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Der tote Gast.

Heinrich Zschokke.

Vorwort

Joseph Heinrich Daniel Zschokke, geb. 22. März 1771 zu Magdeburg, entfloh von dem Gymnasium zu der Bühne, studierte dann, eroberte durch sein (vor-rinaldinisches) Schauspiel „Abällino, der große Bandit“ die bereits rinaldinische Bildung des damaligen Publikums, übernahm eine Erziehungsanstalt in Graubünden, wurde in Folge der Ereignisse von 1798 schweizerischer Staatsmann (dessen hochverdientes politisches Wirken als bekannt vorausgesetzt werden muss), versah eine Reihe höherer Ämter im Forst-, Berg-, Schul- und Kirchenwesen und entwickelte bis zu seinem Tode — 27. Juni 1848 — eine der vielseitigsten Tätigkeiten, die je ein Mensch ausgeübt hat, nicht bloß im praktischen Leben, sondern auch mit der Feder, und zwar als Geschichtsschreiber, Volksschriftsteller, Fachschriftsteller, Erbauungsschriftsteller („Stunden der Andacht“), Roman- und Novellendichter. Zwar einen Dichter im eigentlichen Sinn des Wortes kann man ihn kaum nennen; vielmehr ist es auch hier vornehmlich sein bewundernswürdiges praktisches Geschick, was ihn in den Stand setzte, jeder augenblicklichen Geschmacksrichtung des Publikums entgegenzukommen. Besonders in den kleineren Erzählungen zeigt er ein sehr mannigfaltiges Talent, rührend, nachdenklich oder lustig, aber immer behaglich zu unterhalten, eine Gewandtheit, die verschiedensten Töne, von der Art des Vicar of Wakefield bis zu Claurenscher Manier hin, anzuschlagen. Wenn in letzterer Hinsicht der sonst so gediegene Mann mitunter etwas frivol erscheint, so kommt dies fast mehr auf Rechnung der Zeit, als auf seine eigene, ist aber zugleich ein äußerst merkwürdiger Spiegel jener Zeit, die einem sonst so gediegenen Manne dergleichen Anforderungen stellen konnte. Vor Allem lehrreich ist es, sein „Tantchen Rosmarin“ mit H. v. Kleists „Marquise von O.“ zu vergleichen: beide Erzählungen behandeln einen ähnlichen hässlichen Stoff, die eine in erstaunlich leichtem, die andere im ernsthaftesten Sinn; und siehe, von dem ehrbaren Geschmack jener Tage wurde das leichte „Tantchen“ mit Entzücken, die herbe, tiefgründige „Marquise“ aber mit sittlicher Entrüstung aufgenommen! — Den meisten Beifall, wenn wir nicht irren, trugen von Zschokkes Novellen die „Abenteuer einer Neujahrsnacht“ davon, die jedoch heutzutage eine weit sorgfältigere Durchführung erfordern, dieselbe aber auch in der Tat verdienen würden. Ebenfalls mit guter Laune erfunden und weniger an Unwahrscheinlichkeiten leidend ist die Erzählung, die wir ausgewählt haben. Auf diese passt ganz, was Tieck von Zschokkes Art zu erzählen sagt: „Er erzählt gut und leicht, bisweilen sogar anmutig und nicht ohne Humor; er ist überhaupt ein leichtes und bewegliches Talent, aber kein tiefes.“ Trotz dieses nicht abzuleugnenden Mangels darf Zschokke in einer Mustersammlung deutscher Novellisten nicht fehlen.

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Deutscher Novellenschatz 11

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