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Kapitel 53 von Helen Carter

Das Taxi hielt vor dem Eiffelturm. Ivy hatte Jeff kurz vor ihrer Abreise eine SMS geschickt. Nun stand sie hier, mitten im Schnee um neun Uhr morgens, vor diesem imposanten Bauwerk. Doch so sehr sie auch den Eiffelturm bewunderte, er schaffte es nicht, sie von ihrer Nervosität abzulenken. Ivy musste auf die Toilette. Sie hielt inne und zwang sich, ruhig durchzuatmen. Eins ... zwei ... drei ... Einatmen. Eins ... zwei ... drei ... Ausatmen. Sie hatte ihre Augen geschlossen gehalten und hatte das Gefühl, dass sie nun etwas beruhigter war. Als sie die Augen öffnete, sah sie Jeff. Ihr Herz machte einen Satz.

Er sah aus wie ein riesiger schwarzer Schatten, der mit weit ausholenden Schritten auf und ab ging. Sie bemerkte auch den Soldaten, der Jeff aus dem Augenwinkel beobachtete.

Als müsse sie sich noch sammeln, verharrte Ivy in gewissem Abstand und beobachtete Jeff, wie er wieder stehen blieb, seinen Ärmel etwas zurückschob und auf seine Uhr schaute.

Plötzlich überfiel Ivy Panik. Sie wollte weg. Was, wenn er gerade aus dem Bett einer dieser vielen hübschen Französinnen gekommen war? Ihr Gesicht begann zu glühen. Sie ging einen Schritt rückwärts.

Dann trafen sich ihre Blicke.

Jeff schien zu erstarren, dann kam er mit langen Schritten auf sie zu, sicher und bestimmt.

Wie zur Salzsäule erstarrt stand Ivy im Schnee und blickte ihm entgegen. Jeff sagte kein Wort, sondern legte nur die Arme um sie. Fest. Warm. Entschlossen.

»Du bist da ... endlich!«, flüsterte er in ihr Haar.

Es war eine solche Erleichterung in seiner Stimme, dass sie beinahe weinen musste. Dann legte er seine Finger unter ihr Kinn und hob ihr Gesicht zu sich. Seine Augen wanderten über ihre Züge, als müsse er sich ihrer erinnern, die Details neu erfassen. Seine dichten Wimpern senkten sich über seine Augen, er neigte den Kopf und berührte ihre Lippen ganz sacht.

Mit allem hatte sie gerechnet, nur nicht mit dieser Sanftheit. Seine Lippen waren warm, sein Kuss süß.

Ivy war glücklich.

Jeff löste seine Lippen von ihren, doch sein Gesicht ruhte noch immer mit geschlossenen Augen an ihrer Wange. Der Duft seines Haares umhüllte sie und sie fühlte sich geborgen.

»Es kommt mir vor wie eine Ewigkeit, dass ich dich so gehalten habe ...«, flüsterte er und richtete sich auf. So zwang er Ivy, zu ihm aufzusehen. »Ich hatte schon ganz vergessen, wie verdammt gut sich das anfühlt!« Sein Gesicht leuchtete, seine Augen blitzten. Plötzlich überzog ein Schatten seine Züge. »Du frierst! Komm!« Er nahm ihre Hand und eilte zu einem nahegelegenen Taxistand. »Wir fahren ins Hotel. Da kannst du dich aufwärmen und wir können etwas essen, wenn du magst. Danach machen wir eine kleine Besichtigungstour. Einverstanden?«

Ivy nickte. Mit einem Mal war ihr Herz schwer geworden. Er freute sich so offensichtlich. War wie ein kleiner Junge, der sein schönstes Spielzeug vorführt. Und sie würde ihm dieses alles kaputt machen.

Sie saßen dicht beieinander im Fond des Taxis. Jeff hatte seinen Arm um Ivys Schultern gelegt und ihr Kopf ruhte an seiner Brust. Sollte, oder konnte, sie überhaupt dieses Glück zerstören, indem sie von den Fotos sprach? War es nicht besser, einfach den Mantel des Vergessens darüber zu breiten? Es zählte doch eigentlich nur das Jetzt und Hier, das Glück, das sie miteinander teilten.

»Wie war Amerika?«, fragte Ivy während sich das Taxi durch den dichten Innenstadtverkehr mühte.

Jeff zuckte mit den Schultern. »Ich weiß nicht ... Die Leute waren soweit okay, aber ich habe mich nicht wohlgefühlt.«

»Und wie sind die Typen von ›Metallica‹?«

Jetzt überzog ein breites Grinsen sein Gesicht. »Die? ... Die haben wir nur mal aus der Ferne gesehen. Sie haben uns zugewinkt.«

»Ich fasse es nicht«, erwiderte Ivy überrascht. »Hattet ihr nicht die Konzerte zusammen?«

Ein Ruck ging durch ihren Körper, als er mit den Schultern zuckte. »Sie kamen nachdem wir gespielt haben und waren in einem abgetrennten Bereich. Ashes sagte, er hätte Hetfield auf dem Klo getroffen und kurz mit ihm geredet. Das war alles.«

»Und denkst du, das Ganze hat sich gelohnt?«

Ohne zu überlegen, schüttelte er sofort den Kopf. »Wenn du mich fragst: Es war für den Arsch. Rausgeschmissene Kohle. Außerdem will ich gar keine große Nummer in den Staaten werden. Aber das wollte ich nie. Wenn man das will, muss man nach Amerika ziehen. Man muss sein ganzes Leben auf die einstellen, dazu habe ich keine Lust, bin dafür zu alt, zu eingefahren. Nein, ich bleibe hier und fühle mich wohl, so wie es ist.«

Ivy war nicht überrascht. Das, was Jeff vor der Tour befürchtet hatte, war eingetroffen. »Und Ashes?«, fragte sie.

»Keine Ahnung, aber ich hoffe, er ist geheilt.« Damit stieß er sein tiefes, kehliges Lachen aus, das mehr einem Vulkanausbruch ähnelte, als einem Lachen. »Und jetzt suchen wir uns ein Taxi und ich zeige dir das Hotel!«

Ivy erwiderte seinen langen, hungrigen Kuss.

***

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