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I. Kapitel: Autobiographie

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Mit 6 Jahren Radfahrer. — Mein erstes Motordreirad. — Motorenstudien. — Mit 13 Jahren Automobil-Fahrlehrer. — Mechaniker. — Der Wert praktischer Tätigkeit. — In der väterlichen Fabrik. — Nach New York. — Stückarbeiter in einer Nähmaschinenfabrik. — Akkordarbeiter mit 13 Dollar pro Woche. — Vorarbeiter in einer Zeitungsdruckmaschinenfabrik. — An der Riesenhobelmaschine bei Pond in Plainfield. — Feinmechaniker bei Sloan and Chace in Newark. — Rückkehr zum Motor. — Vorsteher einer Automobilgarage und Reparatur-Werkstatt. — Mein erstes Rennen. — Bei Edison. — Mit erspartem Geld nach Westindien. — Rennen mit Christiewagen. — Als Jäger in brasilianischen Wäldern. — Beendigung der Studien in Europa. □


Als Vierjähriger mit dem Vater.

ch war immer ein böser Bub, oder wie man in meiner Heimat auch sagt, ein richtiger Scheuernpurzler, und schon früh schien es, als sollte sich das Wort meines Vaters: „Meine Buben müssen einmal junge Teufel im freien Feld fangen“ an mir am ehesten erfüllen.

Zu meinem sechsten Geburtstag bekam ich mein erstes Fahrrad, und damit ging mir ein heftiger Wunsch in Erfüllung, denn jede Maschine interessierte mich von klein auf, und ich konnte stundenlang meine Nase an Fensterscheiben plattdrücken, um in ein Maschinenhaus hineinsehen zu können. Man musste mich damals oft genug von den Scheiben wegziehen, um meine Gedanken abzulenken. Durch die Tätigkeit meines Vaters als Oberingenieur und Betriebsleiter großer Fabriken hatte ich Gelegenheit, in solchen Betrieben aus und ein zu gehen, und ich erinnere mich, dass ich meinem Vater, der oft Sonntags in der Fabrik zu tun hatte, schon als Sechsjähriger überall im Wege war und ihn durch Fragen belästigte. Und als gar einmal ein nächtlicher Brand ausbrach, sauste ich mit den anderen hinaus und löschte wie ein Erwachsener.

Als ich 12 Jahre alt war, schaffte sich mein Vater eines der ersten Motordreiräder an, das einen 1 ¾ PS de Dion-Bouton-Motor besaß. Mit diesem Wägelchen war auch meine Ruhe ein für allemal dahin. Trotz strengsten Verbotes meines Vaters, das Wunderding zu berühren, schraubte ich die Zündkerze und die Ventile auseinander und wieder zusammen, nachdem ich vorher meinen Vater bei der gleichen Tätigkeit mit Argusaugen beobachtet hatte. Natürlich brachte ich den Motor bei aufgebocktem Rade auch einmal in Gang, wobei mir ein Freund Helfersdienste leistete, denn meine Beine waren viel zu kurz, um die Pedale auszutreten. Oft hatte ich stundenlang zu tun, um den Motor in Gang zu bringen. Eins der Pedale wurde von mir getreten, das andere von meinem Freunde. Es dauerte natürlich auch nicht lange, bis ich eines Tages mit dem Rade ohne Wissen meines Vaters in dem großen Velodrom von Gustav Braunbeck in Stuttgart fuhr und um die Pfeiler und den großen Springbrunnen in der Mitte die gefährlichsten Wendungen machte.

Richtig fahren durfte ich das Rad erst nach folgendem Vorfall. Eines Tages äußerte mein Vater: „Wenn ich doch jetzt das Rad da hätte, um einen geschäftlichen Gang zu erledigen.“ Voll Eifer sagte ich: „Soll ich dir das Rad holen?“ Mein Vater, der das für einen Scherz hielt, sagte ironisch: „Ja, du Bengel!“ Ohne ein Wort weiter zu verlieren, verschwand ich, um mir einige Schulkameraden zu holen, die das Rad anschieben mussten, und nach einer halben Stunde stürmte ich voller Freude und Genugtuung in meines Vaters Zimmer und bemerkte mit erzwungener Ruhe: „Du, Vater, das Rad steht unten!“ Die Antwort lautete: „Ach, lass mich in Ruh!“ Als aber meine Schwester zum Fenster ging und rief: „Ja, Vater, das Rad steht wirklich da“, war jeder Zweifel behoben. Jedenfalls freute sich mein Vater nun sehr über diesen Streich und ließ zur Belohnung das Tretpedallager höher setzen; von dem Tage an durfte ich das Rad auch offiziell benutzen. Ich machte mit ihm große Touren, denn polizeiliche Bestimmungen über das Alter gab es damals noch nicht. So war ich der jüngste Motorradfahrer geworden.


Als achtjähriger Radfahrer.

Meine ganze freie Zeit und mein ganzes Denken war nun mit einem Schlage auf den Motor gelenkt, und mit 13 Jahren kannte ich alle damals existierenden Motoren bis auf die letzte Schraube. Ich unterrichtete Herren, die sich in Frankreich Voiturettes kauften, im Fahren und probierte neue Wagen aus. So war ich also schon mit 13 Jahren eine Art Sachverständiger für Motoren und Automobile. Mein junger, aufnahmefähiger Geist war ganz und gar vom Motor erfüllt, und so oft ich aus der Schule kam, warf ich sofort meine Bücher fort und eilte in den Motorschuppen. dass darunter meine Schularbeiten litten, war klar. Oft zog ich mit dem Dreirade morgens los und kam erst spät nachts heim, ohne von mir hören zu lassen und vergaß darüber zuweilen ganz das Essen und die Sorgen meiner Eltern.


Als 13 jähriger Automobilist.

Kurz vor meiner Konfirmation bekam ich Chassis zum Einfahren von einer Fabrik, die Riemenwagen baute. Es dauerte nicht lange, so verstauchte ich mir durch einen Rückschlag des schweren Einzylinders die rechte Hand. Ich fuhr nun den Wagen mit der linken Hand und den Beinen. Kurze Zeit darauf erlitt auch der linke Arm eine Verrenkung, so dass ich mit anderthalb Armen in der Binde eingesegnet werden musste. Später, als mein Vater zu dem Motorrad noch einen Beiwagen anschaffte, durfte ich mit meinem Vater viele Fahrten in den schönen, aber bergigen Gegenden des Bodensees machen. Natürlich zog das Rad bergauf den Anhänger nicht, und so wurde er dann jedesmal abgekoppelt, worauf ich als Leichtgewicht mich in die Höhe hinauftragen ließ, während meinem Vater die weniger dankbare Aufgabe zufiel, den Anhängewagen die Höhen hinaufzuschieben.

Großes Interesse hatte ich für Physik und Chemie, das noch gesteigert wurde, als ich bei meinem damaligen Lehrer, Professor Dr. Kranz, dem jetzigen Leiter der Ballistischen Anstalt an der Technischen Hochschule in Charlottenburg, Versuche für höhere Klassen vorbereiten und ihm bei seinen privaten Experimenten helfen durfte. Ihm verdanke ich es, dass ich während meiner Schulzeit nicht von der theoretischen Arbeit erdrückt wurde, sondern mich auch viel mit praktischen Dingen beschäftigen konnte, denn mein Sinn war von jeher immer aufs Praktische gerichtet, während mich die Theorie wenig befriedigte. Ich hatte sogar meist ein wahres Grauen vor ihr.

Nach meiner Einjährigenprüfung kam ich zu G. F. Grotz, Maschinenfabrik in Bissingen an der Enz, in die Lehre, um das Mechanikerhandwerk zu erlernen. Im Geiste war ich hier bei der Arbeit immer weiter als die Hände zu folgen vermochten. Ich musste zuerst einmal vier Wochen lang feilen. Es war eine harte Zeit für mich, da ich jeden Tag von Stuttgart nach dem 30 km weit entfernten Bietigheim fahren musste, dann noch eine halbe Stunde zu gehen hatte, um die Fabrik zu erreichen. Ich fand die Arbeit mit der Feile in der Hand unnötig, verstehe ihren Wert jedoch heute völlig; denn ich hatte später Gelegenheit, zu beobachten, wie junge Ingenieure, die von der Hochschule kamen, wegen zu geringer praktischer Kenntnisse von den Arbeitern ausgelacht wurden, besonders in den Fabrikationszweigen, in denen mein Vater tätig ist, im Kleinmaschinenbau. Praxis ist die Grundbedingung auch für den späteren Maschineningenieur. Ein Ingenieur, der nicht bei jedem Konstruktionsteil, den er auf dem Brett zeichnet, stets vor Augen hat, wie man diesen Teil am raschesten und am billigsten herstellen kann, wird vielleicht wunderschöne Konstruktionen zeichnen, die nur den einen Fehler haben, dass sie praktisch unausführbar oder doch nur so teuer herzustellen sind, dass sie in der Praxis wertlos sind. Das kann nach meiner Ansicht im Kleinmaschinenbau nur der Mann vermeiden, der selbst an den verschiedensten Werkzeugmaschinen längere Zeit gearbeitet hat und das Werkzeug in allen seinen Verwendungsmöglichkeiten genau kennt.

Mein Vater hatte sich um diese Zeit eine Maschinenfabrik gekauft, und ich sollte in meiner väterlichen Fabrik praktisch weiterarbeiten. Ich stieß jedoch auf große Hindernisse, denn ob wohl, ich nur als Arbeiter in die Fabrik trat, galt ich den anderen doch immer als „der junge Herr“. Wenn der Vater oder der Betriebsleiter nicht anwesend waren, kamen die Meister oft zu mir, um mich zu fragen: „Wie würden Sie dies oder jenes tun“, worauf ich gewöhnlich entgegnete: „Ja, ich würde es so oder so machen", und jedesmal, wenn die Arbeiter es dann falsch machten, hörte ich von meinem Vater: „Wie kannst du denn so etwas angeben!“

Ich selbst war wohl durch mein frühes Automobilfahren, meinen Automobil-Fahrunterricht und meine Kenntnisse auf dem Gebiete der Motoren eingebildet geworden und hatte damals mit meinem gütigen Vater, der uns Kindern gern jeden Wunsch erfüllte, manchen harten Strauß auszufechten. Außerdem war ich immer etwas dickköpfig und verfocht meine gewonnenen Überzeugungen aufs hartnäckigste.

In jedem sportlichen Gebiet, im Spielen und Turnen, war ich immer erster, und ich danke meinen Eltern heute, dass sie mich den richtigen Gebrauch meiner Glieder lehrten; kein Baum war mir zu hoch, und dreistöckige Häuser wurden mit Fingern und Fußspitzen erklettert. Ich war auch ein sehr gewandter Schwimmer. In Schramberg befand sich gleich neben der Schule eine Badeanstalt, und in jeder Pause, seien es auch nur fünf Minuten gewesen, sprang ich schnell einmal ins Wasser, um ein wenig zu schwimmen. Sogar nachts schlief ich häufig in der Badehose. So zogen sich meine Entwicklungsjahre in einem merkwürdigen Zustand dahin. Einesteils neigte ich zur Träumerei und einer nachdenklichen Faulheit, aber dann war mir auch wieder keine Anstrengung zu groß, um irgendein Ziel zu erreichen. Schlimm für mich war, dass mir in vielen Sachen die Ausdauer fehlte, weil ich mit den meisten Dingen, an denen ich mit den Fingern zu arbeiten hatte, sehr bald innerlich fertig war und weil mit dieser geistigen Überwindung mir auch jede Lust schwand, die Sachen mit den Händen auszuführen.

Bald hatte ich Gelegenheit, meinen sehnlichsten Wunsch erfüllt zu sehen und mit einem Geschäftsfreund meines Vaters als Junge von 17 Jahren nach New York zu fahren. Dort bekam ich meine erste Stellung in der Singer-Nähmaschinenfabrik als Stückarbeiter in der Schiffchenabteilung. Ich konnte durch kleine Abänderungen und Verbesserungen an der Maschine mir die Arbeit etwas erleichtern und kam gut vorwärts. Hier verdiente ich oft in zwei Tagen so viel durch Akkordarbeit, als ich in der ganzen Woche höchstens verdienen durfte: 13 Dollar. So hatte ich in der Woche meistens vier Tage übrig und fand nun Gelegenheit, mich in der ganzen Fabrik genau umzusehen und die einzelnen Abteilungen zu studieren. Dann wurde ich der Werkzeugabteilung überwiesen, wo ich für Tagelohn arbeitete.

Sobald ich das Arbeiter-Amerikanisch beherrschte, ging ich weiter und arbeitete in einer großen Fabrik von Druckerpressen, wo ich schon nach 14 Tagen einen „Gang“ unter mir hatte. Ein Gang umfasst vier Arbeiter, deren Vorarbeiter ich war, doch sagte mir die Arbeit an den großen Maschinen wenig zu, auch hatte ich bereits nach kurzer Zeit dort genügend gelernt. Drei Wochen blieb ich dann in der Pond Maschinenfabrik in Plainfield und bediente eine der Riesenhobelmaschinen, um deren Arbeit kennen zu lernen; von dort aus kam ich zu Sloan und Chace in Newark, wo ich drei Monate lang blieb. Dort habe ich wohl am meisten gearbeitet und gelernt, denn diese Fabrik ist bekannt durch ihre außerordentlich genaue Arbeit. Ich machte fast ausschließlich „Niederhaltungsdurchbrüche“. Das sind feine Stanzwerkzeuge, von denen ich drei anfertigte, unter ihnen einen Durchbruch für einen Teil einer Damenuhr. Es sind dies die allerfeinsten Werkzeuge. Die Empfehlungen, die ich von dieser Firma mitbekam, öffneten mir später jede Werkzeugfabrik, und ich konnte in jeder sofort Stellung erhalten.

Wie schwierig die Anforderungen in jener Fabrik sind, erkennt man daraus, dass in jeder Woche von den dort arbeitenden 100 Mann etwa 10 Mann als unbrauchbar wieder entlassen und durch neue ersetzt wurden. Ich konnte mich anfangs nur durch unermüdlichen Fleiß und späteres Können halten, aber noch nie wieder ist mir die Zeit so schnell vergangen wie in dieser Fabrik. Freilich fühlte ich mich durch dies System, nie seiner Stellung sicher sein zu können, an meiner Ehre gepackt, so dass ich mich unter allen Umständen halten wollte.

Obwohl ich seit meiner Trennung von Europa nie einen Pfennig von meinem Vater benötigte, hatte ich mir doch etwas Geld gespart und begab mich wieder nach New York, um mich nach anderer Arbeit umzuschauen. Vor allem erwachte in mir wieder der Drang zum Motor mit aller Macht. Ich fand auch bald in einer Garage als Reparateur Anstellung, es war aber das zu einer Zeit, wo Amerika erst anfing, Automobile zu bauen. Jedenfalls waren alle großen Wagen entweder deutschen oder französischen Ursprungs. Meinen tatsächlichen Motorkenntnissen verdankte ich es, dass ich schon nach vier Tagen Vormann der Garage wurde, um später die ganze Reparaturanstalt zu übernehmen. Ich kam auch sehr viel zum Fahren, und allmählich wurde der Sportmann in mir lebendig, der mich verführte, statt zu lernen, Rennen zu bestreiten.

Sobald der Winter kam, entsann ich mich wieder des eigentlichen Zweckes meines amerikanischen Aufenthaltes, und ich bewarb mich um eine Stellung als Mechaniker bei Edison in Orange. Ich erhielt die Stellung und arbeitete zwei Wochen lang Nachtschicht, wobei ich eine große Fräsmaschine bediente, bis in Edisons Privatlaboratorium eine Stellung als Werkzeugmacher frei wurde. Dort blieb ich einige Monate und hatte Gelegenheit, mit dem großen Erfinder in seinem Privatlaboratorium zu arbeiten. Meine physikalischen und chemischen Kenntnisse erleichterten mir die Arbeit sehr, so dass ich nach zwei Wochen in die Versuchsabteilung kam und dort Versuche über Akkumulatoren, Phonographenwalzen und Blattgoldherstellung machte. Ich bekam dann auch noch den Autopark unterstellt, der die Ladestation der Elektromobile und einige Benzinwagen umfasste.

Von Orange aus machte ich mit einem deutschen Freunde, der geschäftlich in Amerika weilte, einen Ausflug nach Westindien, feierte Weihnachten an Bord und blieb vier Wochen in Kingston auf Jamaika. Dann kehrte ich nach New York zurück, wo ich wieder in das Automobilfach kam, fuhr einige Rennen mit Christiewagen und war dann in verschiedenen Maschinenfabriken im westlichen Amerika, in Pittsburg, Chikago usw., tätig. Die ersten Flüge mit der Taube auf dem Cannstatter Wasen.


Die ersten Flüge mit der Taube auf dem Cannstatter Wasen.

Nach etwa weiteren acht Monaten packte mich ein unwiderstehlicher Abenteurerdrang und ich reiste mit dem Sohn meines damaligen Chefs nach Südamerika, wo ich in den brasilianischen Wäldern von der Büchse lebte. Darauf Rückkehr nach den Vereinigten Staaten. Ich übernahm in Philadelphia in einer chemischen Fabrik den Betrieb und verdiente dort sehr viel Geld.

Auf Drängen meiner Eltern schiffte ich mich kurz vor Weihnachten 1904 in New York ein, um das Fest im Hause meiner Eltern zu verleben. In New York hatte ich mich auch noch während des ersten Jahres meines Aufenthalts beim deutschen Konsul zwecks Regelung meiner Militärlaufbahn vorgestellt und wurde frei vom Militär erklärt, indem man mich dem Landsturm 1. Aufgebots mit Waffen überwies. Auf diese Weise konnte ich das Jahr, das ich sonst als Soldat hätte zubringen müssen, meinen Studien in Amerika widmen.

In der Heimat vollendete ich meine technischen Studien, obwohl es mich eine große Überwindung kostete, wieder die Schulbank zu drücken. Aber auch diese Prüfung, die ich nach Möglichkeit abkürzte, ging vorbei, und ich war dann eine Zeitlang in der väterlichen Fabrik tätig.

Das neue englische Patentgesetz zwang meinen Vater dann, seine patentierten Maschinen in England selbst herzustellen, und ich durfte nach Leicester hinüber, um ein Jahr lang in der neueröffneten Filiale meines Vaters tätig zu sein. Hier in England hörte ich zum ersten Male genaueres vom Fliegen.


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