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Die vier Wochen bis zu Ruperts Heimkehr vergingen wie im Flug. Über Ostern hatte Amanda die Ferienwohnung vermietet und danach brachte sie alles auf Hochglanz. Bei warmem Frühlingswetter putzte sie die Fenster, wusch alle Vorhänge und klopfte die gewebten Wollteppiche aus. Auch den Rest des Hauses unterzog sie einem gründlichen Frühjahrsputz und am Tag von Ruperts Rückkehr standen die Tulpen und Narzissen vor dem Haus in voller Blüte. Amanda kehrte mit einem Reisigbesen den Vorplatz und betrachtete ihr Werk. Das große, mit Holzschindeln angeschlagene Holzhaus wirkte richtig einladend mit seinen blank geputzten Fensterscheiben und den weißen, frisch gestärkten Spitzenvorhängen. Rund um das Haus zeigten sich die sanften Hügel in ihrem hellgrünen Frühlingskleid, geschmückt mit unzähligen gelben Löwenzahnblüten und auf den hohen Bergen in der Ferne lag noch Schnee, sodass sie strahlend weiß in den blauen Frühlingshimmel ragten.

Fini war mit Großmama nach Bregenz gefahren, um den Heimkehrer vom Zug abzuholen. „Von Bregenz herein kann er ja selbst fahren“, lachte sie, denn ihr Fahrstil war berüchtigt und Rupert bestimmt nicht gewillt, Beifahrer zu sein. Als die Kinder von der Schule heimkamen, halfen sie ihrer Mutter, den Tisch in der Küche zu decken und begaben sich dann vors Haus, um zu spielen und Ausschau zu halten. „Sie kommen“, hörte Amanda ihre Tochter jubeln und gleich darauf ertönte fröhliches Hupen. Schnell schaltete sie die Kaffeemaschine ein und lief zur Tür. Rupert stieg aus dem Auto, groß und hager, braungebrannt und mit kurzem Bürstenhaarschnitt. Er trug eine alte Jeans und ein khakifarbenes Hemd, dessen Ärmel er aufgekrempelt hatte. Die Kinder stürmten auf ihn zu und er hob die Kleinen lachend hoch. „Meine Güte, wie seid ihr groß geworden“, rief er aus. Dann stellte er Clemens und Margot wieder auf den Boden und ging auf Christof zu. Ihm klopfte er kameradschaftlich auf die Schulter. „Hey Chris, du hast mich ja schon fast eingeholt“, grinste er und damit hatte er auch zu seinem ältesten Neffen genau das Richtige gesagt. Jetzt strahlte er mit seinen blauen Augen Amanda an, die unter seinem Blick leicht befangen wurde. „Schön, dass du da bist, Rupert“, sagte sie freundlich und bat ihn ins Haus.

Während der Heimkehrer von den Kindern in die Küche geführt wurde, ging Amanda zum Auto, um Fini mit Großmama zu helfen, aber die alte Dame kam schon am Arm ihrer Tochter auf sie zu. „Na, was sagst du nun, Amanda?“, meinte sie selbstgefällig. „Ich habe ja immer gesagt, dass er bald zurückkommt.“ Amanda ersparte sich einen Kommentar, denn genau das Gegenteil war der Fall, und lächelte nur. Großmama hatte nicht das sonnige Gemüt ihrer Tochter und mit ihr zu streiten war sinnlos. Fini grinste belustigt und zwinkerte Amanda zu. In der Küche setzten sich alle um den Kaffeetisch und Rupert ließ sich die Nussschnecken und die Sachertorte mit Sahne schmecken. Als ihm seine Schwägerin die dritte Tasse Kaffee einschenkte, meinte er: „Danke Mandy, ich hab seit Jahren keinen so guten Kuchen mehr gegessen.“ Amanda wehrte sich nicht gegen die Verkürzung und Anglisierung ihres Namens. Rupert kam damit seit Jahren als einziger durch, sonst bestand sie immer darauf, bei ihrem vollen Namen genannt zu werden. Amanda sei schlimm genug, pflegte sie zu sagen. Großmama bemerkte, dass die Nussschnecken ihres seligen Gatten, des Bäckers Josef, noch weitaus besser geschmeckt hatten und Rupert meinte schmunzelnd: „Natürlich, Großmama, Meister Josef war der Beste aber gleich nach ihm kommt Amanda.“ Darauf verschluckte sich Fini an ihrem Kaffee, was ihr wieder einmal den Tadel ihrer Mutter eintrug.

Nach dem Essen holte Rupert zwei große Koffer aus dem Auto und verteilte Plüschtiere, Patschen aus Lammfell und einen lässigen Ledergürtel für Christof. Die Kinder bekamen außerdem Schweizer Schokolade aus dem Dutyfree-Shop, die Damen teure Parfüms und er selbst eine Flasche Whisky. Als Fini und Großmama weg waren, setzte er sich mit den Kindern aufs Sofa, um ihnen eine Geschichte vorzulesen, wobei er mittendrin einschlief. „Mama, Rupert ist eingeschlafen“, flüsterte Clemens. Und Margot meinte kichernd: „Ich hab ihn zugedeckt.“ „Er ist müde von der weiten Reise“ erklärte Amanda, „außerdem ist in Australien jetzt Nacht.“ Sie gab den Kindern ihr Abendessen und brachte die beiden Kleinen ins Bett.

Ihr Gast rührte sich den ganzen Abend nicht mehr, saß am nächsten Morgen aber mit der Zeitung am Tisch, als Amanda die Küche betrat, um das Frühstück herzurichten. Es duftete nach Kaffee und im Holzherd brannte bereits ein Feuer. „Na, bist du ausgeschlafen?“, erkundigte sie sich freundlich. Rupert grinste: „ Das nennt man Jetlag aber in zwei, drei Tagen habe ich mich wieder umgestellt.“ Amanda nahm sich eine Tasse Kaffee und setzte sich zu ihrem Schwager. „Hast du schon Pläne?“, fragte sie. Rupert nickte: „Arthur geht in Pension. Er hat mich angerufen und gesagt, dass ich seinen Job beim Land haben kann, wenn ich will. Er würde mich empfehlen. Da hab ich natürlich gleich zugegriffen und ihnen meine Unterlagen geschickt. Wenn alles glatt geht, hast du den neuen Landesgeologen vor dir. Am ersten September kann ich anfangen. Nächste Woche habe ich noch ein Gespräch, aber das ist reine Formsache. Ich hab die besten Qualifikationen und die besten Beziehungen.“ Damit hob er vielsagend die Augenbrauen und Amanda musste lachen. „Das klingt gut, dann kannst du ja wirklich im Land bleiben“, freute sie sich. „Ja“, seufzte Rupert, „ich verdiene zwar nicht halb so viel wie in Australien, aber Kohle ist ein hartes Geschäft und sie zahlen nicht umsonst so gut.“ „Wir sind alle froh, dass du wieder da bist, Rupert“, beteuerte Amanda. Sie trank einen Schluck Kaffee und fragte dann leise: „Hast du schon etwas von Inga gehört?“

Inga war Ruperts Tochter, die er seit fünf Jahren nicht mehr gesehen hatte. Ihrer schwedischen Mutter Svenja war das Sorgerecht für Inga zugesprochen worden und mit einem miesen Trick hatte sie erreicht, dass Rupert kein Besuchsrecht bekam. Rupert versuchte damals verzweifelt, sich gegen diese Ungerechtigkeit zu wehren, jedoch ohne Erfolg. Die Flucht ans andere Ende der Welt und ein harter, fordernder Job waren auch ein Versuch, seinen Schmerz zu betäuben, davon war Amanda überzeugt. Jetzt schüttelte er grimmig den Kopf. „Nein, Svenja lässt nach wie vor keinen Kontakt zu.“ Amanda nickte bekümmert. Sie war Ingas Patentante und war in den vergangenen Jahren an jedem Geburtstag und jedem Weihnachtsfest mit Geschenken vor der Tür gestanden, wo sie von Svenja abgefertigt wurde. Jedes Mal ging sie völlig deprimiert nach Hause, wo Andreas sie tröstete und die Exfrau seines Bruders mit Ausdrücken bedachte, die er sonst nie verwendete. „Ich will versuchen, mich mit Svenja zu einigen. Mit Geld lässt sich vieles machen bei Leuten wie ihr“, sagte Rupert grimmig. „Und wenn es im Guten nicht geht, kann ich mir jetzt einen erstklassigen Anwalt leisten.“ Amanda stimmte ihm zu. Die Chancen, seine Tochter wiederzusehen, standen für Rupert gut.

Anschließend frühstückten sie mit den Kindern und Rupert half Amanda im Stall. „Meine Güte, hab ich das alles vermisst“, seufzte er, als er frisch geduscht wieder in die Küche kam, wo Amanda das Frühstücksgeschirr spülte. „Hast du eine Arbeit für mich?“, erkundigte er sich. „Du kannst das Geschirr abtrocknen“, grinste seine Schwägerin. Rupert verzog das Gesicht: „Diese Art von Arbeit habe ich eigentlich nicht gemeint. Sag nur, du hast noch immer keinen Geschirrspüler?“ „Wie du siehst, spüle ich nach wie vor von Hand.“ „Ich kauf dir einen Geschirrspüler“, meinte Rupert entschlossen und ging auf die Proteste seiner Schwägerin gar nicht ein. Kurze Zeit später hörte sie die Motorsäge. Rupert machte draußen hinter dem Haus Brennholz. Damit war er für die nächste Zeit beschäftigt.

Nach einigen Tagen fühlte es sich schon ganz selbstverständlich an, dass Rupert im oder ums Haus war. Er kaufte den versprochenen Geschirrspüler, was ihn bei seiner Nichte und seinen beiden Neffen noch beliebter machte, und lieh sich Amandas alten Ford-Kombi, um sich nach einem Auto umzusehen. Er kaufte sich einen gebrauchten Suzuki-Geländewagen, da er das Auto auch beruflich brauchte. Das Anstellungsgespräch verlief ohne Probleme und Rupert wurde ab September offiziell neuer Landesgeologe. Auch sein soziales Leben im Dorf hatte Rupert inzwischen wieder aufgenommen, indem er jeden Donnerstagabend zum Fußballtraining der Altherren ging. Dort traf er die Freunde aus seiner Kindheit und Jugend wieder und bald schien es, als wäre er nie weg gewesen.

Steinige Zeiten

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