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2. Die Begegnung

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Es war noch angenehm kühl, als Ronny Rieken an diesem Tag gegen halb sechs Uhr in der Frühe das Haus verließ. Jonas, sein anderthalb Jahre alter Sohn, die fünf Wochen alte Maren und Gerda, seine Frau, schliefen noch fest. Wie üblich hatte er sich Butterbrote geschmiert und seine Arbeitskluft angelegt, die blaue Latzhose und das karierte Flanellhemd. Alles sollte so aussehen, als fahre er wie gewohnt zur Arbeit. In Wirklichkeit war er der Arbeit schon seit fünf Tagen ferngeblieben. Das war die Rache. Die Rache dafür, dass sein Chef sich geweigert hatte, ihm eine Woche vor Monatsende einen Vorschuss zu zahlen. Dabei hätte er das Geld dringend gebraucht. Eine Autoreparatur hatte den Rest der Familienersparnisse aufgezehrt. Und die Vorräte im Haushalt waren aufgebraucht, so dass der monatliche Großeinkauf fällig geworden war.

O ja, die kategorische Weigerung seines Chefs, Entgegenkommen zu zeigen, hatte ihn geärgert. Furchtbar geärgert. Ohnehin hatte er das Gefühl, dass ihn die Leiharbeitsfirma, in deren Sold er stand, ausnutzte. Hinzu kam der weit entfernte Arbeitsplatz. Für die Fahrt von Elisabethfehn zur Ölraffinerie in Wilhelmshaven brauchte er gut anderthalb Stunden. Da ging ein Großteil des Lohns schon für den Sprit drauf – von der Zeitvergeudung durch die Fahrerei einmal ganz abgesehen. Die Arbeit an sich war nicht schlecht. Kühlwasserleitungen verlegen, Ventile reinigen, Rohre verschrauben. Alles mögliche. Was so an Bauschlosserabeiten anfiel. Denn obwohl er eigentlich Maschinenbauer war, hatte ihm die Leiharbeitsfirma einen Bauschlosserjob vermittelt. Kein Problem – wenn nicht diese verteufelt lange Fahrtstrecke gewesen wäre. Und dann eben die kleinliche Weigerung der Zeitarbeitsfirma, ihm den Vorschuss zu zahlen. Das war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hatte.

Seiner Frau hatte er nichts von seinem Privatstreik erzählt. Die hätte ihm nur Vorhaltungen gemacht, dass er leichtfertig seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setze und nicht an die Kinder denke, die versorgt werden wollten. Dieser Streiterei wollte er aus dem Wege gehen. Darum hatte er einfach so getan, als fahre er weiter brav zur Arbeit.

In Wirklichkeit fuhr er erst einmal zu seiner Mutter zum Frühstücken. Die wohnte im gleichen Dorf, nur ein paar Straßen weiter in einem Haus bei ihrem zweiten Mann Paul, Ronny Riekens Stiefvater – einem älteren Herrn, der mit ihm gern über die Metallverarbeitungsbranche fachsimpelte und somit ein recht gutes Verhältnis zu seinem Stiefsohn, dem gelernten Maschinenbauer, unterhielt.

Die beiden alten Herrschaften waren natürlich eingeweiht. Margot Rieken war stolz, mit ihrem Sohn ein Geheimnis zu teilen – stolz, dass ihr Ronny ihr mehr vertraute als seiner eigenen Frau.

Das kam ihr natürlich sehr entgegen. Für meine Mutter war immer schon klar, dass Gerda nichts taugt. Die hat doch jede Gelegenheit, genutzt, um mich zu warnen vor meiner Frau. Dass sie mich bloß ausnutzt, diese Schlampe. Ich konnte es schon nicht mehr hören, habe Gerda manchmal auch verteidigt. Aber letzten Ende ist wahrscheinlich immer irgend was hängen geblieben.

Dabei verstand sich Ronny Rieken im übrigen nicht schlecht mit Gerda. Er hatte sie schon gekannt, als sie noch zur Schule gegangen war. Nur über Fragen der Kindererziehung waren die beiden in jüngster Zeit gelegentlich aneinandergeraten – manchmal so heftig, dass sie nachts auch schon mal in getrennten Betten schliefen.

Ich konnte es einfach nicht mit ansehen, wenn sie den Kleinen geschlagen hat – und sei es auch nur auf die Finger. Ich hatte schließlich als Kind am eigenen Leibe erfahren, wie schlimm das ist, verprügelt zu werden.

Möglicherweise war er einmal sogar derart geschlagen worden, dass sein Nasenbein brach. Ein leichter Knick in der Nase blieb davon zurück, eine Missbildung, die ihm den Spottnamen »Krummnase« eingetragen hatte. Dabei hatte er ansonsten eigentlich keinen Grund, sich über sein Äußeres zu beklagen: schlank, sportlich dunkelblond – er musste sich nicht verstecken.

Doch die Heimlichtuerei mit der vorgetäuschten Fahrt zur Arbeit belastete ihn. »Ich werde es ihr heute Abend beichten«, sagte er darum an diesem Morgen seiner Mutter. »Irgendwann kriegt sie es sowieso spitz.«

»Unsinn, wie soll die das denn rauskriegen«, entgegnete seine Mutter.

»Die ist doch auch nicht blöd. Die muss sich doch bloß den Kilometerstand angucken.«

»Dann fährst du eben nach Wilhelmshaven, damit du auf die Kilometer kommst. Das Benzingeld will ich dir schon geben.«

Er war schon an den Tagen zuvor ziellos durch die Gegend gefahren, um Kilometer und Arbeitszeit vorzutäuschen. Auch an diesem Tag verließ er nach mehreren Tassen Tee gegen 10.30 Uhr das Haus seiner Mutter in Elisabethfehn und lenkte seinen mars-metallicroten Opel Omega mit der auffälligen Funkantenne am Heck in Richtung Oldenburg.

In Oldenburg steuerte er den Hafen an der Hunte an. Schiffe gucken. Auch mit den Matrosen plauderte er gern. Er war ja selbst noch vor einigen Jahren als Binnenschiffer die deutschen Wasserstraßen rauf und runter gefahren. Eine schöne Zeit, die aber natürlich der Vergangenheit angehörte – wie manches andere, was er in seinen 28 Lebensjahren schon so gemacht hatte.

Mit Blick auf die Schiffe und in Gedanken an Gerda verspeiste er an diesem Mittag auf einer Bank im Oldenburger Hafen geruhsam seine Butterbrote und beschloss schließlich, die Heimreise anzutreten. Da es noch zu früh war, wollte er aber nicht die Hauptstraße nehmen. Er entschied sich für die Nebenstrecke – immer am Küstenkanal entlang. Dabei hörte er Seemannslieder von Ronny. »Wo die Nordseewellen schlagen an den Strand …« Er kannte diese Schlager schon seit Kindheitstagen. Seine Mutter schwärmte für Ronny. Darum hatte sie auch ihren Sohn nach ihrem Lieblingssänger benannt. Genaugenommen ihre beiden Söhne. Denn bevor Ronny II geboren war, hatte es schon Ronny I gegeben, der bereits wenige Tage nach der Geburt gestorben war. Auf jeden Fall sah der Zweitgeborene keinerlei Grund, sich seines Namenspatrons zu schämen. Im Gegenteil. Auch ihm gefielen die Lieder. Und so hatte er neben aktuellen Pop-Hits immer auch etliche Kassetten mit Countryand-Western-Songs, Schlagern, Volksliedern oder Seemannsliedern von Ronny im Auto. Er konnte so schön abschalten dabei.

»Ick heff mol n Hamburger Veermaster sehn …«

Im Laufe des Tages war es immer heißer geworden. Um sich ein wenig Kühlung in seinem Opel Omega zu verschaffen, hatte er das Seitenfenster heruntergekurbelt. Das Funkgerät, das im Auto installiert war, war selbstverständlich abgeschaltet. Gerda hatte schließlich zu Hause auch eine Funkanlage, ebenso wie ihre Eltern, die ebenfalls in Elisabethfehn wohnten. Was, wenn sie ihn plötzlich auf dem Kanal hatten? Sein ganzes Lügengebäude wäre ja sofort eingestürzt.

Immer wieder musste er an das Gespräch denken, das er am Abend mit seiner Frau führen wollte. Er war es einfach leid, dauernd diese ausweichenden Antworten geben zu müssen, wenn sie ihn fragte, wie es bei der Arbeit gewesen war. »Ach, wie immer« oder »Heute war’s eigentlich ganz schön« hatte er immer herumgedruckst. Damit sollte Schluss sein. Aber wie konnte er Gerda schonend beibringen, dass er die Arbeit geschwänzt hatte?

»Auf der Reeperbahn nachts um halb eins,

ob du ’n Mädel hast oder auch keins …«

Erst halb drei. Die Zeit wollte einfach nicht vergehen. Er sah, wie sich auf dem Küstenkanal ein Schiff näherte, parkte, stieg aus und hockte sich an die Uferböschung, um den Kahn näher in Augenschein zu nehmen. Er sah, dass das Motorschiff Kies geladen hatte – wie manche der Schiffe, auf denen er einst auch gefahren war. Als der Kasten an ihm vorbeigezogen war, setzte er seine Autofahrt fort.

Zwanzig vor drei. Die Zeit kroch dahin wie eine Schnecke. Ganz gemächlich kurvte er mit seinem Opel durch die Straßen. Auf einem Aufkleber an der Heckklappe stand zwar großspurig » … tschüß Gti«, aber bei dem Tempo, das er an diesem heißen Nachmittag fuhr, hätte jeder Radfahrer mithalten können.

In der Nähe der Ortschaft Harbern bog er in einen Sandweg ein, den er bisher noch nicht gefahren war. Junge Birken und Eichen säumten den Weg, der zwischen Maisfeldern und Wiesen hindurchführte. »Dortmunder Moorweg« stand auf einem Schild. Es war so trocken, dass es staubte. Um die sinnlose Fahrerei ein wenig aufzulockern und etwas Zeit zu schinden, hielt er am Ende des Sandweges an, wechselte die Kassette und schaltete von Ronnys Seemannsliedern auf Ronnys Golden Hits um. Er zündete sich eine Zigarette an und schob seinen Ellenbogen aus dem Seitenfenster.

Da sah er, wie sich vom Kanal her eine kleine Kutsche näherte. Zwei Minipferde waren davor gespannt, winzige Ponys. Auf dem Kutschbock saß, wie er bald erkannte, ein Mädchen mit blonden Haaren. Der Anblick nahm ihn gefangen, erregte ihn.

Während Ronny »Hohe Tannen« besang, beobachtete er gebannt, wie das Mädchen mit seiner Kutsche nach einer Weile anhielt, abstieg, die Zügel ihrer Pferdchen ergriff und wendete. Zu Fuß neben der Kutsche hergehend, entfernte sich das Mädchen wieder von ihm.

Das wollte er nicht zulassen. Seine Erregung wuchs. Er wollte das Mädchen haben. Er fuhr hinter der Kutsche her, überholte sie auf der rechten Seite. Der Weg war schmal. So musste er sich mit dem Auto regelrecht an dem Kind vorbeizwängen. Als er ein kleines Stück vorgefahren war, hielt er an, drehte die Scheibe an der Fahrerseite herunter und wartete auf die Kutsche und das Mädchen. Die Luft im Auto war trotz des offenen Fensters stickig, völlig verqualmt.

»My Bonnie is over the ocean«, sang Ronny.

Aber Ronny Rieken hörte nicht hin. Er drückte seine Zigarette aus und starrte auf den Weg.

Als das Mädchen an seinem Auto vorbeiging, streckte er blitzschnell seine Hand aus dem Seitenfenster und packte das Kind. Er krallte sich in den Haaren des Mädchens fest. Im nächsten Moment sprang er aus dem Auto, wechselte den Griff und umschlang sein Opfer. Das Mädchen schrie und trat verzweifelt um sich. Dabei starrte es den kräftigen blonden Mann im Holzfällerhemd mit weit aufgerissenen Augen an. Bei dem Gerangel entglitten dem Mädchen die Zügel, so dass die Shetlandponys ihren Weg allein fortsetzten.

Doch Rieken, der sonst panische Angst vor Pferden hatte, achtete nicht auf die Ponys.

Da ist dann wieder dieses Programm abgelaufen, dieses – blöder Ausdruck, aber ich habe kein besseres Wort dafür – dieses altbekannte Programm, da gab es kein Zurück mehr.

Er zerrte das angststarre Mädchen zum Heck seines Autos, zwängte es mit dem Kopf zuerst in den Kofferraum, schlug die Klappe zu, setzte seine Fahrt fort. Mit hoher Geschwindigkeit raste er über den Feldweg in Richtung Konsorstraße. Er hatte das Mädchen natürlich nicht nach seinem Namen gefragt, wusste also nicht, dass es Ulrike hieß. Er interessierte sich auch gar nicht dafür. Er verspürte weder Mitleid noch Angst, beobachtet zu werden. Und als Ulrike im Kofferraum weinte, drehte er einfach die Musik lauter.

»Kleine Annabell,

musst nicht traurig sein …«

Wilde Fantasien schossen ihm durch den Kopf. Er stellte sich vor, was alles er tun konnte mit dem Mädchen, das er in seiner Gewalt hatte und dem er all seine Wünsche aufzwingen konnte. Nur ein Ziel war es, das er vor Augen hatte, als er zum Küstenkanal zurückfuhr: seinen rund zehn Kilometer entfernten Lieblingsplatz, eine kleine Uferwiese im Schatten von Bäumen und Büschen, nicht weit entfernt von der Tierkörperbeseitigungsanstalt Kampe. Oft schon hatte er hier geangelt und vor sich hin geträumt. Doch an diesem heißen Juninachmittag sollte es auf dem kleinen Wiesenstück nicht so beschaulich zugehen.

Bevor er das Mädchen aus dem Kofferraum zerrte, nahm er die Hälfte des Nylonstrumpfs, den er immer im Auto hatte. Schon einmal hatte sich eine Strumpfhälfte als Keilriemenersatz bewährt. Diesmal aber nutzte er den Strumpf auf andere, ebenfalls erprobte Weise. Er verband dem Mädchen damit die Augen.

Verzweifelt versuchte Ulrike sich zu befreien. »Lass mich los, lass mich bitte, bitte gehen«, flehte sie den Mann an. Und der versprach: »Wenn du ruhig bist, bringe ich dich zu deiner Kutsche zurück.«

Aber das sagte er nur so. Er breitete seine rote Wolldecke aus, begann, Ulrike auszuziehen. Als sie sich wehrte, versetzte er ihr eine derart harte Ohrfeige, dass sie sich nicht mehr zu regen wagte.

Jetzt forderte er sie auf, sich vor ihm hinzuknien. Wie berauscht kostete er ihre Ohnmacht aus, warf sie zu Boden, würgte sie mit ihrem T-Shirt, um ihren letzten Widerstand zu brechen.

Er zwang sie, sein Glied in den Mund zu nehmen, drang mehrmals in sie ein.

Dann war da auf einmal das Geräusch eines sich nahenden Autos. Er horchte auf, hielt inne. Auch das Mädchen musste das Auto gehört haben. Es riss sich los, sprang hoch und schrie. Doch schon im nächsten Moment hatte er es wieder gepackt, niedergedrückt und ihm den Mund zugehalten. Dann ging alles ganz schnell. Er ergriff die losen Enden des T-Shirts, das noch um Ulrikes Hals geschlungen war, und zog zu. Ganz fest. Er beobachtete, wie das Kind röchelte. Doch er ließ nicht locker. Erst als Ulrike nach zwei bis drei Minuten kein Lebenszeichen mehr von sich gab, ließ er los.

Daraufhin legte er den erschlafften Körper in den Kofferraum und fuhr weiter. Aber wohin? Nach und nach kam ihm zu Bewusstsein, was er getan hatte. Entsetzt von seinem eigenen Tun zündete er sich eine Zigarette an. Es war weniger Mitleid, das ihn quälte. Es war vor allem die Kinderleiche im Kofferraum, die ihn mit Sorge erfüllte. Was, wenn er in eine Polizeikontrolle geriet? Wahrscheinlich würden sie ja schon nach dem Kind fahnden. Es war klar, dass er die Leiche schnell wieder loswerden musste. Aber wie?

Um zur Ruhe zu kommen, drehte er die Musik lauter.

»Oh, my Darling, oh my Darling,

oh my Darling Clementine ….«

Er atmete durch, drückte seine Zigarette in dem überquellenden Aschenbecher aus und zündete sich gleich eine neue an, während er sein Auto durch Oldenburg in Richtung Osten steuerte. Irgendwann hatte er die Gemarkung des Dorfes Loy erreicht. Er kannte den Ort. Eine Tante von ihm hatte hier einmal gewohnt. Hinter Loy erstreckte sich ein Naturschutzgebiet, das Ipwegermoor, eine abgeschiedene Gegend. Er bog in einen Feldweg ein. Als er gerade ein passendes Waldstück entdeckt hatte und anhalten wollte, sah er in der Ferne einen Bauern über einen Acker tuckern. Um nicht beobachtet zu werden, setzte er seine Fahrt fort. Während er über einen Waldweg holperte, sog er hastig den Rauch seiner Zigarette ein, achtete nicht darauf, dass ihm die Asche auf die Hose fiel. Irgendwann hatte er die Gellener Torfmöörte erreicht.

Als er sich sicher wähnte, hielt er an einem Rastplatz für Wanderer und holte den Leichnam aus dem Kofferraum. Gut 500 Meter trug und schleifte er das tote Kind durchs Gestrüpp, bis er zu einer Senke kam, die von einem Hügel verdeckt wurde. Da er mittlerweile völlig verschwitzt und erschöpft war, beschloss er, die Leiche in der Senke abzulegen, von der er annahm, dass sie längst ausgetrocknet war – fälschlicherweise, wie sich später herausstellen sollte.

Er bedeckte die nackte Kinderleiche mit Laub, verbuddelte auch die Kleidung des Mädchens, hockte sich an den Grabenrand und rauchte zwei Zigaretten. Dabei ergriff ihn erneut Entsetzen über sein Tun. Wie hatte das nur passieren können? Was war bloß los mit ihm?

Da es noch zu früh war, nach Hause zurückzukehren, legte er einen Zwischenstopp an der Oldenburger Schleuse ein. Ein Frachtschiff, vermutlich mit Kohle beladen, schob sich heran. Er beneidete den Mann, der mit einer Pfeife in der Hand über das Deck schlurfte.

Für die Rückfahrt nach Elisabethfehn benötigte er eine knappe Stunde. Um abzuschalten, hörte er wieder Seemannslieder von Ronny.

»Rolling home, rolling home,

rolling home, across the sea …«

Als er gegen halb acht nach Hause kam, war das Haus leer. Gerda war mit den beiden Kindern zu Besuch bei Verwandten im Dorf. So war er noch ein bis zwei Stunden allein. Er zog seine Arbeitsklamotten aus und duschte. Lange und ausgiebig.

Immer drückender wurde ihm bewusst, was er getan hatte. Erst als Gerda mit den Kindern zurückkehrte, wurde ihm leichter zumute. Natürlich erzählte er seiner Frau nicht, was er am Nachmittag getan hatte – er war ja bei der Arbeit gewesen. Jetzt war er nicht in der Stimmung, sie über seinen Privatstreik aufzuklären. Bereitwillig wechselte er stattdessen Jonas die Windeln und spielte mit seinem kleinen Sohn. Auch am Tag darauf kümmerte er sich um den Jungen wie ein Bilderbuchvater. Tobte mit ihm auf dem Rasen vor dem Haus herum, schob Spielzeugautos durchs Haus, nahm Jonas zum Spaß den Schnuller weg. In Gedanken aber war er oft bei dem Mädchen mit der Ponykutsche.

Seine Frau berichtete später, dass er in dieser Zeit ungewöhnlich still, ja manchmal sogar geistesabwesend gewesen sei. Doch Argwohn schöpfte sie nicht.

Als Rundfunk, Fernsehen und Zeitungen über den Fall des vermissten Mädchens berichteten, hatte Ronny Rieken die Tat schon so weit aus seinem Bewusstsein geschoben, dass ihm war, als habe er gar nichts mehr damit zu tun.

Ronny Rieken

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