Dame den Rücken und ließ sie stehen.

Die Marschallin aber nahm die Behandlung nicht hin und wich keineswegs. Während die Königin von Navarra andere begrüßte, stand sie dabei, ihr Gesicht war nicht mehr lieblich, und sie sagte laut genug:

»Du kehrst mir den Hintern zu, und küssen willst du mich nicht? Beim heiligen Johann! Um so weniger Küsse beziehst du von deinem Mann; die krieg alle ich!«

Jeanne umgab sich dicht mit ihren Freundinnen, um auf gute Art fortzukommen. Die andere war ein großes, drohendes Weib, ein Zusammenstoß hätte schlimm enden können. Mehrere Herren, die aufmerksam wurden, beschützten Jeanne auf der Flucht.

Aber erst nachher sah es aus, als ob der Vorfall ihr gefährlich werden sollte. Nie hatte sie ihren Mann so zornig gesehn, er sprach davon, sie zu verstoßen, sie einzusperren, und sie wußte, daß nicht allein seine Geliebte ihn aufhetzte. Das Loch in der Wand hatte sie davon überzeugt, daß der Kardinal von Lothringen mit dem armen Antoine machte, was er wollte, und sein Ziel war die Beseitigung Jeannes; dann hatte das Haus Guise keine Mitbewerber mehr, und die Protestanten verloren ihre Königin.

Jeanne begriff vollkommen, daß sie nur bei Madame Catherine ihr Heil suchen konnte. Durch das Loch wurde ihnen beiden bekannt, was die Freunde Antoines ihm einredeten: er könnte die junge Maria Stuart heiraten. Diese war die Witwe des verstorbenen ältesten Sohnes der Medici, eines ihrer Söhne, die nacheinander König hießen, während sie selbst regierte. Katharina war derselben Meinung wie Jeanne, daß diese Verbindung verhindert werden müßte. Sie konnte einen Mann im Haus nicht brauchen, wäre es auch nur der gute Antoine. Hinsichtlich seiner verstanden die Frauen einander.

Katharina wurde hierdurch sogar veranlaßt, sich an einen anderen Plan zu erinnern, die Verlobung ihrer Tochter Margot mit dem kleinen Henri von Navarra. Sie sagte offen, dies wäre der wahre Nutzen des Königreichs, einen Prinzen von Geblüt und den nächsten Verwandten des Hauses darin aufzunehmen und daran zu fesseln. Einer ihrer Astrologen hatte ihr eröffnet, es würde eine ihrer glücklichsten Handlungen sein. Leider war es zu früh, wegen der Jugend der Kinder. Die Königinmutter bezeugte Jeanne ihre Aufrichtigkeit durch eine Umarmung; aber in den Armen der alten Katze begann Jeanne zu zittern. Ihr war ein gewisses Gerücht über ihre gute Freundin eingefallen. Madame Catherine sollte einen Würdenträger vergiftet haben, damit sie seine Einkünfte für einen anderen frei bekäme. Im gleichen Augenblick sagte Katharina und machte die Umarmung etwas enger:

»Für meine Freundin bin ich zu allem fähig.«

Vielleicht war es Zufall. Jedenfalls belehrte dies Wort die Mutter Henris nochmals, wie sehr geboten es war, die Freundschaft dieser Frau um keinen Preis zu verlieren. Aber in ihrem Innern war zuviel Auflehnung gegen die eigene Einsicht, sie konnte niemals lange klug bleiben. Wenn Jeanne ihre wahre Gesinnung noch so fest im Herzen verschlossen hatte, plötzlich befreite die Wahrheit sich und wurde laut. Der Ton der schmächtigen Jeanne bekam dann etwas Herrisches und Hohes, weil sie im Namen der Religion sprach. Noch im Laufe dieses selben Gesprächs forderte sie, und vergaß dabei alle schrecklichen Gerüchte über Madame Catherine:

»Margot muß protestantisch werden! Sonst darf mein Sohn sie nicht heiraten.«

Sie wußte durchaus nicht, wie die andere es aufnehmen würde; aber die blieb genauso freundlich, sie wurde sogar noch vertraulicher. Sie gestand, daß sie überlegte, ob nicht auch sie selbst mit allen ihren Kindern zu der neuen Religion übertreten sollte! Die Protestanten wären vielleicht doch die Stärkeren und mit ihnen schlüge sie dann die Guise. Vom Glauben sprach sie gar nicht und Jeanne warf es ihr vor; aber die Predigt, die sie ihr hielt, berührte die gute Freundin Katharina nicht. Sie erwiderte einfach, es wäre besser, das Spiel nicht aufzudecken, und ihre gute Freundin Jeanne sollte nur fortfahren, die Pastoren bei geschlossenen Fenstern predigen zu lassen.

Hierbei öffnete sie ein Fenster und bat Jeanne, hinauszusehen. Im Garten vergnügten sich Margot und Henri. Er schaukelte das kleine Mädchen, es trug heute kein Prachtgewand, nur ein leichtes Gewebe, und das flatterte um sie her bei jedem Schwung der Schaukel. Henri hockte sich auf den Boden, ließ sie über sich hinfliegen und rief: »Jetzt seh ich deine Beine!«

»Du siehst sie nicht«, rief Margot hinunter.

»Wie die Sonne am Himmel«, beteuerte er.

»Das ist nicht wahr.«

»Und sie sind dick!«

»Halte sofort die Schaukel an!«

Er tat es nicht, sondern ließ sie von selbst ausschwingen. Margot stieg ab, nahm zuerst seine Hilfe an, und dann schlug sie ihm mit aller Kraft ins Gesicht.

»Das habe ich verdient«, sagte er und verzog vor Schmerz das Gesicht. Hierauf erfaßte er den Saum ihres Kleides und küßte ihn.

»Fang nicht wieder so an!« verlangte sie. »Du warst immer nur höflich und artig, das mag ich nicht. Heute zum erstenmal hast du richtig mit mir gesprochen.«

»Weil ich jetzt sicher weiß, daß du Beine hast wie die anderen Mädchen, aber schöner.«

»Nein, du weißt es noch nicht. Warte, bis wir beide größer sind!«

Hierauf schwieg sie, sah ihn nur an und bewegte dabei die rosige Spitze ihrer Zunge zwischen den Lippen. Ihr Gesicht hatte Farben wie ein auf Porzellan gemalter Pfirsich, nicht wie ein wirklicher. Der Junge unterschied niemals genau, ob sie ihn herausforderte oder abwies. Damit die Sache endlich klarwürde, fiel er über sie her und küßte sie gewalttätig. Margot verlor davon den Atem und lachte glücklich.

»Du kannst es besser als -«

»Wer?« fragte er und stampfte mit dem Fuß.

»Niemand«, sagte sie beleidigt.

Droben schloß Madame Catherine das Fenster, sie verhinderte dadurch Jeanne, hinunterzurufen.

»Unsere Kinder verstehen einander«, bemerkte die Dicke mit ihrer gutmütigen Ironie. Die Dünne war krankhaft erblaßt, aber noch immer beherrschte sie sich.

Die Folge war, daß sie ihren Sohn so eng an sich zog, als ob sie noch zu Hause gewesen wäre. Er hatte lange keine guten Lehren gehört, seine Mutter bearbeitete ihn jetzt wieder täglich, er sollte das Gefühl nicht verlieren, mit ihr auf feindlichem Gebiet vorzugehen, gegen alle, für die Religion: ihre Verteidigung, das Werben für sie, die Verhöhnung der Messe, der Heiligenbilder, was alles noch! Henri glaubte an seine Mutter; was sie sprach, nahm vor seinen Augen feste Gestalt an. Über Margot hatte sie ihm kein Wort gesagt, wahrscheinlich schämte Jeanne sich des Vorganges, den sie aus dem Fenster mitangesehen hatte, und verübelte es Katharina, daß sie ihn ihr gezeigt hatte.

Er aber begriff; sein böses Gewissen verriet ihm, was seine liebe Mutter meinte, und plötzlich erklärte er der kleinen Marguerite mit einem Gesicht, vor dem sie erschrak: von ihren Beinen könnte nie mehr die Rede sein, die würden in der Hölle braten! Sie sagte, daß sie es nicht glaube, in Wirklichkeit aber fürchtete Marguerite sich und fragte ihre Mutter um Rat.

Die Jugend des Königs Henri Quatre

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